Skip to content

Ordnungsgemäßheit einer Zielvorgabe – Schadensersatz

Zielvorgabe unzulässig – Schadensersatz möglich

Das Urteil des ArbG Hamburg befasst sich mit einem Streit um die Ordnungsgemäßheit einer Zielvorgabe und Schadensersatzforderungen im Arbeitsverhältnis. Der Kläger, ein ehemaliger Development Director, fordert Schadensersatz, da die Beklagte, sein ehemaliger Arbeitgeber, angeblich unangemessene Ziele gesetzt und sein Erreichen dieser Ziele behindert hat. Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 97.000 Euro an den Kläger.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 29 Ca 236/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Streitgegenstand: Der Kläger wirft der Beklagten vor, unangemessene Zielvorgaben gemacht und seine Arbeitsleistung behindert zu haben.
  2. Arbeitsverhältnis: Der Kläger war vom 16. März 2020 bis 31. Dezember 2020 als Development Director für das Ressort Schiffe bei der Beklagten beschäftigt.
  3. Zielvereinbarung: Es gab Unstimmigkeiten bezüglich der Zielvereinbarung zwischen Kläger und Beklagter, insbesondere nach der Probezeit und während der Krankheitszeiten des Klägers.
  4. Konflikt um Versicherungsschutz: Ein wesentlicher Streitpunkt war der Versicherungsschutz der Schiffe.
  5. Arbeitsbedingungen: Der Kläger beklagte unzureichende Arbeitsbedingungen, darunter eingeschränkten Zugriff auf Dokumente und IT-Probleme.
  6. Kündigung und Schadensersatzforderung: Nach verschiedenen Konflikten und einer Eigenkündigung des Klägers forderte dieser Schadensersatz.
  7. Gerichtsurteil: Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 97.000 Euro Schadensersatz an den Kläger.
  8. Festlegung der Ziele: Das Gericht bewertete die Zielsetzungen und das Verhalten der Beklagten als nicht ordnungsgemäß.

Zielvorgaben und Schadensersatz im Arbeitsrecht

Zielvorgabe rechtswidrig - Arbeitnehmer hat Anspruch auf Schadensersatz
(Symbolfoto: Elle Aon /Shutterstock.com)

Das Arbeitsrecht beinhaltet vielfältige Aspekte, die sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber betreffen. Ein zentrales Thema dabei ist die Ordnungsgemäßigkeit von Zielvorgaben in einem Arbeitsverhältnis. Diese Zielsetzungen sind oft ausschlaggebend für die Bewertung der Arbeitsleistung und können bei Nichterfüllung zu Konflikten führen. Insbesondere in Bereichen, wo die Entwicklung innovativer Projekte im Vordergrund steht, wie zum Beispiel im Sektor der Containerschiffe, erlangen solche Zielvorgaben eine hohe Bedeutung. Doch was passiert, wenn Streitigkeiten über die Angemessenheit dieser Vorgaben entstehen? In solchen Fällen kann der Anspruch auf Schadensersatz eine entscheidende Rolle spielen.

In unserem konkreten Fall geht es um genau diese Fragen: die Angemessenheit der Zielvorgaben und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche. Wie bewertet das Gericht die gesetzten Ziele und die Handlungen der beteiligten Parteien? Welche Kriterien sind maßgeblich für die Entscheidung, ob eine Zielvorgabe als ordnungsgemäß angesehen wird? Diese und weitere spannende Aspekte werden im Detail beleuchtet, um ein umfassendes Bild der juristischen Herausforderungen und Lösungsansätze in solchen Arbeitsrechtssituationen zu vermitteln. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt des Arbeitsrechts und erfahren Sie mehr über die entscheidenden Faktoren, die in diesem interessanten Fall zu Tage treten.

Streit um Zielvorgaben und Schadensersatz im Arbeitsverhältnis

Im Mittelpunkt des Falles steht die Ordnungsgemäßigkeit einer Zielvorgabe und daraus resultierende Schadensersatzforderungen im Arbeitsverhältnis. Der Kläger, früher als Development Director für das Ressort Schiffe, inklusive Containerschiffe und Hospitalschiffe, bei der Beklagten beschäftigt, hatte die Aufgabe, ein innovatives Konzept für modulare Hospitalschiffe zu entwickeln. Sein Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung Ende 2020, nachdem es zu mehreren Unstimmigkeiten kam, insbesondere bezüglich der festgelegten Arbeitsziele und der Arbeitsbedingungen.

Konflikte und Kündigung im Arbeitsverhältnis

Die Auseinandersetzung entzündete sich hauptsächlich um die Zielvereinbarungen im Arbeitsvertrag des Klägers. Nach der Probezeit und während seiner Krankheitszeiten gab es Meinungsverschiedenheiten über die ordnungsgemäße Erstellung von Tätigkeitsberichten und die Arbeitsbedingungen, wie eingeschränkten Zugriff auf Dokumente und IT-Probleme. Der Kläger forderte die Beklagte zur Verhandlung über eine Zielvereinbarung auf, was jedoch zu keinem Konsens führte. Schließlich erklärte er die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses und forderte Schadensersatz, da er die von der Beklagten vorgegebenen Ziele nicht erreicht hatte.

Juristische Auseinandersetzung und Urteil des Gerichts

Der Kläger argumentierte, die Beklagte habe weder über eine Zielvereinbarung verhandelt noch Ziele vorgegeben, die billigem Ermessen entsprächen. Zudem habe sie durch ihr Verhalten verhindert, dass der Kläger die Ziele erreichen konnte. Die Beklagte wiederum vertrat die Ansicht, dass ein Anspruch auf Schadensersatz nicht bestehe, da eine Zielvereinbarung nicht zustande kam und sie die Ziele nach billigem Ermessen vorgegeben habe. Das Gericht urteilte schließlich zugunsten des Klägers und sprach ihm einen Schadensersatz in Höhe von 97.000 Euro zu. Das Gericht befand, dass die Zielvorgaben der Beklagten nicht billigem Ermessen entsprachen und der Freiwilligkeitsvorbehalt sowie die Bedingung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses für die Tantiemezahlung unangemessen waren.

Schlussfolgerungen und Bedeutung des Urteils

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung einer fairen und realistischen Zielvereinbarung im Arbeitsverhältnis. Es zeigt auf, dass Arbeitgeber bei der Festlegung von Zielen die Interessen und die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer berücksichtigen müssen. Ebenso verdeutlicht der Fall, dass Klauseln, die eine Tantieme an ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis knüpfen, kritisch zu sehen sind. Dieser Fall liefert wichtige Erkenntnisse für die Praxis des Arbeitsrechts und könnte als Orientierung für ähnliche Fälle in der Zukunft dienen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet die Ordnungsgemäßheit einer Zielvorgabe im Arbeitsrecht?

