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Arbeitsunfähigkeit – Einteilung in Dienstplan / Schichtplan

Arbeitsunfähigkeit – Dienstplan: Entgeltfortzahlungspflicht verletzt

Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat in einem arbeitsrechtlichen Urteil entschieden, dass eine Mitarbeiterin im Bereich der ambulanten Pflege und Betreuung, die aufgrund einer Zahnoperation arbeitsunfähig war, Anspruch auf Schadenersatz für nicht geleistete Dienste hat. Dies beruht darauf, dass der Arbeitgeber die Dienstplanung nicht nach billigem Ermessen gestaltet hat, indem die Klägerin für die Zeit ihrer angekündigten Arbeitsunfähigkeit nicht eingeplant wurde. Somit stand der Klägerin eine Entgeltfortzahlung für zwei ausfallende Schichten zu.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Arbeitsunfähigkeit der Klägerin: Aufgrund einer Zahnoperation war die Klägerin für einen bestimmten Zeitraum arbeitsunfähig.
  2. Dienstplanung des Arbeitgebers: Die Klägerin wurde für diesen Zeitraum nicht in den Dienstplan eingetragen.
  3. Anspruch auf Entgeltfortzahlung: Die Klägerin erhob Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit.
  4. Urteil des Arbeitsgerichts: Das Arbeitsgericht gab der Klägerin zunächst vollständig Recht.
  5. Berufung der Beklagten: Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil ein und argumentierte, dass kein Lohnausfall vorlag und die Dienstplanung korrekt war.
  6. Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Das Landesarbeitsgericht erkannte einen Schadenersatzanspruch der Klägerin für die nicht geleisteten Dienste an, da die Dienstplanung nicht billigem Ermessen entsprach.
  7. Berechnung des Schadenersatzes: Der Schadenersatz wurde auf Basis der nicht geleisteten Dienste berechnet.
  8. Keine Revision zugelassen: Das Gericht sah keinen Grund für die Zulassung einer Revision gegen das Urteil.

Arbeitsunfähigkeit und Dienstplanung: Ein arbeitsrechtlicher Konfliktherd

Schichtplan
(Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Die Gestaltung von Dienst- und Schichtplänen in Unternehmen ist eine komplexe Aufgabe, die sowohl die betrieblichen Bedürfnisse als auch die Rechte der Arbeitnehmer berücksichtigen muss. Besonders herausfordernd wird es, wenn Arbeitnehmer arbeitsunfähig werden. Hier entstehen oft Fragen: Inwieweit muss der Arbeitgeber bei der Dienstplanung die Möglichkeit einer Arbeitsunfähigkeit einplanen? Welche Rechte haben Arbeitnehmer, wenn sie durch Krankheit ausfallen? Dies sind zentrale Fragen im Arbeitsrecht, die sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer von großer Bedeutung sind. Die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften, insbesondere hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit, der Gestaltung von Dienst- und Schichtplänen sowie des Weisungsrechts des Arbeitgebers, steht dabei im Fokus.

Im nachfolgenden Text wird ein konkretes Urteil beleuchtet, das sich mit diesen Themen auseinandersetzt. Es bietet aufschlussreiche Einblicke in die rechtlichen Feinheiten und die praktische Handhabung solcher Situationen. Dieses Urteil ist nicht nur für Juristen und Personalverantwortliche interessant, sondern auch für Arbeitnehmer, die ihre Rechte und Pflichten im Falle einer Arbeitsunfähigkeit besser verstehen möchten. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt des Arbeitsrechts und erfahren Sie mehr über dieses spannende und relevante Thema.

Der Konflikt um Arbeitsunfähigkeit und Dienstplanung

Im Zentrum des Falles steht eine Arbeitnehmerin, die in einem ambulanten Pflegedienst beschäftigt ist und im Vorfeld einer geplanten Zahnoperation ihre voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit ankündigt. Dies führt zu einer Auseinandersetzung über die korrekte Handhabung des Dienstplans, insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung der angekündigten Arbeitsunfähigkeit.

Die Arbeitnehmerin, deren reguläre Arbeitszeit laut Vertrag 40 Stunden pro Woche beträgt, wurde für den Zeitraum ihrer voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit im Dienstplan zunächst mit dem Vermerk „AU“ (Arbeitsunfähigkeit) eingetragen. Jedoch erfolgte keine Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum. Nach ihrer Operation und der daraus resultierenden tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit wurde sie für zwei weitere Tage, die im Dienstplan vorgesehen waren, regulär bezahlt.

Die rechtliche Auseinandersetzung

Die Arbeitnehmerin erhob Klage, um eine Vergütung für die gesamte Dauer ihrer Arbeitsunfähigkeit zu erhalten. Sie argumentierte, dass sie durch das Erreichen ihrer Sollarbeitszeit außerhalb des strittigen Zeitraums im Grunde ihre Arbeitsunfähigkeit selbst finanziert hätte. Die Beklagte, ihr Arbeitgeber, widersprach dieser Darstellung und betonte, dass für den betreffenden Zeitraum keine reguläre Dienstplanung vorgesehen war. Das Arbeitsgericht gab der Klage zunächst in vollem Umfang statt, woraufhin die Beklagte Berufung einlegte.

Urteil des Landesarbeitsgerichts

Das Sächsische Landesarbeitsgericht entschied teilweise zu Gunsten der Klägerin. Es stellte fest, dass die Beklagte ihre Weisungsbefugnis im Hinblick auf die Dienstplanung für die betreffende Kalenderwoche nicht nach billigem Ermessen ausgeübt hatte. Die unterlassene Einplanung der Klägerin für den fraglichen Zeitraum wurde als Versuch gewertet, die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu umgehen. Dies führte dazu, dass der Klägerin Schadenersatz in Höhe von 246,77 Euro brutto zugesprochen wurde.

Schlüsselaspekte und rechtliche Bewertung

Das Gericht berücksichtigte bei seiner Entscheidung verschiedene Faktoren: die übliche Handhabung der Dienstplanung, die Abwägung von Arbeitgeberinteressen gegenüber denen der Arbeitnehmerin sowie die Auslegung des § 106 GewO im Kontext von § 315 BGB. Besonders relevant war die Frage, inwieweit die Ankündigung der Arbeitsunfähigkeit Einfluss auf die Dienstplanung nehmen durfte und wie dies die Rechte der Arbeitnehmerin auf Entgeltfortzahlung beeinflusste.

