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Elternzeit – Kürzung des Urlaubsanspruchs

ArbG Hannover, Az.: 2 Ca 182/12

Urteil vom 20.02.2013

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 599,97 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2012 zu zahlen.

2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 93 %, die Beklagte zu 7 %.

4) Der Streitwert wird auf 7.119,97 € festgesetzt.

5) Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche unter dem Gesichtspunkt von Annahmeverzug sowie über Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin war vom 02.01.2007 bis 14.03.2012 für die Beklagte als …, zuletzt bei einer monatlichen Bruttovergütung von 1.794,00 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden tätig. In den zwischen den Parteien geführten beim Arbeitsgericht Hannover Verfahren zum Az. 7 Ca 434/09 schlossen die Parteien am 29.01.2010 einen Vergleich mit u.a. folgendem Inhalt:

„Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe E 4 des Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe Niedersachsen zutreffend eingruppiert ist, soweit es die tatsächliche Tätigkeit bis zum Beginn des Mutterschutzes der Klägerin betrifft.“

Die Vergütung in Tarifgruppe 4 beträgt 1.857,00 € pro Monat.

Elternzeit - Kürzung des Urlaubsanspruchs
Symbolfoto: YakobchukOlena/Bigstock

Nach der Geburt ihres Kindes am … endete der Mutterschutz der Klägerin am 14.12.2009, an den sich die Elternzeit bis zum 14.12.2011 anschloss.

Mit Schreiben vom 20.09.2011 begehrte die Klägerin, vertreten durch die …, eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit gemäß § 8 TzBfG nach Ablauf der Elternzeit (Das Schreiben und der nachfolgend wiedergegebene Schriftverkehr sind Bestandteil des Tatbestandes des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 04.04.2012 zum AZ: 2 Ca 39/12). Mit Schreiben vom 05.10.2011 konkretisierte sie ihr Begehren hinsichtlich der Reduzierung auf 20 Std./Woche und der gewünschten Verteilung.

Darauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 18.10.2011. Unter anderem wird darin ausgeführt:

„(…) bleibt ebenso offen, wie der Zeitpunkt, an dem die Arbeitszeitverkürzung beginnen soll. Ich vermute, dass Sie den 15.12.2011 meinen -(…)“.

Des Weiteren zitierte die Beklagte in diesem Schreiben ein Urteil des BAG vom 20.07.2004 mit u.a. folgendem Inhalt:

„(…) Nennt der Arbeitnehmer ein zu frühes Datum des Beginns der Änderung ist das unschädlich, wenn die Auslegung – wie regelmäßig – ergibt, dass der Antrag zu einem späteren zulässigen Zeitpunkt gestellt ist. (…) Allerdings kann der Arbeitgeber seine Verhandlungsobliegenheit zunächst dadurch erfüllen, dass er auf die nicht eingehaltene Frist hinweist. (…)“

Nach Kenntnisnahme des Schreibens vom 18.10.2011 verfasste die … ein weiteres Schreiben vom 22.10.2011. Darin steht unter anderem:

„(…) Nachdem eine Einigung auf eine Teilzeitbeschäftigung nicht möglich erscheint, erklären wir hiermit namens und im Auftrag unseres Mitglieds eine Verlängerung der Elternzeit bis zum 31. März 2012 in Sinne des § 15 Abs. 2 BEEG.

(…) Bei der Inanspruchnahme der Elternzeit für ein drittes Jahr handelt es sich hingegen nicht um eine zustimmungsbedürftige Verlängerung der Elternzeit, sondern um die Geltendmachung des in § 15 Abs. 2 Satz 1 geregelten Rechts, Elternzeit in einem weiteren Zeitabschnitt bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres eines Kindes in Anspruch zu nehmen. (LAG Rheinland-Pfalz, 04.12.2004 – 4 Sa 606/04, LAG Hannover, 13.11.2006 – 5 Sa 402/06).

Gleichzeitig betonen wir ausdrücklich die (nicht notwendige Einhaltung) der Frist aus §16 Abs. 1 BEEG von 7 Wochen.“

Mit Schreiben vom 01.11.2011 bekräftigte die… die Verlängerung der Elternzeit für den Fall einer Nichteinigung auf eine Teilzeitbeschäftigung.

