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Kündigungszugang – bei Kündigungsschreiben per Einschreiben mit Rückschein

Kündigung per Einschreiben: Rechtsprechung zu Wirksamkeit und Zustellung

In einem Rechtsstreit um den Zugang einer Kündigung, die per Einschreiben mit Rückschein verschickt wurde, entschied das Landesarbeitsgericht Hamburg (Az.: 5 Sa 61/14), dass die Kündigung dem Kläger nicht wirksam zugegangen ist, da er den Brief nicht erhalten und das Einschreiben nicht bei der Post abgeholt hatte. Das Gericht wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch das zunächst versandte Kündigungsschreiben, sondern erst durch eine spätere Kündigung beendet wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Sa 61/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Landesarbeitsgericht Hamburg entschied, dass eine Kündigung per Einschreiben mit Rückschein dem Empfänger wirksam zugegangen sein muss, um Rechtswirksamkeit zu entfalten.
  • Der Kläger hatte das Einschreiben nicht bei der Post abgeholt; daher galt die Kündigung nicht als zugegangen. Dies führte dazu, dass das Arbeitsverhältnis nicht wie ursprünglich durch die Beklagte intendiert beendet wurde.
  • Erst eine nachfolgende Kündigung, die nicht angefochten wurde, beendete das Arbeitsverhältnis.
  • Der Fall unterstreicht die Bedeutung des wirksamen Zugangs von Kündigungsschreiben und die rechtlichen Anforderungen, die an den Zugangsnachweis gestellt werden.
  • Das Gericht betonte, dass bei Nichtabholung eines Einschreibens durch den Empfänger eine Kündigung nicht als zugestellt gilt, sofern nicht bestimmte, vom Gericht näher definierte Bedingungen erfüllt sind.
  • Die Entscheidung zeigt die Wichtigkeit der korrekten Zustellung von Kündigungsschreiben im Arbeitsrecht und die potenziellen Konsequenzen für Arbeitgeber bei Nichtbeachtung.

Kündigungsschreiben richtig zustellen

Für eine wirksame Kündigung gelten im Arbeitsrecht strenge Formvorschriften. Neben rechtlichen Aspekten wie Kündigungsfrist und Gründen, ist auch der Zugang der Kündigungserklärung entscheidend. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass die Kündigung beim Arbeitnehmer rechtswirksam zugeht.

Ein verbreitetes Mittel ist die Zustellung per Einschreiben mit Rückschein. Doch selbst dann gelten besondere Regeln. Verstreicht die Abholfrist, ohne dass der Arbeitnehmer das Schreiben bei der Post abholt, stellt sich die Frage: Wann ist die Kündigung denn nun wirksam zugegangen?

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➜ Der Fall im Detail


Kündigung per Einschreiben mit Rückschein – eine rechtliche Gratwanderung

Der Streitfall: Im Mittelpunkt des juristischen Disputs steht die Frage, ob das Arbeitsverhältnis eines Bauhelfers mit seinem Arbeitgeber, einer nicht näher benannten Baufirma, rechtswirksam per Einschreiben mit Rückschein gekündigt wurde. Nachdem der Kläger, ein seit September 2013 beschäftigter Bauhelfer, ohne Ankündigung seiner Arbeitsstelle fernblieb, versandte ihm sein Arbeitgeber am 6. Juni 2014 eine Kündigung zum 20. Juni desselben Jahres. Diese Sendung wurde nicht persönlich übergeben, sondern bei der Post hinterlegt und vom Kläger nicht abgeholt.

Die rechtliche Auseinandersetzung beginnt, als der Kläger gegen die Kündigung vorgeht, mit der Begründung, er habe nie einen Benachrichtigungsschein erhalten und sei über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses überrascht gewesen. Sein Ziel ist es, die Fortführung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich feststellen zu lassen, zusätzlich fordert er ausstehende Lohnzahlungen.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg

Die Entscheidung des Gerichts fiel zugunsten des Klägers aus. Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Az.: 5 Sa 61/14) wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg. Die Kündigung wurde dem Kläger nicht wirksam zugestellt, da sie nicht in seinen Machtbereich gelangte. Ein Benachrichtigungsschein ersetzt nicht den Zugang des Kündigungsschreibens selbst.