Das Gericht betonte, dass die Arbeitnehmerin einen Anspruch darauf hatte, nicht schlechter gestellt zu werden, weil sie ihre voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit im Voraus mitteilte. Diese Entscheidung spiegelt die Notwendigkeit wider, einen fairen Ausgleich zwischen den organisatorischen Erfordernissen des Arbeitgebers und den Rechten der Arbeitnehmer zu finden, insbesondere in Bezug auf die Planung von Arbeitszeiten und die Entgeltfortzahlung bei Krankheit.

Das Urteil betont die Wichtigkeit einer sorgfältigen und gerechten Dienstplanung und stellt einen wichtigen Präzedenzfall im Arbeitsrecht dar, insbesondere im Hinblick auf die Behandlung von angekündigten Arbeitsunfähigkeiten. Es zeigt, dass Arbeitgeber bei der Dienstplanung die potenzielle Arbeitsunfähigkeit ihrer Mitarbeiter berücksichtigen müssen und dass eine unfaire Handhabung rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet „billiges Ermessen“ im Kontext der Arbeitszeitgestaltung und Dienstplanerstellung?

„Billiges Ermessen“ ist ein rechtlicher Begriff, der in verschiedenen Kontexten Anwendung findet, einschließlich der Arbeitszeitgestaltung und Dienstplanerstellung. Im Kontext des Arbeitsrechts bezieht sich „billiges Ermessen“ auf die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers, bestimmte Aspekte des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen, wie z.B. die Arbeitszeit, solange diese Entscheidungen fair und angemessen sind.

Gemäß § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) muss eine Leistungsbestimmung, die von einer Vertragspartei getroffen wird, der Billigkeit entsprechen. Das bedeutet, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen.

Im Kontext der Arbeitszeitgestaltung und Dienstplanerstellung bedeutet dies, dass der Arbeitgeber bei der Bestimmung des Arbeitszeitrahmens billiges Ermessen einhalten muss. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers und die betrieblichen Interessen abwägen muss, um eine faire und angemessene Entscheidung zu treffen.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, trägt der Arbeitgeber. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass er bei der Bestimmung der Arbeitszeit und der Erstellung des Dienstplans billiges Ermessen gewahrt hat.

Die Anwendung von billigem Ermessen soll den Arbeitnehmer vor willkürlichen Entscheidungen schützen und sicherstellen, dass die Entscheidungen des Arbeitgebers nicht unverhältnismäßig sind.

Es ist zu erwähnen, dass die genaue Anwendung und Interpretation von „billigem Ermessen“ von Fall zu Fall variieren kann und oft von Gerichten entschieden wird.

Inwiefern beeinflusst die Ankündigung von Arbeitsunfähigkeit die Dienstplanung und die daraus resultierenden Rechte des Arbeitnehmers?

Die Ankündigung von Arbeitsunfähigkeit kann die Dienstplanung erheblich beeinflussen und hat auch Auswirkungen auf die Rechte des Arbeitnehmers.

Wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit ankündigt, kann dies die Dienstplanung des Arbeitgebers stören. Der Arbeitgeber muss dann möglicherweise andere Mitarbeiter einsetzen oder die Arbeitslast auf das verbleibende Team verteilen. In einigen Fällen kann die Ankündigung von Arbeitsunfähigkeit sogar zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Beispielsweise kann eine Drohung mit Krankschreibung den Arbeitgeber grundsätzlich zur fristlosen Kündigung berechtigen, obwohl das Gericht in bestimmten Fällen zugunsten des Arbeitnehmers entscheiden kann.

In Bezug auf die Rechte des Arbeitnehmers ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu sechs Wochen hat. Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger dauert, erhalten gesetzlich versicherte Arbeitnehmer in der Regel ein sogenanntes Krankengeld von der Krankenkasse.

Es gibt jedoch einige spezifische Situationen, die berücksichtigt werden sollten. Wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise während eines Freizeitausgleichs krank wird, kann er den Ausgleich nicht nachholen. Ebenso muss der Arbeitgeber durch Krankheit verlorene Überstunden nicht nachgewähren. Bei Arbeit auf Abruf hängt die Entlohnung während der Krankheit davon ab, ob die Arbeitszeit bei Eintritt der Krankheit bereits abgerufen war oder nicht.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass eine Kündigung wegen Krankheit zulässig ist, wenn das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erheblich gestört ist. Dafür müssen jedoch triftige Gründe vorliegen.

Schließlich sollte ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig ist, sich nicht in jedem Fall dauerhaft im Bett aufhalten, um laut Arbeitsrecht eine Kündigung zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

Sächsisches Landesarbeitsgericht – Az.: 2 Sa 197/22 – Urteil vom 08.09.2023

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 31.03.2022 – Az. 6 Ca 6244/21 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 246,77 Euro brutto nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte zu 56 %, die Klägerin zu 44 %.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Parteien stehen zuletzt noch Zahlungsansprüche der Klägerin für die Zeit von Donnerstag, den 20.05.2021, bis Mittwoch, den 26.05.2021, im Streit.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der ambulanten Pflege und Betreuung je 24 Stunden an 7 Tagen die Woche tätig. Es besteht ein Betriebsrat. Seit Juli 2018 sind die Parteien arbeitsvertraglich verbunden. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages vom …2021 wird die Klägerin wird mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Pausen richten sich nach von der Beklagten zu erstellenden Dienst- bzw. Einsatzplänen und den betrieblichen Erfordernissen. Die monatliche, verstetigt gezahlte Grundvergütung beträgt 1.901,- Euro brutto. Die Beklagte legt dem ein monatliches Stundensoll von 173,17 Stunden zugrunde (geht aber im Schriftsatz vom 10.02.2022, dort Seite 2 Mitte, Bl. 58 PA, von 171,33 Stunden aus, auf Seite 4, Bl. 60 PA, dann wieder von 173,17 Stunden). Gemäß § 5 des Arbeitsvertrages ist die Vergütung monatlich jeweils zum letzten Bankarbeitstag fällig. In § 9 des Arbeitsvertrages wird hinsichtlich einer Ausschlussfrist auf § 14 AVR ASB verwiesen.

Die konkrete Arbeitszeit der Klägerin wird in mit dem Betriebsrat abgestimmten Dienstplänen monatlich im Voraus festgelegt. Es bestehen keine festen Abstände oder sogen. Schichträder.