Die Beklagte führte in dem darauf reagierenden Schreiben vom 10.11.2011 (Bl. 41 ff. d.A.) unter anderem aus:

„Die (…) von mir bescheinigte Elternzeit geht bis zum 14.12.2011. Dies hat die … mit Schreiben vom 20.09.2011 zutreffend bestätigt.

Für das dritte Jahr ist also Bindungswirkung eingetreten! (…) Ich erwarte … am 15.12.2011 um 9:00 Uhr pünktlich zum Dienstantritt in Vollzeit in meinem Büro. (…)“.

Mit anschließendem undatiertem Schreiben unterbreitete die … im Namen der Klägerin einen Vergleichsvorschlag, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsah und bat um eine Stellungnahme zu dem „gestellten Antrag auf Gewährung einer Teilzeitbeschäftigung“. Des Weiteren findet sich dort folgende Formulierung:

„(…) In unserem Schreiben vom 22. Oktober 2011 hatten wir festgestellt, dass die Elternzeit seitens … zum 31.03.2012 verlängert wird. (…)“.

Die Beklagte reagierte mit Schreiben vom 14.12.2011 und forderte die Klägerin abschließend nochmals auf, am 15.12.2011 um 9:00 Uhr die Arbeit aufzunehmen. Die Klägerin erschien seit dem 15.12.2011 nicht zur Arbeit. Mit Schreiben vom 23.01.2012 erteilte die Beklagte der Klägerin deshalb eine Abmahnung.

Sowohl eine von der Beklagten erklärte außerordentliche als auch eine hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 26.01.2012, der Klägerin am 27.01.2012 zugegangen, beendeten das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht, wie das Arbeitsgericht Hannover mit rechtskräftigem Urteil vom 04.04.2012 (2 Ca 39/12) festgestellt hat. Die Beendigung erfolgte durch Erklärung der Klägerin gem. § 12 KSchG, da sie ab 15.03.2012 ein neues Arbeitsverhältnis aufnahm.

Die Klägerin bezog ab 28.01.2012 Arbeitslosengeld in Höhe von 25,92 € pro Tag.

Mit Schreiben vom 04.05.2012 (Bl. 4 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung auf.

Mit Schriftsatz vom 04.06.2012 erklärte die Beklagte:

„Rein vorsorglich erteilt die Beklagte die im Urteil vom 04.04.2012 vom Gericht geforderte Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit bis zum 31. März 2012.“ sowie:

„Die Beklagte als Arbeitgeberin hat jedoch gem. §17 Abs. 1 Satz 1 BEEG das Recht, den entstandenen Urlaubsanspruch pro Kalenderjahr für jeden vollen Monat um 1/12 zu kürzen, wovon hiermit Gebrauch gemacht wird“.

Die Klägerin macht Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum 27.01.2012 bis einschließlich 14.03.2012 geltend. Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe ihre Arbeitskraft angeboten und sei leistungswillig gewesen. Ihre Annahmeverzugsansprüche berechnet sie wie folgt: für Januar 2012: Monatseinkommen: 21 Arbeitstage x 2 Arbeitstage = 176,86 €; für Februar 2012 ein volles Bruttomonatseinkommen in Höhe von 1.857,00 €; für März 2012: Monatseinkommen: 21 Arbeitstage x 10 Arbeitstage = 884,29 €.

Die Klägerin begehrt für die Jahre 2010 und 2011 den gesamten Urlaubsanspruch von jeweils 28 Tagen sowie für das Jahr 2012 anteiligen Urlaub für zwei volle Monate, d.h. fünf Tage, insgesamt somit 61 Urlaubstage. Die Kürzungserklärung der Beklagten könne nicht durchgreifen, da sie erst abgegeben wurde, als sich der Urlaubsanspruch bereits in einem Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt hatte. Nach Aufgabe der Surrogatstheorie durch das Bundesarbeitsgericht könne dies nunmehr nicht zu einer Kürzung des reinen Entgeltanspruchs führen.