Die „Ordnungsgemäßheit einer Zielvorgabe“ im Arbeitsrecht bezieht sich auf die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit eine vom Arbeitgeber gesetzte Zielvorgabe als rechtlich korrekt angesehen werden kann. Zielvorgaben sind klare und messbare Ziele oder Leistungsziele, die in einem Unternehmen oder einer Organisation festgelegt werden, um die Leistung der Mitarbeiter zu steuern, zu messen und zu verbessern.

In Deutschland müssen Zielvorgaben bestimmten rechtlichen Kriterien entsprechen. Sie müssen insbesondere im Rahmen des billigen Ermessens des Arbeitgebers liegen, was bedeutet, dass die Ziele erreichbar und angemessen sein müssen. Der Grundsatz des billigen Ermessens, der in § 315 BGB und § 106 GewO verankert ist, verlangt, dass die wesentlichen Umstände des jeweiligen Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen berücksichtigt werden.

Wenn ein Arbeitgeber eine Zielvorgabe festlegt, muss er sich an die Grenzen seines Weisungsrechts halten. Die Ziele sollten so gestaltet sein, dass sie für den Arbeitnehmer erreichbar sind. Sind die Ziele unmöglich zu erreichen, kann dies zu einer Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers führen. Darüber hinaus sollte die Zielerreichungskontrolle transparent und fair sein, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter genau wissen, was von ihnen erwartet wird und wie ihre Leistung bewertet wird.

Zielvorgaben können einseitig durch den Arbeitgeber festgelegt werden, aber es gibt auch die Möglichkeit, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam Zielvereinbarungen treffen. Ein einvernehmlicher Prozess kann einen stärkeren Motivationseffekt haben als einseitige Vorgaben. Versäumt es der Arbeitgeber, eine Zielvorgabe für die jeweilige Bezugsperiode festzulegen oder kommt es zu keiner oder einer unwirksamen Einigung über die zu erreichenden Ziele, kann dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen.

Zusammenfassend ist die Ordnungsgemäßheit einer Zielvorgabe im Arbeitsrecht dann gegeben, wenn die Ziele im Rahmen des billigen Ermessens festgelegt wurden, erreichbar und angemessen sind, und wenn der Prozess der Zielfestlegung und -kontrolle transparent und fair gestaltet ist.

Welche Rolle spielt „billiges Ermessen“ bei der Festsetzung von Arbeitszielen?

„Billiges Ermessen“ spielt eine wichtige Rolle bei der Festsetzung von Arbeitszielen, insbesondere in Bezug auf variable Vergütungsbestandteile wie Boni oder Leistungsprämien. Gemäß § 315 BGB muss eine einseitige Leistungsbestimmung, wie die Festlegung von Arbeitszielen, im Zweifel billigem Ermessen entsprechen.

Das bedeutet, dass der Arbeitgeber bei der Festlegung von Arbeitszielen die wesentlichen Umstände des Falles abwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen muss. Dies schließt auch die Berücksichtigung von privaten Lebensumständen, besonderen Vorlieben, Abneigungen und Kenntnissen der Beschäftigten ein.

In Bezug auf variable Vergütungsbestandteile wie Boni kann der Arbeitgeber diese nach billigem Ermessen festlegen. Allerdings gibt es Grenzen: Der Arbeitgeber kann beispielsweise einen Leistungsbonus bei besonders gewichtigen, außergewöhnlichen Umständen auf „Null“ festsetzen, auch wenn der Arbeitnehmer seine vereinbarten persönlichen Ziele erreicht hat.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Ermessens nicht völlig frei ist. Sein Ermessen wird durch die Betriebsvereinbarung vorgegeben und er muss sich innerhalb der Grenze des „billigen Ermessens“ bewegen.

Wenn der Arbeitgeber seine Ermessensentscheidung trifft, ist immer der Zeitpunkt maßgeblich, in dem er die Entscheidung zu treffen hat. Wenn eine Entscheidung nicht der Billigkeit entspricht, kann die Bestimmung durch ein Urteil getroffen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „billiges Ermessen“ eine wichtige Rolle bei der Festsetzung von Arbeitszielen spielt und dazu beiträgt, die Interessen beider Parteien angemessen zu berücksichtigen und eine faire und gerechte Entscheidungsfindung zu gewährleisten.

Was impliziert eine Zielvereinbarung im Arbeitsvertrag und wie wirkt sich deren Fehlen oder Unzulänglichkeit aus?

Eine Zielvereinbarung ist eine vertragliche Nebenabrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in der festgelegt wird, dass bestimmte erwünschte Zustände (Ziele) innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens erreicht werden sollen. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, zur Zielerreichung beizutragen. In der Regel wird vereinbart, dass die Ziele innerhalb eines Jahres (Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr) erreicht werden sollen.

Die Zielvereinbarung ist eine gemeinsam geschlossene Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, im Gegensatz zu einer Zielvorgabe, bei der der Mitarbeiter kein Mitspracherecht hat.

Wenn eine Zielvereinbarung fehlt oder unzureichend ist, kann dies verschiedene Auswirkungen haben. Wenn der Arbeitgeber die Zielvereinbarung unterlässt, liegt die Initiativlast, die Verhandlungen über eine Zielvereinbarung zu beginnen, beim Arbeitgeber. Allerdings trägt der Arbeitnehmer auch eine gewisse Verantwortung für ihr Zustandekommen. Wenn der Arbeitgeber vergisst, eine Zielvereinbarung abzuschließen, muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber dazu auffordern, eine Zielvereinbarung zu treffen. Wenn er dies unterlässt, geht man von einem Mitverschulden des Arbeitnehmers am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung aus.

Wenn ein Arbeitgeber es unterlässt, trotz einer bestehenden Pflicht eine konkrete Zielvereinbarung zu initiieren, steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf den Bonus zu. Ein Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass der Arbeitnehmer seinerseits keine Initiative für ein Gespräch zwecks Zielvereinbarung gezeigt hat.

Wenn keine Zielvereinbarung zustande kommt, kann dies nach Ablauf der Zielperiode einen Schadenersatzanspruch auslösen. Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch ist jedoch nicht nur der Umstand, dass für die Zielperiode keine Zielvereinbarung zustande gekommen ist, sondern auch, dass der Arbeitgeber sich in Verzug befunden hat.

Es ist auch zu beachten, dass das Fehlen einer Zielvereinbarung die Motivation und Leistung des Arbeitnehmers beeinträchtigen kann, da die Zielvereinbarung oft als Anreiz zur Leistungssteigerung dient.


Das vorliegende Urteil

ArbG Hamburg – Az.: 29 Ca 236/21 – Urteil vom 10.02.2022

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 97.000,00 Euro (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 28. August 2021 zu bezahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 97.000,00 Euro festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Ordnungsgemäßheit einer Zielvorgabe und um Schadensersatz.