Für den o.g. Zeitraum hat die Klägerin noch vor Erstellung des Dienstplans für den Monat Mai 2021 dem Fahrdienstleiter mitgeteilt, dass sie voraussichtlich aufgrund einer geplanten Zahnoperation arbeitsunfähig sein werde. Er nahm in den dann erstellten Soll-Dienstplan (vorgelegt als Kopie Bl. 44 PA) die Bemerkung „AU“ auf. Der Ist-Dienstplan enthält bei den fraglichen Tagen dagegen den Eintrag „wunschfrei“. Entgelt bzw. Entgeltfortzahlung wurde für diesen Zeitraum nicht geleistet. Die Klägerin war infolge der durchgeführten Operation über den ursprünglich vermuteten Zeitraum hinaus auch am 27.05.2021 und 28.05.2021 (insgesamt bis 31.05.2021) arbeitsunfähig. Für diese beiden Tage war die Klägerin ausweislich des Soll-Dienstplans mit jeweils 11,75 Stunden zum Arbeitseinsatz eingeplant, die Beklagte hat hierfür Entgeltfortzahlung geleistet. Unter Berücksichtigung dieser Stunden und der im Übrigen tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung war die Klägerin im Mai 2021 ohne die streitgegenständliche Zeit mit 173,17 Stunden insgesamt tätig bzw. arbeitsunfähig bei unstreitiger Einplanung.

Mit am 04.08.2021 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben machte die Klägerin „die Arbeitszeit von 40 h im Zeitraum 20. – 26.05.2021 lt. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz“ geltend. Die Beklagte lehnte etwaige Ansprüche mit Schreiben vom 11.08.2021 ab.

Mit der am 11.11.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 19.11.2021 zugestellten Klage machte die Klägerin zunächst die Gutschrift von 40 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto geltend. Nach Hinweis des Gerichts darauf, dass zur Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos ergänzend vorzutragen sei, erweiterte sie die Klage um einen Hilfsantrag auf Zahlung von Entgelt für 40 Stunden nebst Zinsen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, sie habe dadurch, dass sie ihre geschuldete Sollarbeitszeit erreicht habe, ohne dass die Zeit ihres angekündigten Arbeitsausfalls berücksichtigt worden sei, praktisch ihre Arbeitsunfähigkeit selbst finanziert. Ohne die Ankündigung wären für den Zeitraum vom 20. – 26.05.2021 Dienstzeiten für sie geplant worden mit der Folge, dass diese geplanten Zeiten für das Erreichen der Sollarbeitszeit berücksichtigt worden wären. Die Klägerin habe regelmäßig 3 Dienste in der Woche überwiegend zu mindestens je 11,25 Stunden geleistet, ab Februar 2021 sogar 4 bis 5. Auf den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 25.01.2022, dort ab Seite 4 (Bl. 35 ff PA) wird wegen der konkreten Zeiten Bezug genommen. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten von regelmäßig nur 3 geplanten Diensten ausginge, stünden ihr also entweder 33,75 Stunden als Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto oder als Entgeltfortzahlung zu. Anderenfalls, so die Klägerin, unterliefe die Handhabung der Beklagten die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Die Beklagte habe kein Recht, sie „auszuplanen“, dadurch werde ihr Anspruch auf Beschäftigung mit regelmäßig 40 Wochenstunden verletzt. Ein Fall der Befreiung von der Arbeitspflicht zum Ausgleich von Überstunden liege nicht vor. Die Beklagte habe insoweit ihr Weisungsrecht unbillig ausgeübt. Die Klägerin meint außerdem, mit dem Eintrag „AU“ sei für sie der gesamte Zeitraum als Arbeitszeit geplant gewesen.

Die Klägerin hat unter Rücknahme des ursprünglichen Hauptantrages erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 438,70 Euro brutto für 40 Stunden für die Zeit vom 20.05. bis 26.05.2021 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich bestritten, dass die Klägerin für die Zeit vom 20. – 26.05.2021 zum Dienst eingeplant gewesen sei. Der Eintrag „AU“ habe nur als Platzhalter gedient. Es sei unzutreffend, dass sie in diesem Zeitraum regulär tatsächlich oder regelmäßig eingesetzt worden wäre. Eine regelmäßige Einsatzzeit gebe es nicht, die Klägerin habe regelmäßig auch längere Zeiträume freigehabt und maximal 3 Schichten hintereinander geleistet, häufig jedoch auch nur eine oder zwei. Ein Einsatz im streitgegenständlichen Zeitraum sei aufgrund der vertraglichen Arbeitszeit und der vorgegebenen Ruhe- und Höchstarbeitszeiten auch gar nicht zulässig gewesen. Da die Klägerin mit ihrer vollen vertraglichen Arbeitszeit verplant und auch vergütet sei, entspreche der Dienstplan einer zulässigen Weisung nach § 106 GewO. Ihr sei durch die unterlassene Zuteilung von Diensten im streitgegenständlichen Zeitraum kein finanzieller Nachteil entstanden. Ein Fall des § 3 EFZG liege nicht vor, durch eine Auszahlung käme die Klägerin in den Genuss einer Doppelbezahlung. Zum Zeitpunkt der Dienstplanung habe nicht festgestanden, dass überhaupt bzw. wie lange die Klägerin aufgrund einer erst geplanten Operation arbeitsunfähig werden würde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage vollständig stattgegeben und wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zugelassen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf die Zahlung gemäß § 3 EFZG. Die Beklagte könne dem die fehlende Einplanung der Klägerin nicht entgegenhalten. Zwar bestehe grundsätzlich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur bei Monokausalität der Arbeitsunfähigkeit für den Ausfall der Arbeitsleistung. Davon sei hier aber auszugehen. Bei notwendiger Betrachtung des hypothetischen Kausalverlaufs wäre die Arbeitsleistung ohne die Arbeitsunfähigkeit erbracht worden. Ohne die Anzeige der geplanten Operation wäre die Klägerin im Rahmen ihrer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden mit drei bis vier Schichten eingeplant worden. Urlaub oder „wunschfrei“ habe sie unstreitig nicht beantragt. Für den Entgeltfortzahlungsanspruch spreche auch, dass sich die Beklagte ohne die eingetretene Arbeitsunfähigkeit im Annahmeverzug befunden hätte, denn sie sei verpflichtet gewesen, die Klägerin entsprechend einzuplanen. Zwar habe die Beklagte die Lage der Arbeitszeit in einer Woche bestimmen, nicht aber eine Woche komplett ohne Einsatz lassen dürfen. Der Annahmeverzug der Beklagten sei nur deshalb nicht eingetreten, weil die Klägerin arbeitsunfähig war. Letztere habe daher Anspruch auf Entgeltfortzahlung, weil sie auch ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Vergütung gehabt habe. Eine ungerechtfertigte Besserstellung der Klägerin sei nicht gegeben. Sie habe zwar das verstetigte Entgelt erhalten, dafür aber in den Wochen vor der Operation mit 58,45 und 63,61 Stunden überobligatorisch viel gearbeitet.

