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Aufhebungsvertrag – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Aufhebungsvertrag wirksam – Gericht weist Täuschungsvorwürfe zurück

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel ab, bei dem es um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags ging. Der Kläger hatte behauptet, zum Abschluss des Vertrags durch arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung seitens der Beklagten veranlasst worden zu sein. Das Gericht fand jedoch keine hinreichenden Beweise für eine arglistige Täuschung oder eine widerrechtliche Drohung und bestätigte die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  • Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil wurde abgewiesen.
  • Eine arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung durch die Beklagte konnte nicht bewiesen werden.
  • Der Aufhebungsvertrag zwischen den Parteien ist rechtswirksam.
  • Der Kläger trug die Kosten der erfolglosen Berufung.
  • Die Revision wurde nicht zugelassen.
  • Beweise für eine Täuschung durch das Suggerieren oder explizite Drohungen waren nicht überzeugend.
  • Die Darlegungs- und Beweislast für die Anfechtungsgründe trägt der Anfechtende.
  • Das Gericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags.

Rechtliche Hürden im Arbeitsverhältnis

Das Arbeitsrecht regelt die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern und spielt im Alltag vieler Menschen eine wichtige Rolle. Dabei kommt es immer wieder zu rechtlichen Auseinandersetzungen, die vor Gericht geklärt werden müssen. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein beschäftigt sich mit der Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags.

Im Zentrum steht die Frage, ob der Kläger durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zum Abschluss des Vertrags veranlasst wurde. Der Fall verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen im Arbeitsverhältnis und zeigt, wie wichtig es ist, sich über seine Rechte und Pflichten zu informieren.

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Urteil zum Aufhebungsvertrag: Drohung und Täuschung beanstandet
(Symbolfoto: Bacho /Shutterstock.com)

Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags zwischen einem langjährigen Mitarbeiter der Feuerwehr und seinem Arbeitgeber. Der Kläger, ein erfahrener Industriemechaniker und stellvertretender Gerätemeister, sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, über einen eBay-Account Gegenstände der Freiwilligen Feuerwehr verkauft zu haben. Diese Vorwürfe führten zu einer tiefgreifenden juristischen Auseinandersetzung, die ihren Höhepunkt im Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein fand.

Die Anfänge des Konflikts: Anonyme Anzeige und Testkäufe

Ausgelöst wurde der Fall durch eine anonyme Anzeige, die behauptete, der Kläger veräußere Feuerwehrgegenstände im Internet. Die Beklagte reagierte mit Testkäufen, die die Vorwürfe zu bestätigen schienen. Als Konsequenz lud die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch, in dem ihm der Abschluss eines Aufhebungsvertrags nahegelegt wurde. Der Kläger unterzeichnete den Vertrag unter der Annahme, so einer Kündigung und einer Strafanzeige zu entgehen.

Juristische Auseinandersetzung: Anfechtung wegen Täuschung und Drohung

Der Kern der rechtlichen Auseinandersetzung lag in der Anfechtung des Aufhebungsvertrags durch den Kläger. Er argumentierte, zum Abschluss des Vertrags durch arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung seitens der Beklagten gebracht worden zu sein. Besonders brisant war der Vorwurf, die Beklagte habe eine Strafanzeige als Druckmittel eingesetzt, obwohl bereits eine Anzeige erstattet worden war.

Gerichtliche Bewertung: Die Entscheidungsfindung

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein nahm sich dieser komplexen Materie an und wog die Vorwürfe sorgfältig ab. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass keine ausreichenden Beweise für eine arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung vorlagen. Zentral für diese Entscheidung war die Bewertung der Beweisaufnahme, insbesondere der Zeugenaussagen. Das Gericht fand keine stichhaltigen Belege dafür, dass dem Kläger die Strafanzeige als unausweichliche Konsequenz bei Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags dargestellt wurde.

Schlüsselmomente und gerichtliche Interpretation

Die Analyse des Gerichts verdeutlichte, dass die Kommunikation zwischen den Parteien und die internen Abläufe der Beklagten entscheidend waren. Die Beklagte hatte nachvollziehbar dargelegt, dass interne Missverständnisse zu der Annahme geführt hatten, das Arbeitsverhältnis wäre bei Nichtabschluss des Aufhebungsvertrags nicht gekündigt worden. Diese Erklärung, gepaart mit dem Fehlen eines direkten Nachweises für eine arglistige Täuschung, führte zur Bestätigung der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags.

Fazit: Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein wies die Berufung des Klägers ab und bestätigte die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung klarer Beweise und die Notwendigkeit einer präzisen Darlegung von Täuschung oder Drohung in juristischen Auseinandersetzungen um Aufhebungsverträge.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Aufhebungsvertrag und einer Kündigung?

Ein Aufhebungsvertrag und eine Kündigung sind zwei unterschiedliche Wege, ein Arbeitsverhältnis zu beenden, wobei jeder seine spezifischen Merkmale, Vor- und Nachteile hat.

