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Schadensersatzforderung gegen Arbeitnehmer nach § 3 Abs 6 TVöD

Eine Gemeinde forderte von ihrer langjährigen Mitarbeiterin Schadensersatz in Millionenhöhe. Der Vorwurf: Angeblich durch Versäumnisse im Mahnwesen seien kommunale Forderungen verjährt und verloren gegangen. Über eine halbe Million Euro sollte die Angestellte dafür zahlen. Doch die millionenschwere Klage scheiterte nun endgültig vor dem Landesarbeitsgericht Hamm.

Übersicht:

Zum vorliegenden Urteil Az.: 17 Sa 1396/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgerichts Hamm
  • Datum: 22.03.2022
  • Aktenzeichen: 17 Sa 1396/20
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Personalvertretungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Gemeinde, die von einer langjährigen Angestellten Schadensersatz fordert.
  • Beklagte: Eine langjährige Angestellte der Gemeinde, die für das Mahnwesen zuständig war und gegen die Schadensersatz geltend gemacht wurde.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Einer langjährigen Angestellten einer Gemeinde, die für das Mahnwesen zuständig war, wurde vorgeworfen, über Jahre hinweg viele kommunale Forderungen nicht gemahnt zu haben, wodurch diese verjährten. Die Gemeinde forderte von der Angestellten deswegen Schadensersatz in Höhe von mehreren hunderttausend Euro sowie Kosten für eine Wirtschaftsprüfung. Die Angestellte bestritt ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Fehlverhalten und verwies auf Überlastung und mangelnde Unterstützung sowie erhebliches Mitverschulden der Gemeinde.
  • Kern des Rechtsstreits: Ging es um die Frage, ob die Angestellte schadensersatzpflichtig ist oder ob dies durch arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkungen, ein Mitverschulden der Gemeinde, Verjährung, Ausschlussfristen oder prozessuale Hinderungsgründe wie eine fehlende Personalratsbeteiligung verhindert wird.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Gemeinde gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurück. Die Klage der Gemeinde auf Schadensersatz wurde damit abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht hielt die Klage bereits wegen eines prozessualen Hinderungsgrundes für unzulässig, da der Personalrat nach Antrag der Angestellten seine Zustimmung zur gerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzansprüche verweigert hatte. Zusätzlich führte das Gericht aus, dass die Klage auch inhaltlich unbegründet gewesen wäre, weil die Gemeinde der Angestellten weder Vorsatz noch Grobe Fahrlässigkeit nachweisen konnte und die Schadenshöhe nicht schlüssig dargelegt war.
  • Folgen: Die Gemeinde kann von der Angestellten keinen Schadensersatz für die verjährten Forderungen und die Auditkosten verlangen. Die Entscheidung basierte maßgeblich auf dem fehlenden Einverständnis des Personalrats mit der Klage und hilfsweise auf mangelndem Nachweis des Verschuldens und des Schadens.

Der Fall vor Gericht


LAG Hamm: Gemeinde scheitert mit Schadensersatzklage in Millionenhöhe gegen Angestellte wegen verjährter Forderungen – Fehlende Personalratszustimmung führt zur Klageabweisung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hat die Berufung einer Gemeinde gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn zurückgewiesen. Die Gemeinde hatte von einer langjährigen Angestellten Schadensersatz in Höhe von über 600.000 Euro gefordert, weil kommunale Forderungen in Millionenhöhe mutmaßlich aufgrund unterlassener Mahnungen verjährt waren.

Angestellte im Büro lässt Mahnungen wegen Aktenstapeln und veralteter Technik unbeachtet, Gemeinde fordert rechtzeitiges Handeln.
Versäumnis bei Mahnungen führt zu Forderungsverjährung und finanziellen Schäden in der Gemeinde. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Gericht entschied jedoch, dass die Klage bereits aus formellen Gründen unzulässig ist: Der Personalrat hatte der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs nicht zugestimmt. Zudem äußerte das Gericht erhebliche Zweifel an der Begründetheit der Forderung selbst, insbesondere am Nachweis grober Fahrlässigkeit der Angestellten und an der schlüssigen Darlegung des Schadens durch die Gemeinde.

Ausgangslage: Jahrelange Tätigkeit im Mahnwesen und hohe Außenstände bei der Gemeinde

Die betroffene Angestellte war seit 1986 bei der klagenden Gemeinde beschäftigt. Ab 1993 wurde sie zur Kassenverwalterin bestellt und war in dieser Funktion unter anderem für das Mahnwesen zuständig. Bis Ende 2006 erfolgte die Erstellung der Mahnungen noch extern, die Angestellte übernahm die Prüfung und den Versand.

Eine wesentliche Änderung ergab sich mit der Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF) in Nordrhein-Westfalen zum 1. Januar 2007 bei der Gemeinde. Die Position des Kassenverwalters wurde abgeschafft und durch die Funktion eines „Verantwortlichen für die Finanzbuchhaltung“ ersetzt. Gleichzeitig führte die Gemeinde das neue PC-Programm INFOMA für die Finanzbuchhaltung ein. Die Angestellte erhielt eine Schulung für dieses Programm, und es stand Support zur Verfügung. Sie blieb weiterhin für das Mahnwesen verantwortlich.

