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Betriebsvereinbarung – Kurzarbeitergeld – gekündigtes Arbeitsverhältnis

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 8 Sa 69/06 – Urteil vom 10.05.2007

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.08.2006 (9 Ca 4/06) abgeändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 3.682,77 brutto abzüglich € 1.561,63 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.01.2006 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 1.867,32 brutto abzüglich € 791,84 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.02.2006 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers für den Zeitraum von September bis Dezember 2005.

Der Kläger war vom 29.04.1991 bis zum 31.12.2005 im Hochbaubereich der Beklagten als Maurer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes kraft Allgemeinverbindlichkeit Anwendung. Der Bruttostundenlohn des Klägers betrug zuletzt € 14,82. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Beklagten vom 28.07.2005, die der Kläger nicht angegriffen hat, zum 31.12.2005.

Die Beklagte schloss mit ihrem Betriebsrat seit dem 01.09.2002 jeweils im Zwei-Monats-Rhythmus Betriebsvereinbarungen zur Einführung bzw. zur Verlängerung von Kurzarbeit. Seit Juni 2004 wurde auch der Hochbaubereich, in dem der Kläger tätig war, in den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarungen einbezogen. Für die Monate Juli und August 2005 wurde keine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit geschlossen. In diesem Zeitraum sprach die Beklagte eine Reihe betriebsbedingte Kündigungen u. a. gegenüber dem Klägers aus.

Mit Schreiben vom 01.09.2005 (Anl. K8, Bl. 62 d. A.) teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass sich der Betriebsrat in seiner Sitzung am 31.08.2005 mit dem Antrag auf Verlängerung der Kurzarbeit bis zum 31.10.2005 befasst und keine Bedenken habe. Unter dem 20.09.2005 unterzeichnete der Betriebsratsvorsitzende eine Betriebsvereinbarung „über die Durchführung der Kurzarbeit für die Abteilung Hochbau (Maurer)“ (Anl. B2, Bl. 52 f d. A.) für den Zeitraum vom 01.09. bis 31.10.2005. In der Einleitung heißt es: „Ziel dieser Vereinbarung ist die Vermeidung von Entlassungen für den gesamten Zeitraum der Kurzarbeitsregelung.“ Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage verwiesen. Unter dem 23.11.2005 schlossen die Betriebsparteien eine weitere Betriebsvereinbarung gleichen Inhalts für den Zeitraum vom 01.11. bis 31.12.2005 (Anl. B3, Bl. 54 f d. A.).

Der Kläger wurde in den Monaten September bis Dezember 2005 nicht im vertraglich vereinbarten Umfang beschäftigt. Die Beklagte brachte in den Gehaltsabrechnungen Kurzarbeitergeld in Höhe der Klageforderung in Abzug. Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bezog der Kläger für diesen Zeitraum nicht.

Mit Schreiben vom 21.11.2005 (Anl. K4, Bl. 13f d. A.), 15.12.2005 (Anl. K7, Bl. 18 d. A.) bzw. 02.02.2006 (Anl. K9, Bl. 30f d. A.) machte der Kläger die Gehaltsdifferenzen für die Monate September / Oktober, November bzw. Dezember 2005 geltend. Die Beklagte lehnte Zahlungen unter Hinweis auf die Betriebsvereinbarungen vom 20.09. bzw. 23.11.2005 ab. Mit seiner am 03.01.2006 erhobenen und am 07.02.2006 erweiterten Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Klage wurde der Beklagten am 10.01.2006 zugestellt, die Klageerweiterung am 09.02.2006.

Der Kläger hat bestritten, dass der Betriebsrat die Zustimmung zu den Betriebsvereinbarungen beschlossen hat, bzw. dass diese Beschlüsse ordnungsgemäß zustande gekommen seien. Für die Betriebsvereinbarung vom 20.09.2005 ergebe sich aus dem Schreiben vom 01.09.2005 dass die erforderliche Zustimmung nicht vorgelegen habe, da lediglich keine Bedenken geäußert worden seien. Zweifelhaft sei im Übrigen, ob die Kurzarbeit, wie Ziffer 3 Abs. 1 der Betriebsvereinbarungen verlange, auf alle Arbeitnehmer im Betriebsteil gleichmäßig verteilt worden sein.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Betriebsvereinbarungen seien nicht vom Mitbestimmungsrecht des § 87 I Nr. 3 BetrVG gedeckt, da die Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten nicht nur für einen vorübergehenden Zeitraum verringert worden seien. Tatsächlich habe es sich um eine dauerhafte Herabsetzung der Arbeitszeit gehandelt, da die jeweils für zwei Monate geschlossenen Vereinbarungen im Zusammenhang zu sehen seien.