Die Klägerin beantragt (unter Rücknahme der Klage in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes),

1. die Beklagte zu verurteilen, 2.918,15 € brutto abzüglich auf Dritte übergegangener Ansprüche von 1.192,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 176,86 € brutto seit dem 01.02.2012, aus 1.875,00 € brutto seit dem 01.03.2012 sowie aus 884,29 € brutto seit dem 01.04.2012 an die Klägerin zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, 5.394,14 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2012 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen für Annahmeverzugsansprüche lägen nicht vor, da die Klägerin ab 15.12.2011 nicht leistungswillig und -fähig gewesen sei. Sie habe keine Betreuung für ihr Kind gehabt, so dass sie die arbeitsvertraglich geschuldete (Vollzeit-)Tätigkeit nicht habe ausüben können. Des Weiteren haben sie auf die Auskunft der … vertraut und gedacht, die Elternzeit bestehe fort bis zum 31.03.2012, so dass sie nicht arbeiten müsse. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin nicht leistungswillig gewesen sei.

Zudem müsse sich die Klägerin das anrechnen lassen, was sie böswillig zu verdienen unterlassen habe. Da die Klägerin das Prozessarbeitsverhältnis nicht angenommen habe, welches die Beklagte ihr am 24.02.2012 – unstreitig – angeboten hat, habe sie das Erzielen von Zwischenverdienst böswillig unterlassen.

Hinsichtlich des Arbeitslosengeldes hält die Beklagte die Berechnung für fehlerhaft, da die Klägerin nicht lediglich den Nettobetrag, sondern auch von der Arbeitsverwaltung abgeführte Sozialabgaben in Abzug hätte bringen müssen.

Eine Kürzungserklärung hinsichtlich des Urlaubs sei auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses möglich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 313 Abs. 2 ZPO auf das Vorbringen der Parteien in ihren in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Höhe von 599,97 € brutto begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für den Zeitraum 27.01. bis 14.03.2012 unter dem Gesichtspunkt von Annahmeverzug. Sie hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 599,97 € brutto nebst Zinsen. Weitergehende Urlaubsabgeltungsansprüche stehen ihr nicht zu.

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung in Höhe von 2.918,15 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.192,32 € netto.

a.

Da der Anspruch nicht besteht, kann offenbleiben, ob die Klägerin das Arbeitslosengeld in der richtigen Höhe in Abzug gebracht hat. Dass dies der Fall ist, ergibt sich jedoch aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAG, 19.9.2012, 5 AZR 924/11, EzA-SD 2013, Nr. 2 = NZA 2013, 156 m.w.N.). Der Anspruchsübergang i.S. des § 115 Abs. 1 SGB X bezieht sich nur auf Sozialleistungen, zu denen die aufgrund eigener gesetzlicher Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers abgeführten Sozialversicherungsbeiträge nicht zählen.

b.

Die Voraussetzungen für Annahmeverzug i.S.d. § 615 BGB liegen nicht vor.

aa.

Dieser setzt neben dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und dem Angebot der Arbeitsleistung, welches hier gem. § 296 S. 1 BGB aufgrund der unwirksamen Kündigung der Beklagten entbehrlich ist (vgl. dazu BAG, 19.9.2012, 5 AZR 924/11, EzA-SD 2013, Nr. 2 = NZA 2013, 156), Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit i.S.d. § 297 BGB voraus. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außerstande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG, 22.02.2012, 5 AZR 249/11, EzA § 615 BGB 2002 Nr. 36 = NZA 2012, 858). Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB. Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern (BAG, 22.02.2012 a.a.O.). Ob Leistungswilligkeit vorlag, richtet sich danach, wie das Verhalten des Arbeitnehmers zu werten ist, wenn die Kündigung hinweggedacht wird.

Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und auch die Stellung eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrages entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wiedergefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dafür reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus. Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren (BAG, 22.02.2012 a.a.O.).

bb.

Die Klägerin ging aufgrund eines Rechtsirrtums davon aus, durch ihre Erklärung vom 22.10.2011 sei die Elternzeit bis zum 31.03.2012 verlängert. Zwar entsprach dies nicht den Tatsachen, da die wirksame Verlängerung der Elternzeit gem. § 16 Abs. 3 S. 1 BEEG eine Zustimmung der Beklagten vorausgesetzt hätte. Jedoch hatte die Klägerin aufgrund des Irrtums nicht den Willen, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Vielmehr hatte sie den Willen, ihre Elternzeit bis zum 31.03.2012 fortzusetzen.