Gesetzliche Vorschriften (§ 31 GemHVO NRW) verpflichteten die Gemeinde, eine detaillierte Dienstanweisung für die Finanzbuchhaltung zu erlassen. Diese sollte unter anderem die Erfassung, die rechtzeitige Geltendmachung von Ansprüchen sowie das Mahn- und Vollstreckungsverfahren regeln. Trotz eines Hinweises der Gemeindeprüfungsanstalt NRW im Jahr 2013 und eines vorliegenden Entwurfs in 2015 wurde eine solche Dienstanweisung von der Gemeinde nie erlassen. Es ist unstrittig, dass die Angestellte in der Vergangenheit erhebliche Überstunden leistete und viele Urlaubstage nicht nehmen konnte, was auf eine hohe Arbeitsbelastung hindeutet.

Im Herbst 2018 fielen der Gemeinde hohe Außenstände und Unregelmäßigkeiten im Buchhaltungssystem auf. Im November 2018 wurde das volle Ausmaß bekannt: Es ging um offene Forderungen in Millionenhöhe. Die Angestellte wurde daraufhin sofort von der Kassenleitung entbunden. Eine interne Aufarbeitung ergab, dass seit Einführung des NKF im Jahr 2007 offenbar nur ein sehr geringer Teil der offenen Forderungen gemahnt worden war. Ein Großteil der Forderungen aus den Jahren 2007 bis 2012 schien bereits verjährt zu sein. Um die drohende Verjährung von Forderungen aus dem Jahr 2013 abzuwenden, wurden Ende 2018 unter erheblichem Zeitdruck und Personaleinsatz – auch durch die betroffene Angestellte selbst – rund 1500 Mahnschreiben erstellt.

Streitpunkte: Schadensersatzforderung der Gemeinde und Verteidigung der Angestellten

Nach weiteren internen Vorgängen, darunter ein Gespräch über die Verantwortlichkeit im Januar 2019, die Unterzeichnung einer Verzichtserklärung auf Ausschlussfristen durch die Angestellte auf Wunsch der Gemeinde im Februar 2019 und der Fund eines Kartons mit rund 180 kuvertierten, aber nicht versandten Mahnungen sowie unbearbeiteten Briefen, einigten sich Gemeinde und Angestellte auf eine Versetzung ins Bürgerbüro mit einer Herabgruppierung im Gehalt. Die Gemeinde beauftragte zudem eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Aufarbeitung, wofür Kosten von über 34.000 Euro anfielen.

Im November 2019 machte die Gemeinde Schadensersatzansprüche gegen die Angestellte in Höhe von ursprünglich 615.113,70 Euro geltend (später auf 612.777,99 Euro angepasst). Die Gemeinde argumentierte, die Angestellte habe ihre Pflichten vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verletzt, indem sie Forderungen aus den Jahren 2007 bis 2012 in Höhe von netto rund 568.000 Euro nicht gemahnt habe, wodurch diese verjährten. Zusätzlich seien Forderungen aus 2013 in Höhe von ca. 12.700 Euro verjährt, weil die im Karton gefundenen Mahnungen nicht versandt wurden. Hinzu kämen die Kosten für die Wirtschaftsprüfer.

Die Gemeinde bestritt ein eigenes Mitverschulden. Die fehlende Dienstanweisung sei nur ein formaler Mangel gewesen, Kontrollen hätten stattgefunden, und die Angestellte habe eine Überlastung nicht ausreichend angezeigt. Die Gemeinde meinte zudem, die tarifliche Ausschlussfrist sei durch die Verzichtserklärung der Angestellten nicht anwendbar, der Anspruch sei nicht verjährt, und eine Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

Die Angestellte wehrte sich gegen die Vorwürfe. Sie bestritt die Höhe des Schadens und die Schlüssigkeit der Schadensberechnung. Sie führte an, die Schulung für das INFOMA-Programm sei unzureichend gewesen; sie habe nicht gewusst, wie sie alle offenen Posten im System hätte finden können. Sie habe nach bestem Wissen gemahnt, sei aber überlastet und teils erkrankt gewesen. Sie bestritt entschieden, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt zu haben. Vielmehr sah sie ein erhebliches Mitverschulden bei der Gemeinde aufgrund der fehlenden Dienstanweisung und mangelnder Kontrollen. Sie berief sich trotz der abgegebenen Erklärung auf die tarifliche Ausschlussfrist (Zweifel an der Wirksamkeit des Verzichts) und die Verjährung des Schadensersatzanspruchs selbst (die Gemeinde hätte den Schaden früher erkennen müssen). Zudem rügte sie die fehlende Beteiligung des Personalrats vor Klageerhebung als Verfahrensfehler.

Erste Instanz: Arbeitsgericht Paderborn weist Klage ab

Das Arbeitsgericht Paderborn hatte die Klage der Gemeinde bereits in erster Instanz mit Urteil vom 05.11.2020 abgewiesen. Das Gericht sah keine schuldhafte Pflichtverletzung der Angestellten bezüglich der Verjährungen bis 2017. Hinsichtlich der 2018 verjährten Forderungen (im Zusammenhang mit dem Karton) konnte das Gericht jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz erkennen. Zudem hielt das Arbeitsgericht die Darlegung des Schadens durch die Gemeinde für nicht ausreichend nachvollziehbar (unschlüssig).

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm: Berufung unbegründet, Klage bereits unzulässig

Die Gemeinde legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm ein und hielt an ihrer Forderung fest. Das LAG Hamm wies die Berufung jedoch zurück. Die Klage der Gemeinde scheiterte bereits an einer prozessualen Hürde: der fehlenden Zustimmung des Personalrats.

