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Streit um die Höhe einer Jubiläumszahlung

Betriebsvereinbarung und die Debatte um Jubiläumszahlungen

Die Frage der Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten im Arbeitsrecht ist ein wiederkehrendes Thema, das oft zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt. Ein spezieller Aspekt dieses Themas betrifft die Berechnung von Zusatzleistungen, wie beispielsweise der Jubiläumszahlung, die Arbeitnehmern als Anerkennung ihrer Betriebstreue gewährt wird. Hierbei kann es zu Diskrepanzen kommen, wenn die Betriebsvereinbarung Regelungen enthält, die die Höhe dieser Zahlungen in Abhängigkeit von der Beschäftigungsart festlegen.

Das zentrale juristische Kernthema ist dabei, ob eine anteilige Kürzung solcher Leistungen für Teilzeitbeschäftigte im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten eine unrechtmäßige Diskriminierung darstellt oder ob solche Regelungen im Einklang mit dem Grundsatz des pro-rata-temporis stehen, welcher eine quantitative Anpassung von Leistungen an die Arbeitszeit erlaubt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Ca 2105/17  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht entschied, dass die anteilige Kürzung der Jubiläumszahlung für Teilzeitbeschäftigte keine Diskriminierung darstellt, sondern eine zulässige Praxis im Einklang mit dem Arbeitsrecht ist.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Klägerin, eine Vollzeit-Angestellte, fühlte sich durch eine Betriebsvereinbarung benachteiligt, die Teilzeitbeschäftigten eine anteilige Jubiläumszahlung gewährt.
  2. Die Auseinandersetzung drehte sich um die Frage, ob die Kürzung der Jubiläumszahlung für Teilzeitbeschäftigte eine unrechtmäßige Diskriminierung darstellt.
  3. Die Klägerin argumentierte, dass die Jubiläumszahlung eine Anerkennung der Betriebstreue sei und nicht von der Arbeitszeit abhängen sollte.
  4. Das Gericht entschied zugunsten der Beklagten und stellte fest, dass die Jubiläumszahlung eine Entgeltleistung mit dem Charakter einer zusätzlichen Belohnung für die erbrachte Betriebstreue ist.
  5. Die Betriebsvereinbarung machte die Höhe der Jubiläumszahlung vom Grad der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen während des Jubiläumszeitraums abhängig.
  6. Das Urteil beruhte auf dem Grundsatz des pro-rata-temporis, der eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit– und Vollzeitarbeit erlaubt.
  7. Die Entscheidung könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen und betont die Bedeutung klarer Regelungen in Betriebsvereinbarungen.
  8. Das Gericht betonte, dass sowohl Teilzeit- als auch Vollzeitbeschäftigte gleich behandelt würden, da auch Vollzeitbeschäftigte keine höhere Jubiläumszahlung erhielten, wenn sie Mehrarbeit leisteten.

Spannender Streitfall: Jubiläumszahlung und Teilzeitbeschäftigung

BonuszahlungIm Mittelpunkt des vorliegenden Falles steht eine Klägerin, die seit August 2016 in Vollzeit bei der Beklagten, einem Teil des A-Konzerns, beschäftigt ist. Die Auseinandersetzung dreht sich um die Höhe einer Jubiläumszahlung, die der Klägerin aufgrund ihrer Betriebszugehörigkeit zusteht. Die A Industries AG und der Gesamtbetriebsrat hatten im Februar 2015 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu Dienstjubiläen und Treuetagen abgeschlossen. Diese Vereinbarung legte fest, dass Teilzeitbeschäftigte eine anteilige Jubiläumszahlung entsprechend ihrem Beschäftigungsgrad erhalten sollten. Die Klägerin, die während ihrer Betriebszugehörigkeit sowohl in Vollzeit als auch in Teilzeit tätig war, sah sich durch diese Regelung benachteiligt.

Diskriminierung oder Gleichbehandlung im Arbeitsrecht?

