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Streit um Wirksamkeit einer Auslandsversetzung

Rechtliche Zulässigkeit von Auslandsversetzungen im Arbeitsrecht

Die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen und die damit verbundenen Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind zentrale Elemente des Arbeitsrechts. Ein besonders relevantes Thema in diesem Bereich ist die Auslandsversetzung von Arbeitnehmern. Solche Versetzungen werfen Fragen auf, die sowohl die Grenzen der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers als auch die Schutzbedürfnisse des Arbeitnehmers betreffen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Versetzung sind in verschiedenen Rechtsquellen geregelt, darunter im individuellen Arbeitsvertrag, in kollektiven Tarifverträgen und im gesetzlichen Kontext.

Die Versetzung von Mitarbeitern an einen anderen Standort, insbesondere ins Ausland, kann weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen haben und erfordert eine sorgfältige Abwägung der Interessen aller Parteien. Dabei spielen der Versetzungsvorbehalt im Arbeitsvertrag, die Bestimmungen des Tarifsozialplans und die Regelungen über die Sozialauswahl eine wichtige Rolle. Diese Faktoren müssen im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften, wie dem Tarifvertragsgesetz und der Gewerbeordnung, sowie unter Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände des Arbeitnehmers betrachtet werden.

In der Praxis führen unterschiedliche Interpretationen dieser Regelungen häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen, in denen die Gerichte die Aufgabe haben, die Wirksamkeit von Versetzungsentscheidungen zu überprüfen. Dabei müssen sie insbesondere prüfen, ob die Versetzungsklauseln im Arbeitsvertrag klar und verständlich formuliert sind und ob die tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden. Die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Auslandsversetzung hat nicht nur für den einzelnen Arbeitnehmer, sondern auch für die betriebliche Praxis und die Auslegung von Tarifnormen eine erhebliche Bedeutung.

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Das Wichtigste in Kürze


Die Versetzung eines Piloten von Nürnberg nach Bergamo durch seinen Arbeitgeber ist rechtlich wirksam.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Arbeitsvertragliche Regelungen: Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, die Versetzungen ermöglichte, auch ins Ausland.
  2. Tarifvertragliche Bestimmungen: Die Versetzung stand im Einklang mit dem Tarifsozialplan und § 106 GewO.
  3. Transparenz und Sozialauswahl: Die Versetzungsklausel war klar formuliert und verstoß nicht gegen das Transparenzgebot; eine Sozialauswahl war korrekt durchgeführt worden.
  4. Persönliche Umstände: Die persönlichen Umstände des Klägers wurden berücksichtigt, aber es gab keine freien Stellen in Deutschland.
  5. Versetzung ins Ausland: Für Flugpersonal ist eine Versetzung ins Ausland grundsätzlich zumutbar.
  6. Tarifsozialplan: Die im Tarifsozialplan vorgesehenen Stufen wurden eingehalten.
  7. Tarifautonomie: Die tariflich vereinbarte Versetzungsklausel ist wirksam und von der Tarifautonomie gedeckt.
  8. Rechtliche Wirksamkeit: Die Versetzung nach Bergamo war rechtlich zulässig und die Klage wurde abgewiesen.

Die rechtliche Prüfung einer Auslandsversetzung

Im Zentrum des rechtlichen Disputs stand die Frage der Wirksamkeit einer Auslandsversetzung eines Piloten durch seinen Arbeitgeber. Der Arbeitgeber, eine Fluggesellschaft, hatte aufgrund eines Pilotenüberhangs am Flughafen Nürnberg eine Versetzung des Klägers an einen anderen Standort innerhalb des Unternehmensnetzwerks vorgenommen. Der Kläger, stationiert am Flughafen Nürnberg, sollte nach Bergamo, Italien, versetzt werden. Dies führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, da der Kläger die Versetzung als unzulässig ansah.