Der am XX. April 19XX geborene Kläger war in der Zeit vom 16. März 2020 bis zum 31. Dezember 2020 bei der Beklagten als Development Director für das Ressort Schiffe (Containerschiffe/Hospitalschiffe/Hotelschiffe uä.) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Eigenkündigung des Klägers. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der X. AG. Sie ist innerhalb der Unternehmensgruppe für die Entwicklung sowie für das Management von vorhandenen, neuen und erworbenen Projekten und Beteiligungen im In- und Ausland verantwortlich. Die Beklagte unterhält Containerschiffe, die an Reedereien zum Transport von Fracht zur Verfügung gestellt werden.

Zu den Aufgaben des Klägers gehörte die Umsetzung der Geschäftsidee der Beklagten, modulare, containerbasierte Hospitalschiffe zu bauen, dh. Schiffe, auf denen in einer Art Baukastenmodell unterschiedliche medizinische Module mit bspw. einer Chirurgie oder einer Seuchenbekämpfungsstation untergebracht werden konnten. Ziel war es, diese Schiffe mit flexibler medizinischer Ausstattung an Regierungen oder die Weltgesundheitsorganisation für den Einsatz in Krisengebieten zu vermieten. Dieses Geschäftskonzept sowie damit zusammenhängend die Konstruktion von Schiffen mit den dazu kompatiblen Hospitalcontainern sind bislang einzigartig und sollte von der Beklagten und intern bei der Beklagten vom Kläger völlig neu entwickelt und begleitet werden.

Dem Arbeitsverhältnis lagen der Anstellungsvertrag vom 17./25. Februar 2020 (Anlage K 1, Bl. 63 ff. dA) und die Stellenbeschreibung vom 11. Februar 2020 (Anlage K 2, Bl. 74 f. dA) zugrunde. Die ersten drei Monate des Arbeitsverhältnisses waren nach § 13 Ziff. 13.1 des Arbeitsvertrags als Probezeit festgelegt. Das Jahresgehalt des Klägers betrug 180.000,00 Euro brutto, zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen iHv. jeweils 15.000,00 Euro brutto. Weiterhin heißt es im Arbeitsvertrag unter § 4 Nr. 4.2:

„4.2 Der Mitarbeiter kann darüber hinaus eine erfolgsabhängige variable Vergütung („Tantieme“) erzielen. Die jährliche Tantieme beträgt maximal EUR 180.000,00 brutto (in Worten: Euro Einhundertachtzigtausend-01/100). Die Festlegung einer Tantieme und deren Höhe hängen von dem Erreichen von Zielen ab, deren drei wesentliche Kriterien jedes Jahr, erstmals zum Ende der Probezeit, zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden. Sollten die drei Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben. Die Tantieme wird je nach Erreichungsgrad der vereinbarten oder vorgegebenen Ziele durch den Arbeitgeber nach seinem Ermessen fixiert. Im Falle des Ein- oder Austritts während eines Kalenderjahres wird eine eventuelle Tantieme zeitanteilig, gerechnet nach Kalendermonaten und für Teile von Kalendermonaten nach Kalendertagen, ausgezahlt. Ein Rechtsanspruch auf eine Tantieme besteht nicht. Wird dem Mitarbeiter eine Tantieme gewährt, erfolgt dies freiwillig mit der Maßgabe, dass auch durch eine wiederholte Zahlung kein Rechtsanspruch, weder dem Grunde noch der Höhe nach, weder für die Vergangenheit noch die Zukunft, begründet wird.

4.3 (…) Sollte der Mitarbeiter für ein Kalenderjahr eine erfolgsabhängige Tantieme erhalten, wird diese innerhalb von zwei Wochen nach Festlegung ausgezahlt. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist.“

Ab dem 11. Juni 2020 kam es zu Unstimmigkeiten bzw. zum Zerwürfnis des Klägers mit der Beklagten und dem Hauptaktionär und Aufsichtsratsvorsitzenden der Unternehmensgruppe, der die Beklagte angehört, Herrn X.. Hintergrund war ein Streit um den ausreichenden Versicherungsschutz der Schiffe. In einem Gespräch am 16. Juni 2020 drohte Herr X. dem Kläger mit einer Entlassung und äußerte, dass er sich eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht vorstellen könne. Dem Kläger wurde ein Aufhebungsvertrag oder eine fristlose Entlassung zur Auswahl gestellt. In der Folgezeit kam es zum Streit zwischen den Parteien über dir ordnungsgemäße Erstellung von Tätigkeitsberichten, die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers sowie die Rahmenbedingungen, unter denen der Kläger seine Arbeitsleistung erbringen sollte, insbesondere durch fehlenden uneingeschränkten Zugriff auf Dokumente und Probleme mit der IT. Ein ungehinderter Zutritt zum Gebäude der Beklagten, in dem sich das Büro des Klägers befand, wurde dem Kläger verwehrt. Im Einzelnen besteht zwischen den Parteien darüber Streit. Mit E-Mail vom 25. Juni 2020 forderte der Kläger die Beklagte auf, in Verhandlungen über eine Zielvereinbarung zu treten. In der Folgezeit erkrankte der Kläger vom 26. bis 29. Juni 2020 und vom 30. Juni bis 3. August 2020. Mit Schreiben vom 30. Juni 2020 erhielt der Kläger drei Abmahnungen (Anlage K 5, Bl. 78 ff. dA), über deren Wirksamkeit ein gerichtlicher Streit anhängig war (21 Ca 215/21), der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seitens des Klägers für erledigt erklärt wurde.

Der Kläger erkrankte erneut vom 5. bis 18. August 2020. Während dieser Erkrankung erhielt der Kläger das Schreiben der Beklagten vom 5. August 2020 (Anlage K 11, Bl. 88 dA), in dem er ua. aufgefordert wurde, einen Vorschlag zum Abschluss einer Zielvereinbarung bis zum 7. August 2020 zu unterbreiten. Mit Schreiben vom 13. August 2020 teilte die Beklagte – während der fortdauernden Erkrankung des Klägers – mit:

„Da Sie mir auch keinen Vorschlag zum Abschluss einer Zielvereinbarung zugesandt haben, erhalten Sie in der Anlage unsere Zielvorstellungen für dieses Kalenderjahr 2020 mit der Bitte um Ihre Rückmeldung bis zum 19.08.2020.“

Dem Schreiben beigefügt war die „Konkrete Zielvereinbarung – drei wesentliche Kriterien/Ziele für das verbleibende Geschäftsjahr 2020“. Zum Inhalt wird Bezug genommen auf die Anlage K 13 (Bl. 90 f. dA). Mit Datum vom 19. August 20120 übersandte der Kläger der Beklagten einen eigenen Entwurf zur Zielsetzung. Es wird Bezug genommen auf die Anlage K 19 (Bl. 97 ff. dA). In der hierzu gehörenden E-Mail heißt es ua. (Anlage K 18, Bl. 96 dA):

„Eine Zielvereinbarung sollte aber das gesamte Rumpfjahr 2020 abbilden.