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall liegt in der Frage, ob die anteilige Kürzung der Jubiläumszahlung für Teilzeitbeschäftigte eine unrechtmäßige Diskriminierung darstellt. Die Klägerin argumentierte, dass die Jubiläumszahlung eine Anerkennung der Betriebstreue sei und nicht von der Arbeitszeit abhängen sollte. Sie wies darauf hin, dass Zeiten ohne faktische Arbeitsleistung bei Vollzeitkräften höher bewertet würden als bei Teilzeitkräften, was ihrer Meinung nach eine Diskriminierung darstellt.

Gerichtsurteil: Ein Präzedenzfall im Arbeitsrecht

Das Gericht entschied jedoch zugunsten der Beklagten. Es stellte fest, dass die Jubiläumszahlung eine Entgeltleistung mit dem Charakter einer zusätzlichen Belohnung für die erbrachte Betriebstreue darstellt. Die Betriebsvereinbarung machte die Höhe der Jubiläumszahlung vom Grad der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen während des Jubiläumszeitraums abhängig, was laut Gericht zulässig ist. Das Gericht betonte, dass sowohl Teilzeit- als auch Vollzeitbeschäftigte gleich behandelt würden, da auch Vollzeitbeschäftigte keine höhere Jubiläumszahlung erhielten, wenn sie Mehrarbeit leisteten.

Fazit: Klarheit im Umgang mit Teilzeitbeschäftigung und Jubiläumszahlungen

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, da es Präzedenzfall für ähnliche Fälle schafft. Es unterstreicht die Bedeutung klarer Regelungen in Betriebsvereinbarungen und die Notwendigkeit, dass solche Vereinbarungen im Einklang mit dem Arbeitsrecht stehen.

Das Fazit des Urteils ist, dass die anteilige Kürzung der Jubiläumszahlung für Teilzeitbeschäftigte keine Diskriminierung darstellt, sondern eine zulässige Praxis ist, die im Einklang mit dem Grundsatz des pro-rata-temporis und den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung steht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was besagt der pro-rata-temporis Grundsatz im Kontext von Entgeltleistungen?

Der pro-rata-temporis Grundsatz bezieht sich auf die anteilige Berechnung von Entgeltleistungen oder anderen teilbaren geldwerten Leistungen für Teilzeitbeschäftigte in Deutschland. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) haben Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung in dem Umfang, der dem Anteil ihrer Arbeitszeitquote entspricht. Dieser Anteil wird im Verhältnis zur Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten berechnet.

Ein Beispiel für die Anwendung des pro-rata-temporis Grundsatzes ist die Berechnung von Versorgungsbeiträgen. Wenn ein Vollzeitbeschäftigter einen Versorgungsbeitrag von 150 Euro erhält und ein Teilzeitbeschäftigter eine Arbeitszeitquote von 50 % hat, hat dieser Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf einen Versorgungsbeitrag von 75 Euro.

Der pro-rata-temporis Grundsatz dient dazu, eine faire und gerechte Verteilung von Entgeltleistungen und anderen geldwerten Leistungen für Teilzeitbeschäftigte zu gewährleisten und Diskriminierung aufgrund der Arbeitszeit zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

Arbeitsgericht Herne – Az.: 5 Ca 2105/17 – Urteil vom 10.10.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Der Streitwert wird auf 962,81 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d:

Die Parteien streiten um die Höhe einer Jubiläumszahlung.

Die 42-jährige Klägerin ist seit dem 01. September 1992 für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. In der Zeit vom 01. September 1992 bis zum 31. Januar 1996 arbeitete die Klägerin in Vollzeit. Vom 01. Februar 1996 bis zum  19. Oktober 1996 arbeitete die Klägerin in Teilzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 22,5 Stunden. Vom 20. Oktober 1996 bis zum 19. Oktober 1998 befand sich die Klägerin in Elternzeit. Vom 20. Oktober 1998 bis zum 19. Oktober 2000 arbeitete die Klägerin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 22,5 Stunden. Vom 20. Oktober 2000 bis zum 30. September 2002 befand sich die Klägerin in Elternzeit. Vom 01. Oktober 2002 bis zum 31. Juli 2016 arbeitete die Klägerin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 22,5 Stunden. Aufgrund länger fortdauernder Erkrankungen befand sich die Klägerin vom 01. Dezember 2008 bis zum 02. Februar 2009 sowie vom 13. Januar 2010 bis zum 23. April 2010 in Krankengeldbezug. Seit dem 01. August 2016 arbeitet die Klägerin in Vollzeit.

