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Fristlose Druckkündigung aufgrund Eigenkündigungsandrohungen von Mitarbeitern

Krisensituation in Kindertagesstätte: Massive Eigenkündigungsdrohungen führen zu fristloser Kündigung

Das Arbeitsgericht Nordhausen hat entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst wurde. Die Entscheidung betrifft eine Leiterin einer Kindertageseinrichtung, gegen die aufgrund von Mitarbeiterbeschwerden und Eigenkündigungsandrohungen gekündigt wurde. Das Gericht stellt fest, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung nicht erfüllt waren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Ca 199/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil

  1. Das Gericht bestätigt, dass sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung der Klägerin unwirksam sind.
  2. Die Klägerin war seit 2002 in der Kindertageseinrichtung beschäftigt und seit 2017 deren Leiterin.
  3. Mitarbeiterbeschwerden über den Führungsstil der Klägerin und Eigenkündigungsandrohungen bildeten die Grundlage für die Kündigungen.
  4. Die Klägerin wurde beschuldigt, Arbeitszeiten nicht einzuhalten, Minusstunden zu verursachen und respektlos gegenüber Mitarbeitern zu sein.
  5. Ein Mediationsverfahren scheiterte und die Klägerin wurde während ihrer Krankheit von der Arbeit freigestellt.
  6. Ein von der Beklagten durchgeführter Fragebogen unter den Mitarbeitern bestätigte weitgehende Ablehnung der Klägerin.
  7. Die Beklagte argumentierte, dass die Kündigungen notwendig waren, um einen größeren Schaden abzuwenden, da viele Mitarbeiter mit Kündigung drohten.
  8. Das Gericht sah die Voraussetzungen für eine wirksame Druckkündigung als nicht erfüllt an und entschied zugunsten der Klägerin.

Ein Blick auf die Druckkündigung im Arbeitsrecht

Bei Konflikten am Arbeitsplatz, die eine Zusammenarbeit nahezu unmöglich machen, weist das Arbeitsrecht Instrumente wie die Druckkündigung auf. Diese spezielle Form der außerordentlichen Kündigung kommt ins Spiel, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber aufgrund von schwerwiegenden Umständen unzumutbar ist. Dabei kann es sich unter anderem um Eskalationen in der Belegschaft handeln, wenn etwa Eigenkündigungsandrohungen durch Mitarbeiter den Betrieb in seiner Existenz gefährden.

Fristlose Druckkündigung aufgrund Eigenkündigungsandrohungen von Mitarbeitern
(Symbolfoto: Lordn /Shutterstock.com)

Die fristlose Kündigung, sei es aus Gründen des Führungsstils, der Arbeitsbedingungen oder anderer schwerer Vorwürfe, steht immer unter genauer gerichtlicher Prüfung. Die Anwendung und Auslegung dieser juristischen Regelungen sind nicht immer einfach. Im Folgenden wird der Blick auf ein konkretes Urteil des ArbG Nordhausen gelenkt, welches Licht auf die Mechanismen und Herausforderungen der Druckkündigung in einem konkreten Arbeitsverhältnis wirft. Bleiben Sie dran, um sich eine fundierte Meinung zu bilden.

Die Ursachen der fristlosen Kündigung in einer Kindertageseinrichtung

Das Arbeitsgericht Nordhausen hat sich mit einem komplexen Fall einer fristlosen Kündigung befasst, die eine Leiterin einer Kindertageseinrichtung betraf. Die Klägerin, seit 2002 in dieser Einrichtung beschäftigt, sah sich mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert. Mitarbeiterbeschwerden über ihren Führungsstil und die Arbeitsbedingungen kulminierten in Eigenkündigungsandrohungen der Kollegen. Diese Beschwerden beinhalteten Anschuldigungen wie Unpünktlichkeit, Missachtung von Arbeitszeiten, respektloses Verhalten gegenüber Mitarbeitern und das Vernachlässigen von Arbeitsaufgaben.