Der Kläger hat beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 3.682, 77 brutto abzüglich € 1.561, 63 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.01.2006 zu zahlen.

2) die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 1.867, 32 brutto abzüglich € 791, 84 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe das ordnungsgemäße Zustandekommen der Betriebsvereinbarungen nicht hinreichend bestritten. Die Betriebsvereinbarungen seien von § 87 I Nr. 3 BetrVG gedeckt, da sie jeweils eine Geltungsdauer von zwei Monaten hätten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 81 – 86) Bezug genommen.

Gegen das am 22.08.2006 verkündete und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13.09.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.09.2006 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.12.2006 – am 11.12.2006 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Nach Ziffer 6 der Betriebsvereinbarungen sei eine Verlängerung im Einvernehmen zwischen Arbeitsamt, Geschäftsleitung und Betriebsrat möglich. Für die im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Verlängerungen sei eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nicht erfolgt. Die Betriebsparteien seien sich bei Abschluss der Betriebsvereinbarungen darüber einig gewesen, dass Kurzarbeit nur unter den Voraussetzungen der §§ 169 ff SGB III durchgeführt werden sollte. Der Betriebsrat sei vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen. Der Beklagten sei dem gegenüber bekannt gewesen, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld beim Kläger nicht vorgelegen hätten. Sie habe sich zudem treuwidrig verhalten, indem sie jahrelang mit dem Betriebsrat Vereinbarungen über Kurzarbeit zur Vermeidung von Kündigungen geschlossen und dann eine Lücke von zwei Monaten dazu genutzt habe, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat der Kläger eingeräumt, außer dem Schreiben des Betriebsrats vom 01.09.2005 keine konkreten Anhaltspunkte für ein nicht ordnungsgemäßes Zustandekommen der Betriebsvereinbarungen vortragen zu können. Außerdem hat der Kläger seinen Zinsanspruch bzgl. des Antrags zu 2) auf die Zeit ab dem 10.02.2006 beschränkt und die Berufung im Übrigen zurückgenommen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 3.682, 77 brutto abzüglich € 1.561, 63 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.01.2006 zu zahlen.

2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere € 1.867, 32 brutto abzüglich € 791, 84 netto nebst Zinse in in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.02.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Etwaige Mängel in der Beschlussfassung des Betriebsrats, welche der Kläger im Übrigen nicht hinreichend dargelegt habe, gingen nicht zu ihren Lasten. Die Betriebsvereinbarungen seien nicht treuwidrig und von § 87 I Nr. 3 BetrVG gedeckt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten die für die Monate September bis Dezember 2005 Entgelt in Höhe seiner regelmäßigen Vergütung verlangen. Die Betriebsvereinbarungen vom 20.09. und vom 23.11.2005 sind keine Rechtsgrundlage für die Kürzung der Entgeltansprüche. Im Einzelnen:

I. Der – rechnerisch unstreitige – Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 611, 615 I BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Parteien.

1) Das am 29.04.1991 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien bestand im Zeitraum von September bis Dezember 2005 noch fort. Es ist erst mit dem 31.12.2005 durch die vom Kläger nicht angegriffene fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 28.07.2005 beendet worden.

2) Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, gerät der Arbeitgeber, welcher die Arbeitsleistung während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses nicht annimmt, unter den Voraussetzungen der §§ 293 ff BGB in Annahmeverzug. Gemäß § 615 I BGB muss er in diesem Fall den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers erfüllen, obwohl er die Gegenleistung nicht erhalten hat. Das gilt grundsätzlich auch bei der Anordnung von Kurzarbeit, denn das Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) umfasst nicht die Befugnis, den Umfang von Leistung und Gegenleistung einseitig zu verändern (BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83 – BAGE 47, 314, 320f = NZA 85, 731; Urt. v. 12.10.1994 – 7 AZR 398/93 – NZA 95, 641, zu II 1). Eine wirksame Anordnung von Kurzarbeit mit entsprechender Entgeltminderung ist allerdings auf kollektivrechtlicher Grundlage möglich (BAG v. 12.10.1994, a.a.O.), also durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen.

3) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts rechtfertigen die Betriebsvereinbarungen, welche die Beklagte am 20.09. und am 23.11.2005 mit ihrem Betriebsrat abgeschlossen hat, die Kürzung der Entgeltansprüche des Klägers jedoch nicht. Zwar sind die Betriebsvereinbarungen formal ordnungsgemäß zustande gekommen (1). Es bestehen jedoch erhebliche Bedenken, ob die Vereinbarungen von § 87 I Nr. 3 BetrVG gedeckt sind (b). Dies ist jedoch im Ergebnis ohne Bedeutung, da die Betriebsvereinbarungen jedenfalls auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bereits gekündigt ist, keine Anwendung finden.

a) Im Ergebnis zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass Betriebsvereinbarungen vom 20.09. und vom 23.11.2005 formal ordnungsgemäß zustande gekommen sind.

aa) Dies ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass Mängel im Verfahren des Betriebsrats dessen Risikosphäre zuzurechnen sind. Die Aufteilung in Risikosphären gilt nur im Beteiligungsverfahren nach § 102 BetrVG, nicht jedoch dort, wo ein ordnungsgemäßes Handeln des Betriebsrats Voraussetzung für dessen Zustimmung oder für das Zustandekommen einer Vereinbarung zwischen den Betriebspartnern ist (vgl. BAG v. 23.08.1984 – 2 AZR 391/83 – BAGE 46, 258 = NZA 85, 254 für § 103 BetrVG). Die Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden führt deshalb nur dann zu einer wirksamen Betriebsvereinbarungen, wenn sie durch einen ordnungsgemäß zustande gekommenen Beschluss des Betriebsrats gedeckt ist (BAG v. 15.12.1961 – 1 AZR 207/59 – SAE 63, 13).

bb) Die Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden unter einer Betriebsvereinbarung oder einer Zustimmungserklärung des Betriebsrats begründet jedoch zunächst eine Vermutung dafür, dass sie durch einen entsprechenden Beschluss des Betriebsrats gedeckt ist (BAG v. 17.02.19981 – 1 AZR 290/78 – BAGE 35, 80 = ZIP 81, 642; Urt. v. 24.02.2000 – 8 AZR 180/99 – NZA 00, 1287, zu II 3 b d. Gr.). Zwar kann diese Vermutung jederzeit widerlegt werden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit der Vermutung trägt jedoch derjenige, der das unbefugte Handeln des Betriebsratsvorsitzenden geltend macht (BAG, a.a.O.). Das ist im vorliegenden Fall der Kläger.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Sachvortrag des Klägers insoweit nicht ausreichend. Aus der am 01.09.2005 erfolgten Mitteilung des Betriebsrats an den Arbeitgeber, es bestünden gegen eine Verlängerung der Kurzarbeit keine Bedenken, kann schon vom Wortlaut her nicht geschlossen werden, der Betriebsrat habe der Kurzarbeit nicht zugestimmt. Im Übrigen ist die Betriebsvereinbarung erst drei Wochen später am 20.09.2005 unterzeichnet worden, so dass ausreichend Zeit für den ggf. noch erforderlichen Abschluss des Willensbildungsprozesses des Betriebsrats bestanden hat. Zu der am 23.11.2005 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung fehlt jeglicher Sachvortrag des Klägers, der auf Mängel im Willensbildungsprozess des Betriebsrat schließen lassen könnte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, ihm lägen weitere Anhaltspunkte für Verfahrensmängel des Betriebsrats nicht vor.

b) Zweifelhaft erscheint jedoch, ob die beiden Betriebsvereinbarungen von § 87 I 3 BetrVG gedeckt sind.

§ 87 I 3 BetrVG gibt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei einer vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Soweit aus dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eine Befugnis des Arbeitgebers abgeleitet wird, mit Zustimmung des Betriebsrats in individualrechtliche Rechtspositionen des Arbeitnehmers einzugreifen (vgl. BAG v. 12.10.1994, – 7 AZR 398/93 – NZA 95, 641, zu II 1), kann dies jedenfalls nur in den Grenzen des Mitbestimmungsrechts gelten.

Im vorliegenden Fall bestehen erhebliche Zweifel, ob die Beklagte mit Ihrem Betriebsrat nur eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit vereinbart hat, oder ob es sich – wie der Kläger vermutet – um eine dauerhafte Regelung handelt. Unstreitig haben die Betriebsparteien von September 2002 bis Juni 2005, also über 2 Jahre und 10 Monate, jeweils für die Dauer von zwei Monaten Betriebsvereinbarungen geschlossen, die inhaltlich denjenigen vom 20.09. und 23.11.2005 entsprachen. Jedenfalls seit Juni 2004 betrafen diese Vereinbarungen auch den Bereich Hochbau, in dem der Kläger gearbeitet hat. Nach lediglich zweimonatiger Pause, in der betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen worden sind, sind gleichartige Vereinbarungen wieder für mindestens 4 Monate geschlossen worden. Nach Auffassung der Kammer begründet die Anzahl von Wiederholungen die Vermutung, dass die Kurzarbeit von Anfang an nicht nur für zwei Monate geplant war. Ein weiteres Indiz dafür stellt die in Ziffer 6 der Vereinbarungen bereits vereinbarte Verlängerungsoption dar. Die Beklagte hätte diese Vermutung nur widerlegen können, indem sie zur betrieblichen Situation und ihren Prognosen bei Abschluss der jeweiligen Betriebsvereinbarungen konkret vorgetragen hätte. Im vorliegenden Fall konnte auf Feststellungen zu dieser Frage verzichtet werden, weil es darauf im Ergebnis nicht ankommt.

c) Die Betriebsvereinbarungen vom 20.09. und vom 23.11.2005 sind nämlich auf den Kläger ohnehin nicht anwendbar, weil sein Arbeitsverhältnis im fraglichen Zeitraum bereits gekündigt war. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Betriebsvereinbarungen.

