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Nichtteilnahme an Personalgespräch – Abmahnung

ArbG Berlin-Brandenburg, Az.: 6 Sa 2276/14, Urteil vom 17.07.2015

I. Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Oktober 2014 – 37 Ca 2857/14 – abgeändert, soweit festgestellt worden ist, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an Personalgesprächen teilzunehmen, die während der Zeit einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit stattfinden sollen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien jeweils zu 50% zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Nichtteilnahme an Personalgespräch - Abmahnung
Symbolfoto: Von fizkes /Shutterstock.com

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an Personalgesprächen innerhalb von Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger ist seit dem 01.04.2003 bei der Beklagten als Krankenpfleger in Teilzeit beschäftigt. Nach längerer unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit wurde der Kläger ab Juni 2013 befristet bis zum 31.12.2013 als medizinischer Dokumentationsassistent eingesetzt. Ab dem 29.11.2013 erkrankte der Kläger erneut arbeitsunfähig auf längere Dauer.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 02.01.2014 eine Aufforderung der Beklagten vom 18.12.2013 zur Teilnahme eines Personalgespräches zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit abgesagt hatte, lud die Beklagte den Kläger erneut mit Schreiben vom 24.01.2014 zu einem Personalgespräch in den Bereich Personalservice ein. Ausweislich des Einladungsschreibens sollte auch dieses Personalgespräch der Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers dienen. Verbunden war die Einladung mit dem Hinweis, dass, sollte der Kläger diesen Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen können, er verpflichtet sei, „dies mit einem speziellen ärztlichen Attest (für diesen Termin!)“ nachzuweisen. Eine allgemeine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reiche hierfür nicht aus. Auch dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach, sondern ließ durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 07.02.2014 mitteilen, dass im Hinblick auf seine Arbeitsunfähigkeit eine Verpflichtung zur Teilnahme am Personalgespräch nicht erkennbar sei. In der Erwiderung auf dieses Schreiben forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 10.02.2014 erneut zur Teilnahme an dem terminierten Personalgespräch auf.

Da der Kläger auch dieser Aufforderung nicht nachkam, mahnte die Beklagte ihn schließlich mit Schreiben vom 28.02.2014 wegen der Nichtteilnahme an dem Personalgespräch am 11.02.2014 ab.

Der Kläger vertritt die Ansicht, dass er zur Teilnahme an Personalgesprächen während seiner Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet sei. Das Weisungsrecht berechtige die Beklagte nicht, ihn anzuweisen, sich zu einem Personalgespräch an einem von der Arbeitgeberin bestimmten Ort aufzuhalten.

Der Kläger hat beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 18.02.2014 erteilte Abmahnung ersatzlos aus seiner Personalakte zu entfernen und   2. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, an Personalgesprächen teilzunehmen, die während der Zeit einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit stattfinden sollen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die Teilnahme an Personalgesprächen zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gehöre und diese Pflicht auch während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit fortbestehe. Die Arbeitsunfähigkeit mache lediglich die Erfüllung der Hauptleistungspflicht, und damit die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich.  Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 08.10.2014 der Klage stattgegeben. Zwar umfasse das Weisungsrecht auch das Recht des Arbeitgebers nach billigem Ermessen den Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem Personalgespräch anzuweisen, jedoch sei aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers dessen Hauptleistungspflicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, sodass die Beklagte nicht berechtigt war, zu bestimmen, dass der Kläger sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort aufzuhalten habe. Auch wenn den Arbeitnehmer neben der Hauptleistungspflicht noch eine Vielzahl weiterer Pflichten treffe, gingen diese leistungssichernden Verhaltenspflichten nicht so weit, den Ort und die Zeit des Aufenthalts des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers verbindlich festzulegen. Hierfür spreche auch, dass im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit keine Verpflichtung zur Teilnahme an Personalgesprächen bestehe.

Gegen das der Beklagten am 25.11.2014 zugestellte Urteil hat diese mit beim Landesarbeitsgericht am 15.12.2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 23.01.2015 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, dass es sich bei der Verpflichtung zur Teilnahme am Personalgespräch nicht um eine Hauptleistungspflicht, sondern um eine von der Arbeitsunfähigkeit nicht betroffene Nebenpflicht handle. Der Leistungsausschluss bei Arbeitsunfähigkeit wegen Unmöglichkeit nach § 275 BGB lasse allein die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung als Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers entfallen. Auch bestehe keine Vergleichbarkeit zwischen einem Personalgespräch und einem Gespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Dies folge bereits aus dem völlig unterschiedlichen Gegenständen und Inhalten beider Gespräche. Sie habe im Übrigen den Kläger zu einem Gespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements eingeladen, ohne dass dieser darauf reagiert habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlins vom 08.10.2014 – 37 Ca 2857/14 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Auch wenn das Weisungsrecht den Arbeitgeber zur Konkretisierung der Hauptleistungspflicht berechtigte dem Arbeitnehmer bestimmte Aufgaben zuzuweisen und den Ort und die Zeit ihrer Erledigung verbindlich festzulegen erwachse daraus keine Nebenpflicht des Arbeitnehmers, sich während der Arbeitsunfähigkeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten. Soweit die Beklagte auf das Beamtenrecht verweise, treffe den Beamten eine weitergehende Verpflichtung als dem Arbeitnehmer.  Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz werden auf die zwischen diesen gewechselte Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die gemäß den §§ 8Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2b ArbGG statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden im Sinne der §§ 66Abs. 1, 64  Abs.  6  ArbGG, 519, 520Abs. 1 und 3 ZPO.  Die Berufung der Beklagten ist damit zulässig.