Eskalation und rechtliche Schritte

Aufgrund der anhaltenden Konflikte und der drohenden Eigenkündigungen entschied sich die Beklagte für eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung. Es wurden verschiedene Schritte unternommen, um die Situation zu klären, darunter Supervisionen, ein Team-Workshop und ein Mediationsverfahren. Trotz dieser Bemühungen eskalierte die Lage weiter. Die Klägerin erkrankte und wurde während ihrer Arbeitsunfähigkeit von der Arbeit freigestellt. In dieser Zeit führte die Beklagte eine umfassende Mitarbeiterbefragung durch, um die Vorwürfe gegen die Klägerin zu evaluieren und die allgemeine Stimmung im Team zu erfassen.

Die gerichtliche Auseinandersetzung

Die Klägerin reichte Kündigungsschutzklage ein und bestritt die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Sie argumentierte, dass die Voraussetzungen für eine Druckkündigung nicht erfüllt seien. Die Beklagte ihrerseits rechtfertigte die Kündigung mit der Notwendigkeit, größere Schäden abzuwenden, da viele Mitarbeiter mit Kündigung drohten, was die Erbringung der gesetzlich geforderten Kinderbetreuung gefährdet hätte.

Urteil und Begründung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht Nordhausen gab der Klägerin recht und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung beendet worden sei. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass keine konkreten Pflichtverletzungen der Klägerin vorlagen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden. Ferner seien die Bedingungen einer echten Druckkündigung nicht erfüllt, da die Beklagte sich nicht ausreichend schützend vor die Klägerin gestellt habe und mildere Mittel wie eine Änderungskündigung nicht in Erwägung gezogen wurden. Zudem wurde die Beklagte verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil unterstreicht die Komplexität arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen, insbesondere wenn es um Kündigungen aufgrund von Mitarbeiterdruck geht. Es zeigt, dass Arbeitgeber umfassende und faire Verfahren zur Konfliktlösung einleiten müssen, bevor sie zu so drastischen Maßnahmen wie einer Kündigung greifen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Wie wird der Begriff Druckkündigung definiert und welche besonderen Anforderungen sind an ihre Zulässigkeit geknüpft?

Eine Druckkündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, weil er sich dem Druck von Dritten, wie Kunden oder der Belegschaft, beugt. Dies geschieht, obwohl der Arbeitgeber ursprünglich keine Kündigung beabsichtigt hatte. Die Druckkündigung ist eine Form der betriebsbedingten Kündigung und wird nur in engen Grenzen zugelassen.

Es gibt strenge Anforderungen an die Zulässigkeit einer Druckkündigung. Zunächst muss der Arbeitgeber sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen und versuchen, den Druck abzuwehren. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewehrt werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Die Kündigung muss das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um die Schäden abzuwenden.

Es wird zwischen einer „echten“ und einer „unechten“ Druckkündigung unterschieden. Bei einer echten Druckkündigung ist der Druck von Dritten der einzige Kündigungsgrund, während bei einer unechten Druckkündigung neben dem Druck von Dritten weitere Kündigungsgründe vorliegen.

Eine Druckkündigung ist jedoch nicht zulässig, wenn der Arbeitgeber selbst die Situation geschaffen hat. Darüber hinaus ist das bloße Verlangen eines Dritten, einem bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen, nicht ohne weiteres geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen.

Es ist auch zu beachten, dass der Arbeitgeber aufgrund der Fürsorgepflicht verpflichtet ist, erkennbar unangemessenen und ungerechtfertigten Forderungen einen zumutbaren Widerstand entgegenzusetzen.