Gegen das dort am 22.06.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, welche am 19.07.2022 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist und mit Eingang am 09.08.2022 begründet wurde.

Die Beklagte führt dazu aus, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass kein Lohnausfall vorliege, keine regelmäßigen und für den Krankheitszeitraum festgelegten Schichten gegeben seien, die Dienstplanung in Abstimmung mit dem Betriebsrat vorgenommen werde und einer der Krankheitstage sowieso Feiertag gewesen sei, weshalb hierfür keine zusätzliche Gutschrift erfolgen könne. Ab dem 27.05.2021 sei die Klägerin entsprechend ihrer gegenüber dem Fahrdienstleiter gemachten Angaben wieder eingeplant worden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 EFZG für den davorliegenden Zeitraum nicht gegeben. Es habe verkannt, dass dieser keine Kalenderwoche darstelle, sondern sich von Donnerstag (20.05.2021) bis zum darauffolgenden Mittwoch (26.05.2021) erstrecke und damit auf die Kalenderwochen 21 und 22 (tatsächlich: 20 und 21) des Jahres 2021 entfalle. In der Kalenderwoche 21 sei die Klägerin für Dienstag (tatsächlich: Mittwoch), den 19.05.2021, eingeplant gewesen, in der Kalenderwoche 22 für Donnerstag, den 27.05.2021, Freitag, den 28.05.2021 sowie Sonntag, den 30.05.2021, jeweils mit Fahrdienstschichten zu 11,25 Stunden. Angesichts von durchschnittlich zu leistenden 3,55 Schichten pro Woche treffe die Feststellung des Arbeitsgerichts also nicht zu, wonach die Beklagte für eine gesamte Woche keine Dienstplanung für die Klägerin vorgenommen habe. Der im streitgegenständlichen Zeitraum eingeschlossene Sonntag, 23.05.2021, sowie Montag, 24.05.2021, seien als Pfingstsonntag und Pfingstmontag Feiertage gewesen, an welchen die Klägerin regulär wohl sowieso nicht eingeplant worden wäre.

Die gesamte Einsatzplanung der Klägerin im Mai 2021 entspreche den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben. Unzutreffend nehme das Arbeitsgericht an, dass die Nichteinplanung allein aufgrund der vorangehenden Mitteilung der Klägerin erfolgt sei (Seite 10 oben der Berufungsbegründung, Bl. 29 EA). Ohne die Mitteilung wäre sie möglicherweise gar nicht, möglicherweise auch mit ein oder zwei Schichten eingeplant worden. Keinesfalls wäre sie aber mit 40 Stunden bzw. 3,55 Schichten zu 11,25 Stunden über die Feiertage verplant worden. Dazu im Widerspruch stehend bringt die Beklagte auch vor, das Arbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die Dienstplanung im Monat Mai 2021 von der Beklagten aufgrund der Informationen der Klägerin zur bevorstehenden Zahn-Operation vorgenommen worden sei (Mitte Seite 7 der Berufungsbegründung, Bl. 26 EA). Diese Handhabung einer flexiblen Dienstplanung entspreche dem gelebten Arbeitsverhältnis. Die Klägerin sei wiederholt aufgrund der betrieblichen Umstände für mehrere Tage hintereinander für Dienste und Schichten nicht eingeplant gewesen. So etwa im Februar 2021 in der 6. Kalenderwoche vier Wochentage hintereinander sowie in den Kalenderwochen 1, 4 und 5 der Monate Januar und Februar 2021 jeweils drei Wochentage hintereinander.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts liege auch kein Annahmeverzug der Beklagten vor. Im streitgegenständlichen Monat Mai 2021 seien insgesamt 173,17 Arbeitsstunden der Klägerin angefallen. Damit sei die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Sollarbeitszeit der Klägerin von 171,33 Stunden (mehr als) ausgeschöpft.

Die Beklagte meint, dass es dem Arbeitgeber mit der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts nicht mehr möglich sei, eine Dienstplanung unter Berücksichtigung der Wünsche und Notwendigkeiten seiner Arbeitnehmer vorzunehmen, ohne dass er Gefahr laufen würde, bei einer möglichen Arbeitsunfähigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers einem umstandslos geltenden Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüberzustehen. Dies sieht die Beklagte als Konterkarierung des Lohnausfallsprinzips des Entgeltfortzahlungsgesetzes an.

Im Ergebnis spreche das Arbeitsgericht eine unzulässige Wertgutschrift auf das (lediglich faktisch geführte, aber noch nicht vereinbarte) Arbeitszeitkonto durch. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 28.01.2004 (Az. 5 AZR 58/03), wonach es keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gebe, wenn die Arbeitspflicht bereits aus einem anderen Grund – z.B. wegen einer zwischen den Betriebspartnern vereinbarten Betriebsruhe – aufgehoben sei.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich:

Die Klage wird unter dahingehender Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen zu Aktenzeichen 6 Ca 6244/21 vom 31.03.2022, zugestellt am 22.06.2022, abgewiesen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat sich den Ausführungen des Erstgerichts im Urteil angeschlossen und Letzteres verteidigt. Das Gericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin im Zeitraum vom 20.05. bis zum 26.05.2021 zur Schichtarbeit herangezogen worden wäre, wenn sie nicht arbeitsunfähig erkrankt wäre. Das lasse sich aus dem vom Fahrdienstleiter der Beklagten erstellten Dienstplan schlussfolgern, in welchem die auf diesen Zeitraum entfallenen Tage mit „AU“ gekennzeichnet wurden. Die Klägerin sei also ursprünglich für diese Tage für Dienste vorgesehen gewesen. Zum anderen meine die Beklagte zu Unrecht, in Bezug auf die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin (40 Stunden) völlig freie Hand zu haben. Sie sei vielmehr zum einen durch die Regelungen des Arbeitsvertrages und zum anderen durch das gemäß § 106 Gewerbeordnung nach billigem Ermessen auszuübende Weisungsrecht gebunden. Die Beklagte sei gehindert, ohne Rücksprache mit der Klägerin eine arbeits- (und vergütungsfreie) Zeit von 6 aufeinanderfolgenden Tagen anzuordnen.Daran ändere sich auch nichts nur weil der Zeitraum ein Wochenende beinhalte. Die Klägerin sei im Rahmen der „rollenden Woche“ bei der Beklagten eingesetzt und verpflichtet, auch an Samstagen, Sonntagen und sonstigen Feiertagen zu arbeiten. Hinzu komme, dass die Anordnung von 6 arbeitsfreien Tagen infolge im Betrieb der Beklagten nicht üblich sei. Nach Hinweisen des Gerichts in der mündlichen Berufungsverhandlung stützt die Klägerin den Anspruch hilfsweise auf Schadensersatz.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 08.09.2023.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 Buchst. a ArbGG statthaft, das Landesarbeitsgericht gemäß § 64 Abs. 4 ArbGG an die Zulassung gebunden. Die Berufung ist weiterhin gemäß den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet und damit zulässig. Sie hat in der Sache teilweise Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben, soweit die Beklagte zur Zahlung von 246,77 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt wurde. Darüber hinaus ist die Klage aber unbegründet und das Urteil insoweit abzuändern.

