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Kündigung wegen privater Nutzung von Betriebsmitteln

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 4 Sa 158/15, Urteil vom 24.02.2016

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – vom 5.2.2015, Az.: 5 Ca 817/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.11.1984, zuletzt als Niederlassungsleiter beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

Mit Schreiben vom 30.07.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 31.03.2015. Gegen diese Kündigungen richtet sich die vom Kläger am 07.08.2014 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

Kündigung wegen privater Nutzung von Betriebsmitteln
Symbolfoto: Von fizkes /Shutterstock.com

Der Kläger hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, es treffe zu, dass er das Verbringen von 1 – 2 Mulden an Metallschrottabfällen zur Firma D. in Karlsruhe sowie die Entgegennahme von Bargeldauszahlungen der Firma D. für diese Abfälle durch den damaligen stellvertretenden Niederlassungsleiter sowie der Überlassung dieser Gelder an den Betriebsrat zur Organisation von Festlichkeiten für Mitarbeiter genehmigt habe. Er habe jedoch keine Kenntnis von weiteren hohen Bargeldauszahlungen gehabt. Des Weiteren treffe es zu, dass er Betriebsmittel und Mitarbeiter der Beklagten zu privaten Zwecken, nämlich für Abrissarbeiten auf seinem Hausgrundstück sowie für den Abtransport und die Entsorgung von Bauschutt eingesetzt habe. Die private Nutzung von Betriebsmitteln sei im Unternehmen üblich gewesen und von Seiten der Geschäftsleitung auch akzeptiert worden. Es sei auch richtig, dass er Mitarbeiter und Betriebsmittel der Beklagten zur privaten Nutzung auf dem Hof des Großvaters des stellvertretenden Niederlassungsleiters überlassen habe. Zudem habe er auch Mitarbeiter und Betriebsmittel der Beklagten zugunsten des Sportvereins in R., bei dem er als Vorstand fungiere, eingesetzt. Die Gemeinde, in der sich der betreffende Sportverein befinde, gehöre zu einem Landkreis, der Großkunde der Beklagten sei. Es liege daher auf der Hand, dass es sich bei der Zurverfügungstellung von Betriebsmitteln für diesen Verein um eine Werbemaßnahme gehandelt habe.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30.07.2014 nicht aufgelöst worden ist und über den Tag der letzten mündlichen Verhandlung hinaus fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den Ablauf der in der Kündigung genannten Frist und bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Niederlassungsleiter am Standort A-Stadt weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, über die vom Kläger eingeräumten Vorwürfe hinaus habe dieser weitere Schrottlieferungen zur Firma D. im Umfang von ca. 45.000,00 € seit dem Jahr 2010 genehmigt und gefördert. Dies in Kenntnis davon, dass die eingenommenen Gelder unter den Mitarbeitern verteilt worden seien. Zudem habe der Kläger die Entwendung von Autobatterien vom Firmengelände und deren Veräußerung sowie die Verteilung der dabei eingenommenen Gelder unter den Mitarbeitern geduldet. Schließlich habe der Kläger unberechtigte Gehaltszahlungen an seine Ehefrau und an seine Tochter veranlasst, obwohl diese hierfür keine Gegenleistung erbracht hätten.

Zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – vom 05.02.2015 (Bl. 503 – 506 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.02.2015 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 – 12 dieses Urteils (= Bl. 507 – 513 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 09.03.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.03.2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 30.04.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 03.06.2015 begründet.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht nur den vorgetragenen Sachverhalt falsch erfasst, sondern diesen auch rechtlich falsch gewürdigt. Sowohl die streitbefangene außerordentliche Kündigung als auch die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung seien unwirksam. Bei dem von ihm zur Veräußerung genehmigten Metallschrott habe es sich ausschließlich um Eigenschrott der Beklagten gehandelt. Über diesen habe er als Niederlassungsleiter die Verfügungsbefugnis gehabt. Es sei seit Jahrzehnten in der Niederlassung üblich gewesen, Betriebsfeste – zumindest zum Teil – über die Verwertung betriebseigener Schrotte zu finanzieren. Dies sei der Geschäftsleitung bekannt gewesen und von dieser geduldet worden. Man könne ihm – dem Kläger – in diesem Zusammenhang lediglich vorwerfen, den aus der Schrottveräußerung erzielten Gewinn nicht ordnungsgemäß buchhalterisch erfasst zu haben. Im Übrigen sei die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB insoweit versäumt worden, da er (unstreitig) im Rahmen seiner Anhörung vom 14.07.2014 den betreffenden Sachverhalt eingeräumt habe. Auch bezüglich des Vorwurfs des Einsatzes von Mitarbeitern und Betriebsmitteln der Beklagten zu privaten Zwecken und zugunsten des Sportvereins R. habe das Arbeitsgericht sein Entlastungsvorbringen nicht ausreichend berücksichtigt. Die private Nutzung von Betriebsmitteln und Mitarbeitern sei im Unternehmen üblich gewesen und auch seitens der Geschäftsleitung akzeptiert worden. Dies sei auch heute noch der Fall. So zeige etwa ein nach Ausspruch der Kündigung aufgenommenes Lichtbild ein Baggerfahrzeug der Beklagten beim Ausheben einer Baugrube für ein privates Einfamilienhaus. Bereits erstinstanzlich habe er die Betriebsüblichkeit der betreffenden Verfahrensweise vorgetragen und unter Beweis gestellt. Er – der Kläger – habe als Niederlassungsleiter die Verfügungsbefugnis über die Betriebsmittel gehabt und sei daher davon ausgegangen, diese in angemessenem Rahmen auch privat einsetzen zu dürfen. Im Zeitraum Spätjahr 2013 / Frühjahr 2014 habe ein Meeting stattgefunden, an dem neben ihm selbst u.a. ein weiterer Niederlassungsleiter sowie ein Mitarbeiter der Geschäftsleitung teilgenommen hätten. Im Zuge des betreffenden Gesprächs sei darüber gesprochen worden, wie man zukünftig mit der Handhabe umgehe, Mitarbeitern Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen. Hierbei habe er geäußert, dass es an seinem Standort üblich sei, den Mitarbeitern kostenlos Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen. Es sei in Aussicht gestellt worden, für die Zukunft eine einheitliche Handhabung zu erarbeiten. Die derzeitige Handhabung sei jedoch weder missbilligt noch verboten worden. Infolge der Kenntnis der Beklagten von der betreffenden Handhabung sei – auch bezogen auf diesen Vorwurf – die Zweiwochenfrist des § 666 Abs. 2 BGB versäumt. Zumindest sei es der Beklagten zuzumuten gewesen, vor Kündigungsausspruch zunächst eine Abmahnung zu erteilen. Die vorzunehmende Interessenabwägung führe, insbesondere im Hinblick auf seine jahrzehntelange Betriebszugehörigkeit, ebenfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung. Eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung habe die Beklagte vor Kündigungsausspruch nicht durchgeführt. Die Anhörung erweise sich bereits deshalb als unwirksam, weil die Beklagte dem Betriebsrat die Erklärungen, die er – der Kläger – im Rahmen seiner Anhörung gegenüber der Geschäftsleitung – abgegeben habe, nicht mitgeteilt habe. Darüber hinaus habe die Beklagte einen Betriebsrat angehört, dessen Mitglieder zum Teil in die Vorwürfe involviert und daher befangen gewesen seien. Auch dies führe zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 03.06.2015 (Bl. 557 – 571 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und wie folgt zu erkennen:

 

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30.07.2014 nicht aufgelöst worden ist und über den Tag der letzten mündlichen Verhandlung hinaus fortbesteht.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den Tag der letzten mündlichen Verhandlung hinaus fortbesteht.

3. Die Beklagte wird verurteilt den Kläger über den Ablauf der in der Kündigung genannten Frist und bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Niederlassungsleiter am Standort A-Stadt weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 15.09.2015 (Bl. 602 – 614 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

1. Soweit der Kläger mit seinem Berufungsantrag zu 1. nicht nur seine Kündigungsschutzklage weiterverfolgt, sondern auch die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis über den Tag der letzten mündlichen Verhandlung hinaus fortbesteht, so erweist sich dieser Feststellungsantrag als unzulässig. Ihm fehlt das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass zwischen den Parteien über die streitbefangene Kündigung hinaus weitere Tatbestände im Streit stehen, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben könnten. Die gleichen Erwägungen gelten auch bezüglich des Berufungsantrages zu 2. mit der Folge, dass dieser ebenfalls als unzulässig abzuweisen ist.

2. Die im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.07.2014 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Die fristlose Kündigung erweist sich wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sowie in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe als rechtswirksam.

Ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt – ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles – (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d.h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gem. § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

Der Kläger hat unstreitig Betriebsmittel der Beklagten auf seinem Privatgrundstück im Zusammenhang mit der Errichtung eines Eigenheims, d.h. zu privaten Zwecken genutzt und dabei auch Mitarbeiter der Beklagten während derer von der Beklagten vergüteten Arbeitszeiten eingesetzt. Den gleichen Vorwurf trifft den Kläger bezüglich des Einsatzes von Betriebsmitteln und Mitarbeitern der Beklagten bei Arbeiten auf dem Gelände eines Sportvereins, bei dem der Kläger als Vorstand fungiert. Letztlich hat der Kläger auch unstreitig Mitarbeiter und Betriebsmittel der Beklagten einem weiteren Mitarbeiter zur privaten Nutzung überlassen.

Dieses Verhalten des Klägers stellt zweifellos eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, die geeignet ist, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Denn der Kläger hat hierdurch die Vermögensinteressen der Beklagten in erheblicher Weise beschädigt.

Umstände, die das Verhalten des Klägers rechtfertigen oder zumindest in einem milden Licht erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere kann keinesfalls davon ausgegangen werden, die Nutzung von Betriebsmitteln und der Einsatz von Mitarbeitern zu privaten Zwecken sei im Unternehmen der Beklagten üblich gewesen und von Seiten der Geschäftsleitung geduldet worden. Zwar ist der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess auch bezüglich des Nichtvorliegens von Rechtfertigungsgründen und Entschuldigungsgründen beweisbelastet. Es genügt indessen nicht, wenn der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe anführt oder sich auf sonstige, ihn entlastende Umstände beruft. Es bedarf insoweit vielmehr eines substantiierten Vorbringens des Arbeitnehmers. Denn nur dann ist es dem Kündigenden möglich, die Angaben zu überprüfen und – falls sie sich nach seinen Ermittlungen als unrichtig herausstellen – die erforderlichen Beweise anzutreten.

Der Kläger hat – entgegen der von ihm in seiner Berufungsbegründungsschrift vertretenen Ansicht – erstinstanzlich nicht ansatzweise substantiiert Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass die Beklagte in der Vergangenheit die Nutzung von Betriebsmitten und den Einsatz ihrer Mitarbeiter zu privaten Zwecken duldete. Vielmehr hat der Kläger diese Behauptung erstinstanzlich lediglich pauschal erhoben, ohne dabei konkrete Tatsachen vorzutragen, die diese Behauptung belegen könnten. Der Beklagten war damit eine nähere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Klägers nicht möglich. Auch aus dem Sachvortrag des Klägers bezüglich des Gesprächsinhalts im Rahmen eines im Spätjahr 2013 bzw. im Frühjahr 2014 durchgeführten Meetings lässt sich nichts zu seinen Gunsten ableiten. Es kann dahinstehen, ob bei diesem Gespräch – wie vom Kläger behauptet – über die kostenlose Zurverfügungstellung von Betriebsmitteln („in angemessenem Rahmen“) an Mitarbeiter gesprochen wurde. Denn hieraus wird in keiner Weise ersichtlich, dass eine solche Zurverfügungstellung auch ohne vorherige Genehmigung der Geschäftsleitung üblich war. Insbesondere bestehen auch unter Zugrundelegung des Sachvortrages des Klägers keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen des betreffenden Meetings auch über die Möglichkeit bzw. Handhabung gesprochen wurde, Mitarbeiter während ihrer Arbeitszeit und somit auf Kosten der Beklagten zu privaten Zwecken einzusetzen.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf zwei von ihm im Berufungsverfahren vorgelegte Lichtbilder (Bl. 572 f d.A.), auf denen nach seiner Behauptung ein der Beklagten gehörendes Baggerfahrzeug beim Ausheben einer Baugrube für ein privates Einfamilienhaus abgebildet sein soll. Zum einen ist weder vom Kläger vorgetragen noch ansonsten ersichtlich, dass die behauptete Privatnutzung des betreffenden Baggerfahrzeugs mit Duldung der Geschäftsleitung der Beklagten erfolgte. Zum anderen hat die Beklagte unter Vorlage einer Rechnung vom 27.10.2014 (Bl. 615 f d.A.) vorgetragen, dass das betreffende Fahrzeug bereits im Oktober 2014 verkauft wurde und daher wohl im Zeitpunkt der Aufnahme der betreffenden Bilder nicht mehr in ihrem Eigentum stand.