Die Begründung der Richter stützt sich auf die Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Zustellung von Kündigungen. Eine Kündigung gilt erst dann als zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Da der Kläger das Einschreiben nicht persönlich in Empfang nahm und auch keinen Benachrichtigungsschein vorfand, konnte von einem Zugang der Kündigung nicht ausgegangen werden.

Die rechtlichen Feinheiten des Zustellungsprozesses

Die Rolle des Benachrichtigungsscheins: Ein wesentlicher Punkt in der Argumentation des Gerichts war, dass der bloße Zugang eines Benachrichtigungsscheins nicht ausreicht, um den Zugang eines Kündigungsschreibens zu ersetzen. Das Gericht verwies dabei auf die Notwendigkeit, dass der Empfänger tatsächlich die Möglichkeit haben muss, von dem Inhalt der Sendung Kenntnis zu nehmen.

Die Fiktion des Zugangs: Das Gericht erörterte auch die Umstände, unter denen der Zugang eines Kündigungsschreibens fingiert werden kann. Dazu gehört, dass der Empfänger einen Benachrichtigungsschein erhält, geeignete Vorkehrungen für den Zugang von Erklärungen trifft und der Absender nach nicht erfolgtem Zugang unverzüglich einen erneuten Zustellversuch unternimmt. Da diese Bedingungen nicht erfüllt waren, konnte der Zugang der Kündigung nicht fingiert werden.

Die Bedeutung für die Praxis

Der Fall unterstreicht die Wichtigkeit, dass Arbeitgeber bei der Zustellung von Kündigungen sorgfältig vorgehen müssen. Insbesondere die Wahl des Zustellweges und die Sicherstellung, dass die Kündigung den Empfänger auch tatsächlich erreicht, sind entscheidend für die Wirksamkeit der Kündigung.

Das Urteil zeigt, dass der Versand per Einschreiben mit Rückschein allein nicht ausreicht, um den Zugang einer Kündigung sicherzustellen, wenn der Empfänger die Sendung nicht persönlich entgegennimmt. Die rechtlichen Anforderungen an den Nachweis des Zugangs sind streng, und die Nichtbeachtung kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was muss bei der Zustellung einer Kündigung per Einschreiben mit Rückschein beachtet werden?

Bei der Zustellung einer Kündigung per Einschreiben mit Rückschein müssen mehrere Aspekte beachtet werden, um die Wirksamkeit der Kündigung sicherzustellen:

  • Zugang der Kündigung: Eine Kündigung wird rechtlich erst wirksam, wenn sie dem Empfänger tatsächlich zugegangen ist. Der Zugang ist ein entscheidender Faktor, da er den Beginn der Kündigungsfrist und eventuelle Fristen für eine Kündigungsschutzklage bestimmt.
  • Beweis des Zugangs: Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für den Zugang der Kündigung. Bei einem Einschreiben mit Rückschein wird der Zugang durch die Unterschrift des Empfängers auf dem Rückschein dokumentiert. Wird der Empfänger nicht angetroffen, erhält er einen Benachrichtigungsschein und muss das Einschreiben bei der Post abholen. Der Zugang ist erst mit der Unterschrift des Empfängers bewirkt.
  • Problematik der Nichtabholung: Wenn der Empfänger das Einschreiben nicht abholt, gilt die Kündigung grundsätzlich als nicht zugegangen. Es besteht keine Pflicht des Empfängers, das Schreiben abzuholen, und eine Nichtabholung geht zu Lasten des Arbeitgebers.
  • Fristen für die Abholung: Die Deutsche Post AG hält das Einschreiben in der Regel für eine Frist von 7 Werktagen zur Abholung bereit. Wird das Schreiben nicht innerhalb dieser Frist abgeholt, wird es an den Absender zurückgesendet.
  • Risiko der verspäteten Zustellung: Wenn der Empfänger das Schreiben erst spät oder gar nicht abholt, kann dies dazu führen, dass die Kündigung zu spät oder gar nicht wirksam wird. Dies kann insbesondere dann problematisch sein, wenn bestimmte Kündigungsfristen oder Stichtage eingehalten werden müssen.
  • Alternative Zustellmethoden: Aufgrund der genannten Risiken wird empfohlen, andere Zustellmethoden in Betracht zu ziehen, wie beispielsweise die persönliche Übergabe der Kündigung, die Zustellung durch einen Boten oder einen Gerichtsvollzieher, um den Zugang sicherzustellen und zu dokumentieren.
  • Rechtsmissbräuchliche Zugangsvereitelung: Wenn der Empfänger den Zugang der Kündigung bewusst vereitelt, indem er beispielsweise das Einschreiben nicht abholt, kann dies als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden. In einem solchen Fall kann die Kündigung trotzdem als zugegangen gelten.