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres aus § 77 IV 1 BetrVG folgenden Normcharakters wie Gesetze auszulegen (BAG v. 13.12.2005 – 1 AZR 551/04 – AP Nr. 179 zu § 112 BetrVG 1972, Tz 17; Urt. v. 22.07.2003 – 1 AZR 496/02 – BAGReport 03, 334, Tz 13). Auszugehen ist danach vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist darüber hinaus der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der betrieblichen Regelung zu berücksichtigen, sofern sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist außerdem auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall weiterhin Zweifel, können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien zurückgreifen, wie etwa auf die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung in der Praxis. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 13.12.2005, a.a.O.; Urt. v. 12.11.2002 – 1 AZR 632/01 – BAGE 103, 312 = NZA 03, 676, Tz 19).

bb) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Betriebsvereinbarungen auf Arbeitnehmer, die während ihrer Geltungsdauer bereits gekündigt waren, keine Anwendung finden.

Der Wortlaut des Einleitungssatzes ist nicht eindeutig. Dass die Betriebsvereinbarung die Durchführung der Kurzarbeit für die Abteilung Hochbau (Maurer) regeln soll, besagt nicht zwingend, dass Kurzarbeit für alle dort tätigen Arbeitnehmer angeordnet werden soll. Die Frage, für welche Arbeitnehmer Kurzarbeit angeordnet werden kann, ist vielmehr eine Vorfrage.

Für deren Beantwortung kommt es entscheidend auf den Zweck der Betriebsvereinbarung an. Dieser besteht nach Satz 2 der Einleitung darin, Entlassungen für den Zeitraum der Geltung der Kurzarbeiterregelung zu vermeiden. Für Arbeitnehmer, die – wie der Kläger – vor Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung bereits eine betriebsbedingte Kündigung erhalten haben, kann dieser Zweck nicht mehr erreicht werden. Die Verwendung des Begriffs „Kurzarbeit“ in der Betriebsvereinbarung deutet darauf hin, dass die Beteiligten eine Regelung treffen wollten, die an die sozialrechtlichen Regelungen zur Kurzarbeit anknüpft und mit diesen Regelungen zumindest nicht in Widerspruch steht. Nach § 172 I Nr. 3 SGB III kann Kurzarbeitergeld nur derjenige beziehen, dessen Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist. Dies beruht auf dem Zweck der Kurzarbeit, Entlassungen zu vermeiden (vgl. dazu Gagel-Bieback § 172 SGB III Rz 32).

Würde man die Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit auch auf die bereits gekündigten Arbeitnehmer erstrecken, hätte dies zur Folge, dass die noch nicht gekündigten Arbeitnehmer, also diejenigen für die der Zweck der Kurzarbeit noch erreicht werden kann, nach § 169 ff SGB III einen finanziellen Ausgleich erhielten, während die bereits Gekündigten die Gehaltseinbuße selbst tragen müssten, obwohl für sie der Zweck, der mit dieser Gehaltseinbuße erreicht werden soll, nicht mehr erreicht werden kann. Dass die Betriebspartner eine Regelung treffen wollten, die zu derart widersinnigen Ergebnisses führt, kann jedenfalls ohne eindeutige Anhaltspunkte im Wortlaut nicht angenommen werden.

Ziffer 3 Satz 1 der Betriebsvereinbarung, wonach die Kurzarbeit auf alle Arbeitnehmer im Betriebsteil gleichmäßig zu verteilen ist, beinhaltet keine solche Regelung. Der Satz ist vielmehr so zu verstehen, dass eine gleichmäßig Verteilung auf alle Arbeitnehmer vorzunehmen ist, für die die Betriebsvereinbarung gilt. Das sind die bereits gekündigten Arbeitnehmer, welche die Betriebsvereinbarung nicht erwähnt, gerade nicht.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 97 ZPO. Die Rücknahme der Berufung betrifft lediglich Nebenforderungen, durch die keine zusätzlichen Kosten verursacht worden sind.

III. Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Die Berufungskammer folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die rechtlichen Erwägungen, auf denen das Urteil beruht, haben keine grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 72 II Nr. 1 ArbGG.

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