I.

Gründe, die zur Unzulässigkeit der Klage führen könnten, sind nicht erkennbar und nicht geltend gemacht.

II.

Die Klage ist teilweise begründet. Der Klägerin steht Zahlung in tenorierter Höhe als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Ausübung des ihr nach § 106 S. 1 GewO zustehenden Weisungsrechts bezüglich der konkreten Lage der Arbeitszeit nach billigem Ermessen für die 20. Kalenderwoche 2021 verletzt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Klägerin hierdurch ein Schaden entstanden, der darin liegt, dass ihr Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entgeht, welche ihr bei pflichtgemäßer Ausübung des Weisungsrechts zugestanden hätte. Darauf, dass die Klägerin das verstetigt gezahlte Grundentgelt erhalten hat, weil sie die hierfür erforderlichen Stunden anderweitig erbracht hat, kommt es nicht an.

1.

Nach der arbeitsvertraglichen Regelung oblag es der Beklagten, die konkrete Lage der Arbeitszeit monatlich mittels Dienstplanung zu bestimmen. Bei wechselnden Dienstplänen übt der Arbeitgeber bei jeder Dienstplanerstellung sein Ermessen hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit aus. Es ist jeweils für den konkreten Dienstplan festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 106 S. 1 GewO eingehalten sind, insbesondere, ob der Arbeitgeber billiges Ermessen gewahrt hat. Den Streit darüber, ob bzw. wie weit § 315 BGB neben § 106 GewO anwendbar ist (vgl. dazu ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, GewO § 106 Rn. 1, m.w.N.), hat das Bundesarbeitsgericht für die Rechtsprechung im Urteil vom 18. Oktober 2017 (Az. 10 AZR 330/16, BAGE 160, 296-324, juris) dahingehend geklärt, dass § 106 Satz 1 GewO hinsichtlich des „billigen Ermessens“ die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB verdrängt, wobei die Ausübung des Bestimmungsrechts zwar der richterlichen Kontrolle unterliegt, aber eine Ersatzleistungsbestimmung durch das Gericht nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht erfolgen kann. Aus den überzeugenden Gründen des Urteils schließt sich die Kammer dieser Rechtsprechung an.

Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die nach billigem Ermessen zu treffende Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Den Erklärenden dagegen bindet die unverbindliche Bestimmung, bis eine anderweitige Bestimmung erfolgt (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2017, a.a.O., Rn. 71 bei juris). Nach einer Auffassung soll sie auch den Vertragsgegner zunächst binden. Dieser müsse die Unwirksamkeit zeitnah durch Klage nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB geltend machen. Diese Ansicht entspricht nicht dem Gesetz und ist abzulehnen. Andernfalls könnte eine Vertragspartei, der ein Leistungsbestimmungsrecht zusteht, aus einer unbilligen Bestimmung Rechte herleiten, die sie bei gesetzmäßigem Verhalten nicht hätte (MüKoBGB/Würdinger, 9. Aufl. 2022, BGB § 315 Rn. 54). Wie oben bereits ausgeführt, lehnt das Bundesarbeitsgericht darüber hinaus die Bestimmung einer (Ersatz-)Weisung durch das Gericht grundsätzlich ab. Ein solches Gestaltungsurteil scheide aus, weil es sich um einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit des Arbeitgebers handeln würde, den § 106 GewO weder vorsehe noch zulasse (so das BAG im Urteil vom 18. Oktober 2017, a.a.O., Rn. 75 bei juris). Auch dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.

Die gerichtliche Billigkeitskontrolle hat primär Schutzwirkung zugunsten der schwächeren Vertragspartei. Sie beinhaltet eine zwingend eingreifende richterliche Inhaltskontrolle gegen den Missbrauch privatautonomer Gestaltungsmacht (MüKoBGB/Würdinger, a.a.O., Rn. 6). Mit dem Begriff der Billigkeit soll Austauschgerechtigkeit im Einzelfall erreicht werden. Das erfordert eine umfassende Analyse und Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände. Zu beachten sind etwa folgende Kriterien billigen Ermessens: Die Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern, die beiderseitigen Bedürfnisse, wirtschaftliche Interessen oder Belastungen der Parteien, soziale Gesichtspunkte (Lebensverhältnisse, Familie, Kinder etc), im Arbeitsrecht auch die Belange des Betriebs (vgl. auch zu weiteren Kriterien MüKoBGB/Würdinger, a.a.O., Rn. 40, 41). Der Bestimmungsberechtigte kann dabei bis an die durch die Billigkeit gekennzeichnete Grenze seines Ermessensspielraums gehen (MüKoBGB/Würdinger, a.a.O., Rn. 40, 41).

Hinsichtlich des hier in Rede stehenden Weisungsrechts gilt, dass der Arbeitnehmer keinen allgemeinen Anspruch hat, zu bestimmten Zeiten (nicht) eingesetzt zu werden (LAG SchlH 20.10.2020, BeckRS 2020, 28416; ErfK/Preis, a.a.O., § 106 GewO Rn. 31).

2.

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Beklagte bei der Erstellung des Dienstplans für die 20. Kalenderwoche (im Monat Mai) 2021 ihr Ermessen nicht in der Billigkeit entsprechender Weise ausgeübt. Die unterbliebene Einsatzplanung führt im Ergebnis zur Umgehung der Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes und ist auch daher unbillig.