Vertragsklauseln und Tarifsozialplan im Fokus

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Auslegung und Anwendung der vertraglichen Regelungen sowie der tarifvertraglichen Bestimmungen. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt eine Klausel, die eine Versetzung an andere Stationierungsorte vorsah, allerdings war strittig, inwieweit diese Klausel eine Versetzung ins Ausland zuließ. Der Kläger argumentierte, die Klausel sei intransparent und benachteilige ihn unangemessen. Zudem wurde die Durchführung des Sozialauswahlverfahrens nach dem Tarifsozialplan, der bei der Änderung von Stationierungsorten anzuwenden sei, von ihm angezweifelt.

Gerichtsentscheidung: Versetzungsvorbehalt gerechtfertigt

Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag und die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen eine Auslandsversetzung zuließen und ob diese im konkreten Fall wirksam war. Dabei musste das Gericht auch prüfen, ob die Sozialauswahl korrekt durchgeführt wurde und ob die Versetzung des Klägers unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände – wie der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern und der Unterstützung seiner Mutter – sozial gerechtfertigt war.

Bedeutung des Urteils für die Luftfahrtbranche und Arbeitnehmer

Das Arbeitsgericht Nürnberg kam zudem Schluss, dass die Versetzung des Klägers wirksam war. Es stellte fest, dass der Arbeitsvertrag des Klägers keine abschließende Festlegung des Tätigkeitsortes in Nürnberg vorsah und dass die Versetzungsklausel im Einklang mit § 106 Gewerbeordnung (GewO) stand. Das Gericht führte weiter aus, dass die Versetzungsklausel hinreichend klar formuliert war und nicht gegen das Transparenzgebot verstieß. Zudem sei eine Versetzung ins Ausland für Flugpersonal aufgrund der Natur ihrer Tätigkeit grundsätzlich zumutbar.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Inwiefern beeinflusst § 106 GewO die Weisungsrechte des Arbeitgebers bezüglich des Orts der Arbeitsleistung?

Gemäß § 106 GewO hat der Arbeitgeber das Recht, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen zu bestimmen, solange diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dieses Recht wird auch als Direktionsrecht oder Weisungsrecht bezeichnet.

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ermöglicht es ihm, den Ort der Arbeitsleistung zu bestimmen. Dies kann beispielsweise das Büro des Unternehmens, das Homeoffice oder ein anderer flexibler Arbeitsort sein. Allerdings ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht uneingeschränkt. Es findet seine Grenze dort, wo Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bereits rechtlich verbindlich festgeschrieben sind. Solche Regelungen können sich aus dem Arbeitsvertrag, aus einer Betriebsvereinbarung, aus Tarifverträgen oder aus gesetzlichen Bestimmungen ergeben.

Wenn der Arbeitsort im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgelegt ist, kann der Arbeitgeber ihn nicht mehr so einfach einseitig ändern. Das Direktionsrecht ist dann eingeschränkt. Beispielsweise hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden, dass keine Folgepflicht des Arbeitnehmers im Falle einer räumlichen Verlegung des Betriebs um 270 Kilometer besteht.

Andererseits, wenn der Arbeitsvertrag gar keinen Einsatzort nennt oder er nicht genau definiert ist, kann der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen und den Arbeitsort nach billigem Ermessen bestimmen.

Es ist auch möglich, mittels einer Versetzungsklausel eine mögliche Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens zu vereinbaren. In diesem Fall wäre der Arbeitnehmer verpflichtet, auf Weisung des Arbeitgebers in anderen Städten zu arbeiten.

Zusammengefasst, § 106 GewO gibt dem Arbeitgeber das Recht, den Ort der Arbeitsleistung zu bestimmen, aber dieses Recht ist durch verschiedene Faktoren begrenzt, einschließlich bestehender Verträge und gesetzlicher Bestimmungen.