Der Einsatz von Betriebsmitteln und Mitarbeitern der Beklagten auf dem Gelände eines Sportvereins, bei welchem der Kläger als Vorstand fungiert, kann – entgegen der Ansicht des Klägers – keineswegs als Werbemaßnahme qualifiziert werden. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers ist völlig substanzlos, zumal die Durchführung einer Werbemaßnahme und die dabei anfallenden Kosten bereits aus steuerlichen Gründen bei der Beklagten buchhalterisch hätten erfasst werden müssen.

Die Beklagte war nicht gehalten, dem Kläger zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Eine solche ist nämlich jedenfalls dann entbehrlich, wenn es – wie vorliegend – um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar war und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass ein derart gravierendes Fehlverhalten (Inanspruchnahme von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern der Beklagten zu privaten Zwecken), was möglicherweise auch eine strafrechtliche Überprüfung rechtfertigen könnte, von der Beklagten hingenommen wird.

Das Ergebnis der stets vorzunehmenden Interessenabwägung steht der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ebenfalls nicht entgegen. Auch wenn man zugunsten des Klägers dessen sehr lange Beschäftigungsdauer, sein Lebensalter sowie seine sonstigen Sozialdaten berücksichtigt, so überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis noch jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Dies ergibt sich aus der besonderen Schwere des Fehlverhaltens des Klägers, der seine Position als Niederlassungsleiter und die damit verbundenen Befugnisse dazu ausgenutzt hat, sowohl sich selbst als auch dem von ihm geführten Sportverein auf Kosten der Beklagten wirtschaftliche Vorteile zukommen zu lassen. In Anbetracht dessen war der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – auch nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist – nicht zumutbar.

Die Beklagte hat die streitbefangene außerordentliche Kündigung innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen. Ausweislich des von ihr zu den Akten gereichten Gesprächsprotokolls (Bl. 194 ff d.A.) hat der Mitarbeiter K. im Rahmen seiner Anhörung am 22.07.2014 angegeben, dass der Kläger sowohl auf seinem Privatgrundstück als auch auf dem Gelände des von ihm geführten Sportvereins Betriebsmittel und Mitarbeiter zur Durchführung von Arbeiten eingesetzt hat. Erst damit hat die Beklagte sichere Kenntnis von diesem Kündigungsgrund erlangt. Dem Kläger ist das Kündigungsschreiben am 30.07.2014 zugegangen. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist somit gewahrt.

Die Kündigung ist letztlich auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, da die Beklagte den Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört hat. Die Beklagte hat mit Anhörungsschreiben vom 25.07.2014 dem Betriebsrat mitgeteilt, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos zu kündigen. Das betreffende Schreiben enthält sowohl sämtliche Sozialdaten des Klägers als auch eine ausführliche Schilderung der Kündigungsgründe. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte habe es unterlassen, den Betriebsrat vom Inhalt seiner im Rahmen der vorangegangenen Anhörungen abgegebenen Erklärungen bzw. Einlassungen in Kenntnis zu setzen. Dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat waren unstreitig insgesamt 20 Anlagen beigefügt, die insbesondere auch die Protokolle über sämtliche mit dem Kläger im Rahmen seiner Anhörungen geführten Gespräche beinhalteten. Der Betriebsrat war daher umfassend informiert. Soweit der Kläger geltend macht, ein Teil der Betriebsratsmitglieder sei bezüglich der Kündigungssachverhalte selbst involviert und daher befangen, so steht dieser Einwand der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung nicht entgegen. Dies folgt bereits daraus, dass Mängel, die in der Sphäre des Betriebsrats liegen, die Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens nicht berühren, was grundsätzlich auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber weiß oder vermuten kann, dass das Verfahren des Betriebsrats nicht fehlerfrei verlaufen ist. Der Grund dafür liegt darin, dass der Arbeitgeber keine wirksamen rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Beschlussfassung des Betriebsrats hat. Zu den Fehlern, welche die Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens nicht berühren, gehören gerade auch diejenigen Fälle, in denen der Betriebsrat bei Beschlussfassung fehlerhaft besetzt war (vgl. zum Ganzen: KR-Etzel/Rinck, 11. Aufl., § 102 BetrVG Rz. 172 f. m.w.N.a.d.R.).

3. Da die Kündigungsschutzklage demnach abzuweisen ist, erweist sich auch der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzstreits als unbegründet.

III.

Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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