Aufhebungsvertrag

  • Einvernehmliche Beendigung: Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden.
  • Kündigungsfristen: Im Gegensatz zur Kündigung können im Aufhebungsvertrag die Kündigungsfristen individuell angepasst oder sogar ganz darauf verzichtet werden, was eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht.
  • Abfindung: Häufig wird im Aufhebungsvertrag eine Abfindung vereinbart, was bei einer Kündigung nicht zwingend der Fall ist.
  • Sperrzeit beim Arbeitslosengeld: Ein Aufhebungsvertrag kann zu einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld führen, es sei denn, es liegen triftige Gründe für den Abschluss des Vertrags vor.

Kündigung

  • Einseitige Willenserklärung: Eine Kündigung ist eine einseitige Willenserklärung, entweder durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
  • Kündigungsfristen: Bei einer Kündigung müssen die im Arbeitsvertrag oder gesetzlich festgelegten Kündigungsfristen eingehalten werden.
  • Kündigungsschutz: Arbeitnehmer genießen unter bestimmten Voraussetzungen Kündigungsschutz, der bei einem Aufhebungsvertrag nicht greift.
  • Keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld: Im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag führt eine Kündigung durch den Arbeitgeber in der Regel nicht zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, sofern der Arbeitnehmer nicht selbst gekündigt hat.

Zusammengefasst bietet ein Aufhebungsvertrag Flexibilität hinsichtlich der Beendigungsmodalitäten und kann die Zahlung einer Abfindung beinhalten, birgt jedoch das Risiko einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Eine Kündigung ist hingegen eine einseitige Handlung, die den Kündigungsschutz und die Einhaltung von Kündigungsfristen berücksichtigt, aber in der Regel keine Abfindung vorsieht.

Inwiefern spielt arglistige Täuschung bei der Anfechtung eines Aufhebungsvertrags eine Rolle?

Arglistige Täuschung spielt eine zentrale Rolle bei der Anfechtung eines Aufhebungsvertrags, da sie eine der rechtlichen Grundlagen für die Anfechtbarkeit eines solchen Vertrags darstellt. Gemäß § 123 Abs. 1 BGB ist eine Anfechtung möglich, wenn der Vertrag durch Täuschung oder Drohung zustande gekommen ist. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich einen Irrtum beim Arbeitnehmer hervorruft, um diesen zur Zustimmung des Aufhebungsvertrags zu bewegen. Dies kann beispielsweise geschehen, indem der Arbeitgeber bewusst falsche Informationen über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens gibt oder andere wesentliche Tatsachen verschweigt oder falsch darstellt, um den Arbeitnehmer zum Abschluss des Aufhebungsvertrags zu verleiten.

Die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags aufgrund arglistiger Täuschung muss innerhalb eines Jahres erfolgen, nachdem der Getäuschte die Täuschung entdeckt hat, gemäß § 124 BGB. Die erfolgreiche Anfechtung führt zur Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags, als wäre er nie geschlossen worden, was bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jede Fehlinformation oder jedes Missverständnis automatisch eine arglistige Täuschung darstellt. Die Täuschung muss vorsätzlich erfolgen, und es muss ein direkter Zusammenhang zwischen der Täuschung und dem Abschluss des Aufhebungsvertrags bestehen. Zudem muss der Arbeitnehmer nachweisen können, dass er ohne die Täuschung den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.

In der Praxis ist die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen arglistiger Täuschung oft komplex und erfordert eine genaue Prüfung der Umstände des Einzelfalls. Daher wird Arbeitnehmern empfohlen, sich von einem erfahrenen Anwalt im Arbeitsrecht beraten und vertreten zu lassen, um die Erfolgsaussichten einer Anfechtung zu bewerten und die notwendigen Schritte einzuleiten.

Welche Rolle spielt die Beweislast im Kontext der Anfechtung eines Aufhebungsvertrags?

Im Kontext der Anfechtung eines Aufhebungsvertrags spielt die Beweislast eine entscheidende Rolle. Der Arbeitnehmer, der den Aufhebungsvertrag anfechten möchte, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Anfechtungsgründe, wie arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung, begründen. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer nachweisen muss, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung vorliegen.

Für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung muss der Arbeitnehmer konkret darlegen und beweisen, dass der Arbeitgeber vorsätzlich falsche Informationen gegeben oder ein zukünftiges Übel angedroht hat, um den Arbeitnehmer zum Abschluss des Aufhebungsvertrags zu bewegen. Die Beweisführung kann in der Praxis jedoch herausfordernd sein, da oft Beweisprobleme auftreten.

Besonders bei der Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung mit einer Kündigung muss der Arbeitnehmer die Tatsachen vorbringen und beweisen, welche die angedrohte Kündigung als widerrechtlich erscheinen lassen. Allerdings genügt zunächst eine pauschale Behauptung, und aufgrund der Schwierigkeiten des Negativbeweises wird vom Arbeitgeber verlangt, substantiiert zu bestreiten und die für die Berechtigung der Kündigung sprechenden Tatsachen darzulegen.