Das vorliegende Urteil

ArbG Nordhausen – Az.: 2 Ca 199/22 – Urteil vom 13.07.2022

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung, noch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 14.03.2022 beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den im Arbeitsvertrag vom 17.04.2002 vereinbarten Arbeitsbedingen in der Fassung des Änderungsvertrages vom 19.09.2016 als Leiterin der Kindertageseinrichtung „…“ der Stadt B… mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit 40 Stunden und unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe S17 Stufe 6 TVöD bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 27.080,10 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Die am 12.04.1964 geborene, verheiratete und einem volljährigen behindertem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin begründete mit der Beklagten, bei der regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sind und ein Personalrat gebildet ist, mit Wirkung ab dem 01.05.2002 ein Arbeitsverhältnis. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag des Öffentlichen Diensten und dem besonderen Teil Verwaltung und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin war zunächst als Heilpädagogin und ab 2007 als Erzieherin für die Beklagte tätig. Seit dem 01.01.2017 ist die Klägerin Leiterin der Kindertageseinrichtung „…“ in B…. In der Kindertageseinrichtung arbeiten 16 Erzieher/innen, ein Hausmeister und eine technische Kraft. Die Klägerin ist zuletzt in die Entgeltgruppe S 17 eingruppiert und erzielt ein Bruttogehalt von 5.416,02 EUR monatlich.

Im Jahr 2018 gab es in der Kindertageseinrichtung „…“ sog. Supervisionen, die die Teambildung fördern sollten. Dabei gab es am 16.01.2018, 25.04.2018 und 20.06.2018 sog. Gruppenvisionen sowie zusätzlich eine Einzelvision mit der Klägerin.

Im September 2021 beschwerten sich Mitarbeiter/innen beim Bürgermeister der Beklagten hinsichtlich des Führungsstils der Klägerin und des Umganges mit den Mitarbeiter/innen. Die Beschwerde gelangte am 14.09.2021 zum Bürgermeister. Gegenstand der Beschwerden waren u.a., dass die Klägerin zu spät komme, sich nicht an Arbeitszeiten halte, keine Arbeitszeitnachweise führen und private Dinge während der Arbeit erledigen würde; beim Urlaub bestünde die Klägerin auf starre Urlaubsplanung, würde sich selbst aber nicht daran halte. Ebenso beschwerten sich die Mitarbeiter/innen, dass die Klägerin sie ohne Respekt und von oben herab behandeln würde, keine Selbstreflexion hinsichtlich eigener Fehler habe, Anrufe bei kranken Kolleg/innen zu Hause tätigen würde und Vorschläge der Mitarbeiter/innen generell abgelehnt würden und dass die Mitarbeiter/innen grundsätzlich ohne dienstliche Notwendigkeit Minusstunden leisten müssten und das Zurückführen der Minusstunden durch die Klägerin erschwert würde.

Am 22.09.2021 fand zwischen der Klägerin, zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten, dem Hauptamtsleiter, der zuständigen Mitarbeiterin aus dem Bereich Soziales, Frau R…, der Stellvertreterin der Klägerin und einem Mitglied des Personalrates ein Gespräch statt. Gegenstand des Gespräches waren insbesondere die Minusstunden der Mitarbeiter/innen und die Nichterbringung von Gruppenarbeit durch die Klägerin.

Am 11.11.2021 gab es einen Team- Workshop. Ziel des Workshops war die Erarbeitung einer Struktur und Regeln für die künftige Zusammenarbeit.

Einen weiteren Termin eines Mediationsverfahrens, das von einer Mitarbeiterin des Landratsamtes K…, Frau V…, durchgeführt wurde fand am 17.01.2022 statt. Der Termin wurde nach einer halben Stunde abgebrochen. Die Kläger erkrankte ab dem 18.01.2022 arbeitsunfähig. Während der andauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin stellte die Beklagte die Klägerin unter Fortbezahlung der Vergütung frei.

Die Beklagte entwarf im Folgenden einen Fragebogen für sämtliche Mitarbeiter/innen der Kindertageseinrichtung „…“. Der Fragebogen beinhaltete folgende Fragen:

„(…)

In Anbetracht der vorangegangenen Konflikte möchten wir Sie bitten das Fehlverhalten von Frau Sch…  zu benennen.

Wir bitten Sie aufzuführen, ob Sie sich eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Frau Sch…. vorstellen können. Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung.

Können Sie sich vorstellen, Frau Sch…. beim Abstellen von Fehlern in der Einrichtungsleitung zu unterstützen?