Dabei geht die Kammer mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass die Klägerin nur deshalb nicht eingeplant wurde, weil sie bereits vor Erstellung des Dienstplans eine mögliche Arbeitsunfähigkeit angezeigt hatte. Die Beklagte lässt sich hierzu zwar widersprüchlich ein (nämlich einmal verneinend und einmal ausdrücklich bejahend), bestätigt aber jedenfalls, dass die Klägerin nach Ablauf des mitgeteilten AU-Zeitraums ab 27.05.2021 wieder eingeplant wurde. Für eine Ausplanung wegen der drohenden Arbeitsunfähigkeit spricht auch die taggleiche Deckung des Zeitraums sowie dass eine Üblichkeit der Planung sechs zusammenhängender arbeitsfreier Tage nicht festgestellt werden kann. Im Gegenteil, war es üblich, die Klägerin mit mindestens 2 bis jedenfalls 4 Schichten pro Woche einzuteilen. Selbst der von der Beklagten als Beispiel herangezogene planungsfreie Zeitraum beträgt (maximal) nur 4 Tage und ist in dieser Form nur einmal angefallen. Zwar meint die Beklagte in diesem Zusammenhang zutreffend, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine bestimmte Planung gehabt habe. Die bisherige Handhabung kann aber bei der Feststellung, ob die Dienstplanung billigem Ermessen entsprach, nicht unberücksichtigt bleiben. Die Klägerin erfährt hier für ihr ausschließlich im Interesse der Beklagten liegendes Verhalten eine Behandlung, der sie bei weniger rücksichtsvollem Verhalten (sprich: Nichtmitteilung der Ausfallzeit) erkennbar nicht unterlegen wäre und die für sie zum Verlust eines sonst gegebenen Entgeltfortzahlungsanspruchs führt. Das widerspricht dem Rechtsgedanken des § 612a BGB. Dies umso mehr, als die Klägerin hier mit der Mitteilung nicht eigene Rechte wahrgenommen hat, sondern Rücksichtnahmepflichten gegenüber der Beklagten.

Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, die Klägerin sei im Mai 2021 sogar über ihre Sollarbeitszeit hinaus eingeplant gewesen, denn es geht vorliegend nicht um die Gesamtzeit, sondern um die Verteilung (siehe dazu noch unten). Dass man diesem Ansatz der Beklagten nicht folgen kann, ergibt sich aus folgender Kontrollüberlegung: wäre die Klägerin aufgrund der Operation absehbar nicht nur für 1 Woche, sondern z.B. für die gesamten 6 Wochen des eigentlichen Entgeltfortzahlungszeitraums ausgefallen und hätte sie dennoch ihr verstetigtes Grundgehalt bekommen, wären insgesamt 60 Arbeitsstunden auf die Zeit vor oder nach der Erkrankung zu verteilen, um die Sollarbeitszeit durch Vor- oder Nacharbeit zu erreichen. Die damit gegebene Umgehung der Entgeltfortzahlungspflicht liegt auf der Hand.

Die Gesamtbetrachtung zeigt, dass die Beklagte mit der im Streit stehenden Planung allein ihre eigenen betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen verfolgt hat, was für sich gesehen schon zur Unbilligkeit führt (vgl. Erfk/Preis, a.a.O., § 106 GewO Rn. 11). Das Interesse der Klägerin, durch ihr vertragstreues Verhalten nicht schlechter gestellt zu werden, fand bei der Dienstplanung dagegen keinerlei Berücksichtigung. Die Beklagte hat die Klägerin in der 20. Kalenderwoche 2021 nicht mit dem Mindestmaß an Diensten eingeplant, welches noch billigem Ermessen entsprochen hätte, nämlich mit 3 Schichten. Die Klägerin war in dieser Kalenderwoche nur für Mittwoch, den 19.05.2021, eingeplant. In der 21. Kalenderwoche war die Klägerin dagegen für insgesamt 3 Schichten geplant, nämlich für Donnerstag, den 27.05.2021, Freitag, den 28.05.2021 sowie Sonntag, den 30.05.2021. Diese Planung kann als billigem Ermessen entsprechend angesehen werden. Wie ausgeführt, ist die bisherige Handhabung zu berücksichtigten. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 25.01.2022 (dort ab Seite 4, Bl. 35 PA) Einsatzzeiten im Jahr 2021 wie folgt vorgetragen:

  • Kalenderwoche 1 4 Schichten
  • Kalenderwoche 2 2 Schichten
  • Kalenderwoche 3 4 Schichten
  • Kalenderwoche 4 3 Schichten
  • Kalenderwoche 5 3 Schichten
  • Kalenderwoche 6 3 Schichten
  • Kalenderwoche 7 3 Schichten
  • Kalenderwoche 8 3 Schichten
  • Kalenderwoche 9 5 Schichten
  • Kalenderwoche 10 4 Schichten
  • Kalenderwoche 11 3 Schichten
  • Kalenderwoche 12 3 Schichten

Es ergibt sich, dass in der Regel eine Einteilung zu 3 Schichten erfolgt ist. Die von der Klägerin vorgetragene Schichtzahl für Mai 2021 ist zwar höher, kann aber keine Berücksichtigung finden, weil die Erhöhung gerade mit der hier für unbillig gehaltenen Dienstplanung erfolgte. Auch die Dienstpläne für die Monate ab September 2021 können nicht berücksichtigt werden, weil diese nur eine zeitlich spätere Handhabung erkennen lassen, aus der keine Rückschlüsse gezogen werden können. Die Anordnung von gelegentlich 4 sowie je einmal 2 bzw. 5 Schichten pro Kalenderwoche ist danach als Ausnahme anzusehen. Weder Klägerin noch Beklagte haben dazu vorgetragen, dass in der 20. Kalenderwoche 2021 die Planung einer solchen – jeweils für sie günstigen – Ausnahme erforderlich gewesen wäre.

3.

Der Bewertung der Dienstplanung für die 20. Kalenderwoche als unbillig stehen die weiteren Argumente der Beklagten nicht entgegen. Dazu im Einzelnen:

3.1.

Die Tatsache, dass der Dienstplan für Mai 2021 mitbestimmt ist und der Betriebsrat also (wohl) keine Einwände erhoben hat, bietet keine Gewähr dafür, dass das gleichwohl von der Beklagten damit ausgeübte Weisungsrecht billigem Ermessen entspricht. Aus vielen Verfahren gerichtsbekannt unterlaufen auch einem Betriebsrat hin und wieder Fehler. Darüber hinaus mag es sein, dass der den Soll-Plan mitbestimmende Betriebsrat den Eintrag der „AU“ so verstanden hat, wie die Klägerin, also dahingehend, dass sie ursprünglich für jeden Tag zur Arbeit eingeplant gewesen sei (wie nicht, siehe unten).

3.2.

Unbehelflich ist die Argumentation der Beklagten mit etwa einzuhaltenden Ruhe- oder Höchstarbeitszeiten. Die Beklagte hätte bei Aufstellung des Dienstplans und damit verbundener Ausübung des Weisungsrechts diese Zeiten entsprechend berücksichtigen können, indem die Klägerin von vorneherein für Schichten nicht eingeplant worden wäre, in denen sie nun tatsächlich gearbeitet hat. Wie ausgeführt, geht die Kammer davon aus, dass der Dienstplan um die Zeit der Arbeitsunfähigkeit „herum gebaut“ wurde.