Entscheidender Grund: Fehlende Zustimmung des Personalrats nach § 72 LPVG NRW macht Klage unzulässig

Das Gericht stellte fest, dass die Klage unzulässig ist. Gemäß § 72 Absatz 4 Satz 1 Nr. 11 des Landespersonalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LPVG NRW) hat der Personalrat bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Beschäftigte ein Mitbestimmungsrecht, wenn der betroffene Beschäftigte dies beantragt. Die Angestellte hatte während des Berufungsverfahrens ausdrücklich die Beteiligung des Personalrats gefordert.

Die Gemeinde holte daraufhin die Beteiligung nach. Der Personalrat verweigerte jedoch mit Schreiben vom 26.08.2021 seine Zustimmung zur gerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzansprüche auf Basis der vorliegenden Klage. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte ist eine Schadensersatzklage gegen einen Beschäftigten im öffentlichen Dienst ohne die erforderliche Zustimmung des Personalrats unzulässig. Da die Zustimmung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LAG nicht vorlag und auch nicht mehr zu erwarten war, musste die Klage als unzulässig abgewiesen werden. Dieser Verfahrensmangel konnte nicht mehr geheilt werden.

Hilfserwägungen des Gerichts: Klage wäre wohl auch in der Sache unbegründet gewesen

Das LAG Hamm führte zusätzlich aus (in sogenannten obiter dicta oder Hilfserwägungen), dass die Klage auch dann keinen Erfolg gehabt hätte, wenn sie zulässig gewesen wäre. Die materiell-rechtlichen Gründe hierfür sind vielfältig:

Grundsatz der beschränkten Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsverhältnis

Zunächst verwies das Gericht auf die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung. Verursacht ein Arbeitnehmer bei seiner betrieblich veranlassten Tätigkeit einen Schaden, haftet er nicht unbegrenzt. Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer gar nicht. Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt, wobei Kriterien wie die Höhe des Schadens, das Verschulden, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit und das Gehalt des Arbeitnehmers eine Rolle spielen. Nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet der Arbeitnehmer in der Regel voll.

Kein Nachweis von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz für langjährige Versäumnisse

Das Gericht konnte nicht feststellen, dass die Angestellte die Mahnungen über Jahre hinweg vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, indem schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige unbeachtet bleibt, was jedem hätte einleuchten müssen. Die Gemeinde argumentierte zwar, die Angestellte hätte aus früherer Zeit wissen müssen, wie viele Mahnungen zu erstellen sind. Die Angestellte verwies jedoch auf Probleme mit der neuen Software INFOMA, unzureichende Schulung, fehlende Unterstützung und eine erhebliche Arbeitsüberlastung. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Angestellte wusste, dass sie nur einen Bruchteil der Mahnungen erstellte und dies bewusst oder in krass leichtfertiger Weise hinnahm. Allein die Tatsache, dass über Jahre hinweg Fehler passierten, begründet nicht automatisch grobe Fahrlässigkeit, insbesondere wenn organisatorische Mängel und Überlastung im Raum stehen.

Selbst wenn man von mittlerer Fahrlässigkeit ausgehen würde (z.B. weil sie sich nicht intensiver um die Programmbeherrschung bemüht oder ihre Überlastung nicht vehementer gemeldet hat), würde die Haftungsquote nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung stark reduziert. Angesichts des enormen Schadens im Verhältnis zum Einkommen der Angestellten (EG 7 TVöD nach Herabgruppierung) wäre eine relevante Haftungsquote hier kaum denkbar gewesen.

Mangelnde Schlüssigkeit der Schadensdarlegung durch die Gemeinde

Unabhängig vom Verschulden kritisierte das Gericht, dass die Gemeinde den geltend gemachten Schaden nicht schlüssig dargelegt habe. Die vorgelegten umfangreichen Tabellen mit aufgelisteten Forderungen reichten nicht aus. Um einen Schaden wegen Verjährung geltend zu machen, hätte die Gemeinde für jede einzelne Forderung detailliert darlegen und im Streitfall beweisen müssen:

  • dass die Forderung überhaupt berechtigt entstanden war,
  • dass sie fällig und einredefrei war,
  • dass sie zum Zeitpunkt der unterlassenen Mahnung noch hätte beigetrieben werden können (Bonität des Schuldners),
  • dass die Forderung nicht aus anderen Gründen erloschen oder uneinbringlich war,
  • und dass der Verlust kausal auf der unterlassenen Mahnung der Angestellten beruht.

Eine pauschale Auflistung verjährter Posten genügt diesen Anforderungen nicht, zumal die Angestellte das Bestehen, die Höhe und die Durchsetzbarkeit der Einzelforderungen bestritten hatte. Die Gemeinde hat diesen konkreten Nachweis im Verfahren nicht geführt.

Fall „Karton“: Keine grobe Fahrlässigkeit beim Nichtversand der Mahnungen Ende 2018

Auch bezüglich der im Februar 2019 gefundenen, nicht versandten Mahnungen aus der eiligen Mahnaktion Ende 2018 konnte das Gericht keine grobe Fahrlässigkeit der Angestellten erkennen. Selbst wenn sie den Karton dort abgestellt haben sollte, geschah dies in einer extremen Stresssituation unter hohem Druck, um Verjährungen in letzter Minute zu verhindern. An dieser Aktion waren mehrere Mitarbeiter beteiligt. Ein versehentliches Abstellen und Vergessen in einer solchen Ausnahmesituation stellt nach Ansicht des Gerichts keine grobe Fahrlässigkeit dar. Auch hier würden die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung greifen und eine volle Haftung für den behaupteten Schaden von ca. 12.700 Euro ausschließen. Zudem bemängelte das Gericht auch hier die fehlende schlüssige Darlegung, welche konkreten Forderungen durch welche Mahnung im Karton betroffen waren.