II. Die Berufung hat jedoch in der Sache nur insoweit Erfolg, als sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts wendet, dass der Kläger während der Zeit einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit (generell) nicht verpflichtet sei, an Personalgesprächen teilzunehmen.

1. Die Klage ist zulässig.  Zulässig ist insbesondere der Feststellungsantrag zu 2.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dabei muss Gegenstand der Feststellungsklage nicht das Rechtsverhältnis im Ganzen sein, sondern kann sich auch auf einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen beziehen (Zöller/Grieger, ZPO, 29. Auflage, § 256 Rn 3). Vorliegend streiten die Parteien über die Pflicht des Klägers aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis zur Teilnahme an Personalgesprächen und damit über ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO.  Das für den Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn durch eine Entscheidung der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Dies ist vorliegend zu bejahen, da zwischen den Parteien nur die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an Personalgesprächen während seiner Arbeitsunfähigkeit streitig ist und auch damit gerechnet werden kann, dass die Beklagte, sollte dieser Streit im Sinne des Klägers geklärt werden, an eine entsprechende Feststellung hält.  Der Kläger ist auch nicht etwa auf den Vorrang der Leistungsklage zu verweisen, da er in diesem Fall jedes Mal von neuem gegen eine aus dem gleichen Grund erteilte Abmahnung klagen müsste, was den Kläger bereits aus Gründen der Prozessökonomie nicht zumutbar ist (vgl. BAG v. 18.02.2014 – 3 AZR 568/12 –, Rn. 19, juris)

Bei dem Feststellungsantrag handelt es sich um einen Globalantrag, da er einschränkungslos  eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen erfasst. Dieser ist zulässig, jedoch grundsätzlich als insgesamt unbegründet abzuweisen, wenn unter ihn einzelne Sachverhalte fallen, in den sich der Antrag als unbegründet erweist (BAG v. 13.12.2011 – 1 ABR 2/10, NZA 2012, 571).

2. Die Berufung ist lediglich zum Teil erfolgreich.

2.1. Soweit sich die Berufung gegen die Verurteilung zur Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnung vom 18.02.2014 wendet, ist die Berufung unbegründet.

2.1.1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen erhält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitsnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zurecht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG v. 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 – m.w.N., NZA 2013, 91).

2.1.2. Die streitgegenständliche Abmahnung ist zu Unrecht erfolgt und aus diesem Grunde aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht diesbezüglich zur Begründung seiner Entscheidung auf § 84 Abs.  2 SGB IX verwiesen, in dessen Rahmen eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Teilnahme an einem Personalgespräch nicht besteht.

Der Arbeitgeber kann nach § 106 Satz 1 u. 2 GewO gegenüber allen Arbeitnehmern Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Das Weisungsrecht betrifft danach zum einen die Konkretisierung der Hauptleistungspflicht und zum anderen eine nicht abschließend aufzählbare, je nach den Umständen näher zu bestimmende Vielzahl von weiteren Pflichten, deren Erfüllung unumgänglich ist, um den Austausch der Hauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen (BAG v.  23. Juni 2009 – 2 AZR 606/08 –, Rn. 17, NZA 2009, 1011).

Ausweislich der Einladungen der Beklagten zu den Personalgesprächen mit Schreiben 24.01.2014 und vom 18.12.2013 sollte das beabsichtigte Personalgespräch der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers nach Ablauf der befristeten Zuweisung der Tätigkeit eines medizinischen Dokumentationsassistenten dienen. Fragen der Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers stellten sich allein aufgrund dessen Erkrankung. Damit sollte das Personalgespräch dem Austausch der Hauptleistungspflicht und damit einem der Zwecke des § 106 Satz 1 u. 2 GewO dienen. Diesem Zweck dient aber auch das betriebliche Eingliederungsmanagement  nach § 84 Abs. 2 SGB IX. § 84 Abs. 2 SGB IX soll die Voraussetzung für die Enthaltung des Arbeitsplatzes durch Überwindung der Arbeitsunfähigkeit trotz Fortbestand der Krankheit schaffen und, wenn die Krankheit ausgeheilt ist, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorbeugen (vgl. Düwel in: LPK-SGB IX, § 84 Rn 32).

In der Person des Klägers lagen die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX  vor, da der Kläger in dem Kalenderjahr 2013 unstreitig länger als 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt war.

Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bedarf das betriebliche Eingliederungsmanagement der Zustimmung der betroffenen Person und damit der des betroffenen Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist daher im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht verpflichtet sich, an einem Solchen zu beteiligen (BAG v. 24.03.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 992).