Das vorliegende Urteil

ArbG Nürnberg – Az.: 7 Ca 796/20 – Endurteil vom 16.11.2020

Das Versäumnisurteil vom 14.07.2020 wird aufgehoben, die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger mit Ausnahme der durch die Säumnis entstandenen Kosten, diese trägt die Beklagte.

Der Streitwert wird festgesetzt auf € 5.483,91.

Eine gesonderte Zulassung der Berufung erfolgt nicht.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung, hilfsweise um die Wirksamkeit einer vorsorglich erklärten Änderungskündigung und um Weiterbeschäftigung.

Der 1965 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Antragsteller war seit 23.03.2018 bei der Fluggesellschaft R. DAC beschäftigt und arbeitete als First Officer auf dem Muster Boeing 737-800 im Übrigen zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 26.03.2018 (Bl. 86 der Akte). Er kam im Wege eines Betriebsüberganges nach § 613a BGB zum 01.01.2020 zur Beklagten und verdiente hier zuletzt ca. 5.483,00 € brutto im Monat.

Die Beklagte ist eine zur irischen R.-Gruppe gehörende Fluggesellschaft mit Sitz in Malta und Heimatbasis auf dem Flughafen von Malta.

Der in englischer Sprache gehaltene Arbeitsvertrag vom 26.03.2018 sieht zum örtlichen Einsatz des Klägers unter Ziffer 6.1. Location vor:

R.`s aircraft are registered in the Republic of Ireland and as you will perform your duties on these Irish aircraft your employment is based in the territory of the Republic of Ireland. You will be located principally at Nuremburg Airport and at such other place or places as the Company reasonably requires for the proper fulfilment of your duties and responsibilities under this Agreement. It is a condition of your employment that you comply with any such requirement. This would include, for the avoidance of doubt, transfer to any of the Company`s bases without compensation. It must be understood that should you be transferred to another base you will be paid in accordance with the prevailing salary and flight pay system at that base.

Der Kläger übersetzt diese vertraglichen Regelungen wie folgt:

„Die Flugzeuge von R. sind in der Republik Irland registriert, und da Sie Ihre Aufgaben mit diesen irischen Flugzeugen wahrnehmen werden, hat Ihr Arbeitsplatz seinen Sitz im Gebiet der Republik Irland. Sie befinden sich hauptsächlich am Nürnberger Airport und an einem anderen Ort oder anderen Orten, die das Unternehmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung benötigt. Es ist eine Voraussetzung für Ihre Anstellung, dass Sie diese Anforderungen erfüllen. Dies würde zur Vermeidung von Zweifeln eine entschädigungslose Übertragung auf einen der Standorte der Gesellschaft beinhalten. Es muss verstanden werden, dass Sie, wenn Sie auf eine andere Basis transferiert werden, in Übereinstimmung mit dem geltenden Gehaltssystem und der Bezahlung pro Flug dieser Basis bezahlt werden.“

Die Beklagte übersetzt diese vertragliche Regelung wie folgt:

„Die Flugzeuge von R. sind in der Republik Irland registriert, und da Sie Ihre Pflichten in diesen irischen Flugzeugen erfüllen werden, ist Ihr Arbeitsplatz im Hoheitsgebiet der Republik Irland angesiedelt. Sie werden grundsätzlich am Flughafen Nürnberg und an einem anderen Ort oder an anderen Orten eingesetzt, die das Unternehmen in nachvollziehbarer Weise zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung benötigt. Es ist eine Bedingung für Ihre Beschäftigung, dass Sie diese Anforderung erfüllen. Dies umfasst, um Zweifel auszuschließen, auch eine entschädigungslose Versetzung zu jedem anderen Standort des Unternehmens. Sollten Sie an eine andere Basis versetzt werden, so werden Sie gemäß dem dort geltenden Gehalts- und Flugvergütungssystem bezahlt.“

Mit Daten 09.09./05.11./07.11.2019 wurde durch die R. DAC, die Beklagte und die Pilotengewerkschaftvereinigung Cockpit e.V. ein Vergütungstarifvertrag und ein Tarifsozialplan geschlossen (vgl. Anlage K 2, Bl. 17 ff. d.A.).