Zweifel an der Zurechnung der Kosten für die Wirtschaftsprüfung

Das Gericht äußerte zudem erhebliche Zweifel, ob die Kosten für die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (über 34.000 Euro) vollständig der Angestellten als Schaden zugerechnet werden könnten. Angesichts der unstreitigen organisatorischen Mängel bei der Gemeinde (fehlende Dienstanweisung nach NKF/GemHVO, unzureichende Kontrollmechanismen) wäre eine umfassende Überprüfung der Finanzbuchhaltung möglicherweise auch ohne das spezifische Fehlverhalten der Angestellten notwendig gewesen.

Erhebliches Mitverschulden der Gemeinde als weiterer Faktor

Zusätzlich betonte das Gericht, dass ein erhebliches Mitverschulden der Gemeinde an der Entstehung des Schadens zu berücksichtigen wäre. Insbesondere das jahrelange Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Dienstanweisung und mangelnde Kontrollmechanismen im Rahmen des NKF würden im Falle einer Haftung der Angestellten zu einer deutlichen Reduzierung des Anspruchs führen.

Offene Fragen: Ausschlussfrist und Verjährung des Anspruchs gegen die Angestellte

Fragen zur Wirksamkeit der Verzichtserklärung auf die tarifliche Ausschlussfrist und zur Verjährung des Schadensersatzanspruchs selbst (insbesondere, wann die Gemeinde grob fahrlässige Unkenntnis vom Schaden hatte) ließ das Gericht offen, da die Klage bereits aus den genannten vorrangigen Gründen (Unzulässigkeit wegen fehlender Personalratszustimmung, mangelnde Schlüssigkeit der Klage, fehlender Nachweis grober Fahrlässigkeit) scheiterte.

Zusammenfassung der Entscheidung: Keine Haftung der Angestellten

Im Ergebnis wurde die millionenschwere Schadensersatzklage der Gemeinde gegen ihre langjährige Angestellte vom Landesarbeitsgericht Hamm rechtskräftig abgewiesen. Entscheidend war die fehlende Zustimmung des Personalrats, die zur Unzulässigkeit der Klage führte. Darüber hinaus wäre die Klage nach Ansicht des Gerichts aber auch in der Sache selbst gescheitert, da die Gemeinde weder grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz der Angestellten nachweisen konnte noch den entstandenen Schaden und dessen Kausalität schlüssig dargelegt hatte. Zudem greifen die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, und ein erhebliches Mitverschulden der Gemeinde hätte eine etwaige Haftung weiter reduziert. Die Kosten des Berufungsverfahrens muss die Gemeinde tragen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass öffentliche Arbeitgeber bei Schadensersatzforderungen gegen Beschäftigte zwingend die Zustimmung des Personalrats einholen müssen, andernfalls ist die Klage bereits unzulässig. Für eine Haftung bei Arbeitsfehlern ist zudem der Nachweis grober Fahrlässigkeit erforderlich, während organisatorische Mängel des Arbeitgebers (hier: fehlende Dienstanweisungen, mangelhafte Kontrolle) ein erhebliches Mitverschulden begründen können. Bei millionenschweren Forderungen muss der Arbeitgeber jeden einzelnen Schadensposten konkret nachweisen können – pauschale Auflistungen reichen vor Gericht nicht aus.

Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer Schadensersatz fordern, wenn dieser seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat?

Wenn ein Arbeitnehmer gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstößt und dem Arbeitgeber dadurch ein Schaden entsteht, kann der Arbeitgeber unter bestimmten Bedingungen Schadensersatz verlangen. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer den finanziellen Schaden ersetzen muss. Allerdings gelten im Arbeitsrecht besondere Regeln für die Haftung von Arbeitnehmern, die sie vor übermäßigen finanziellen Risiken schützen sollen.

Die allgemeinen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch sind:

  1. Pflichtverletzung: Der Arbeitnehmer muss eine Pflicht aus seinem Arbeitsvertrag oder dem Gesetz verletzt haben. Das kann zum Beispiel sein, dass er die Arbeit falsch oder gar nicht erledigt, Anweisungen missachtet oder Betriebseigentum beschädigt.
  2. Schaden: Dem Arbeitgeber muss tatsächlich ein finanzieller Schaden entstanden sein.
  3. Kausalität: Der entstandene Schaden muss durch die konkrete Pflichtverletzung des Arbeitnehmers verursacht worden sein. Es muss also ein direkter Zusammenhang bestehen.
  4. Verschulden: Der Arbeitnehmer muss die Pflichtverletzung zu vertreten haben, d.h., er muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben.