Ich sende Ihnen darum meinen Vorschlag zu einer Zielvereinbarung mit der Bitte um Ihre Rückmeldung.“

Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 26. August 2020:

„Zielvereinbarung für 2020 – Festlegung der Ziele

Sehr geehrter Herr W.,

nachdem Sie sich zunächst gänzlich geweigert hatten, an dem Abschluss einer Zielvereinbarung mitzuwirken, unterbreiteten Sie uns mit E-Mail vom 19. August 2020 doch noch einen Gegenvorschlag zu einer Zielvereinbarung.

Ihr Vorschlag zielt darauf ab, dass die Gesellschaft für etwas „Selbstverständliches“ eine erfolgsabhängige variable Vergütung zahlen soll. Eine erfolgsabhängige Vergütung dient jedoch nicht dazu, die reguläre Arbeitsleistung oder das Tagegeschäft als Development Director zu vergüten, sondern das Erreichen besonderer Ziele zu honorieren. Dies gilt erst recht bei einer Führungskraft wie Ihnen, die bereits für die Erbringung ihrer Tätigkeiten ein jährliches Bruttofestgehalt von EUR 180.000 erhält.

Darüber hinaus sind Ihre „Wunschziele“ teilweise vergangenheitsbezogen. Ihrem Vorschlag fehlt es insoweit an der gebotenen Anreizwirkung. Auf die „seit März 2020“ angeblich von Ihnen ausgeführten Tätigkeiten kann schließlich auch deshalb nicht abgestellt werden, weil Ziffer 4.2 des Arbeitsvertrages die erstmalige Vereinbarung von Zielen frühestens zum Ende der Probezeit vorsieht und Sie im Anschluss an Ihre Probezeit krankgeschrieben waren.

Vor diesen Hintergründen lehnen wir Ihren Gegenvorschlag zu einer Zielvereinbarung ab, und machen von unserem vertraglich vereinbarten Recht Gebrauch, die Ziele nach billigem Ermessen einseitig festzulegen. Dabei orientieren wir uns an den Zielvorgaben, die wir Ihnen mit Schreiben vom 13. August 2020 vorgelegt haben. Anhaltspunkte dafür, dass diese Zielvorgaben nicht billigem Ermessen entsprechen könnten, liegen nicht vor.

Dennoch haben wir uns im Rahmen der Ermessenausübung dazu entschieden, die Fristen für das Erreichen der Zielvorgaben zu Ihrem Gunsten einheitlich bis zum 21.12.2020 zu verändern.

Wir legen daher hiermit folgende Ziele für das Jahr 2020 nach billigem Ermessen fest:

Konkrete Zielvorgaben – drei Kriterien/Ziele für das verbleibende Geschäftsjahr 2020

1. Beschreibung und Kostenkalkulation für das Geschäftsmodell: Einsatz von Hospitalschiffen

Vorlage des ausgearbeiteten Geschäftskonzepts zum Einsatz der Containerschiffe als Hospital- und Hotelschiffe auf dem Weltmarkt unter Beschreibung des Geschäftsmodells und der konkreten Geschäftsabläufe vom Erwerb der Containerschiffe, deren Umbau und Entwicklung der Spezialcontainer, der Personaleinsatzplanung – eigene HR und Einsatz von Fremdfirmen – zur Konvertierung der Containerschiffe bis hin zum Dienstleistungsangebot vor Ort, unterteilt nach Einsatz in Katastrophen und akuten Hilfsgebieten, allgemeinen Bedarfsgebieten für mobile Hospitäler und Tourismusgebieten.

Dazu kaufmännische Ein- und Ausgabenkalkulation der Leistungskette pro jeweilig erworbenen Containerschiff vom Erwerb, dem Einsatz als Containerschiff bis zu seinem Umbau, dem Umbau selbst unter Berücksichtigung der zu erwerbenden und auszustattenden Container bis hin zu seinem ersten Einsatz als Hospitalschiff unter der Annahme, dass der erste Einsatz im Dezember 2020 erfolgt mit kalkulatorischer Gewinnermittlung pro Schiff im Fall seiner Vermietung unter Stellung des Personal und der kompletten Dienstleistung für die jeweiligen Konstellationen (Katastropheneinsatz mit Vollausstattung, Akute Hilfsgebiete mit Spezialausstattung, allgemeine Bedarfsgebiete mit reiner Diagnostik-ausstattung oder Ausstattung eines Hospitals der generellen Versorgung).

FRIST: 21. Dezember 2020

2. Aufbau einer Organisations- und Kontrollstruktur zum Einsatz von HR (eigene und fremde) sowie Fremdfirmen

Beschreibung und Implementierung einer Organisations-, Einsatz-, Kontroll- und Kostenüberwachungsstruktur für den Einsatz von eigenen und fremden Mitarbeitern sowie Fremdfirmen für den Erwerb der Containerschiffe, deren Vercharterung bis zum Umbau in ein Hospitalschiff einschließlich der für diese Zwecke entwickelten Container sowie deren Einsatz vor Ort als Hospitalschiff einschließlich der zu erbringenden Hilfsleistungen durch medizinisches Personal.

FRIST: 21. Dezember 2020

3. Entwicklung eines Versicherungskonzepts

Entwicklung einer Versicherungslösung für potentiell Interessierte, im Katastrophenfall wie Zerstörung von wesentlichen Einrichtungen oder Häusern im eigenen Land durch einen Hurrican oder Tsunami binnen kürzester Frist auf ein Hospitalschiff zugreifen zu können mit entsprechender Kosten-Nutzen-Kalkulation und Analyse abstrakt sowie anhand von Fallanalysen für Einsatzorte in der Karibik und Afrika und Bestimmung der Einsatz- oder Versicherungsprämie pro Jahr.

FRIST: 21. Dezember 2020

Wir weisen der guten Ordnung halber darauf hin, dass ein Rechtsanspruch auf eine Tantieme nach dem Arbeitsvertrag nicht besteht.“

Es wird Bezug genommen auf die Anlage K 41 (Bl. 127 ff. dA).

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 wurde der Kläger „sofort wegen Corona vom Dienst (freigestellt)“ (Anlage K 85, Bl. 183). Die Beklagte forderte mit E-Mail vom 6. November 2020 den Kläger auf, ab dem 9. November 2020 wieder zum Dienst zu erscheinen (Anlage K 86, Bl. 184 dA). Schließlich erklärte der Kläger die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 2020. Eine variable Vergütung wurde dem Kläger nicht gezahlt, wobei zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Kläger die von der Beklagten vorgegebenen Ziele nicht erreicht hat.

Mit seiner bei Gericht am 14. Juli 2021 eingegangenen und der Beklagten am 20. Juli 2021 zugestellten Klage begehrt der Kläger Schadensersatz.