Die Beklagte ist Teil des A-Konzerns. Unter dem 19. Februar 2015 schlossen die A Industries AG und der bei der A Industries AG gebildete rechtsträgerübergreifende Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung A zu Dienstjubiliäen und Treuetagen (im Folgenden: Gesamt-BV) ab. In der Betriebsvereinbarung (Bl. 22 ff d.A.) heißt es unter Anderem wörtlich:

„…

Präambel

Je nach Standort und Beschäftigungshistorie in den Ursprungsgesellschaften des A-Konzerns galten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Dienstjubiläen zahlreiche und inhaltlich unterschiedliche Regelungen.

Die Parteien haben sich im „Eckpunktepapier zur Neugestaltung der Jubiläumsleistungen im A-Konzern“ vom 13. September 2013 bereits grundsätzlich auf eine einheitliche Neuregelung verständigt. Auch wurde die Geltung der bisherigen Jubiläums-Regelwerke für seit dem 01. Januar 2014 neu eintretende Mitarbeiter beendet.

Diese Vereinbarung regelt die konzernweit einheitliche Ausgestaltung der an die Stelle der bisherigen Jubiläumsregelungen tretenden Leistungen.

Mit den „Treuetagen“ wird dabei eine neue eigenständige Komponente zur Mitarbeiterverbindung eingeführt, die zugleich die Verbreitung von Landzeitkonten als wichtiges Instrument im Umgang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels fördern soll.

1. Anlässlich des Dienstjubiläums erhält der Mitarbeiter eine Jubiläumszahlung in folgender Höhe (Bruttobeträge für Vollzeit-Mitarbeiter):

–          10 Dienstjahre:              1.000 €

–          25 Dienstjahre:              3.000 €

–          40 Dienstjahre:              6.000 €

Für Teilzeitbeschäftigte gilt jeweils ein dem Beschäftigungsgrad bei Vollendung des betreffenden Dienstjahres entsprechender anteiliger Betrag. Bei nur zeitweiser Teilzeitbeschäftigung im für das Dienstjubiläum maßgeblichen Zeitraum der Unternehmenszugehörigkeit wird für die Zeit der Teilzeitbeschäftigung die jeweilige Jubiläumszahlung zeitanteilig (pro-rata-temporis) im Verhältnis Teilzeitarbeit zu Vollzeitarbeit gekürzt.

2. Maßgeblich für das Erreichen des jeweiligen Dienstjubiläums sind die seit dem tatsächlichen oder rechnerischen Dienstantritt des Mitarbeiters beim Unternehmen vollendeten vollen Dienstjahre.

Der rechnerische Diensteintritt aufgrund einer Dienstzeitanrechnung ist nach der Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis insbesondere bei den gemäß der Aufzählung in § 1 Ziff. 3 vom Geltungsbereich ausgenommenen Mitarbeitern von Bedeutung.

3. Die Jubiläumszahlung wird mit der Entgeltabrechnung im Monat des Dienstjubiläums ausgezahlt. Mitarbeiter in ruhenden Arbeitsverhältnissen (z. B. in Elternzeit oder bei befristeter Erwerbsminderungsrente) erhalten die Jubiläumszahlung mit der ersten Entgeltabrechnung nach Wiederaufnahme der Arbeit.

4. Die obigen Jubiläumszahlungen werden für Dienstjubiläen ab dem 1. April 2015 gewährt.

…“

Mit der Entgeltabrechnung für den Monat September 2017 erhielt die Klägerin eine Jubiläumszahlung in Höhe von 2.037,19 € brutto.