Zusammenfassend ist die Zustellung einer Kündigung per Einschreiben mit Rückschein mit gewissen Risiken verbunden, insbesondere wenn der Empfänger das Schreiben nicht abholt. Arbeitgeber sollten daher überlegen, ob andere Zustellmethoden geeigneter sind, um den Zugang der Kündigung rechtssicher zu beweisen.

Warum gilt ein Benachrichtigungsschein nicht als Beweis für den Zugang einer Kündigung?

Ein Benachrichtigungsschein gilt nicht als Beweis für den Zugang einer Kündigung, weil er lediglich anzeigt, dass für den Empfänger eine Sendung zur Abholung bei der Post hinterlegt wurde. Der Schein selbst enthält keine Informationen über den Inhalt der Sendung und beweist nicht, dass der Empfänger die Sendung tatsächlich erhalten hat. Für die Wirksamkeit einer Kündigung ist es jedoch erforderlich, dass sie dem Empfänger zugegangen ist, das heißt, dass sie in dessen tatsächliche Verfügungsgewalt gelangt ist und unter normalen Umständen mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

Beim Einschreiben mit Rückschein wird der Zugang des Schreibens erst dann bewirkt, wenn der Empfänger (oder ein empfangsberechtigter Dritter) das Schreiben persönlich entgegennimmt und dies durch seine Unterschrift auf dem Rückschein bestätigt. Wird der Empfänger nicht angetroffen, hinterlässt der Postbote einen Benachrichtigungsschein, der den Empfänger darüber informiert, dass eine Sendung zur Abholung bereitliegt. Der Benachrichtigungsschein selbst beweist jedoch nicht, dass der Empfänger die Kündigung tatsächlich erhalten hat, da er keine Informationen über die Annahme oder den Inhalt der Sendung enthält. Zudem ist der Empfänger nicht verpflichtet, die hinterlegte Sendung abzuholen.

In der Rechtspraxis wird daher empfohlen, Kündigungen auf einem Weg zuzustellen, der den Zugang beim Empfänger sicherstellt und nachweisbar macht. Alternativen können die persönliche Übergabe der Kündigung mit Zeugen, die Zustellung durch einen Boten oder die Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher sein. Diese Methoden bieten einen stärkeren Beweis für den Zugang der Kündigung, da sie dokumentieren können, dass die Kündigung tatsächlich in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und somit die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand.

Welche Konsequenzen hat es, wenn eine Kündigung den Empfänger nicht erreicht?

Wenn eine Kündigung den Empfänger nicht erreicht, hat dies erhebliche Konsequenzen sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer. Die wichtigsten Auswirkungen sind:

  • Fortbestand des Arbeitsverhältnisses: Eine Kündigung wird rechtlich erst wirksam, wenn sie dem Empfänger zugegangen ist. Das bedeutet, dass sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein muss und dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit haben muss, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Erreicht die Kündigung den Empfänger nicht, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen.
  • Lohnansprüche: Da das Arbeitsverhältnis bei Nichtzustellung der Kündigung fortbesteht, hat der Arbeitnehmer weiterhin Anspruch auf seinen Lohn bzw. sein Gehalt, selbst wenn er keine Arbeitsleistung erbringt. Dies kann für den Arbeitgeber zu erheblichen finanziellen Belastungen führen, insbesondere wenn die Nichtzustellung der Kündigung erst spät bemerkt wird.
  • Annahmeverzug des Arbeitgebers: Befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug, weil er davon ausgeht, das Arbeitsverhältnis sei durch eine nicht zugegangene Kündigung beendet, und nimmt er deshalb die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht an, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung (Annahmeverzugslohn).
  • Beweislast beim Arbeitgeber: Im Streitfall trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass die Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Kann er diesen Beweis nicht erbringen, gilt die Kündigung als nicht erfolgt. Dies kann insbesondere in einem Kündigungsschutzprozess relevant werden.
  • Mögliche Unwirksamkeit der Kündigung: Selbst wenn die Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt den Empfänger erreicht, kann sie unwirksam sein, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen zugestellt wurde. Dies ist beispielsweise bei außerordentlichen Kündigungen der Fall, die innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung des Kündigungsgrundes zugestellt werden müssen.
  • Risiko der doppelten Lohnzahlung: Wenn der Arbeitnehmer nach einer vermeintlichen, aber nicht wirksam zugegangenen Kündigung eine neue Stelle antritt und Lohn von einem neuen Arbeitgeber erhält, könnte der ursprüngliche Arbeitgeber im Falle eines Rechtsstreits dazu verpflichtet sein, ebenfalls Lohn nachzuzahlen. Dies kann zu einer doppelten Lohnzahlung führen.