Das Besondere im Arbeitsrecht: Die Haftung hängt vom Grad des Verschuldens ab

Der wichtigste Unterschied zum allgemeinen Zivilrecht liegt im vierten Punkt, dem Verschulden. Im Arbeitsrecht wird die Haftung des Arbeitnehmers danach beurteilt, wie stark ihn die Schuld an der Pflichtverletzung trifft. Man unterscheidet hier in der Regel drei Stufen:

  • Leichte Fahrlässigkeit: Hier liegt nur ein kleiner Fehler vor, der auch einem sorgfältigen Arbeitnehmer passieren könnte. In der Regel haftet der Arbeitnehmer bei leichter Fahrlässigkeit nicht für den entstandenen Schaden. Stellen Sie sich vor, jemand verschüttet versehentlich Kaffee über ein unwichtiges Dokument. Das ist meist leichte Fahrlässigkeit ohne finanzielle Folgen für den Arbeitnehmer.
  • Mittlere (normale) Fahrlässigkeit: Hier liegt ein Fehler vor, der bei der erforderlichen Sorgfalt hätte vermieden werden können. Bei mittlerer Fahrlässigkeit kann eine Haftung des Arbeitnehmers entstehen, allerdings wird der Schaden oft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt oder die Haftung des Arbeitnehmers wird begrenzt. Wie der Schaden aufgeteilt wird, hängt von vielen Umständen ab, wie z.B. der Höhe des Schadens, der Gefahr der Tätigkeit, dem Gehalt des Arbeitnehmers oder seiner Stellung im Betrieb.
  • Grobe Fahrlässigkeit: Dies liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die notwendige Sorgfalt in einem erheblichen Maße außer Acht gelassen hat und nicht beachtet, was jedem hätte klar sein müssen. Hier kann der Arbeitnehmer grundsätzlich voll haftbar gemacht werden. Ein Beispiel könnte sein, wertvolles Werkzeug offen über Nacht auf einer Baustelle liegen zu lassen, obwohl klar ist, dass es gestohlen werden könnte.
  • Vorsatz: Wenn der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung absichtlich begeht, um dem Arbeitgeber zu schaden (z.B. mutwillige Zerstörung von Betriebseigentum), haftet er in der Regel voll für den entstandenen Schaden.

Was bedeutet das für Sie?

Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet das, dass nicht jeder kleine Fehler, der im Arbeitsalltag passiert und zu einem Schaden führt, gleichbedeutend mit einer vollen Schadensersatzpflicht ist. Die Gerichte berücksichtigen die besonderen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses und die Tatsache, dass bei der Arbeit Fehler passieren können.

Der Arbeitgeber muss im Streitfall nachweisen, dass eine Pflichtverletzung vorlag, ein Schaden entstanden ist, dieser durch die Pflichtverletzung verursacht wurde und den Arbeitnehmer ein entsprechendes Verschulden trifft. Die Höhe des möglichen Schadensersatzes hängt dann maßgeblich vom Grad des Verschuldens ab, insbesondere bei Fahrlässigkeit.


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Was bedeutet „grobe Fahrlässigkeit“ im juristischen Sinne und wie unterscheidet sie sich von einfacher Fahrlässigkeit?

Im juristischen Sinn beschreibt „Fahrlässigkeit“ allgemein ein Verhalten, bei dem jemand die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat, obwohl er dies hätte tun können und müssen. Man unterscheidet dabei verschiedene Stufen, je nachdem, wie schwerwiegend dieser Sorgfaltspflichtverstoß war.

Die „einfache Fahrlässigkeit“ liegt vor, wenn man die erforderliche Sorgfalt nur in geringem Maße außer Acht lässt. Es handelt sich dabei um ein Versehen oder einen leichten Fehler, der jedem in einem Moment der Unachtsamkeit passieren kann. Man handelt zwar sorgfaltswidrig, aber der Fehler ist nicht besonders schwerwiegend oder offensichtlich. Stellen Sie sich vor, Sie vergessen im Stress kurzzeitig, einen Termin in Ihren Kalender einzutragen. Das wäre ein Beispiel für einfache Fahrlässigkeit.

Demgegenüber ist die „grobe Fahrlässigkeit“ ein erheblich schwerwiegenderer Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt. Man handelt dabei in einer Weise, die objektiv nicht mehr nachvollziehbar ist und bei der grundlegende, jedem bekannte Sorgfaltsanforderungen in krasser Weise missachtet werden. Man macht einen Fehler, der so offensichtlich und unentschuldbar ist, dass selbst jemand, der sich nur minimal anstrengt, ihn hätte vermeiden müssen. Es zeigt sich ein grundlegendes Desinteresse an der Beachtung der nötigen Sorgfalt.

Ein Beispiel für grobe Fahrlässigkeit wäre, wenn Sie Ihren wertvollen Laptop in aller Öffentlichkeit und unbeaufsichtigt liegen lassen, während Sie für längere Zeit weggehen, und dieser dann gestohlen wird. Oder wenn Sie am Steuer die Augen vom Verkehr abwenden, um eine längere Nachricht auf dem Handy zu lesen, und dadurch einen Unfall verursachen.

Der Hauptunterschied zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit liegt also im Ausmaß des Fehlers und der Schwere des Sorgfaltsverstoßes. Während die einfache Fahrlässigkeit ein leichtes Versehen ist, ist die grobe Fahrlässigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten, bei dem man offensichtliche Sorgfaltspflichten ignoriert. Diese Unterscheidung ist für die Frage der Haftung oft von entscheidender Bedeutung.


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Welche Rolle spielt der Personalrat bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst?

Im öffentlichen Dienst gibt es, ähnlich wie in der freien Wirtschaft Betriebsräte, den sogenannten Personalrat. Dieser vertritt die Interessen der Mitarbeiter gegenüber der Dienststelle (dem Arbeitgeber im öffentlichen Dienst). Der Personalrat hat bei vielen Entscheidungen, die das Personal betreffen, Mitbestimmungs- oder Mitspracherechte.