Dass aus Sicht der Klägerin die Verlängerung der Elternzeit lediglich die zweite Alternative sein sollte und nachrangig hinter dem Wunsch stand, das Arbeitsverhältnis in Teilzeit wieder aufzunehmen, kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Sie hat den zunächst geäußerten Wunsch zur Reduzierung der Arbeitszeit nicht mehr weiterverfolgt, sondern ihr Begehren durch das Schreiben vom 22.10.2011 geändert und auf Verlängerung der Elternzeit gerichtet. Dies hat sie durch das Schreiben vom 01.11.2011 und das weitere undatierte Schreiben bestätigt. Damit hat sie ihren fehlenden Leistungswillen zum Ausdruck gebracht. Hierbei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beklagte die Kündigungen erst ausgesprochen hat, nachdem eine Abmahnung der Klägerin nicht dazu führte, dass diese zur Arbeit erschien. Dies ist aus Sicht der Klägerin aufgrund des Rechtsirrtums nachvollziehbar und konsequent, bestätigt jedoch den fehlenden Leistungswillen.

c.

Es kann daher offen bleiben, ob die Klägerin es unterlassen hat, in böswilliger Art, Zwischenverdienst zu erzielen, in dem sie das Angebot auf Prozessbeschäftigung nicht annahm.

2.

Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 599,97 € nebst Zinsen ab dem 01.04.2012, jedoch nicht darüber hinaus.

a.

Der Anspruch ergibt sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Danach ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann.

b.

Das Arbeitsverhältnis endete am 14.03.2012. Der Klägerin standen noch 7 Urlaubstage zu, die entstanden und nicht erloschen, d.h. abzugelten waren.

aa.

Urlaubsansprüche sind für den Zeitraum 01.01.2010 bis einschließlich 14.03.2012 entstanden. Für die Jahre 2010 und 2011 handelt es sich um den gesamten Jahresanspruch, für das Jahr 2012 um anteiligen Anspruch bis zur Beendigung. Ein Urlaubsanspruch entsteht auch während der Elternzeit, was sich aus einem Umkehrschluss aus § 17 Abs. 1 BEEG ergibt.

bb.

Für die während der Elternzeit (d.h. bis zum 14.12.2011) entstandenen Ansprüche hat die Beklagte eine Kürzungserklärung gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abgegeben. Der Urlaubsanspruch ist dadurch teilweise erloschen.

(1)

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder Arbeitnehmern für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Das Gesetz enthält keine Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Kürzungserklärung, insbesondere nicht im Hinblick auf den Zeitpunkt der Abgabe dieser empfangsbedürftigen rechtsgeschäftlichen Erklärung (LAG Niedersachsen, 16.11.2011, 3 Sa 1288/10 – juris). Der Arbeitgeber muss die Kürzung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt aussprechen. Er kann die Erklärung vor Beginn der Elternzeit abgeben, er kann sie aber auch während und nach der Elternzeit abgeben (HWK, § 17 BerzGG, Rdnr. 5; BAG, 28.07.1992, 9 AZR 340/91, AP Nr. 3 zu § 17 BErzGG = EzA § 17 BErzGG Nr. 4). Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub kürzen, muss aber von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Will er seine Befugnis ausüben, ist nur eine (empfangsbedürftige) rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, um den Anspruch auf Erholungsurlaub herabzusetzen. Diese Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Es reicht aus, dass dem Arbeitnehmer nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder ihm erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Weitere Voraussetzungen für eine Kürzung des Urlaubs bzw. der Urlaubsabgeltung sind nicht gegeben, insbesondere ist die Wirksamkeit der Kürzungserklärung nicht darauf beschränkt, dass sie vor Antritt der Elternzeit abgegeben wird. Für die Zulässigkeit der Erklärung auch nach der Elternzeit spricht, dass oft erst im Nachhinein feststeht, in welchem Umfang eine Kürzung überhaupt in Betracht kommt. In § 17 Abs. 4 BEEG ist schließlich eine nachträgliche Kürzungsmöglichkeit auch für zu viel gewährten Urlaub eingeräumt (BAG, 28.07.1992, a.a.O. noch zu § 17 BerzGG).

Die Kürzungsmöglichkeit besteht auch, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit nicht fortgesetzt werden soll. In diesem Fall betrifft die Kürzung dann im Ergebnis nur noch den Abgeltungsanspruch (BAG, 22.04.1996, 9 AZR 165/95, AP Nr. 6 zu § 17 BErzGG = NZA 97, 44). Da die Begründung des Bundesarbeitsgerichts nicht an die Surrogatstheorie anknüpft, besteht keine Veranlassung, die Kürzungsmöglichkeit durch Aufgabe der Surrogatstheorie einschränkend auszulegen.