Was würde es für Sie und Ihre berufliche Zukunft bedeuten, wenn Frau Sch…. erneut die Möglichkeit bekommen würde, Mängel in der Einrichtungsleitung abzustellen?

Hiermit versichern wird Ihnen, dass wir Ihre Angaben vertraulich behandeln.

(…).““

Die Beklagte hörte den Personalrat mit Schreiben vom 10.03.2022 zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin an (s. Bl. 95 d.A.). Der Personalrat stimmte mit Schreiben vom 11.03.2022 einer „fristlosen, fristrechten Kündigung“ zu (Bl. 124 d.A.). Mit Schreiben vom 14.03.2022 kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt (s. Anlage K17, Bl. 27 d.A.).

Die Klägerin erhob unter dem 17.03.2022, bei Gericht am 18.03.2022 eingegangen und der Beklagten am 28.03.2022 zugestellt, Kündigungsschutzklage mit welcher sie zugleich ihre vorläufige Weiterbeschäftigung und ein Zwischen,- hilfsweise ein Endzeugnis begehrt. Die weiteren Anträge (allg. Feststellungsantrag und ein Antrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG) hat die Klägerin im Kammertermin am 13.07.2022 zurückgenommen.

Die Klägerin meint, es bestehe kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Die hohen Voraussetzungen einer sog. Druckkündigung lägen nicht vor. Hintergrund der Beschwerde im September 2021 sind aus Sicht der Klägerin die aufgrund der Corona-Pandemie angefallenen Minusstunden, durch die die Einrichtung im Dezember 2020/ Januar 2021 geschlossen werden musste. Bei einer befristet Beschäftigten Mitarbeiterin habe das dazu geführt, dass diese ihr Arbeitszeitkonto nicht mehr habe ausgleichen können und durch den Bürgermeister angeordnet worden sei, das Arbeitszeitkonto auf „null“ zu setzen. Dies habe erheblichen Unmut bei den anderen Mitarbeiter/innen, deren Arbeitszeitkonto sich noch im Minus befand, geführt. Soweit moniert werde, dass die Klägerin keine Gruppenarbeit erbringe, weist sie daraufhin, dass sie dazu nicht verpflichtet sei, da Kitaleiter/innen nach dem Thüringer Kita- Gesetz ab einer Kindergartengröße von 100 Kindern davon befreit seien.

Der Fragebogen der Beklagten habe allein die Zielrichtung gehabt, Fehlverhalten der Klägerin zu suchen und sie schlussendlich zu entlassen.

Die Klägerin bestreitet ferner die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates und moniert, dass die Kündigung unter Verstoß gegen § 29 Abs. 3 Nr. 2 ThürKO bzw. § 21 Abs. 2 Nr.3 der Geschäftsordnung des Stadtrates erfolgt sei.

Die Klägerin beantragt:

1. a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.03.2022- zugegangen am 15.03.2022- nicht beendet worden ist

b) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.03.2022- zugegangen am 15.03.2022- nicht aufgelöst worden ist

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

Hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag 1) abgewiesen wird:

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den im Arbeitsvertrag vom 17.04.2002 vereinbarten Arbeitsbedingen in der Fassung des Änderungsvertrages vom 19.09.2016 als Leiterin der Kindertageseinrichtung „…“ der Stadt B… mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit 40 Stunden und unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe S17 Stufe 6 TVöD bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte führt aus, es handele sich um eine außerordentliche Kündigung, die aufgrund des Druckes der Kolleg/innen der Klägerin ausgesprochen worden sei. Hintergrund sei, dass sich ein erheblicher Teil der Mitarbeiter/innen weigere weiterhin mit der Klägerin zusammenzuarbeiten und mit einer Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses gedroht hätten. Seit der Übernahme der Kindergartenleitung durch die Klägerin 2017 sei es zu Beschwerden der der Klägerin unterstellten Mitarbeiter/innen wegen ihres Führungsstils gekommen.