Mit ihrer am 17. Oktober 2017 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen der erbrachten Leistung und 3.000,00 € unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Sie ist der Ansicht, allein die Tatsache, dass sie Teilzeit gearbeitet habe, könne nicht dazu führen, dass bei einer Jubiläumszuwendung, die unabhängig vom Gehalt gezahlt würde, eine Kürzung stattfände. Die Wertschätzung für die Betriebszugehörigkeit richte sich nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und nicht danach, ob die Arbeitnehmerin Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet habe. Der Zweck der Jubiläumszahlung sei in der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht eindeutig formuliert worden. Aus den Umständen, dass die Höhe der Jubiläumszahlung nicht vom Verdienst der Arbeitnehmer abhängig gemacht würde und das unter § 2 Ziff. 3 Gesamt-BV explizit eine ungekürzte Auszahlung von Jubiläumsgeld an Arbeitnehmer in ruhenden Arbeitsverhältnisses aufgenommen worden sei, könne geschlossen werden, dass der Zweck nicht die Entlohnung im Umfang der geleisteten Arbeit sei. Auch die Historie spreche dafür, dass das Jubiläumsgeld in der vorliegenden Gesamtbetriebsvereinbarung als Treueprämie ausgestaltet sei und von einer einmaligen Leistung im Hinblick auf die erbrachte Betriebstreue auszugehen sei. Dies würde vor dem Hintergrund deutlich, dass es beispielsweise in der Vergangenheit Regelungen gegeben habe, die eine Geldzuwendung in Abhängigkeit vom Verdienst des jeweiligen Arbeitnehmers vorgesehen habe. Zudem spreche für den Treuecharakter, dass anders als in einigen Altvereinbarungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung von Jubiläumszahlungen gesprochen würde. Zudem sei kein sachlicher Grund für den Umstand ersichtlich, dass Zeiten ohne faktische Arbeitsleistung bei Vollzeitkräften im Vergleich zu Teilzeitkräften bei der Berechnung der Jubiläumszahlung höher bewertet werden würden. Auch hierin könne eine unrechtmäßige Diskriminierung von Teilzeitkräften gesehen werden. Ferner behauptet die Klägerin, zu Zeiten der Teilzeitbeschäftigung sei ihre tatsächliche Beschäftigung aufgrund von Überstunden deutlich höher ausgefallen. In der Zeit vom 01. Januar 2008 bis zum 01. September 2015 seien von ihr insgesamt 754 Überstunden ohne erfolgten Freizeitausgleich geleistet worden.

Die Klägerin beantragt, an sie 962,81 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Oktober 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Regelung in § 2 Ziff. 1 des Gesamt-BV verstoße nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Anders als die Klägerin meine, würde nicht losgelöst von der tatsächlichen Arbeit die Betriebstreue honoriert; vielmehr solle die Betriebstreue nur im Umfang der durchschnittlichen Beschäftigung honoriert werden. Ein anderes Ergebnis wäre auch unbillig. Sollte den Teilzeitbeschäftigten die Jubiläumszahlung in gleicher Höhe wie den Vollzeitbeschäftigten zustehen, hätte dies bei einem 25-jährigen Dienstjubiläum beispielsweise zur Folge, dass einem Vollzeitbeschäftigten eine Jubiläumszahlung zustünde, die weniger als ein Bruttomonatsentgelt betrage, ein Minijobber aber Anspruch auf eine Jubiläumszahlung hätte, die nahezu ein Jahresentgelt ausmache.

Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Jubiläumszahlung in Höhe von 962,81 € brutto aus § 611 BGB i. V. mit § 2 Gesamt-BV. Soweit die Klägerin gegen die Beklagte nach den genannten Normen einen Anspruch auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes erworben hat, ist dieser Anspruch durch entsprechende Leistungen der Beklagten mit der Entgeltabrechnung für den Monat September 2017 nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin im Zeitraum vom 01. September 1992 bis zum 31. August 2017 einen vertraglichen Beschäftigungsgrad von 0,679064 erreicht hat. Unter Zugrundelegung dieses Beschäftigungsgrades ergibt sich ein Anspruch auf Jubiläumszahlungen nach 25 Dienstjahren in Höhe von 2.037,19 € brutto.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind § 2 Ziff. 1 Sätze 2 und 3 nicht wegen Verstoßes gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 1 TZBFG nach § 134 BGB nichtig.