Zusammenfassend liegt die Beweislast bei der Anfechtung eines Aufhebungsvertrags beim anfechtenden Arbeitnehmer. Dieser muss die für die Anfechtung relevanten Tatsachen darlegen und beweisen, was die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags zu einer komplexen und beweisintensiven Angelegenheit macht.

Wie wird der Begriff der widerrechtlichen Drohung im Arbeitsrecht interpretiert?

Die widerrechtliche Drohung im Arbeitsrecht wird als ein Verhalten definiert, bei dem ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer mit einem zukünftigen Übel droht, um ihn zur Abgabe einer Willenserklärung, wie etwa dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags, zu bewegen. Eine Drohung ist dann widerrechtlich, wenn das Mittel, also das angedrohte Verhalten, der Zweck, also die abgenötigte Willenserklärung, oder die Verknüpfung von beidem widerrechtlich ist.

Wann ist eine Drohung widerrechtlich?

Unberechtigte Kündigung: Eine Drohung mit einer Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Betracht ziehen durfte. Das bedeutet, dass die angedrohte Kündigung unter objektiven Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt sein darf.

  • Überschreitung der Frist: Eine Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist stets widerrechtlich, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Drohung bereits die Frist von zwei Wochen gemäß § 626 Abs. 2 BGB überschritten hat.
  • Bedenkzeit heilt nicht: Wird dem Arbeitnehmer eine Bedenkzeit eingeräumt, heilt dies nicht die Widerrechtlichkeit einer Drohung, wenn die angedrohte Kündigung von einem verständigen Arbeitgeber nicht in Betracht gezogen worden wäre.

Beispiele und Rechtsprechung

Drohungen, die im Personalgespräch unter vier Augen ausgesprochen werden, stellen oft ein Beweisproblem dar, da der Arbeitnehmer später meist Schwierigkeiten hat, eine solche Drohung vor Gericht zu beweisen.

  • Eine Drohung mit einem schlechten Arbeitszeugnis kann eine widerrechtliche Drohung begründen.
  • Die Drohung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden; auch schlüssiges Verhalten kann ausreichen.
  • Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat festgestellt, dass die Drohung bewusst darauf gerichtet sein muss, die Willensbildung des Empfängers zu beeinflussen, wobei kein Schädigungsvorsatz oder Vorteilsverschaffung durch den Drohenden erforderlich ist.

Die widerrechtliche Drohung ist ein komplexes Rechtskonstrukt, das eine genaue Betrachtung des Einzelfalls erfordert. Nicht jede Drohung ist widerrechtlich; entscheidend ist, ob ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Maßnahme ernsthaft in Betracht gezogen hätte. Im Falle einer widerrechtlichen Drohung kann der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag anfechten, muss jedoch die Beweislast tragen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 6 Sa 187 öD/22 – Urteil vom 07.06.2023

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 22.09.2022 – 3 Ca 217 öD/22 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags.

Der Kläger ist gelernter Industriemechaniker. Er war für die Beklagte unter Berücksichtigung von Berufsausbildungszeiten seit dem 15. September 2005 tätig. Zuletzt arbeitete er als stellvertretender Gerätemeister Feuerwehr und verdiente durchschnittlich 4.355,09 EUR brutto im Monat. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Besonderen Teil „Verwaltung“ und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung.

Im April 2021 ging bei dem Wehrführer der Beklagten eine anonyme Anzeige ein. Der Anzeigende behauptete, dass Gegenstände der Freiwilligen Feuerwehr R. über das eBay-Konto „tr….“ veräußert würden. Eine Auswertung des Kontos ergab, dass auf Bildern zu diesem Konto der Kläger mit Mundschutz zu sehen war und zahlreiche – neue wie gebrauchte – Gegenstände eines Feuerwehrbetriebes angeboten wurden. Die Beklagte beschloss daraufhin, Testkäufe durchzuführen. Dazu wurden bestimmte Gegenstände aus dem Bestand der Feuerwehr in R. markiert. Der Testkäufer veranlasste zwei Testkäufe. Die Ware ging zunächst beim Testkäufer ein und wurde nach Erhalt am 6. Mai 2021 im verschlossenen Paket der Polizeidienststelle R. übergeben mit der Bitte, diese polizeilich zwecks Spurenermittlung zu öffnen. Als Absender war auf den Paketen die Adresse des Klägers angegeben, allerdings der Name seiner Ehefrau. Nachdem die Polizei die Pakete geöffnet hatte, stellte der bei der Beklagten beschäftigte Herr G. am 10. Mai 2021 fest, dass die im Testkauf erworbenen Gegenstände im Bestand der Feuerwehr R. fehlten.

Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten, die diese schon vor diesem Verfahren beriet, erhielt am 10. Mai 2021 den Auftrag, eine Personalratsanhörung für eine beabsichtigte außerordentliche und hilfsweise ordentliche Tatkündigung zu entwerfen. Diesen Auftrag führte sie umgehend aus (Anlage B1).