Die Supervisionen im Jahr 2018 seien auf Veranlassung Beklagten erfolgt. Die Klägerin habe die zweite Gruppenvision 2018 vorzeitig verlassen und an der dritten Supervision 2018 nicht teilgenommen. Die Beklagte behauptet, es habe auch im Jahr 2020 Unstimmigkeiten und Aktenvermerke gegeben, insbesondere betreffend der Zusammenarbeit der Klägerin mit ihrer Stellvertreterin, Frau M…. und den Erziehern des Standortes „…“ gegeben, die zu Gesprächen in den 39. und 41. Kalenderwoche 2020 geführt hätten.

Die Beklagte behauptet weiterhin, die Klägerin habe im Anschluss an das Gespräch vom 22.09.2022 die ihr unterstellten Mitarbeiter/innen einzeln in ihr Büro geordert und über mehrere Stunden zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen befragt. Zudem behauptet sie, dass sich am 01.10.2021 die Elternsprecherin der Einrichtung bei Frau R… beschwert und kommuniziert habe, dass die Elternarbeit mangelhaft sei und die Klägerin ihre Aufgaben als Leiterin offensichtlich nicht wahrnehmen würde.

Den Team- Workshop am 11.11.2021 habe die Klägerin nicht initiiert, sie habe lediglich die Organisation übernommen. Am 16.12.2021 hätten sich mehrere Erzieher/innen der Kindertagesstätte „…“ beim Bürgermeister der Beklagten beschwert und berichtet, dass die Festlegungen des Team- Workshops durch die Klägerin nicht umgesetzt worden seien.

Im Rahmen des Meditationstermins am 17.01.2022 habe der überwiegende Teil der Mitarbeiter/innen mitgeteilt, mit der Klägerin nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen. Nach dem Termin sei kaum ein Tag vergangen, an dem die Beschäftigen der Kindertageseinrichtung nicht mitteilt hätten große Angst vor der bevorstehenden Rückkehr der Klägerin zu haben und Eigenkündigungsandrohungen der Mitarbeiter/innen erfolgt seien. Die Beklagte habe, um die Situation in der Kindertageseinrichtung „Sonnenschein“ und die Ablehnung der Klägerin konkret einschätzen zu können, die Fragebogenaktion durchgeführt. Die Auswertung der Fragebögen habe folgendes Bild ergeben: Eine Mitarbeiterin habe bekundet keine Schwierigkeiten mit der Klägerin zu haben und weiter mit ihr zusammenarbeiten zu können. Acht Mitarbeiter/innen hätten bekundet, dass das Verhältnis zwischen der Klägerin und ihnen extrem gestört sei und sie mit dieser nicht mehr zusammenarbeiten wollten. Eine Mitarbeiterin habe ausgeführt, dass sie bei einem Verbleib der Klägerin ein Wiederaufleben ihrer Erkrankung befürchte, sie aber versuchen würde ihre Arbeit zu machen. Neun Mitarbeiter/innen hätten von einem extrem gestörten Verhältnis zur Klägerin berichtet, so dass die Zusammenarbeit nicht mehr tragbar sei. Von diesen neun Mitarbeiter/innen hätten acht angegeben, für den Fall, dass die Klägerin in der Einrichtung verbleibe, eine Eigenkündigung einzureichen. Es in einem Fall bereits eine Bewerbung erfolgt.

Der Beklagten drohten durch die angedrohten Kündigungen erhebliche Schäden, da sie im Falle der Kündigung von mehr als acht Arbeitnehmer/innen nicht mehr in der Lage sei, den gesetzlichen Anspruch der Bürger auf eine Kinderbetreuung ab dem vollendeten 1. Lebensjahr bis zum Schuleintritt, zu gewährleisten. So drohten Schadenersatzansprüche der Eltern, deren Kinder nicht mehr betreut werden könnten. Eine Versetzung der Klägerin in eine andere Einrichtung sei nicht möglich, da die Leiterinnenstellen in anderen Kitas nicht gleich bewertet seien. Zudem verschöben sich die Probleme lediglich in einen anderen Kindergarten. Eine Verhaltensänderung wäre nicht zu erwarten, wie die erfolglose Durchführung von Supervisionen, Gesprächen, Mediationsverfahren gezeigt hätten.