(2)

Von dieser Kürzungsmöglichkeit hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.06.2012 ausdrücklich Gebrauch gemacht. Die Abgabe der Erklärung war auch nach der Elternzeit möglich.

(3)

§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG verstößt auch nicht gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG. Dazu führt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in seinem Urteil vom 16.11.2010 (a.a.O.) aus, „dass sich die Grundsätze der Schulz-Hoff-Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 (C-350/06, AP Nr. 1 zu RL 2003/88/EG = NZA 2009, 135) nicht übertragen ließen. Art. 7 Abs. 1 der genannten Richtlinie steht nach der Rechtsprechung des EuGH einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bzw. auf Urlaubsabgeltung nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war. Die Elternzeit stellt aber einen völlig anderen Tatbestand dar. Hierbei beruht nämlich die Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung und damit letztlich das Erlöschen des Urlaubs-/Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 17 BEEG auch auf einer Entscheidung der Arbeitnehmerin / des Arbeitnehmers selbst.

Die Klägerin war nicht aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen gehindert, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben, sondern deshalb, weil sie sich dafür entschieden hat, Erziehungsurlaub in Anspruch zu nehmen. Alternativ hätte für die Familie der Klägerin auch die Möglichkeit bestanden, dass kein Familienmitglied Elternzeit in Anspruch nimmt oder der Ehemann der Klägerin an ihrer Stelle. Ausschlaggebend ist also letztlich eine Willenserklärung der Klägerin selbst. Gerade auf dieses Kriterium stellt auch die zitierte Entscheidung des EuGH ab (…). Dem ist auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07 – AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG = NZA 2009, 538) gefolgt und führt ebenfalls (unter Rdnr. 63) aus, dass sich solche Zeiten nicht nachteilig auf den Bestand des Urlaubs- und des Urlaubsabgeltungsanspruchs auswirken dürfen, in denen der Urlaubsanspruch aus Gründen nicht realisiert werden kann, die vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig sind. Eine derartige Differenzierung verstößt auch nicht gegen den Wortlaut der Richtlinie 2003/88/EG, durch die nur gewährleistet werden soll, dass die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Nach Maßgabe der Bestimmung in § 17 Abs. 1 BEEG war die Klägerin zumindest davor geschützt, dass ihr dieser Urlaubsanspruch gegen ihren Willen verlorengeht. Dass sie in diesem Fall gezwungen gewesen wäre, keine Erziehungszeit in Anspruch zu nehmen, steht dem nicht entgegen, sondern entspricht dem arbeitsvertraglichen Synallagma. Der Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch ist letztlich Teil der vom Arbeitgeber zu erbringenden Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung. Während der Elternzeit sind jedoch die beiderseitigen vertraglichen Pflichten suspendiert (…)“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.

Dass der EuGH Elternurlaub zurückhaltender betrachtet als Mutterschaftsurlaub und diesen dem Mutterschaftsurlaub nicht vollständig gleichstellt, ergibt sich auch aus seiner Entscheidung vom 21.10.1999 (,,…, C-333/97, NZA 1999. 1325). Danach durfte Elternurlaub zur Kürzung bzw. zum Wegfall einer Weihnachtsgratifikation führen, da der Wegfall europarechtskonform sei, wenn die Gewährung ausschließlich an den Bestand eines aktiven Beschäftigungsverhältnisses im Zeitpunkt der Leistung anknüpfe. Eine zulässige, anteilig leistungsmindernde Berücksichtigung hat der EuGH auf das wesentliche Merkmal des Elternurlaubs zurückgeführt. Während des Elternurlaubs ruhen die arbeitsvertraglichen Pflichten und die Eltern im Elternurlaub können somit nicht den arbeitenden Beschäftigten gleichgestellt werden (vgl. dazu auch Busch, Anm. zu ArbG Karlsruhe, Urteil v. 16.12.2011, 3 Ca 281/11, juris Praxisreport v. 06.06.2012, juris PR-ArbR 23/2012, Anm. 2).