Der Kläger trägt vor, dass er einen Anspruch auf Schadensersatz habe. Die Beklagte habe ihre Pflichten dadurch verletzt, dass sie weder über eine Zielvereinbarung verhandelt habe noch Ziele vorgegeben habe, die billigem Ermessen entsprächen. Im Übrigen habe die Beklagte durch ihr Verhalten verhindert, dass der Kläger die Ziele erreicht habe.

Die Beklagte habe gegen ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen, indem sie keine Verhandlungen mit dem Kläger über eine Zielvereinbarung geführt habe. Der Kläger habe die Beklagte mit E-Mail vom 25. Juni 2020 aufgefordert, mit ihm in Verhandlungen über eine Zielvereinbarung zu treten, und mit E-Mail vom 19. August 2020 die Anpassung der Zielvereinbarung ersucht, ohne dass die Beklagte hierauf richtig eingegangen sei. Stattdessen habe sie zunächst lediglich einen Vorschlag vorgelegt und dann die Ziele einseitig vorgegeben, ohne diese zuvor zu verhandeln.

Die Zielvorgabe vom 26. August 2020 entspreche nicht billigem Ermessen. Auch wenn die vorgegebenen Ziele in der Sache grundsätzlich erreichbar seien, müsste der Kläger gleichwohl im Rumpfjahr 2020 ein komplettes Konzept erarbeiten, was in der von der Beklagten erwarteten Detaillierung unrealistisch sei. Die drei Punkte in der Zielvereinbarung beinhalteten im Ergebnis nicht weniger als die komplette Erfüllung des arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgabenbereichs innerhalb des ersten Jahres.

Schließlich habe die Beklagte durch ihr Verhalten den Kläger von einer zielführenden Arbeit ferngehalten. Sie habe mit Kontaktverboten eine Kommunikation mit Kollegen unterbunden, dem Kläger den ungehinderten Zugang zum Gebäude verwehrt, dem Kläger zeitweilig keinen Zugang zum Internet ermöglicht und ihm Arbeitsmittel vorenthalten. Es sei ihm die Herausgabe von Daten verweigert worden. EDV-Probleme seien nicht behoben worden. Da die Beklagte dem Kläger die Zielerreichung unmöglich gemacht habe, stehe ihm auch aus diesem Grund ein Schadensersatzanspruch zu.

Die Regelung im Arbeitsvertrag sei unwirksam, wonach die Auszahlung der variablen Vergütung an den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfe. Auch der Freiwilligkeitsvorbehalt sei unwirksam.

Hieraus resultiere ein Anspruch auf Schadensersatz, der zeitanteilig für die Zeit vom 16. Juni 2020, dem Ende der Probezeit, bis zum 31. Dezember 2020 zu berechnen sei. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit seien hingegen bei der Bestimmung des Schadensersatzes unerheblich.

Der Kläger beantragt zuletzt nach Rücknahme der Klage iHv. 54,40 Euro im Übrigen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 97.000,00 Euro (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass ein Anspruch auf Schadensersatz nicht bestehe.

Der Schadensersatzanspruch könne nicht darauf gestützt werden, dass keine Verhandlungen stattgefunden hätten. Der Arbeitsvertrag treffe für den Fall, dass eine Zielvereinbarung nicht zustande komme, eine Regelung. In diesem Fall könne die Beklagte die Ziele nach billigem Ermessen vorgeben.

Die Beklagte habe die Ziele nach billigem Ermessen festgesetzt. Demgegenüber habe der Kläger die Probezeit berücksichtigt haben wollen, die jedoch bei der Zielvereinbarung nach der Regelung des Arbeitsvertrags habe außen vor bleiben sollen. Außerdem habe sich sein Vorschlag auf die bereits arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bezogen, die mit dem Grundgehalt ausreichend honoriert sei. Die von der Beklagten vorgegebenen Ziele seien erreichbar und realistisch gewesen. Der Kläger habe diese ohne überobligatorische Leistungen erreichen können. Dies werde vom Kläger auch eingeräumt. Im Übrigen müsse im Falle der Unbilligkeit eine richterliche Ersatzbestimmung erfolgen.

Die Beklagte habe die Arbeit des Klägers nicht behindert. Etwaige Computerprobleme seien zeitnah behoben worden. Nach der Rückkehr aus der Langzeiterkrankung habe der Kläger auch Zugang zu den erforderlichen Daten gehabt.

Die Zusage der Tantieme im Arbeitsvertrag stehe unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt. Dieser sei auch wirksam, da die Regelungen zur Tantieme individuell vereinbart seien, sodass es sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Die Tantieme stehe nach § 4 Ziff. 4.3 des Arbeitsvertrags zudem unter dem Vorbehalt, dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt sei.

Schließlich sei bei einem etwaigen Schadensersatzanspruch zu berücksichtigen, dass der Kläger auch die von ihm mit E-Mail vom 19. August 2020 vorgeschlagenen Ziele verfehlt habe. Er habe keines der drei Ziele auch nur ansatzweise erreicht. Zudem sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch um Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zu kürzen.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien, ihrer Beweisantritte und der eingereichten Unterlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz, da die Beklagte den Arbeitsvertrag verletzt hat, indem sie ihm Ziele gesetzt hat, die nicht billigem Ermessen entsprachen. Eine Kürzung erfolgt nicht.

I.

Die Klage hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 97.000,00 Euro brutto zu. Die Beklagte hat ihre vertraglichen Pflichten bei der Vereinbarung bzw. der Vorgabe der Jahresziele für das Jahr 2020 verletzt. Dem Anspruch des Klägers steht nicht der Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Eine anteilige Kürzung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers erfolgt nicht.

1. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu.

a) Ein Schadensersatzanspruch kann sowohl auf § 280 iVm. § 283 BGB als auch auf § 280 iVm. § 286 BGB gestützt werden, je nachdem, ob eine Zielvereinbarung erst verspätet abgeschlossen bzw. Zielvorgaben verspätet gesetzt werden oder bis zum Ablauf des relevanten Zeitraums überhaupt nicht abgeschlossen bzw. gesetzt wurden.

aa) Nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hatte, ist die Festlegung von Zielen nicht mehr möglich. Eine Zielvereinbarung, die bei Zielerreichung einen Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Bonus begründet, kann entsprechend dem Leistungssteigerungs- und Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kennt und weiß, auf das Erreichen welcher persönlicher und/oder unternehmensbezogener Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert legt und deshalb bereit ist, bei Erreichen dieser Ziele den zugesagten Bonus zu zahlen. Eine dem Leistungssteigerungs- und Motivationsgedanken und damit dem Sinn und Zweck einer Zielvereinbarung gerecht werdende Aufstellung von Zielen für einen vergangenen Zeitraum ist nicht möglich. Die Festlegung von Zielen wird spätestens mit Ablauf der Zielperiode unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB, so dass der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB statt der Festlegung von Zielen Schadensersatz verlangen kann (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Rn. 46).

bb) Die vorstehenden Erwägungen zur unterlassenen Zielvereinbarung gelten auch bei einem Fehlen einer Zielvorgabe bzw. einer Zielvorgabe, die nicht billigem Ermessen entspricht, wenn der Zeitraum, für den die Ziele einseitig festgelegt werden sollten, abgelaufen ist. Denn auch in diesem Fall ist die Festlegung der Ziele gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden und kann nicht mehr erfolgen. Dies schließt eine Ersatzbestimmung der Ziele nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB aus.