Dem Bürgermeister der Beklagten hätten am 02.03.2022 die Stellungnahmen aller Mitarbeiter/innen vorgelegen, daher sei Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen.

Der Personalrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Sozialdaten der Klägerin seien dem Personalrat bekannt, zudem sei der Personalrat bei Übergabe des Anhörungsschreibens darüber informiert worden, dass die Kündigung hilfsweise ordentlich ausgesprochen werden solle.

Ein Verstoß gegen § 29 Abs. 3 Nr. 2 ThürKO oder § 21 Abs. 2 Nr. 3 der Geschäftsordnung des Stadtrates läge nicht vor. Es sei eine Eilentscheidung nach § 30 ThürKO getroffen worden, um die Kündigungsausspruchsfrist wahren zu können.

Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

1. Der die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 14.03.2022 betreffende Feststellungsantrag ist begründet, weil diese Kündigung unwirksam ist.

a) Die Wirksamkeit der Kündigung wird nicht gem. §§ 7 Hs. 1, 4 S. 1, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG vermutet, weil die Klägerin rechtzeitig innerhalb der 3-Wochen-Frist Klage erhoben hat.

b) Es liegt kein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung vom 14.03.2022 vor. Ebenso liegt kein Kündigungsgrund iSd § 1 Abs. 2 KSchG vor.

aa) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Konkrete Pflichtverletzungen, die auch ohne Ausspruch einer vorherigen Abmahnung, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, hat die Beklagte nicht dargelegt und sich auch nicht darauf berufen.

bb) Gleichermaßen hat die Beklagte keinen verhaltens- oder personenbedingten Grund iSd § 1 Abs. 2 KSchG aufgezeigt oder sich auf einen solchen berufen.

cc) Auch die Voraussetzungen einer sog. echten (außerordentlichen) Druckkündigung liegen nicht vor. Eine Druckkündigung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Fehlt an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung (d.h. es liegt kein Grund iSd § 626 BGB vor bzw. im Rahmen ordentlicher Kündigung kein Kündigungsgrund iSd § 1 Abs. 2 KSchG), so kommt nach der Rechtsprechung des BAG eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An die Zulässigkeit einer so genannten „echten Druckkündigung“ sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich in diesem Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat (vgl. BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 420/12).

Die Beklagte hat keinen Versuch unternommen sich nach den Eigenkündigungsdrohungen schützend vor die Klägerin zu stellen. Das Gegenteil ist der Fall: Nachdem das Mediationsgespräch am 17.01.2022 abgebrochen werden musste und anschließend eine nicht näher benannte Anzahl an Mitarbeiter/innen Eigenkündigungen angedroht haben sollen, hat die Beklagte eine suggestive Fragen beinhaltende Umfrage mit sämtlichen Mitarbeiter/innen durchgeführt. Die Mitarbeiter/innen sind mit dem Fragebogen aufgefordert worden das Fehlverhalten der Klägerin aufzuzeigen, ebenso ging es um die Frage der Zukunft der Klägerin in der Einrichtung, die Möglichkeiten ihrer Unterstützung und was es für ihre berufliche Zukunft bedeuten würde, wenn die Klägerin erneut die Möglichkeit bekommen würde, Mängel in der Einrichtungsleitung abzustellen. Die Fragerichtung war damit nicht offen und allgemein auf die Situation in der Einrichtung gerichtet. Aus Sicht der Kammer ist nicht auszuschließen, insbesondere da die Umfrage anonym erfolgte, dass Mitarbeiter/innen erst und nur durch den Fragebogen motiviert wurden, eine Eigenkündigung für den Fall des Verbleibs der Klägerin, anzukündigen, da die Beklagte explizit fragte, was es für die berufliche Zukunft des Mitarbeiters bedeuten würde, wenn die Klägerin die Möglichkeit bekäme, Mängel als Einrichtungsleiterin zu beseitigen, mithin in der Einrichtung verbleiben würde. Ob eine gleiche Anzahl von Mitarbeitern ohne den Fragebogen eine solche Drohung formuliert hätte, ist zweifelhaft. Jedenfalls aber hat sich die Beklagte weder nach den von ihr behaupteten mündlichen Eigenkündigungsdrohungen nach dem 17.01.2022 noch nach der Frageaktion schützend vor die Klägerin gestellt. Auch die durchgeführten Supervisionen, Gespräche, Mediationen führen zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Die Maßnahmen erfolgten alle bevor es konkrete Eigenkündigungsandrohungen für den Fall des Verbleibes der Klägerin gab. Die Maßnahmen können damit nicht gleichgesetzt werden mit dem von der Rechtsprechung geforderten „schützend vor den Arbeitnehmer“ stellen nach erfolgten Drohungen. Denn erst ab Ausspruch der Eigenkündigungsdrohungen kann dem Grunde nach eine innerbetriebliche Ursache bestanden haben, die die Kündigung als betriebsbedingten Kündigungsgrund hätten rechtfertigen können.