Zusammenfassend hat die Nichtzustellung einer Kündigung weitreichende Konsequenzen, die insbesondere für den Arbeitgeber finanzielle Risiken bergen. Es ist daher im Interesse beider Parteien, für eine rechtssichere Zustellung der Kündigung zu sorgen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt den Zugang von Willenserklärungen. Eine Willenserklärung gilt als zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Im Kontext des Falles relevant, da das Kündigungsschreiben den Empfänger nicht erreichte und somit nicht wirksam wurde.
  • § 623 BGB: Schreibt die Schriftform für Kündigungen vor. Dies ist besonders wichtig im Arbeitsrecht, da Kündigungen ohne die Einhaltung der Schriftform unwirksam sind. Im vorliegenden Fall war die Form gewahrt, jedoch scheiterte die Kündigung am Zugang.
  • § 4 KSchG (Kündigungsschutzgesetz): Legt die Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage fest. Die dreiwöchige Frist beginnt mit dem Zugang der Kündigung. Da im geschilderten Fall der Zugang der Kündigung nicht erfolgte, wurde die Frist nicht in Gang gesetzt.
  • § 7 KSchG: Bestimmt die Wirksamkeit der Kündigung bei Nichterhebung der Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist nach § 4 KSchG. Da im Fall die Frist nicht begann, bleibt die Frage der Wirksamkeit der Kündigung offen.
  • Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) § 64 Abs. 1 und 2: Regelungen zur Zulässigkeit der Berufung gegen Urteile der Arbeitsgerichte. Relevant für den Fall, da die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt hatte, welche jedoch als unbegründet zurückgewiesen wurde.
  • ZPO (Zivilprozessordnung) § 97: Bestimmt die Kostenpflicht bei unterliegender Berufung. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung, was die finanziellen Konsequenzen einer erfolglosen Berufung verdeutlicht.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 5 Sa 61/14 – Urteil vom 08.04.2015

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. August 2014 – 13 Ca 233/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten u.a. um die Frage, ob ihr Arbeitsverhältnis im Juni 2014 endete.

Der am xxx 1984 geborene Kläger war seit dem 1. September 2013 für die Beklagte als Bauhelfer tätig (Arbeitsvertrag vom 14. August 2013 Anl. K 1, Bl. 4 d.A.). Er verdiente ca. € 2.400,- brutto monatlich.

Am 30. Mai 2014 endete der Urlaub des Klägers. Am Montag, dem 2. Juni 2014 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Nachdem er auch an den folgenden Tagen fehlte, übersandte ihm die Beklagte am Freitag, den 6. Juni 2014 per Einschreiben mit Rückschein (Anl. B 1, Bl. 15 d.A.) die fristgemäße Kündigung zum 20. Juni 2014 (Anl. B 2, Bl. 22 d.A.). Der Kläger wurde nicht angetroffen, das Einschreiben bei der Post hinterlegt, dort vom Kläger nicht abgeholt und an die Beklagte, dort eingehend am 20. Juni 2014, zurückgeschickt.

Mitte Juli 2014 erhielt der Kläger die Abrechnung für den Monat Juni 2014 (Anl. K 2, Bl. 6 d.A.) mit einem dort angegebenen Austrittsdatum 20. Juni 2014. Dieses Datum findet sich in der zugleich übersandten Meldebescheinigung zur Sozialversicherung (Anl. K 4, Bl. 8 d.A.).

Mit der am 17. Juni 2014 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger u.a. die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 20. Juni 2014 beendet wurde.