Der Zweck von Bonussystemen liegt in der Mitarbeitermotivation; der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus ist Anreiz. Die Anreizfunktion ist aber nur dann erfüllbar, wenn der Arbeitnehmer die von ihm zu verfolgenden Ziele kennt (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – Rn. 25). Dies gilt im Fall der nicht getroffenen Zielvereinbarung sowie im Fall der nicht mitgeteilten Zielvorgaben gleichermaßen. Damit tritt auch bei der einseitigen unbilligen Zielvorgabe nach Ablauf des Leistungszeitraums Unmöglichkeit ein. Insofern ist der vorliegende Fall nicht mit Regelungen zu vergleichen, bei denen die Zielerreichung bzw. die Bewertung der Leistung nach billigem Ermessen zu erfolgen hat (vgl. BAG 13. Oktober 2021 – 10 AZR 729/19 –). In diesem Fall liegt der Zeitpunkt der Leistungsbestimmung außerhalb des Leistungszeitraums, sodass Raum für eine Ersatzbestimmung durch das Gericht verbleibt.

Hinzu kommt, dass die nachträgliche Ermittlung angemessener, fallbezogener Ziele durch die Gerichte angesichts der Vielzahl der unterschiedlichen Gewichtung möglicher Ziele und auf Grund sich ständig ändernder Rahmenbedingungen in der Regel mit eheblichen Schwierigkeiten verbunden oder sogar gar nicht möglich ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht für die nicht getroffene Zielvereinbarung angenommen (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – Rn. 26) und eine entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB abgelehnt. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln, der sich die Kammer anschließt, gilt dies auch für die nicht erfolgte einseitige Festlegung von Zielen gleichermaßen. Eine Bestimmung der Ziele durch das Gericht gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist aus diesen Gründen auch im Fall einer einseitigen Festlegung von Zielen nicht möglich (LAG Köln 26. Januar 2018 – 4 Sa 433/17 – Rn. 45).

b) Die Beklagte hat gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen, indem sie jedenfalls keine Ziele vorgegeben hat, die billigem Ermessen entsprachen. Insofern bedarf es keiner Entscheidung, ob der Schadensersatzanspruch auch darauf gestützt werden kann, dass die Beklagte nicht mit dem ernsthaften Willen zur Einigung über die Ziele für das Jahr 2020 verhandelt oder durch ihr Verhalten die Zielerreichung vereitelt hat.

aa) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB bleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (BAG 13. Oktober 2021 – 10 AZR 729/19 – Rn. 96). Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem er die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 24. Oktober 2018 – 10 AZR 285/16 – BAGE 164, 82, Rn. 51 mwN).

bb) Die Beklagte hat nicht zur Überzeugung der Kammer substantiiert dargelegt, dass die Ziele, die dem Kläger mit Schreiben vom 26. August 2020 vorgegeben wurden, billigem Ermessen entsprochen haben. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass die Ziele letztlich den erfolgreichen vollständigen Abschluss des von ihm durchzuführenden Projekts beinhalteten, jedoch bereits innerhalb des ersten „Rumpfjahres“ nämlich vom 16. März bzw. nach Ablauf der Probezeit vom 17. Juni bis 31. Dezember 2020. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Weder hat sie dargelegt, dass die Tätigkeit des Klägers nur auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2020 angelegt war, noch, dass die Ziele bis zum Ablauf des Kalenderjahrs erreichbar waren. Sie hat sich lediglich im Wesentlichen auf die pauschale Behauptung beschränkt, dass „für einen Development Director, der über die vom Kläger angegebene betriebswirtschaftliche Expertise verfügt, die drei Ziele sowohl inhaltlich als auch zeitlich realistisch (waren)“ (Schriftsatz vom 15. November 2021, Seite 8, Bl. 229). Ohne einen konkreten Sachvortrag, wie sie zu dieser Bewertung kommt, war die Kammer nicht gehalten, den angebotenen Zeugen zu hören. Hierbei handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, da durch die Zeugenvernehmung erst der wesentliche Sachverhalt ermittelt werden müsste. Auch der Verweis auf den Vortrag des Klägers in der Klagschrift, wonach die vorgegebenen Ziele erfüllbar gewesen seien, vermag einen schlüssigen Vortrag nicht zu ersetzen und ist in der Zitierung offensichtlich unvollständig. Der Kläger hat in der Klagschrift auf Seite 58 (Bl. 60 dA) ausgeführt:

„Die uneingeschränkte Verwirklichung des kompletten Konzepts im Rumpfjahr 2020 in einer Detaillierung, wie von der Beklagten in deren Zielvorgabe (Anlage K 41) vorgegeben, war jedoch unrealistisch und entsprach nicht billigem Ermessen.“

Damit hat sich der Kläger deutlich gegen den vorgegebenen zeitlichen Rahmen gewendet. Insofern ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Beklagte dem Kläger eine Zielvorgabe gemacht hat, die auch bei überobligatorischem Einsatz innerhalb eines kurzen Zeitraums nicht bzw. nicht vollständig zu erreichen war. Der Arbeitgeber kann sich aber seiner Verpflichtung zur Zahlung der für den Fall der Zielerreichung zugesagten Vergütung im Fall der Zielvereinbarung nicht dadurch entziehen, dass er zwar verhandelt, jedoch in sein Angebot Ziele einstellt, die der Arbeitnehmer nicht erreichen kann. Zweck von Zielbonussystemen sind eine Leistungssteigerung und eine Förderung der Motivation des Arbeitnehmers. Diese Anreizfunktion kann eine an das Erreichen von Zielen geknüpfte variable Vergütung nur erfüllen, wenn es dem Arbeitnehmer möglich ist, die von ihm zu verfolgenden Ziele auch zu erreichen (BAG 10. Dezember 2008 – 10 AZR 889/07 – Rn. 15). Dementsprechend entsprachen die von der Beklagten vorgegebenen Ziele nicht billigem Ermessen.

bb) Die Kammer war nicht gehalten, eine Ersatzzielbestimmung vorzunehmen. Eine solche Verpflichtung folgt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Zwar sieht § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, dass bei einer Leistungsbestimmung, die nicht der Billigkeit entspricht, die Bestimmung durch Urteil getroffen wird. Nach Ablauf des Leistungszeitraums ist jedoch Unmöglichkeit eingetreten, § 275 BGB. Eine nachträgliche Festlegung von Zielen kann den mit einer Zielvorgabe verbundenen Motivationsgedanken nicht mehr erfüllen, zumal auch für eine Ersatzbestimmung der wesentliche Vortrag der Beklagten fehlt. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15. November 2021, Seite 19 f. (Bl. 240 f. dA) genannten Gesichtspunkte betreffen nicht den Inhalt einer Zielvorgabe, sondern die Bewertung, ob der Kläger etwaige Ziele erreicht hat bzw. überhaupt hätte erreichen können.