In § 1 Ziffer 1 des Vergütungstarifvertrags (im Folgenden: VTV) wird die Anwendung deutschen Rechts für alle an deutschen Basen stationierten Piloten vereinbart.

In § 3 Ziffer 2 des Tarifsozialplans (im Folgenden: TVSP) wird der Prozess zur Beseitigung eines Pilotenüberhangs in Deutschland, der sich aus einer dauerhaften Stilllegung oder Einschränkung des Stationierungsortes ergibt, in fünf Stufen geregelt. Auf Stufe 1 soll der Personalüberhang dadurch abgebaut werden, dass die betroffenen Piloten an einen Flughafen, an dem geeignete offene Stellen bestehen und der von der IATA als dieselbe Stadt dienend benannt wird, oder einen Flughafen mit einer Fahrzeit von weniger als 60 Minuten vom derzeitigen zum neuen Stationierungsort versetzt werden. Sofern der Personalüberhang über Stufe 1 nicht vollständig abgebaut werden kann, erfolgt auf Stufe 2 die Möglichkeit einer freiwilligen Änderung des Stationierungsortes auf eine freie Position innerhalb und außerhalb Deutschlands. Sofern gleichwohl ein Personalüberhang verbleibt, ist die Möglichkeit zum Abschluss von Arbeitsverträgen als mobile Piloten basierend auf der Verfügbarkeit anzubieten. Für den Fall, dass nach den Stufen 1 bis 3 ein Personalüberhang verbleibt, kann die Beklagte auf Stufe 4 Piloten des betroffenen Stationierungsortes einen anderen Stationierungsort innerhalb Deutschlands oder einen anderen Stationierungsort in EU-Ländern (einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz) arbeitgeberseitig per Versetzung oder Änderungskündigung zuweisen. Die Auswahl der Piloten erfolgt gemäß § 6 TVSP, das heißt auf der Grundlage von Sozial- und Leistungskriterien nach einem Punktesystem. Sollte nach den Stufen 1 bis 4 ein Personalüberhang verbleiben, können die Arbeitsverhältnisse mit Piloten aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden (Beendigungskündigung).

In einem Meeting in Nürnberg am 03.12.2019 wurden die in Nürnberg stationierten Piloten über die zum 28.03.2020 beabsichtigte Schließung der Station Nürnberg informiert. Die Piloten wurden aufgefordert, bis 31.12.2019 ihre Base-Präferenzen mitzuteilen. Mit zweisprachigem Schreiben vom 20.01.2020, das dem Kläger am 27.01.2020 zuging, wurde dieser mit Wirkung zum 01.05.2020 nach Bergamo in Italien versetzt. Vorsorglich kündigte die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.04.2020 und bot gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab 01.05.2020 in Bergamo fortzusetzen (vgl. Anlage K 9, Bl. 107 ff. d.A.). Mit undatiertem Schreiben widersprach der Kläger der Versetzung gegenüber der Beklagten und nahm die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist (vgl. Anlage K 10, Bl. 116 ff. d.A.). Dieses Schreiben wurde der Beklagten am 14.02.2020 zugestellt (vgl. Anlage K10, Bl, 113 ff. d. A.) Der tatsächliche Beginn der Tätigkeit des Klägers in Italien wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie einvernehmlich auf den 01.07.2020 verschoben.

Mit Klage vom 17.02.2020, am gleichen Tage beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen, macht der Kläger die Unwirksamkeit der Versetzung und Änderungskündigung geltend und begehrt Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen.