Darauf, dass die (fiktive) Hinzurechnung von 40 Arbeitsstunden durch das Arbeitsgericht zu einer monatlichen Arbeitszeit der Klägerin im streitgegenständlichen Mai 2021 von 213,17 Stunden (173,17 h + 40 h) führt und die Klägerin zuvor solche Zeiten nicht erreicht habe, kommt es aus dem gleichen Grund nicht an.

Die nachträgliche Zahlung im Wege des Schadenersatzes führt als solche auch nicht dazu, dass jetzt Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes verletzt wären, denn das für deren Einhaltung allein maßgebliche „Ist“ tatsächlicher Arbeitsleistung ändert sich dadurch nicht.

3.3.

Zu Recht macht die Beklagte mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg im Urteil vom 13.03.2018 (7 Sa 1498/17, juris) geltend, dass der nicht im Dienst- bzw. Schichtplan eingeteilte Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit für diese Zeit keine Entgeltfortzahlung (oder Zeitgutschrift für ein Arbeitszeitkonto) verlangen kann. Ist an bestimmten Tagen keine Arbeitsleistung zu erbringen, fällt diese nicht aufgrund der Arbeitsunfähigkeit aus mit der Folge, dass kein Anspruch nach § 3 EFZG besteht. Das besagt aber nichts darüber, ob die entsprechende Planung rechtmäßig war. Letzteres hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg für den dort zugrundeliegenden Sachverhalt bejaht. Die Entscheidung deutet allerdings schon an, dass Ansprüche des dortigen Klägers bei anderem Sachverhalt durchaus gegeben sein können:

„Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass er ohne die Arbeitsunfähigkeit eingeteilt worden wäre, z.B. weil dies einem bestimmten Schichtsystem oder einer bestimmten Beschäftigungslage entsprochen hätte oder sich aus den Regelungen des Arbeitszeitkontos ergeben hätte, weil er zu diesen Schichten hätte eingeteilt werden müssen, um die erforderlichen Einbringstunden für das Kalenderjahr zu erbringen.“

(LArbG Berlin-Brandenburg, a.a.O, Rn. 23, juris)

Gerade so liegt der Fall hier: die Klägerin macht zu Recht geltend, dass die Beklagte bei der Dienstplanung nicht völlig frei war, sondern bei Ausübung des Weisungsrechts nach billigem Ermessen eine weitergehende Einplanung habe vornehmen müssen (wenn auch nicht im von der Klägerin beanspruchten Umfang, siehe unten):

3.4.

Die der Argumentation des Arbeitsgerichts folgenden Ausführungen der Beklagten zum Annahmeverzug unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2011 (Az.: 5 AZR 819/09, BAGE 137, 38-44, juris) spielen für die hier zu treffende Entscheidung keine Rolle. Der Anspruch der Klägerin stützt sich weder auf § 3 EFZG noch auf § 615 BGB. Es geht nicht darum, dass die Beklagte die Klägerin insgesamt zu wenig eingeplant hat, sondern darum, dass die Verteilung der Schichten nicht billigem Ermessen entspricht und die Beklagte damit ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat.

3.5.

Auch die von der Beklagten angezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 28.01.2004 (Az. 5 AZR 58/03, juris), kann der Berufung nicht weitergehend zum Erfolg verhelfen. Wie ausgeführt, geht es hier schon nicht um einen Entgeltfortzahlungsanspruch. Die Entscheidung ist allerdings auch vom Sachverhalt her nicht übertragbar. Die dazu formulierten Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts lauten wie folgt:

„1. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Ist die Arbeitspflicht bereits aus einem anderen Grund – z.B. wegen einer zwischen den Betriebspartnern vereinbarten Betriebsruhe – aufgehoben, besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch.

2. Erhält der arbeitsunfähige Arbeitnehmer während der Dauer der Betriebsruhe das verstetigte Arbeitsentgelt, können ihm die ausfallenden Arbeitsstunden im Arbeitszeitkonto ins Soll gestellt werden.“

Zwar hat die hiesige Klägerin verstetigtes Arbeitsentgelt erhalten. Sie hat dafür aber im Mai 2021 – bei Ausnahme der streitgegenständlichen Zeit – entweder gearbeitet oder Anspruch auf Entgeltfortzahlung (weil sie insoweit in den Dienstplan aufgenommen und also zur Arbeitsleistung verpflichtet war) und damit ihr Soll erfüllt. Zu der vorliegend zu beantwortenden Frage, wie sich die rechtswidrige Dienstplaneinteilung auswirkt, verhält sich die genannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht. Gleiches gilt für die von der Beklagten erstinstanzlich zitierte Entscheidungen (BAG vom 04.09.1985, LAG Berlin vom 20.03.1991 usw.; siehe Schriftsatz vom 10.02.2022, dort Seite 4, Bl. 60 PA). Die dort zugrundeliegenden Sachverhalte beinhalten jeweils eine zuvor nicht absehbare Arbeitsunfähigkeit nach bereits erfolgter Planung eines Freizeitausgleichs, einer Betriebsruhe etc. So liegt der Sachverhalt hier gerade nicht. Vielmehr hat die Beklagte die Klägerin gezielt ausgeplant, nachdem diese die anstehende Operation und darauffolgende Arbeitsunfähigkeit angekündigt hatte.

4.

Die Klägerin hat damit dem Grunde nach Anspruch auf Schadenersatz. Zur Rechtsfolge der unbilligen Weisung führt das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 18. Oktober 2017 (a.a.O., Rn. 79 bei juris) wie folgt aus:

„Erweist sich die Weisung hingegen als unbillig, hat der Arbeitgeber – soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – nach § 615 iVm. § 611 BGB bzw. im Wege des Schadensersatzes die Vergütung zu leisten, ohne einen Nachleistungsanspruch zu haben. Denjenigen, der eine unbillige Weisung erteilt, trifft dementsprechend das Risiko der Unwirksamkeit dieser Weisung; dieses kann nicht auf den Vertragspartner abgewälzt werden (vgl. zu einer ähnlichen Risikoverteilung zwischen Verbraucher und Versorgungsunternehmen: BGH 5. Juli 2005 – X ZR 60/04 -; 19. Januar 1983 – VIII ZR 81/82 -; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19a).“

Wie oben bereits ausgeführt, ist vorliegend kein Fall des Annahmeverzuges gegeben. Die Klägerin war aufgrund der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 297 BGB außerstande, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Da die Bestimmung der konkreten Lage der Arbeitszeit für die 20. Kalenderwoche aber nicht billigem Ermessen entspricht und eine neue, rechtmäßige Bestimmung durch die Beklagte aufgrund des Zeitablaufs in entsprechender Anwendung des § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden ist, steht der Klägerin Schadenersatz zu, § 275 Abs. 4, § 280 Abs. 1 Satz 1, § 283 Satz 1 BGB.Zu einem fehlenden Verschulden i.S.d. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat die Beklagte nicht vorgetragen, die streitgegenständliche Dienstplanung dürfte vorsätzlich erfolgt sein.