Auch die Entscheidung des EuGH vom 08.11.2012 (,,…, C-229/11 und C-230/11, NZA 2012, 1273 = ZTR 2012, 716) bestätigt das gefundene Ergebnis. Den Umstand, dass Urlaubsansprüche sich bei Kurzarbeit „Null“ zeitanteilig verringern dürfen, begründet der EuGH u.a. damit, dass die Situation zu einem Arbeitnehmer, der aufgrund einer Erkrankung nicht arbeiten könne grundlegend verschieden sei, da bei Kurzarbeit „Null“ die gegenseitigen Leistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien suspendiert seien. Es sei unionsrechtlich nicht geboten, Arbeitnehmern während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche zuzubilligen (vgl. dazu Powietzka/Christ, NZA 2013, 20 f.).

cc.

Die erfolgte Kürzung betrifft nur den Zeitraum der Elternzeit. Für den Zeitraum 15.12.2011 bis 14.03.2012 hatte die Klägerin – entgegen ihrer subjektiven Vorstellung – keine Elternzeit. Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG greift daher nicht ein. Die Kürzungserklärung der Beklagten umfasst diesen Zeitraum nicht. In diesem Zeitraum bestand ein (nicht ruhendes) Arbeitsverhältnis, in dem Urlaubsansprüche entstanden. Diese sind weder gewährt, noch verfallen, noch durch Kürzung erloschen.

Die im Juni 2012 im Laufe des Prozesses abgegebene Erklärung der Beklagten, sie stimme vorsorglich dem Antrag auf Elternzeit zu, führt nicht dazu, dass das aktive Arbeitsverhältnis sich rückwirkend in ein ruhendes Arbeitsverhältnis aufgrund Elternzeit umwandelt. Die nachträgliche Kürzungsmöglichkeit des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG ist ein im Gesetz ausdrücklich vorgesehener Ausnahmetatbestand. In der Regel kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass durch eine rückwirkende Erklärung der Charakter des Arbeitsverhältnisses geändert wird.

Unabhängig von der Frage, ob eine solche Erklärung überhaupt rückwirkend abgegeben werden kann, handelte die Beklagte mit dieser Erklärung treuwidrig und verstieß damit gegen § 242 BGB. Die Beklagte gab die Erklärung lediglich ab, um sich der Zahlungsverpflichtung zu entziehen, nachdem sie zuvor mit Schreiben vom 10.11.2011 sinngemäß erklärt hatte, dass sie der Verlängerung der Elternzeit nicht zustimme, sondern vom Ende der Elternzeit zum 14.12.2011 ausgehe. Es handelt sich hierbei um widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium), das dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Widersprüchliches Verhalten ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Seite – bewusst oder unbewusst – für die andere Seite ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist (BAG 20.04.2011, 4 AZR 368/09, AP Nr. 41 zu §§ 22, 23 BAT-O = NZA-RR 2011, 609). Aufgrund der eindeutig ablehnenden Haltung der Beklagten zum Begehren auf Verlängerung der Elternzeit durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass es dabei bleibe.

c.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin berechnet sich wie folgt: Für drei volle Monate stehen der Klägerin Urlaubsansprüche in Höhe von 3/12 von 28, d.h. 6,99 Urlaubstage zu. Gem. § 5 Abs. 2 BUrlG ist aufzurunden auf 7 Urlaubstage.

Das Monatseinkommen ist auf Basis der im Vergleich festgehaltenen Entgeltgruppe E 4 zu berücksichtigen, da im Verhältnis zum Zeitpunkt vor Beginn des Mutterschutzes keine Änderung eingetreten ist. 1.857,00 € x 3: 65 ergibt einen Betrag von 85,71 € pro Urlaubstag. Für 7 Urlaubstage à 85,71 € ergibt sich die Summe von 599,97 € brutto.

d.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Ziff. 1, 288 Abs. 1 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. ZPO. Soweit die Klägerin die Klage in Höhe von 1.192,32 € zurückgenommen hat (Arbeitslosengeld), sind ihr gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ihr die Kosten aufzuerlegen. Unter Berücksichtigung eines fiktiven Streitwertes von 8.312,29 € ergibt sich eine Kostenquote von 93% (1.192,32 € + 6.520,00 € = 7.712,32 €) für die Klägerin sowie von 7% (599,97 €) für die Beklagte.

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 S. 1 ArbGG iVm § 3 ZPO.

IV.

Die Berufung war gem. § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG gesondert zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

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