Für den 11. Mai 2021 lud die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch ins Rathaus. An dem Gespräch nahmen der Fachbereichsleiter Personal Herr P., die Rechtsamtsleiterin Frau S., die Mitarbeiterin Frau Sch. als Protokollkraft sowie Herr als Personalratsmitglied teil. Die Mitarbeiter der Beklagten warfen dem Kläger vor, Eigentum der Beklagten entwendet und dieses anschließend über einen privaten eBay-Account für eigene Rechnung verkauft zu haben. Der Kläger bestritt die Verkäufe über seinen Account nicht, vertrat indes die Auffassung, bei den veräußerten Gegenstände habe es sich um ausgesonderte Gerätschaften gehandelt, die auf den Müll sollten. Er sei insoweit zur Veräußerung berechtigt gewesen. Die Beklagte bot dem Kläger in diesem Gespräch u.a. den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum 30. Juni 2021 an. Sie gab ihm Gelegenheit, den Vertrag bis zum darauffolgenden Mittwoch, 12. Mai 2022, 13:00 Uhr anzunehmen. Die Beklagte erstellte ein Protokoll der Anhörung (Anlage B4). Einzelheiten des Gesprächs sind streitig.

Am 12. Mai 2021 schlossen die Parteien einen auf den 11. Mai 2021 datierten Aufhebungsvertrag (Anlage K3). Sie einigten sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2021 endet. Gegenüber der Arbeitsagentur gab die Beklagte auf der Arbeitsbescheinigung an, dass sie das Arbeitsverhältnis bei Nichtabschluss des Aufhebungsvertrags nicht gekündigt hätte (vgl. Anlage K6).

Bereits am 6. Mai 2021 hatte Herr G. Strafanzeige gegen den Kläger erstattet. In der Ermittlungsakte (LG K. 570 Js ) ist ein Telefonat der zuständigen Kriminalbeamtin mit Frau S. dokumentiert. Dort heißt es u.a., Frau S. habe erklärt, dass dem Kläger im Rahmen des Gesprächs am 11. Mai 2021 nicht dargelegt worden sei, dass ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. Am 17. Juni 2021 fand beim Kläger eine Hausdurchsuchung statt. Das Ermittlungsverfahren ist mittlerweile gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO eingestellt worden.

Mit Datum 1. September 2021 fertigte das Personalratsmitglied B. ein mit „Stellungnahme“ überschriebenes Schreiben. Darin schildert er u.a. das Gespräch vom 11. Mai 2021. Wegen des Inhalts wird auf die Anlage K5 verwiesen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Januar 2022 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag wegen arglistiger Täuschung sowie wegen widerrechtlicher Drohung an.

Der Kläger hat behauptet, im Gespräch am 11. Mai 2021 sei ihm nahegelegt worden, den Aufhebungsvertrag abzuschließen, um eine Strafanzeige wegen Diebstahls zu vermeiden. Ihm sei sowohl mit einer fristlosen Kündigung als auch mit einer Strafanzeige gedroht worden für den Fall, dass er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichne. Insbesondere die Strafanzeige habe er mit dem Aufhebungsvertrag abwenden wollen. Da die Beklagte die Strafanzeige aber bereits zuvor erstattet hatte, könne er den Aufhebungsvertrag erfolgreich wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Er fechte den Aufhebungsvertrag aber auch wegen widerrechtlicher Drohung an. Die Beklagte hätte nicht mit einer fristlosen Kündigung drohen dürfen, da die Voraussetzungen einer solchen Kündigung nicht vorgelegen hätten. Zum einen habe es an einem wichtigen Grund gefehlt. Zum anderen sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Die Beklagte sei von Dritten bereits am 18. April 2022 auf ein angeblich strafbares Verhalten aufmerksam gemacht worden. Es fehle zudem an einer ordnungsgemäßen Personalratsanhörung. Die Drohung sei auch widerrechtlich, weil es nicht angemessen gewesen sei, mit einer Strafanzeige zu drohen. Eine vom Kläger begangene Straftat liege bereits deshalb nicht vor, weil dem Kläger die Eigentumsverhältnisse an den von ihm veräußerten Gegenständen nicht bekannt gewesen seien.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe den Aufhebungsvertrag nicht wirksam angefochten. Die Beklagte habe den Kläger nicht arglistig getäuscht. Dem Kläger sei in dem Gespräch am 11. Mai 2021 weder gesagt noch suggeriert worden, dass er durch Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erstattung der Strafanzeige vermeiden könne. Ihm sei lediglich gesagt worden, dass das Verfahren zur fristlosen Kündigung in Gang gesetzt werde, falls er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichne. Über eine Strafanzeige sei nicht gesprochen worden. Etwas Anderes ergebe sich weder aus der schriftlichen Stellungnahme des Herrn B., noch aus dem Aktenvermerk in der strafrechtlichen Ermittlungsakte. Auch eine Täuschung durch Unterlassen liege mangels Aufklärungspflicht nicht vor.