Die Frage, ob der Personalrat zustimmen muss, bevor die Dienststelle einen Schadensersatzanspruch gegen einen Mitarbeiter erhebt, ist klar zu beantworten: Grundsätzlich ist die Zustimmung des Personalrats für die reine Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs als solcher nicht erforderlich.

Ein Schadensersatzanspruch ist zunächst einmal eine rechtliche und finanzielle Angelegenheit zwischen der Dienststelle und dem Mitarbeiter. Dabei geht es darum, einen verursachten Schaden finanziell auszugleichen. Die Entscheidung, einen solchen Anspruch anzumelden oder rechtlich zu verfolgen, liegt allein bei der Dienststelle als Arbeitgeber.

Allerdings kann die Handlung des Mitarbeiters, die zum Schaden geführt hat, auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Wenn die Dienststelle aufgrund des Vorfalls, der zum Schaden führte, auch Maßnahmen ergreifen möchte, die das Arbeitsverhältnis direkt betreffen – zum Beispiel eine Abmahnung, eine Kündigung oder andere disziplinarische Maßnahmen oder auch eine Gehaltskürzung im Rahmen einer Maßnahme – dann spielen die Beteiligungsrechte des Personalrats eine wichtige Rolle. Solche personellen Maßnahmen sind oft mitbestimmungspflichtig oder zumindest anhörungspflichtig. Das bedeutet, die Dienststelle muss den Personalrat informieren und je nach Landesrecht seine Zustimmung einholen oder ihn zumindest anhören, bevor sie solche personalrechtlichen Schritte umsetzt.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Entscheidung, ob und wie ein finanzieller Schadensersatz vom Mitarbeiter verlangt wird, ist in der Regel keine Angelegenheit, bei der der Personalrat zustimmen muss. Gehen aber mit dem schadensverursachenden Vorfall auch personalrechtliche Konsequenzen einher, wie zum Beispiel eine Kündigung, dann muss der Personalrat beteiligt werden. Die Rolle des Personalrats bezieht sich also eher auf die Folgen für das Arbeitsverhältnis, nicht auf den reinen finanziellen Ausgleich des Schadens selbst.


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Wie muss ein Arbeitgeber einen Schaden konkret nachweisen, um Schadensersatzansprüche gegen einen Arbeitnehmer geltend zu machen?

Wenn ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer Schadensersatz fordert, muss der Arbeitgeber belegen können, dass tatsächlich ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser Schaden genau ist. Es reicht nicht aus, nur zu behaupten, dass ein Schaden passiert ist.

Nachweis des Schadens und seiner Höhe

Der Arbeitgeber muss den Schaden konkret beziffern. Das bedeutet, er muss in Geld genau angeben, wie viel ihm durch die Handlung oder Unterlassung des Arbeitnehmers verloren gegangen ist. Dazu muss er Beweise vorlegen. Solche Beweise können vielfältig sein, zum Beispiel:

  • Rechnungen für Reparaturen
  • Kostenangebote für Wiederbeschaffung oder Instandsetzung
  • Gutachten von Sachverständigen, die den Wertverlust oder die Reparaturkosten schätzen
  • Dokumente, die zeigen, welcher Gewinn wegen des Schadens nicht erzielt werden konnte (z.B. bei Produktionsausfall)

Der Arbeitgeber muss also genau darlegen, was beschädigt wurde oder was genau verloren ging und wie viel das in Euro und Cent bedeutet.

Nachweis des Zusammenhangs (Kausalität)

Neben der Existenz und der Höhe des Schadens muss der Arbeitgeber auch beweisen, dass der Schaden direkt durch die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers entstanden ist. Juristen sprechen hier vom Ursache-Wirkung-Zusammenhang (Kausalität).

Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss zeigen, dass weil der Arbeitnehmer eine bestimmte Pflicht verletzt hat (z.B. Sorgfaltspflichten bei der Bedienung einer Maschine nicht beachtet), genau deshalb dieser konkrete Schaden entstanden ist (z.B. die Maschine wurde beschädigt und muss teuer repariert werden).

Es darf keine andere wesentliche Ursache für den Schaden geben. Der Arbeitgeber muss also beweisen, dass die Handlung oder Unterlassung des Arbeitnehmers die wesentliche Ursache für den eingetretenen Schaden war.

Die Beweislast, also die Pflicht, all diese Punkte – Existenz des Schadens, dessen konkrete Höhe und den direkten Zusammenhang zur Handlung des Arbeitnehmers – liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Er muss dem Gericht die nötigen Nachweise vorlegen und beweisen, dass seine Forderung berechtigt ist.


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Welche Auswirkungen hat das Unterlassen von Dienstanweisungen durch den Arbeitgeber auf die Haftung des Arbeitnehmers?

Wenn ein Arbeitgeber klare Dienstanweisungen für bestimmte Aufgaben oder Abläufe versäumt, kann dies tatsächlich die Frage beeinflussen, ob und inwieweit ein Arbeitnehmer für Schäden haftet, die im Rahmen seiner Tätigkeit entstehen. Stellen Sie sich vor, Sie sollen eine Aufgabe erledigen, für die es keine klaren Regeln oder Vorgaben gibt, obwohl diese notwendig wären, um Fehler zu vermeiden.

Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht, dass die Haftung des Arbeitnehmers für Schäden, die er bei der Ausführung seiner Arbeit verursacht, eingeschränkt ist. Das ist anders als im allgemeinen Zivilrecht, wo man für fast jeden Schaden haftet, den man fahrlässig verursacht. Im Arbeitsverhältnis gibt es den sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleich. Dieser berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer weisungsgebunden arbeitet und Risiken im Rahmen seiner Tätigkeit eingeht, die der Arbeitgeber als Betriebsinhaber trägt.

Die Haftung des Arbeitnehmers hängt stark davon ab, wie schwer sein Verschulden ist:

  • Bei leichter Fahrlässigkeit (ein kleines, leicht verständliches Versehen, das jedem passieren kann) haftet der Arbeitnehmer in der Regel nicht.
  • Bei mittlerer Fahrlässigkeit (ein Fehler, der hätte vermieden werden können, aber kein böser Wille dahintersteckt) kann die Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt werden, je nach den Umständen des Einzelfalls.
  • Bei grober Fahrlässigkeit (ein sehr schwerwiegendes oder offensichtliches Fehlverhalten) oder Vorsatz (absichtliche Schädigung) haftet der Arbeitnehmer in der Regel vollständig.

Hier kommt das Fehlen von Dienstanweisungen ins Spiel: Der Arbeitgeber hat eine Organisationspflicht. Das bedeutet, er muss den Betrieb so organisieren, dass die Arbeitnehmer ihre Aufgaben sicher und korrekt erfüllen können. Dazu gehört es auch, notwendige Anweisungen, Schulungen oder Vorgaben zu geben. Wenn der Arbeitgeber diese Pflicht verletzt und keine klaren Dienstanweisungen erteilt, obwohl dies für eine fehlerfreie oder sichere Ausführung der Arbeit nötig wäre, kann dies dazu führen, dass ein Fehler des Arbeitnehmers, der auf dieser mangelnden Klarheit beruht, als leichtere Form der Fahrlässigkeit bewertet wird.

Wenn Sie also einen Schaden verursachen, weil Ihnen die notwendigen Anweisungen fehlten und Sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben, ist es wahrscheinlicher, dass Ihr Verschulden als leicht oder bestenfalls als mittelschwer eingestuft wird. Das kann dazu führen, dass Ihre Haftung deutlich reduziert wird oder sogar ganz entfällt.

Kurz gesagt: Wenn der Arbeitgeber es versäumt, die erforderlichen Dienstanweisungen zu geben, kann dies die Haftung des Arbeitnehmers für daraus resultierende Schäden mindern oder sogar ganz ausschließen, da das Fehlverhalten des Arbeitnehmers dann eher als geringeres Verschulden gewertet werden könnte. Dies liegt daran, dass der Arbeitgeber einen Teil der Verantwortung für die klare und sichere Gestaltung der Arbeitsbedingungen trägt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Verjährung

Verjährung bedeutet, dass ein rechtlicher Anspruch nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr gerichtlich durchsetzbar ist. In diesem Fall betrifft die Verjährung Forderungen der Gemeinde, die nicht innerhalb der gesetzlichen Frist geltend gemacht oder angemahnt wurden. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann der Schuldner die Leistung verweigern, weil der Gläubiger seinen Anspruch verloren hat. Die Verjährung dient der Rechtssicherheit und soll verhindern, dass alte Ansprüche unbegrenzt geltend gemacht werden.

Beispiel: Wenn eine Rechnung seit mehr als drei Jahren nicht bezahlt und auch nicht angemahnt wurde, kann der Gläubiger meistens keine Zahlung mehr verlangen, weil sein Anspruch verjährt ist.


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Grobe Fahrlässigkeit

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und dabei elementare, jedem erkennbare Pflichten missachtet. Im Arbeitsrecht bedeutet das, dass der Arbeitnehmer sich nicht nur einen Fehler erlaubt, sondern die Pflichtverletzung in einer Weise begangen hat, die nahe an Absicht heranreicht. Anders als bei einfacher oder mittlerer Fahrlässigkeit führt grobe Fahrlässigkeit meist zu einer vollen Haftung des Arbeitnehmers für entstandene Schäden. Der Unterschied zur einfachen Fahrlässigkeit ist, dass bei grober Fahrlässigkeit grundlegende Sicherheits- oder Sorgfaltspflichten krass ignoriert werden.

Beispiel: Ein Mitarbeiter lässt wichtige Mahnungen über Jahre hinweg bewusst oder aus grober Nachlässigkeit unverarbeitet liegen, obwohl er weiß, dass daraus erhebliche finanzielle Schäden entstehen können.


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Schlüssige Darlegung des Schadens

Die schlüssige Darlegung des Schadens bedeutet, dass der Arbeitgeber den Schaden detailliert, nachvollziehbar und mit Beweismitteln belegen muss, um Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer durchzusetzen. Es reicht nicht aus, nur pauschal Zahlen zu nennen; jede einzelne Forderung muss bewiesen werden, etwa dass sie entstanden, berechtigt, fällig, durchsetzbar und tatsächlich verloren ist. Die Darlegung umfasst zudem den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers und dem entstandenen Schaden. Diese Anforderungen sichern einen fairen Prozess und schützen Mitarbeiter vor unbegründeten Schadensforderungen.