Ist der Arbeitnehmer jedoch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht zur Teilnahme an einem Eingliederungsgespräch und damit einem Personalgespräch zu diesem Zweck verpflichtet, so ist er auch berechtigt, der Aufforderung zu einem Personalgespräch das dem gleichen Zweck wie das betriebliche Eingliederungsmanagement dient, fernzubleiben, da eine derartige Verpflichtung ansonsten im Widerspruch zu § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX steht.

Ein solcher Widerspruch wäre auch vorliegend, ohne dass es darauf ankommt, gegeben, da die Aufforderung zum Personalgespräch erfolgte, nachdem der Kläger nach eigenem Vorbringen der Beklagten zuvor einer Einladung zum  betrieblichen Eingliederungsmanagement zulässigerweise nicht nachgekommen ist.

War der Kläger mithin nicht zur Teilnahme an dem Personalgespräch verpflichtet, ist die streitgegenständliche Abmahnung zu Unrecht erteilt worden und deshalb aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

2.2. Unbegründet ist hingegen der mit dem Antrag zu 2 geltend gemachte Globalantrag.

Die Teilnahme als Personalgesprächen gehört als arbeitsvertragliche Nebenpflicht zum Pflichtenkreis des Arbeitnehmers (LAG Hamm v. 23.05.2011 – 14 Sa 497/01, juris; LAG Köln v. 30.03.2009 – 2 Sa 1322/08, juris).

2.2.1. Die Teilnahme an einem Personalgespräch ist dem Arbeitnehmer nicht grundsätzlich infolge einer  Arbeitsunfähigkeit nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich.

Die Arbeitsfähigkeit beurteilt sich nach der vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, wie sie der Arbeitgeber ohne die Arbeitsunfähigkeit als vertragsgemäß annehmen muss. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde (BAG v. 09.04. 2014 – 10 AZR 637/13 –, NZA 2014, 719; ErfK/Reinhard,  EFZG § 3 Rn. 9-13). Beurteilt sich die Arbeitsunfähigkeit nach der vertraglich geschuldeten Leistung, bezieht sie sich auf die ausgeübte Tätigkeit als Hauptleistungspflicht. Dies schließt nicht aus, dass die die Arbeitsunfähigkeit begründende Erkrankung auch einer Teilnahme an einem Personalgespräch entgegensteht, zwingend ist dies jedoch nicht. Wird der Arbeitnehmer durch die Arbeitsunfähigkeit von der Verpflichtung zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung als Hauptleistungspflicht befreit, gilt dies nicht für die weiterbestehenden Nebenpflichten, soweit deren Einhaltung durch die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitnehmer nicht unmöglich sind.

2.2.2. Steht danach die Arbeitsunfähigkeit der Teilnahme an einem Personalgespräch nicht grundsätzlich entgegen, so hat der Arbeitgeber bei einem von ihm verlangten Personalgespräch die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers im Rahmen billigen Ermessens nach § 106 Satz 1 GewO zu berücksichtigen. Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden (ErfK/Preis, GewO § 106 Rn. 4-8).

So kann der Arbeitgeber die Teilnahme an einem Personalgespräch verlangen, wenn dies aus dringenden betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Arbeitsunfähigkeit dem nicht entgegensteht, insbesondere die Genesung des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers dadurch nicht gefährdet ist. Dabei können die Umstände der Arbeitsunfähigkeit es bedingen, dass das Personalgespräch, dass als solches nicht definiert ist und keiner bestimmten Förmlichkeit unterliegt, an einem vom Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner krankheitsbedingten Einschränkungen bestimmten Ort stattfindet oder z.B. auch lediglich telefonisch geführt wird.

2.2.3. Die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Personalgespräch trotz Arbeitsunfähigkeit folgt auch aus der aus §  241 Abs. 2 BGB resultierenden Rücksichtnahmepflicht.

Nach § 241 Abs. 2 ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und die Interessen der jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG v. 02.03.2006 – 2 AZR 53/05 –, Rn. 21, juris). Auch die Rücksichtnahmepflicht kann im Einzelfall die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Personalgespräch bei überwiegenden Interessen des Arbeitgebers hieran trotz einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit begründen. So kann es erforderlich sein, dass der plötzlich erkrankte Arbeitnehmer zur Übergabe seines Arbeitsplatzes oder zur Information über komplexe, nur ihm im Einzelnen bekannte Geschäftsvorgänge den Arbeitgeber im Rahmen eines Personalgesprächs informieren muss.

Kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Kläger unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen trotz einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zur Teilnahme an einem Personalgespräch verpflichtet ist, war der Antrag zu 2 zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus dem § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§  92  Abs. 1 ZPO, 97Abs. 1 und 91 Abs. 1 ZPO. Danach haben die Parteien die Kosten erster und zweiter Instanz entsprechend ihrem jeweiligen Unterliegen und damit hälftig zu tragen.  Nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war die Revision zuzulassen.

 

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