2. Dem Schadensersatzanspruch steht weder der Freiwilligkeitsvorbehalt in § 4 Ziff. 4.2 des Arbeitsvertrags entgegen noch § 4 Ziff. 4.3, wonach Voraussetzung der Tantiemezahlung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis ist. Dabei kann offenbleiben, ob es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, wofür einiges spricht, oder um eine individuelle ausgehandelte Regelung.

a) Im Fall allgemeiner Geschäftsbedingungen benachteiligt die Vertragsgestaltung den Kläger unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

aa) Bereits die äußere Form spricht dafür, dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die von der Beklagten gestellt wurden (vgl. die Vermutung in § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Nach § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt. Aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind. Das kann zB der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist (BAG 1. März 2006 – 5 AZR 363/05 – Rn. 20). Hierfür spricht vorliegend, dass die Parteien durchgehend abstrakt als „Gesellschaft“ und „Mitarbeiter“ bezeichnet werden (vgl. LAG Hamm 16. November 2018 – 16 Sa 713/18 – Rn. 37). In § 17 Ziff. 17.2. wird auf den Vorrang der Individualabrede iSv. § 305b BGB hingewiesen, was nur dann erforderlich ist, wenn die Beklagte ansonsten vorformulierte Vertragsbedingungen gestellt hat. Der damit verbundene Anschein, dass die Vertragsbedingungen zur Mehrfachverwendung formuliert wurden, ist von der Beklagten als Verwenderin zu widerlegen (vgl. BAG 1. März 2006 – 5 AZR 363/05 – Rn. 20). Die Beklagte hat hingegen nicht vorgetragen, dass die Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition gestellt und von den Parteien ausgehandelt wurden (vgl. BAG 27. Juli 2005 – 7 AZR 486/04 – BAGE 115, 274, Rn. 37).

bb) Sowohl der Freiwilligkeitsvorbehalt als auch die Bindung einer Tantiemezahlung an ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitraum stellt eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar. Eine unangemessene Benachteiligung ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber von der Leistungsbestimmung für ein bestimmtes Geschäftsjahr absehen dürfte, obwohl der Arbeitnehmer in diesem Geschäftsjahr seine Arbeitsleistung erbracht hat und die Leistung auch Teil der Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers war (BAG 3. August 2016 – 10 AZR 710/14 – BAGE 156, 38-51, Rn. 20). Insofern kann sich die Beklagte nicht nach Ablauf des Leistungszeitraums auf den Freiwilligkeitsvorbehalt berufen, nachdem der Kläger seine Leistung erbracht hat, um sich von einer etwaigen Zahlungsverpflichtung zu lösen.

Entsprechendes gilt auch für den Vorbehalt in § 4 Ziff. 4.3 des Arbeitsvertrags, wonach sich der Kläger in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden müsse. Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hängt von ihrer Qualität und vom Arbeitserfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die Belohnung zunehmender Beschäftigungsdauer als solcher steht nicht in einem Verhältnis zur Qualität und zum Erfolg der Arbeitsleistung. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinnt auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert (BAG 13. Mai 2015 – 10 AZR 266/14 – Rn. 15).

b) Sollte es sich in § 4 des Arbeitsvertrags um eine individuell ausgehandelte Vertragsklausel handeln, gilt Folgendes:

aa) Die Beklagte kann sich nicht auf den Freiwilligkeitsvorbehalt berufen, um sich von eingegangen Zahlungsverpflichtungen für die Vergangenheit zu lösen. Indem die Beklagte dem Kläger für das Kalenderjahr 2020 konkrete Zielvorgaben gemacht hat, hat sie ein etwaiges Wahlrecht, das ihr ein – wirksamer – Freiwilligkeitsvorbehalt bieten würde ausgeübt. Von dem einmal ausgeübten Wahlrecht kann die Beklagte nicht für die Vergangenheit zurücktreten.

Im Übrigen würde die Berufung auf den Freiwilligkeitsvorbehalt für die Vergangenheit gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Erscheinungsform des widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) verstoßen. Nach dem Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist ein Verhalten als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Vertragspartei – bewusst oder unbewusst – für die andere Vertragspartei ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist (BAG 26. Juni 2008 – 2 AZR 23/07 – Rn. 27). Die Beklagte hat durch eine Zielvorgabe im Sinne von § 4 Ziff. 4.2 des Arbeitsvertrags den Kläger zur Leistungserbringung motiviert und damit das Vertrauen geschaffen, dass die Beklagte nach der Vorleistung durch den Kläger nach Ablauf des Kalenderjahres und damit des Leistungszeitraums die Tantiemeregelung zur Anwendung bringen wird. Dann kann sich die Beklagte nicht für die Vergangenheit auf die angebliche Unverbindlichkeit berufen.

bb) Auf den Vorbehalt, dass das Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitraum ungekündigt bestehen muss, kann sich die Beklagte nicht berufen.

(1) Aus Sicht der Kammer verstößt die Kammer gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), da sie den Kläger einseitig in seinem beruflichen Fortkommen unverhältnismäßig beeinträchtigt, ohne dass dies durch schutzwürdige Interessen der Beklagten gerechtfertigt wäre (vgl. im Hinblick auf die Rückzahlung von Aus- oder Fortbildungskosten BAG 16. Januar 2003 – 6 AZR 384/01 – Rn. 22). Durch die Tantiemeregelung wird dem Kläger in Aussicht gestellt, sein Jahresgehalt zu verdoppeln. Zugleich wird die Auszahlung daran geknüpft, dass im Auszahlungszeitpunkt ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, wobei keine Einschränkung erfolgt, welche Vertragspartei die Kündigung erklärt bzw. durch ihr Verhalten veranlasst hat. Auf der anderen Seite ist die Tantiemezahlung ausschließlich an die Erreichung vereinbarter bzw. vorgegebener Ziele innerhalb des Kalenderjahrs geknüpft. Eine etwaige Betriebstreue ist hingegen keine weitere Voraussetzung. Der Kläger tritt dementsprechend in Vorleistung. Wird die Tantiemezahlung in Höhe von 100 % des Jahresgrundgehalts trotz vollständiger Erbringung der Leistungspflichten durch den Kläger daran geknüpft, dass er weder zum Ende des Kalenderjahres noch bis zur Auszahlung sein Arbeitsverhältnis kündigt, wird er in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt. Da die Kündigungsfrist für den Kläger innerhalb des ersten Beschäftigungsjahrs vier Monate und ab dem zweiten Beschäftigungsjahr sechs Monate beträgt, wäre der Kläger innerhalb eines wesentlichen Teils des Jahres an einer Kündigung gehindert gewesen, selbst wenn die Beklagte durch ihr Verhalten einen wesentlichen Grund für eine Eigenkündigung des Klägers gesetzt hätte. Demgegenüber ist kein (überwiegendes) schutzwürdiges Interesse der Beklagten erkennbar, den Kläger mit der Tantiemezahlung an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Auf ein solches Interesse beruft sich die Beklagte auch nicht.