1.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TZBFG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Demgemäß ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TZBFG einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Diese Regelung beruht auf dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Arbeitsentgeltes bei Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt (BAG, Urteil vom 28. Mai 2013 – 3 AZR 266/11 – juris). Teilzeitarbeit unterscheidet sich von Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich auch nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1997 – 1 BvL 12/91 – EzA Art. 3 GG Nr. 73, BAG, a.a.O.). Der pro-rata-temporis Grundsatz erlaubt eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht, indem er dem Arbeitgeber gestattet, das Arbeitsentgelt oder eine teilbare geldwerte Leistung für Teilzeitbeschäftigte entsprechend ihrer vergleichbarer Vollzeitbeschäftigten verringerten Arbeitsleistung anteilig zu kürzen. Ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeit leistet, kann nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 19. April 2016 – 3 AZR 526/14 – EzA § 4 TZBFG Nr. 24).

2.

§ 2 Ziff. 1 Sätze 2 und 3 Gesamt-BV führen zu einer Ungleichbehandlung der Beschäftigten wegen der Teilzeitarbeit. Dies ist dann der Fall, wenn die Dauer der Arbeitszeit Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung ist. Die genannte Norm differenziert die Höhe der Jubiläumszahlung danach, in welchem Umfang Teilzeitarbeit geleistet wurde.

3.

Für die Ungleichbehandlung besteht jedoch ein sachlicher Grund i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 TZBFG.

a)

Wie oben bereits dargelegt erlaubt der pro-rata-temporis-Grundsatz, dass die Höhe des Entgelts bei Teilzeitbeschäftigten qualitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt. Dies gilt grundsätzlich für alle Entgeltleistungen, auch wenn diese aus besonderem Anlass und zu besonderen Zwecken geleistet werden (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – 10 AZR 383/99 – juris).

Ob eine Differenzierung der Entgeltleistung nach dem Umfang der Beschäftigung möglich ist, ober ob auch hierin eine sachwidrige Ungleichbehandlung liegt, richtet sich in erster Linie nach dem Zweck der Leistung (BAG, a.a.O.). Grundsätzlich ist der Arbeitgeber bei freiwilligen Leistungen frei darin, den Zweck, den begünstigten Personenkreis und den Umfang der Leistungen zu bestimmen. Dies gilt auch für die Parteien einer Betriebsvereinbarung, wenn hierin eine freiwillige Leistung geregelt wird. Aus den formulierten Anspruchsvoraussetzungen und den näheren Bedingungen, gegebenenfalls Rückzahlungsbedingungen, kann auf den Zweck der Leistung geschlossen werden (BAG, a.a.O.).

b)

Bei der vorliegenden Jubiläumszahlung handelt es sich um eine Leistung mit Entgeltcharakter, da die erbrachte Betriebstreue durch eine einmalige Leistung zusätzlich belohnt werden soll. Dies ergibt eine Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung.

aa)

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelung sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 8 AZR 168/14 – EzA § 7 AGG Nr. 6; Urteil vom 09. Dezember 2014 – 1 AZR 146/13 – EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 53).

bb)

Die Bezeichnung der Leistung als „Jubiläumszahlung“ spricht nicht gegen den Entgeltcharakter, sondern drückt lediglich aus, dass die zusätzliche Leistung aus Anlass einer Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit in einer bestimmten Länge gewährt werden soll. Wie oben bereits dargelegt, spricht es nicht gegen eine Entgeltleistung, dass die Leistung aus einem besonderen Anlass oder zu einem besonderen Zweck erbracht wird.

cc)

§ 2 Ziff. 1 Sätze 2 und 3 Gesamt-BV bringt klar den Willen der Betriebsparteien zum Ausdruck, die Höhe der Jubiläumszahlung vom Grad der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen während des Jubiläumszeitraums abhängig zu machen. Dies zeigt deutlich, dass die Betriebsparteien die erwiesene Betriebstreue entsprechend dem Ausmaß der Tätigkeit zwischen Eintritt des Arbeitnehmers in den Betrieb und dem Zeitpunkt des Jubiläums honorieren wollten, die Jubiläumszahlung mithin Entgeltcharakter im oben dargelegten Sinne hat. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass nach der Betriebsvereinbarung nicht der zufällige Beschäftigungsgrad zum Zeitpunkt des Jubiläums, sondern der Beschäftigungsgrad während der gesamten Dauer der Betriebszugehörigkeit maßgeblich ist.