Weiterhin vermag die Kammer nicht erkennen, dass es außer der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung kein milderes Mittel gegeben hat, um Schaden von der Beklagten durch Eigenkündigungen von Mitarbeiter/innen abzuwenden. Auch wenn eine Versetzung der Klägerin als Kitaleiterin in eine andere Einrichtung rechtlich nicht möglich sein sollte, wie die Beklagte ausführt, so hätte sie als milderes Mittel gegenüber der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Beendigungskündigung eine Änderungskündigung aussprechen können. Dies gilt auch, wenn man die Befürchtung der Beklagten, die Klägerin könne aufgrund ihres Führungsstils auch in anderen Einrichtungen nicht als Kita- Leiterin arbeiten, als richtig unterstellt. Denn in diesem Fall hätte die Möglichkeit einer Änderungskündigung mit dem Ziel die Klägerin wieder als Erzieherin einzusetzen, bestanden, insbesondere da die Klägerin zuvor über 15 Jahre als Heilpädagogin und sodann Erzieherin für die Beklagte tätig war und die Probleme erst entstanden sein sollen nachdem die Klägerin Kita-Leiterin wurde. Fehlende freie Arbeitsplätze hat die Beklagte nicht eingewandt.

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Personalrat nach § 78 ThürPersVG ordnungsgemäß beteiligt worden ist, nachdem bereits kein außerordentlicher Kündigungsgrund und keine soziale Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen; auch über den weiter geltend gemachten Unwirksamkeitsgrund (Verstoß gegen § 29 ThürKO) muss nicht entschieden werden.

2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis aufgrund der ausgesprochenen Kündigung. In diesem Fall besteht ein anerkanntes Interesse an der Erteilung eines Zeugnisses auch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.

3. Zudem kann die Klägerin nach Eintritt der innerprozessualen Bedingung, Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag, ihre Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsrechtsstreites verlangen. Der Anspruch ist abzuleiten aus den §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB. Er besteht, wenn ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil ergeht und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Arbeitnehmer nicht weiterzubeschäftigen (BAG, Großer Senat, Beschl.v. 27.02.1985, Az.: GS 1/84). Die Beklagte hat keine besonderen Gründe geltend gemacht, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen würden.

II.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Der Klägerin waren im Hinblick auf die erfolgte Rücknahme des Schleppnetzantrages und eines Antrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG keine Kosten aufzuerlegen, da diesen kein eigener Streitwert zukommt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, § 3 ff ZPO. Für die Kündigungsschutzklage sind drei Bruttomonatsgehälter zu je 5.416,02 EUR angesetzt worden (§ 42 Abs. 2 S. 1 GKG); für den Weiterbeschäftigungsantrag und den Zeugnisantrag kommen jeweils ein weiteres Bruttomonatsgehalt hinzu. Gründe gem. § 64 Abs. 3 ArbGG, die Berufung gesondert des § 64 Abs. 1 Nr. 2 b), c) ArbGG zuzulassen, liegen nicht vor.

 

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