Zudem berufe sich der Kläger zu Unrecht auf eine widerrechtliche Drohung. Aufgrund der Testkäufe sei nachgewiesen, dass der Kläger vorsätzlich (mindestens) einen Diebstahl oder eine Unterschlagung zu Lasten der Beklagten begangen habe. Die Beklagte sei am 11. Mai 2021 fest entschlossen gewesen, dem Personalrat die vorbereitete Anhörung zu übergeben, wenn der Kläger den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet hätte. Demnach sei die Beklagte zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung im maßgeblichen Zeitpunkt fest entschlossen gewesen. Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung habe es nicht bedurft. Dass es in der Arbeitsbescheinigung heißt, das Arbeitsverhältnis wäre bei Nichtabschluss des Aufhebungsvertrags nicht gekündigt worden, habe seinen Grund ausschließlich in internen Abläufen und der Unkenntnis der Sachbearbeiterin.

Schließlich sei das Anfechtungsrecht verwirkt. Bereits am 17. Juni 2021 habe die Hausdurchsuchung stattgefunden. Soweit sich der Kläger auf eine Äußerung des Zeugen B. beruft, aus welcher er die arglistige Täuschung herleitet, habe er von dieser Aussage schon seit dem 1. September 2021 Kenntnis gehabt.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Aufhebungsvertrag habe das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2021 beendet. Der Vertrag sei rechtswirksam, Anfechtungsgründe lägen nicht vor.

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte den Kläger nicht arglistig darüber getäuscht hat, dass er durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags die Erstattung einer Strafanzeige noch abwenden kann, obwohl die Beklagte eine solche Anzeige bereits gestellt hatte. Schon der Vortrag des Klägers zur (angeblichen) Androhung einer Strafanzeige sei in sich nicht konsistent. Dem Gesprächsprotokoll sei dazu nichts zu entnehmen, selbst wenn die Beklagte einen Diebstahlsvorwurf erhoben hat. Auch der vom Kläger zur Akte gereichten Stellungnahme des Zeugen B. lasse sich die Drohung mit einer Strafanzeige nicht entnehmen. Sie enthalte allenfalls den Hinweis, dass dem Kläger als Alternativen die fristlose Kündigung und weiterer Konsequenzen oder der Aufhebungsvertrag und keine weiteren rechtlichen Schritte angeboten worden sind. Von einer ausdrücklichen Drohung mit einer Strafanzeige sei keine Rede. Schließlich habe der Zeuge B. die vom Kläger behaupteten Äußerungen im Gespräch am 11. Mai 2021 nicht bestätigt. Der Zeuge habe ausgesagt, es habe einen Vorschlag von Herrn P. gegeben: Auflösungsvertrag oder Kündigung. Von einer Strafanzeige oder einem Strafverfahren habe der Zeuge nicht gesprochen. An die Worte „Strafanzeige“ oder „Strafverfahren“ habe sich der Zeuge nicht erinnern können.

Die Beklagte habe den Kläger auch nicht arglistig getäuscht, indem sie die bereits erstattete Strafanzeige nicht offenbart hat. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, den Kläger über die erstattete Strafanzeige aufzuklären. Jedenfalls wäre ein solches Unterlassen nicht arglistig. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagten im Gespräch am 11. Mai 2021 davon ausging, dass der Kläger den Aufhebungsvertrag in der Erwartung unterzeichnet, ein Strafverfahren sei bislang nicht eingeleitet und werde auch nicht eingeleitet.

Der Kläger sei auch nicht durch widerrechtliche Drohung zum Abschluss des Aufhebungsvertrags bestimmt worden. Mit einer Strafanzeige sei nicht gedroht worden. Die Drohung mit der fristlosen Kündigung sei nicht widerrechtlich gewesen. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen müssen, dass eine fristlose Tatkündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird. Der Kläger habe Gegenstände der Beklagten über seinen privaten ebay-Account veräußert. Mit der Veräußerung des Eigentums der Beklagten habe er in erheblicher Weise gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Die strafrechtliche Bewertung sei nicht entscheidend. Die Beklagte habe nicht annehmen müssen, dass eine fristlose Kündigung wegen Versäumung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten werde. Sämtliche von der Beklagten eingeleiteten Maßnahmen hätten pflichtgemäßem Ermessen zur Aufklärung des Sachverhalts entsprochen. Schließlich habe die Beklagte die notwendige Personalratsanhörung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Tatkündigung bereits vorbereiten lassen.

Soweit die Beklagte auf der Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III angegeben hat, dass sie das Arbeitsverhältnis bei Nichtabschluss des Aufhebungsvertrags nicht gekündigt hätte, habe sie nachvollziehbar dargelegt, dass dies auf der internen Arbeitsorganisation und damit zusammenhängenden Unkenntnis der Sachbearbeiterin beruht habe.

Gegen das ihm am 30. September 2022 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 29. Oktober 2022 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Dezember 2022 am 19. Dezember 2022 begründet.

Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Vertreter der Beklagten ihm im Rahmen der Anhörung vom 11. Mai 2021 zu verstehen gegeben haben, dass er durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags die Erstattung einer Strafanzeige noch werde abwenden können, obgleich die Anzeige zu diesem Zeitpunkt schon erstattet worden war. Darin liege eine arglistige Täuschung. Das Arbeitsgericht habe sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen nicht erschöpfend und frei von Widersprüchen auseinandergesetzt. Zu Unrecht sei es aufgrund der Aussage des Zeugen B. nicht zur Überzeugung gelangt, die Beklagte habe den Kläger arglistig getäuscht. Die Aussage stütze den Vortrag des Klägers zumindest teilweise in entscheidungserheblicher Weise. Jedenfalls setze das Arbeitsgericht die Aussage nicht rechtsfehlerfrei in Beziehung zum sonstigen Akteninhalt.

Selbst wenn dem Kläger nicht ausdrücklich mit einer Strafanzeige für den Fall gedroht worden sein sollte, dass er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet, verkenne das Arbeitsgericht, dass auch im Suggerieren tatsächlich nicht vermeidbarer Umstände als noch vermeidbar eine arglistige Täuschung liegen könne. Davon sei hier auszugehen. Dem Kläger sei in der Anhörung am 11. Mai 2021 zu verstehen gegeben worden, dass er im Falle der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags mit der Erstattung einer Strafanzeige zu rechnen habe, er die Anzeige durch Unterzeichnung des Vertrags aber abwenden könne. Dafür spreche der von Herrn P. erhobene und bekräftigte Diebstahlsvorwurf. Dieser Vorwurf impliziere, dass die Erstattung einer Strafanzeige eine naheliegende Konsequenz sei, auf die durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags noch Einfluss genommen werden könne. Dafür spreche ferner, dass Herr P. die Beklagte als sozialen Arbeitgeber bezeichnet habe und der Lebenslauf für weitere Beschäftigungsverhältnisse/Bewerbungen bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags „sauber bleibe“.

Der Kläger meint, der Zeuge B. müsse erneut vernommen werden; überdies müssten die Grundsätze der Beweisvereitelung angewendet werden. Es spreche viel dafür, dass der Zeuge B. unter Druck gesetzt worden sei. So habe der Zeuge dem Kläger im April/Mai 2022 von „dicker Luft“ und einem Gespräch mit der Bürgermeisterin berichtet. Wenn der Zeuge deshalb unglaubwürdig und der Beweis nicht geführt sei, hätte das Arbeitsgericht von einer Beweiserleichterung zu Gunsten des Klägers, wenn nicht gar von einer Beweislastumkehr ausgehen müssen. Aus dem Protokoll der Anhörung vom 11. Mai 2021 und der schriftlichen Stellungnahme des Zeugen B. lasse sich entnehmen, dass vereinbart worden sei, den Kläger nicht anzuzeigen, wenn er den Aufhebungsvertrag schließt.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kiel vom 22. September 2022 zu dem Aktenzeichen 3 Ca 217 öD a/22 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Gericht habe zu Recht angenommen, dass die Beklagte dem Kläger vor Abschluss des Aufhebungsvertrags nicht mit einer Strafanzeige gedroht hat. Es habe den mehrfach relativierten Vortrag des Klägers, die vorgelegten Schriftstücke und die Zeugenaussage zutreffend gewürdigt. Die Beklagte habe den Zeugen nicht unter Druck gesetzt. Die Bürgermeisterin habe nicht mit dem Zeugen über diesen Rechtsstreit gesprochen. Die Beklagte habe dem Kläger auch nicht suggeriert, er könne durch Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags konkludent in Aussicht gestellte strafrechtliche Konsequenzen noch beeinflussen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufung wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519 ff. ZPO.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Feststellungsklage, mit der der Kläger den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2021 hinaus geltend macht, ist unbegründet. Der am 12. Mai 2021 geschlossene Aufhebungsvertrag ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2021 beendet. Das Arbeitsgericht folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils unter II. und stellt dies hiermit ausdrücklich fest, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Berufungsangriffe des Klägers rechtfertigen keine andere Beurteilung.

1. Der Kläger beruft sich auf den Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung.

a) Der Tatbestand der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht. Eine Täuschung kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Das subjektive Merkmal „Arglist“ iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht (BAG 11.07.2012 – 2 AZR 42/11 – Rn. 22). Zwischen Täuschung und abgegebener Willenserklärung ist ein ursächlicher Zusammenhang erforderlich. Die Darlegungs- und Beweislast für die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände sowie deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung trägt der Anfechtende; das gilt auch, soweit es um eine Täuschung durch arglistiges Verschweigen geht (BAG 15.05.1997 – 2 AZR 43/96 – Rn. 19; BAG 22.01.1981 – 2 AZR 988/78 – Rn. 30).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann entgegen der Berufungsangriffe des Klägers nicht angenommen werden, dass er durch eine arglistige Täuschung von Vertretern der Beklagten in dem Gespräch am 11. Mai 2021 zum Abschluss des Aufhebungsvertrags bestimmt worden ist.