Der Charakterisierung der Jubiläumszahlung als Entgeltleistung steht nicht entgegen, dass bei der Berechnung des Dienstjubiläums auch Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden (vgl. § 2 Ziff. 3 Gesamt-BV). Zwar erbringt ein Arbeitnehmer – egal ob vollzeit- oder teilzeitbeschäftigt – während des ruhenden Arbeitsverhältnisses keine Arbeitsleistung für den Arbeitgeber, dies bedeutet jedoch nicht, dass die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ersatzlos wegfällt. Von einem ruhenden Arbeitsverhältnis wird gesprochen, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten (Arbeitsleistung und Vergütung) suspendiert sind und somit der jeweilige Gläubiger von seinem Schuldner die Erbringung der Leistung nicht verlangen und nicht durchsetzen kann, während die Nebenpflichten wie die Fürsorgepflicht und die Treuepflicht, die Verschwiegenheitspflichten und die Unterlassungspflichten, das Wettbewerbsverbot, die Auskunfts-, Rechnungs- und Herausgabepflichten die Pflichten zum Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers und seines Eigentums weiter bestehen (BAG, Urteil vom 10. Mai 1989 – 6 AZR 660/87 – EzA § 16 Bundeserziehungsgeldgesetz Nr. 2). Eine Befreiung von der Arbeitspflicht setzt begrifflich voraus, dass die Arbeitspflicht „an sich“ fortbesteht. Sie muss vom Arbeitnehmer allerdings wegen der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllt werden. Würde das Ruhen des Arbeitsverhältnisses als Vereinbarung einer Arbeitszeit „null“ verstanden werden, würde die Arbeitspflicht aufgehoben. Das ist etwas anderes, als die Freistellung von einer grundsätzlich weiter bestehenden vertraglichen Arbeitspflicht (BAG, Urteil vom 06. Mai 2014 – 9 AZR 678/12 – EzA § 1 BurlG Nr. 26; Urteil vom 19. April 2005 – 9 AZR 233/04 – EzA § 15 BUEZG Nr. 15; Urteil vom 01. Oktober 2002 – 9 AZR 278/02 – EzA § 6 ATG Nr. 1). Besteht die vertragliche Arbeitspflicht auch in einem ruhenden Arbeitsverhältnis „an sich“ fort, so ist es auch nicht sachwidrig, Zeiten des ruhenden Arbeitsverhältnisses lediglich im Umfang der vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht bei der Berechnung der Dienstjahre für eine Jubiläumszahlung zu berücksichtigen.

c) Stellt die Jubiläumszahlung nach § 2 Gesamt-BV demnach eine Entgeltleistung aus besonderem Anlass dar, so ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Firmentreue nur im Umfang der durchschnittlichen Beschäftigung honoriert wird. Dies entspricht dem oben dargelegten Grundsatz, dass Entgeltleistungen quantitativ abgegrenzt werden können.

d)

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien bei der Berechnung der Jubiläumszahlung auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit während des Jubiläumszeitraums abgestellt haben und nicht auf die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung. Insoweit fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten. Auch Vollzeitbeschäftigte erhalten keine höhere Jubiläumszahlung, wenn sie während des Jubiläumszeitraumes Mehrarbeit geleistet haben. Zudem führt Mehrarbeit, die selbst nur unter bestimmten Voraussetzungen vergütungspflichtig ist (vgl. BAG, Urteil vom 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – EzA – § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 7), im Regelfall nicht zu einer Erhöhung anderer arbeitsvertraglicher Entgeltleistungen (vgl. z. B. § 4 Abs. 1 a EFZG, § 11 Abs. 1 Satz 1 BurlG).

Schließlich führt auch die Berücksichtigung von Ruhenszeiten im Umfang der jeweils vertraglich vereinbarten Arbeitszeit während des Ruhenstatbestandes zu keiner Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten bei Berechnung der Jubiläumszahlung, da Anknüpfungspunkt die jeweilige vertragliche Arbeitszeit ist, die – wie oben dargelegt – auch während des Ruhenszeitraums „an sich“ fortbesteht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. mit §§ 3 ff. ZPO.

 

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