Beispiel: Ein Arbeitgeber muss im Streitfall für jede nicht gemahnte Forderung zeigen, dass sie nicht bezahlt wurde, warum die Mahnung nötig war, und dass der fehlende Versand der Mahnung tatsächlich zum finanziellen Verlust geführt hat.


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Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Schadensersatzklagen

Im öffentlichen Dienst hat der Personalrat ein gesetzlich geregeltes Mitbestimmungsrecht, wenn die Dienststelle einen Schadensersatzanspruch gegen einen Beschäftigten gerichtlich geltend machen will und der Betroffene dies verlangt (§ 72 LPVG NRW). Ohne die Zustimmung des Personalrats ist die Klage unzulässig, was eine wichtige verfahrensrechtliche Voraussetzung darstellt. Dieses Recht dient dem Schutz der Beschäftigten und soll sicherstellen, dass betriebliche Interessen gemeinsam mit Arbeitnehmervertretungen abgewogen werden, bevor Belastungen wie Schadensersatzklagen erhoben werden.

Beispiel: Bevor eine Gemeinde als Arbeitgeberin eine Schadensersatzklage gegen eine Mitarbeiterin einreicht, muss der Personalrat zustimmen, wenn die Mitarbeiterin das beantragt, ansonsten wird die Klage vom Gericht abgewiesen.


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Dienstanweisung

Eine Dienstanweisung ist eine verbindliche schriftliche Vorgabe des Arbeitgebers an seine Beschäftigten, wie bestimmte Aufgaben oder Abläufe im Betrieb genau zu erledigen sind. Sie dient der Organisation und der Sicherstellung korrekten und gesetzeskonformen Handelns. Im öffentlichen Dienst schreibt z.B. § 31 der Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO NRW) vor, dass die Gemeinde eine solche Dienstanweisung für die Finanzbuchhaltung erlassen muss, um Fehler und Schäden zu vermeiden. Fehlt eine notwendige Dienstanweisung, kann das die Haftung von Arbeitnehmern mindern, weil damit eine wesentliche organisatorische Pflichtverletzung des Arbeitgebers vorliegt.

Beispiel: Wenn die Gemeinde keine klaren Regeln für das Mahnwesen erlässt, obwohl sie dazu verpflichtet ist, und deshalb Mahnungen unterbleiben, dann kann dies ein Grund sein, warum die Mitarbeiterin nicht allein für den Verlust haftet.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 72 Absatz 4 Satz 1 Nr. 11 LPVG NRW (Landespersonalvertretungsgesetz Nordrhein-Westfalen): Dieses Gesetz regelt das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Ohne die erforderliche Zustimmung des Personalrats ist eine Schadensersatzklage unzulässig. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fehlende Zustimmung des Personalrats zur Schadensersatzklage führte zur Unzulässigkeit der Klage gegen die Angestellte und war somit entscheidend für die Abweisung durch das LAG Hamm.
  • Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung (Arbeitsrecht): Arbeitnehmer haften für Schäden, die sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses verursachen, grundsätzlich nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz voll. Bei mittlerer oder leichter Fahrlässigkeit sind Haftungsmaßstab und Umfang der Haftung beschränkt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht konnte keine grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz der Angestellten feststellen, weshalb eine volle Haftung für den großen Schaden ausscheidet.
  • Verjährung von Schadensersatzansprüchen (§§ 194 ff. BGB): Schadensersatzansprüche unterliegen Verjährungsfristen, nach deren Ablauf keine Durchsetzung mehr möglich ist. Die Verjährung kann durch verschiedene Maßnahmen gehemmt oder unterbrochen werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verjährung der Forderungen aufgrund unterlassener Mahnungen war zentral, da viele verjährte Forderungen nicht mehr geltend gemacht werden konnten; das Gericht bezweifelte zudem die Rechtzeitigkeit der Schadensaufdeckung durch die Gemeinde.
  • Dienstanweisungspflicht (§ 31 GemHVO NRW): Diese Vorschrift verpflichtet Gemeinden, eine Dienstanweisung für die Finanzbuchhaltung zu erlassen, insbesondere zur korrekten Erfassung und Mahnung von Forderungen, um organisatorische Vorgaben verbindlich festzulegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Fehlen einer Dienstanweisung wurde als erhebliches Organisationsmanko gewertet, das ein Mitverschulden der Gemeinde an der Schadensentstehung begründet.
  • Tarifliche Ausschlussfristen (z.B. § 8 TVöD): Tarifverträge können Fristen vorsehen, innerhalb derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden müssen, andernfalls verfallen sie. Ein Verzicht auf diese Ausschlussfrist ist nur unter bestimmten Bedingungen wirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Wirksamkeit des Verzichts auf die tarifliche Ausschlussfrist durch die Angestellte wurde bestritten, was die Zulässigkeit der Klage zusätzlich infrage stellte.
  • Kausalität und Schlüssigkeit der Schadensdarlegung (Beweisanforderungen im Zivil- und Arbeitsprozess): Der Kläger muss den Schaden detailliert, nachvollziehbar und ursächlich für das Verhalten des Beklagten darlegen und beweisen. Pauschale Schadenstabellen reichen hierfür nicht aus. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gemeinde konnte den Schaden nicht schlüssig darlegen, insbesondere nicht den konkreten Entstehungs- und Verjährungsverlauf einzelner Forderungen, was zum Scheitern der Klage beitrug.

Das vorliegende Urteil


Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 17 Sa 1396/20 – Urteil vom 22.03.2022


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