5.

Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen. Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung richtet sich auf das positive Interesse. Demgemäß ist die Klägerin so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (BAG, Urteil vom 21. März 2012 – 5 AZR 651/10, juris).

Die Klägerin ist so zu stellen, als wäre das Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt worden. Die Beklagte hätte die Klägerin in der 20. Kalenderwoche 2021 bei Wahrung billigen Ermessens mit 3 Schichten einplanen müssen. Die Klägerin war in dieser Kalenderwoche nur für eine Schicht eingeplant (Mittwoch, den 19.05.2021). Wäre sie für 3 Schichten eingeplant gewesen, hätte ihr Entgeltfortzahlung für 2 Schichten zugestanden. Den hierfür geschuldeten Betrag hat die Beklagte im Wege des Schadenersatzes zu zahlen. Es ergibt sich folgende Berechnung:

1.901,00 € : 173,33 Stunden x 11,25 Std./Schicht x 2 = 246,77 €

6.

Die Klägerin macht diesen Betrag zu Recht als Bruttozahlung geltend.

Nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 19 Abs. 1 EStG sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern; der Schadensersatzanspruch wegen einer von der Beklagten zu vertretenden Unmöglichkeit tritt an die Stelle eines Lohn- bzw. hier Entgeltfortzahlungsanspruchs und ist steuerlich in gleicher Weise zu behandeln; deswegen kann dieser als Bruttobetrag verlangt werden (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.2012 – 5 AZR 651/10 zum vergleichbaren Fall des Schadenersatzes wegen Entzug des Dienstwagens; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.03.2015 – 5 Sa 565/14; juris).

7.

Die Ansprüche sind nicht nach § 9 des Arbeitsvertrages i.V.m. § 14 AVR ASB Sachsen verfallen. Dabei kann offenbleiben, ob die Klausel wirksam ist. Die Beklagte macht einen Verfall selbst nicht geltend, die Einhaltung der Ausschlussfrist ist aber wie bei einer tariflichen Verfallfrist von Amts wegen zu beachten. Der Schuldner muss sich nicht auf ihre Wirkung berufen, da es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt (st. Rspr., vgl. schon BAG 15. März 1960 – 1 AZR 464/57 – zu III der Gründe; BAG, Urteil vom 16. März 2016 – 4 AZR 421/15 –, BAGE 154, 252-267, Rn. 14).

Die in § 14 AVR ASB Sachsen vorgesehene Ausschlussfrist beträgt in der ersten Stufe 3 Monate nach Fälligkeit und sieht eine Geltendmachung in Textform vor. Gemäß § 5 des Arbeitsvertrages ist die Vergütung monatlich jeweils zum letzten Bankarbeitstag fällig. Das war im Mai 2021 am Montag, den 31.05.2021 gegeben. Das am 04.08.2021 bei der Beklagten eingegangene Schreiben, mit dem die Klägerin die Arbeitszeit von 40 h im Zeitraum 20. – 26.05.2021 lt. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz geltend machte, wahrt somit sowohl Frist als auch Textform.

Die zweite Stufe der Ausschlussklausel erfordert eine gerichtliche Geltendmachung binnen 3 Monaten nach Ablehnung durch die Gegenpartei. Die Beklagte lehnte etwaige Ansprüche mit Schreiben vom 11.08.2021 ab. Bei unterstelltem Zugang noch am selben Tag begann die Frist am 12.08.2021 zu laufen und endete am 11.11.2021, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. An diesem Tag ging die Klage beim Arbeitsgericht ein, die Zustellung erfolgte am 19.11.2021 und damit „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO. Diese Bestimmung gilt auch für die Fristwahrung bei einer tariflich notwendigen fristgebundenen Klageerhebung (BAG, Urteil vom 11. Februar 2009 – 5 AZR 168/08, Rn. 21, juris) und entsprechend auch bei einer solchen nach den hier geltenden AVR.

Für die Geltendmachung unschädlich ist, dass die Klägerin mit der Klage zunächst die Gutschrift von 40 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto geltend machte. Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG v. 22.04.2004 – 8 AZR 652/02 – AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG v. 22.06.2005 – 10 AZR 459/04 – AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. April 2016 – 3 Sa 529/15, juris). Die Klägerin hat vorliegend sowohl mit ihrer schriftlichen Geltendmachung, als auch mit der Klageschrift in diesem Sinn ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie von der Beklagten letztendlich Bezahlung für 40 Stunden ohne weitere Erbringung von Arbeitsleistung fordert – sei es nach in der schriftlichen Geltendmachung ausdrücklich erwähntem § 3 EFZG oder im Wege der verstetigten Entgeltzahlung durch spätere Freistellung für 40 „Gutstunden“ auf dem Arbeitszeitkonto.

III.

Aus der zustehenden Hauptforderung kann die Klägerin Zinsen mit dem gesetzlichen Zinssatz i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 beanspruchen, §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Zur Fälligkeit am 31.05.2021 siehe bereits oben, die Verzinsung beginnt in analoger Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB am nächsten Tag.

IV.

Darüber hinaus hat die Klägerin weder Anspruch auf Zahlung der Hauptforderung noch auf daraus resultierende Zinsen. Insoweit unterliegt die Klage der Abweisung.

Die Beklagte war nicht gehalten, die Klägerin mit mehr als 3 Schichten pro Kalenderwoche einzuplanen. Wie oben unter Ziffer II Nr. 1 ausgeführt, kann der Arbeitgeber bei Erteilung der Weisung den Rahmen ausschöpfen, der billigem Ermessen noch entspricht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie mit dem Eintrag „AU“ für den gesamten Zeitraum täglich mit Schichten geplant werden sollte. Dies entspräche weder der üblichen Handhabung noch dem Arbeitszeitrecht.

V.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind weder erkennbar noch vorgebracht. Es liegt insbesondere keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, zur anderslautenden Ansicht des Arbeitsgerichts wurde dort nicht weiter ausgeführt. Mit der hiesigen Urteilsbegründung hat die Kammer einen Einzelfall unter Berücksichtigung höchstgerichtlicher Rechtsprechung entschieden.

Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

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