Der Kläger hat in beiden Rechtszügen zum einen behauptet, ihm sei für den Fall des Nichtabschlusses des Aufhebungsvertrags ausdrücklich mit einer Strafanzeige gedroht worden und zum anderen, ihm sei suggeriert worden, er könne die Strafanzeige mit dem Aufhebungsvertrag abwenden. Es kann offenbleiben, ob bei einer ausdrücklichen Drohung mit einer Strafanzeige für den Fall des Nichtabschlusses des Aufhebungsvertrags überhaupt noch Raum dafür ist, dass die Beklagte lediglich suggeriert, eine Strafanzeige könne durch Abschluss des Aufhebungsvertrags noch abgewendet werden. Die Berufungskammer ist weder von der ausdrücklichen Drohung mit einer Strafanzeige überzeugt, noch davon, dass dem Kläger suggeriert worden ist, er könne durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags verhindern, dass eine Strafanzeige erstattet wird.

aa) Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung behauptet, so wie bereits in der Klagschrift, ihm sei von den Vertretern der Beklagten im Gespräch am 11. Mai 2021 mit der Erstattung einer Strafanzeige gedroht worden, falls er den Aufhebungsvertrag nicht unterschreibt. Hierin sieht der Kläger eine arglistige Täuschung, da er die Anzeige nicht mehr habe abwenden können, weil die Anzeige bereits Anfang Mai 2021 erstattet worden war. Der Kläger hat die behauptete Drohung nicht beweisen können.

(1) Der Kläger muss die von ihm geltend gemachten Anfechtungsgründe beweisen. Nach den oben dargestellten Grundsätzen (II. 1.a)) trägt der Anfechtende die Darlegungs- und Beweislast für die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände sowie deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung.

Für die vom Kläger geforderte Beweislastumkehr ist kein Raum. Die Beklagte muss nicht beweisen, dass ihre Vertreter in dem Gespräch am 11. Mai 2021 nicht ausdrücklich mit strafrechtlichen Schritten gedroht haben. Eine Beweislastumkehr mag angezeigt sein, wenn es der Partei anderenfalls faktisch unmöglich wäre ihre Beweislast zu erfüllen (vgl. BVerfG 30.04.2008 – 2 BvR 482/07 – Rn. 16). Davon kann hier keine Rede sein. Dem Kläger standen Beweismittel zur Verfügung, etwa das Zeugnis der weiteren Gesprächsteilnehmer. Von seinen Beweismitteln hat er Gebrauch gemacht und den Zeugen B. benannt. Wenn der Zeuge nun die Behauptungen des Klägers nicht bestätigt hat, ist das kein Grund für eine Umkehr der Beweislast.

(2) Der Kläger hat eine vorsätzliche Täuschung begründende Umstände nicht bewiesen. Die Würdigung des Arbeitsgerichts, der Kläger habe die von der Beklagten bestrittene ausdrückliche Drohung mit einer Strafanzeige nicht beweisen können, ist nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht hat den Vortrag des Klägers, den Akteninhalt und insbesondere die Aussage des Zeugen B. sorgfältig und zutreffend gewürdigt. Es musste auch nicht wegen der vom Kläger behaupteten Einflussnahme auf den Zeugen an dessen Glaubwürdigkeit zweifeln und den Zeugen erneut vernehmen. Eine Beweiserleichterung oder gar Beweislastumkehr zugunsten des Klägers war nicht angezeigt (s.o. unter (1)).

Eine ausdrückliche Drohung mit strafrechtlichen Schritten für den Fall, dass sich der Kläger dem Aufhebungsvertrag verweigert, ist im Protokoll des Gesprächs vom 11. Mai 2021 (Anlage B4) nicht dokumentiert. Von einer Strafanzeige oder ähnlichem ist dort nicht die Rede, obgleich das Protokoll ausführlich und detailreich ist. Gleiches gilt für die Stellungnahme des Zeugen B. vom 1. September 2021 (Anlage K5). Auch ihr lässt sich keine Drohung mit strafrechtlichen Schritten entnehmen.

Der Zeuge B. hat im Rahmen seiner Vernehmung auf die Frage, ob über ein Strafverfahren oder eine Strafanzeige gesprochen worden ist, geantwortet, dass er sich daran nicht mehr erinnern könne, er es aber nicht glaube. Auf weitere Nachfrage, ob über Staatsanwaltschaft oder Polizei gesprochen worden sei, hat der Zeuge bekundet, er sei sich wirklich nicht mehr sicher. Damit hat er die Behauptung des Klägers, ihm sei nahegelegt worden, einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um unter anderem die Erstattung einer Strafanzeige abwehren zu können, nicht bestätigt.