(2) Weiterhin verstößt es gegen den Rechtsgedanken aus § 162 BGB, wenn sich die Beklagte aufgrund der Eigenkündigung des Klägers von einer etwaigen Leistungspflicht befreien könnte. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten die Eigenkündigung des Klägers zumindest maßgeblich mitbeeinflusst. Bereits nach dem Zerwürfnis ab 11. Juni 2020 hat Herr X., von dessen bestimmenden Einfluss auf die Unternehmensgruppe und damit auf die Beklagte auszugehen ist, geäußert, dass man sich eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht vorstellen könne und das Arbeitsverhältnis mit einem Aufhebungsvertrag oder einer fristlosen Entlassung beenden wolle. Einen Anlass dafür hat der Kläger nicht geboten. In der Folgezeit hat die Beklagte dem Kläger keinen ungehinderten Zugang zum Gebäude und der EDV eingeräumt, was für einen Mitarbeiter in der gehobenen Position des Klägers als unangemessen zu betrachten ist. Ein ernsthafter Wille zur Verhandlung über eine Zielvereinbarung, wie es in § 14 Ziff. 4.1 des Arbeitsvertrags vorgesehen ist, hat nicht stattgefunden. Letztlich wurden dem Kläger Ziele einseitig vorgegeben, bei denen nicht erkennbar ist, dass sich die Beklagte um die Einhaltung der Grenzen billigen Ermessens bemüht hat. Zusammengenommen hat die Beklagte die Eigenkündigung des Klägers durch ihr Verhalten bewusst beeinflusst, weshalb ihr im Gegenzug nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB zu versagen ist, sich von eingegangenen Zahlungsverpflichtungen nach der Vorleistung des Klägers zu lösen.

3. Die Höhe des Schadens ist anteilig für den Zeitraum vom Ablauf der Probezeit bis zum 31. Dezember 2020 zeitanteilig zu bestimmen und ausgehend von 180.000,00 Euro brutto bei einer vollständigen Zielerreichung zeitratierlich zu berechnen.

aa) Nach § 252 Satz 1 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Dazu gehört auch entgangener Verdienst aus abhängiger Arbeit und damit auch eine Bonuszahlung. Als entgangen gilt gemäß § 252 Satz 2 BGB der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. § 252 Satz 2 BGB enthält für den Geschädigten eine den § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Der Geschädigte hat nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung der §§ 252 BGB, 287 ZPO auch die Darlegungslast derjenigen Partei mindert, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Rn. 50).

bb) Auszugehen ist davon, dass der Kläger bei einer Vorgabe der Ziele, die billigem Ermessen entsprochen hätte, diese vollständig erreicht hätte. Aus dem unsubstantiierten Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass der Kläger auch diese Ziele nicht bzw. nicht vollständig erreicht hätte. Der Umstand, dass der Kläger Ziele vorgeschlagen hat, die nach dem Vortrag der Beklagten ebenfalls nicht erreicht worden wären, vermag den Schadensersatzanspruch weder auszuschließen noch zu mindern. Die Beklagte hat diese Ziele weder vereinbart noch zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht. Insofern können die vom Kläger vorgeschlagenen Ziele nicht als Maßstab einer etwaigen Zielvereinbarung dienen. Eine solche wurde von der Beklagten abgelehnt. Die Beklagte hat aber auch nicht vorgetragen, dass diese alternativen Ziele dem Grundsatz der Billigkeit entsprochen hätten. Insofern kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass der Kläger auch sonst seine Ziele nicht erreicht hätte. Die weiteren von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte (Schriftsatz vom 15. November 2021, Seite 19, Bl. 240 dA) lassen in ihrer Pauschalität keinen Schluss zu, dass der Kläger auch realistische Ziele nicht erreicht hätte. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt, welche Fortschritte mit dem Projekt realistisch gewesen wären, warum der Kläger keine Managementqualitäten gezeigt habe und inwiefern sich dies auf die Zielerreichung ausgewirkt habe, welche Rolle die Dokumentationspflichten bei der Zielerreichung spielen sollten und aus welchem Grund das hohe Fixeinkommen ein relevanter Aspekt bei der Leistungsbewertung sein sollte.

cc) Eine anteilige Kürzung des Schadensersatzanspruchs aufgrund der Krankheitszeiten des Klägers erfolgt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Bei der Zielvorgabe kommt es darauf an, ob und in welchem Umfang der Kläger die vorgegebenen Jahresziele erreicht. Insofern knüpft die Zielerreichung nicht daran, ob der Kläger für den gesamten Zeitraum des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Vergütung hatte oder aber ob ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 EFZG nach Ablauf von sechs Wochen zeitweilig nicht bestanden hat. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Sachverhalten, die den von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zugrunde lagen. Bei diesen ging es um ein dreizehntes Monatsgehalt, bei dem davon auszugehen war, dass es sich um Entgelt für die monatlich erbrachte Arbeitsleistung handelt, das jedoch aufgespart und erst am vereinbarten Fälligkeitstermin ausbezahlt wird (BAG 21. März 2001 – 10 AZR 28/00 – zu II 2 b der Gründe). Denn im vorliegenden Fall lässt sich die Zielerreichung erst zum vorgegebenen Stichtag ermitteln, ohne es auf die monatlich zu erbringende Arbeitsleistung ankommt.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 ZPO. Die Klage wurde der Beklagten am 20. Juli 2021 zugestellt, sodass die Schuld ab dem 21. Juli 2021 zu verzinsen ist.

II.

Der Wert des im Urteil festzusetzenden Streitgegenstandes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 92 ZPO. Soweit der Kläger die Klage teilweise zurückgenommen hat, waren ihm nicht – anteilig – nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten aufzuerlegen. Nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann das Gericht einer Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat. Der Kläger hat nur mit einem geringfügigen Teil die Klage zurückgenommen in Höhe von 54,40 Euro, wodurch keine höheren Kosten veranlasst wurden. Insofern hat die Beklagte als unterliegende Partei die Kosten zu tragen, ohne dass es hierzu eines Antrags bedurfte (§ 308 Abs. 2 ZPO).

Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vor.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!