Eine weitere Kündigung wurde von der Beklagten unter dem 3. September 2014 ausgesprochen, die – da nicht angefochten – das Arbeitsverhältnis jedenfalls zum 16. September 2014 beenden würde.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe sich für die Zeit nach seinem Urlaub bei der Beklagten krankgemeldet. Er habe stets seinen Briefkasten geleert. Einen Benachrichtigungsschein habe er nicht vorgefunden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe ihn überrascht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten nicht zum 20. Juni 2014 beendet ist, sondern fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.218,25 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, ihr Polier und seine Kollegen hätten in der Woche ab dem 2. Juni 2014 mehrfach vergeblich versucht, den Kläger telefonisch zu erreichen. Ihr Polier habe den Kläger sogar am 5. Juni 2014 unter seiner Privatanschrift aufgesucht und nicht angetroffen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe sie nicht erhalten. Es sei typisch, dass der Kläger es nicht als notwendig erachtet habe, das Einschreiben abzuholen. Die Beklagte hat die Rechtsauffassung vertreten, der Zugang des Einschreibens mit der Kündigung sei zu fingieren, die Drei-Wochen-Frist zur Klagerhebung daher abgelaufen.

Durch das der Beklagten am 26. September 2014 zugestellte Teilurteil vom 29. August 2014, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die am Montag, 27. Oktober 2014 eingelegte und mit am 25. November 2014 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte wiederholt, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihr nicht vorgelegen habe. Der Kläger habe somit unentschuldigt gefehlt. Er hätte deshalb mit einer arbeitsrechtlichen Maßnahme der Beklagten rechnen müssen. Es sei ein Benachrichtigungsschein bei ihm eingegangen (Beweis: Zeugnis eines instruierten Vertreters der Deutschen Post).

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. August 2014 – 13 Ca 233/14 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines Vorbringens.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Die Berufung ist unbegründet. Die von der Beklagten am 6. Juni 2014 zum 20. Juni 2014 ausgesprochene schriftliche Kündigung hat der Kläger nicht erhalten, ihr Zugang ist nicht zu fingieren, die Drei-Wochen-Frist zur Klageerhebung des § 4 KSchG wurde nicht in Gang gesetzt, die Wirksamkeit der Kündigung folgt deshalb nicht aus § 7 KSchG. Erst die nicht angegriffene Kündigung vom 3. September 2014 beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien.

Im Einzelnen:

1. Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die gemäß § 623 BGB der Schriftform unterliegt. Zugegangen ist eine Willenserklärung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen (BGH 26. November 1997 – VIII ZR 22/97 –, BGHZ 137, 205-211, juris). Das Einschreiben mit Rückschein ist dem Kläger nicht übergeben worden, es ist auch nicht in den Briefkasten des Klägers geworfen worden und damit ist die Kündigungserklärung nicht in seinen Machtbereich gelangt.

Allein der vom Postzusteller gefertigte Benachrichtigungsschein ist nach dem vom Kläger bestrittenen Vortrag der Beklagten zugegangen. Dieser Zettel unterrichtet den Empfänger, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereit liegt. Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibebriefs und lässt den Empfänger im Ungewissen darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegenstand hat. Der Zugang des Benachrichtigungsscheins ersetzt also nicht den Zugang des Einschreibebriefes (BGH 18. Dezember 1970 – IV ZR 52/69 – ; BAG 15. November 1962 – 2 AZR 301/62 – Juris). Anders gesagt: Ein Einschreibebrief ist nicht schon dann zugegangen, wenn der Postbote bei der Zustellung niemanden antrifft, aber einen Benachrichtigungszettel hinterlässt, sondern erst dann, wenn der Brief dem Empfänger oder seinem Bevollmächtigten ausgehändigt wird. Das ist vorliegend nicht der Fall.

2. Der Zugang des Kündigungsschreibens vom 6. Juni 2014 ist auch nicht zu fingieren. Unter bestimmten Umständen kann sich nach der Rechtsprechung des BGH (BGH 26. November 1997 aaO. mwN.) und des BAG (7. November 2002 – 2 AZR 475/01 – mwN. juris) ein Empfänger nach Treu und Glauben auf den verspäteten Zugang des Kündigungsschreibens nicht berufen, wenn er dieses nicht oder nicht zeitnah bei der Postdienststelle abgeholt hat, obwohl ihm ein Benachrichtigungsschreiben der Post zugegangen ist.

Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um drei Umstände, die kumulativ vorliegen müssen, damit die Fiktion eines Zugangs ausgelöst wird (vgl. Mauer Anm. zu BAG 2 AZR 475/01 in BB 2003, 1178):

a. Zunächst muss dem Empfänger überhaupt ein Benachrichtigungsschein im Briefkasten, also in seinem Machtbereich, hinterlassen worden sein. Schon das ist vorliegend im Streit. Der für den Zugang einer Willenserklärung darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten gelingt schon dieser Nachweis nicht. Die von ihr eingereichte Anlage B1, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, enthält keine entsprechende Aussage. Soweit sich die Beklagte auf das Zeugnis eines instruierten Vertreters der Post beruft, ist das kein ordnungsgemäßer Beweisantritt (abgesehen von der hier nur beiläufig zu erwähnenden Frage der Glaubwürdigkeit einer entsprechenden Bekundung). Letztlich kann dies offenbleiben, weil auch die weiteren Voraussetzungen für eine Fiktion nicht erfüllt werden.

b. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG und auch des BGH kann eine Rechtspflicht des Empfängers, geeignete Vorkehrungen für den Zugang von Erklärungen zu treffen, aus der rechtlichen Beziehung zum Absender in Verbindung mit der konkreten Situation abzuleiten sein. Vereitelt der Empfänger in dieser Situation den Zugang, etwa durch unterlassenes oder verspätetes Abholen einer gelagerten Postsendung, so darf er sich nach Treu und Glauben nicht auf den verspäteten Zugang des Kündigungsschreibens berufen. Es bedarf also einer Situation, in der der Arbeitnehmer mit dem baldigen Zugang eines Kündigungsschreibens rechnen muss. Soweit der Arbeitnehmer hingegen keinen konkreten Anlass hat, mit einer Kündigung zu rechnen, wovon im Zweifel auszugehen ist, nutzt die oben genannte Rechtsprechung dem Arbeitgeber nichts. Denn dann verbleibt es gerade bei der allgemeinen Rechtslage, wonach keine Pflicht besteht, Empfangsvorkehrungen zu treffen oder aufgrund von Benachrichtigungsschreiben der Post Schriftstücke bei der Postfiliale abzuholen (Mauer aaO.). Wenn der Kläger wegen einer Erkrankung der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übersandt hat, musste er nicht mit arbeitsrechtlichen Sanktionen auf dem Postwege rechnen und also keine besonderen Vorkehrungen für deren Empfang treffen. Ob die Beklagte auch hinsichtlich dieser streitigen Frage darlegungs- und beweisbelastet bleibt (BAG 03. April 1986 – 2 AZR 258/85 –, juris), kann offenbleiben, denn jedenfalls die dritte kumulativ vorliegende Anforderung an eine Fiktion ist nicht erfüllt.

c. Damit es gerechtfertigt ist, den Adressaten – den Kläger – nach Treu und Glauben so zu behandeln, als habe ihn die infolge seiner Sorgfaltsverletzung nicht zugegangene Willenserklärung doch erreicht, hebt die Rechtsprechung hierfür auch auf das Verhalten der Erklärenden – der Beklagten – ab. Sie kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus ihrer nicht zugegangenen Willenserklärung ihr günstige Rechtsfolgen nur dann ableiten, wenn sie alles Erforderliche und ihr Zumutbare getan hat, damit ihre Erklärung den Adressaten erreichen konnte. Dazu gehört in der Regel, dass sie nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang unverzüglich einen erneuten Versuch unternimmt, ihre Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne weiteres eine Kenntnisnahme ihres Inhalts möglich ist (BAG 3. April 1986 aaO unter II 4 e; BGH 26. November 1997 aaO unter Verweis auf: RGZ 110, 34, 37; BGH, 13. Juni 1952 – I ZR 158/51 – LM BGB § 130 Nr. 1). Dies folgt daraus, dass eine empfangsbedürftige Willenserklärung Rechtsfolgen grundsätzlich erst dann auslöst, wenn sie zugegangen ist. Die weitere Voraussetzung für den Einwand der treuwidrigen Berufung auf den verspäteten Zugang ist damit, dass die Erklärende unverzüglich nach Kenntnis von dem noch nicht erfolgten Zugang erneut eine Zustellung vorgenommen hat (BAG 3. April 1986 aaO, Mauer aaO).

Nachdem die Beklagte am 20. Juni 2014 nach Ablauf der Lagerfrist ihr Einschreiben zurückerhalten hatte, hat sie nicht unverzüglich einen weiteren Zustellversuch unternommen. Eine Fiktion zu ihren Gunsten kann damit nicht erfolgen. Erst im September 2014 kündigte sie erneut, diesmal – zu Recht – per Boten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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