Auch wenn das Gesprächsprotokoll und die Stellungnahme des Zeugen B. vom 1. September 2021 in die Würdigung einbezogen werden, lässt sich nicht feststellen, dass ein Vertreter der Beklagten (wer?) in der Anhörung (in welcher Phase des Gesprächs und in welchem Zusammenhang?) ausdrücklich mit der Einleitung strafrechtlicher Schritte gedroht hat. Eine ausdrückliche Drohung hat der Kläger nicht beweisen können.

Eine Wiederholung der Beweisaufnahme war nicht erforderlich Der Kläger hat keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt, die Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen iSd. § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO begründen. Der Vortrag zur Einflussnahme auf den Zeigen B. („Dicke Luft“) ist nicht hinreichend substantiiert. Dass die Bürgermeisterin mit dem Zeugen über den Fall gesprochen hat, hat auch der Kläger nicht behauptet.

bb) Dem Kläger ist zuzugeben, dass durchaus auch durch das Suggerieren arglistig getäuscht werden kann, nämlich, wenn der Täuschende mit seinem Verhalten darauf abzielt, einen bestimmten, den Tatsachen nicht entsprechenden Eindruck entstehen zu lassen. Der Kläger hat die Berufungskammer aber nicht davon überzeugt, die Vertreter der Beklagten hätten im Gespräch am 11. Mai 2021 suggeriert, dass er durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags eine Strafanzeige abwenden könnte. Anders als der Kläger meint, lässt das Protokoll des Gesprächs vom 11. Mai 2021 (Anlage B4) diesen Schluss nicht zu. Festzuhalten ist zunächst, dass strafrechtliche Schritte, etwa eine Strafanzeige und erst Recht die Drohung mit einer solchen Anzeige, dort nicht erwähnt sind. Das räumt auch der Kläger ein. Er hebt deshalb auf den Diebstahlsvorwurf, die Selbstdarstellung der Beklagten als sozialer Arbeitgeber und die angesprochenen Auswirkungen auf den Lebenslauf ab.

Einer Drohung mit einer Strafanzeige für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags ist es nicht gleichzusetzen, wenn Herr P. in dem Gespräch geäußert hat, der Tatbestand des Diebstahls sei erfüllt und die Anhörung habe aus seiner Sicht diesen Sachverhalt bestärkt. Hierbei handelt es sich zunächst einmal nur um seine rechtliche Bewertung des Sachverhalts. Wie weiter verfahren wird, war damit nicht gesagt. Insbesondere lag in der kundgetanen Bewertung (noch) keine Drohung mit strafrechtlichen Schritten. Das gilt umso mehr, als dem Kläger in dem Gespräch sehr wohl gedroht worden ist, nämlich damit, dass ggf. das Verfahren für die fristlose Kündigung in Gang gesetzt wird. Diese Drohung galt ausdrücklich für den Fall, dass „die Aufhebungsverträge“ nicht unterschrieben werden.

Im Zusammenhang mit den angebotenen Aufhebungsverträgen hat Herr P. die Beklagte als sozialen Arbeitgeber bezeichnet und darauf hingewiesen, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie im Aufhebungsvertrag vorgesehen, der Lebenslauf für weitere Beschäftigungsverhältnisse/Bewerbungen sauber bleibt. Alle diese Äußerungen sind im Zusammenhang mit den angedrohten arbeitsrechtlichen Konsequenzen gefallen, nicht mit etwaigen in Aussicht gestellten strafrechtlichen Folgen. Anstelle der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Mitte Mai 2021 hat die Beklagte eine Beendigung zum 30. Juni 2021 und damit zu einem „glatten“ Beendigungsdatum angeboten, das zudem gut sechs Wochen später lag. Eine Beendigung des (alten) langjährigen Arbeitsverhältnisses zum Ende des Halbjahrs ist im Falle einer Bewerbung gegenüber dem potentiellen neuen Arbeitgeber regelmäßig nicht erklärungsbedürftig, anders als ein „krummes“ Beendigungsdatum im Laufe eines Monats, das auf eine außerordentliche Kündigung hindeutet.

cc) Das Arbeitsgericht hat überzeugend begründet, dass keine Aufklärungspflicht bestand. Auf die Ausführungen auf Seiten 11 und 12 der erstinstanzlichen Entscheidung wird Bezug genommen. Dass die Beklagte eine ihr obliegende Aufklärungspflicht verletzt hat, indem sie den Kläger vor Abschluss des Aufhebungsvertrags nicht auf die bereits erstattete Strafanzeige hingewiesen hat, macht der Kläger in der Berufung nicht (mehr) geltend. Er hat nur allgemein auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen.

2. Nach der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts (Seiten 12 ff. des Urteils) ist der Aufhebungsvertrag auch nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger durch widerrechtliche Drohung iSv. § 123 Abs. 1 BGB zum Abschluss des Aufhebungsvertrags bestimmt worden ist. Dagegen, dass die Beklagte nicht widerrechtlich gedroht hat, hat sich der Kläger mit seiner Berufung nicht mehr gewandt. Er hat nur allgemein auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen.

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Zur Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass iSd. § 72 Abs. 2 ArbGG.

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