Der Kläger ist der Auffassung, auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung und die Versetzung ins Ausland sei unzulässig. Bei der im Arbeitsvertrag vereinbarten Versetzungsklausel in Ziffer 5.1 handele es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Die Klausel sei intransparent und benachteilige den Kläger massiv, wenn es dort heiße, dass bei dem Transfer zu einer anderen Basis die Vergütung auf Basis des geltenden Vergütungssystems erfolgen solle. Die Möglichkeit einer internationalen Versetzung auch außerhalb der Europäischen Union gehe weit über das nach § 106 GewO existierende Weisungsrecht hinaus, zumal der Kläger nach dem Arbeitsvertrag grundsätzlich am Nürnberger Flughafen stationiert sei. Weiterhin habe die Beklagte das für die Änderung von Stationierungsorten vorgesehene Sozialauswahlverfahren nach § 6 TVSP nicht durchgeführt. Der Tarifsozialplan weite das Weisungsrecht der Beklagten nicht aus. Deswegen sei in § 3 Ziffer 2 Stufe 4 auch die Formulierung aufgenommen worden „per Versetzung oder Änderungskündigung“. Der Klägervertreter habe in den Tarifvertragsverhandlungen darauf hingewiesen, dass eine Änderungskündigung die Zuweisung eines Einsatzortes im Ausland wahrscheinlich auch nicht ermögliche. Der Tarifsozialplan habe das Direktionsrecht der Beklagten keinesfalls erweitern sollen, da die Parteien sich hierauf nicht haben einigen können.

Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel verstoße auch gegen § 308 Nr. 4 BGB, da die Vergütung als Hauptleistungspflicht einseitig durch den Arbeitgeber geändert werden würde.

Die Versetzung entspräche nicht billigem Ermessen, die Beklagte habe durch sie Tarifflucht begangen. Der Kläger bestreitet, dass es zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung keine freien Stellen in Deutschland für betroffene Piloten in Nürnberg gegeben hätte. Die Beklagte hätte beispielsweise Ende 2019 und Anfang 2020 Piloten aus England auf freie Stellen in Frankfurt, Piloten aus Hamburg auf freie Stellen in Berlin, Köln und Frankfurt versetzt. Darüber hinaus hätte es die Möglichkeit eines langfristigen Job-Shares mit dem Kollegen in Memmingen gegeben. Dieser habe zwischenzeitlich für die Wintersaison einen Teilzeitvertrag abgeschlossen. Für die Zeit vom Dezember 2020 bis Ende November 2023 habe er Teilzeit beantragt.

Die Versetzung bedeute für den Kläger auch eine besondere Härte, da er seinen gesamten Lebensschwerpunkt in ein anderes Land verlegen müsse. Hierbei müsse er auch mit Einkommenseinbußen rechnen. Darüber hinaus sei er einer 15-jährigen Tochter und einem 6-jährigen Sohn unterhaltsverpflichtet und unterstütze seine Mutter (Jahrgang 1943) mit einem monatlichen Mietzuschuss.

Die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung sei ebenfalls unwirksam. Sie sei schon zu unbestimmt, da im Kündigungsschreiben lediglich der Arbeitsort geändert würde, tatsächlich aber eine vollständige Änderung der Arbeitsbedingungen erfolge. Die Änderungskündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Durchführung einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl werde bestritten. Weiterhin verstoße die Änderungskündigung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sie dem Kläger den Kündigungsschutz durch die Versetzung nehme.

Die Beklagte habe sich auch nicht an das Verfahren gehalten, das der Tarifsozialplan vorgebe. Sie habe weder dargelegt, dass sie das Verfahren nach Stufe 1 des Tarifsozialplans durchgeführt habe, noch habe sie das getan. Sie habe die Möglichkeit einer freiwilligen Änderung des Stationierungsortes nicht eröffnet.

In der Güteverhandlung vom 14.07.2020 erging gegen die säumige Beklagte, Teilversäumnisurteil wie folgt:

„1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger auf Grund der Versetzung vom 20.01.2020 eine Tätigkeit in Bergamo zuzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 5.483,91.“

Hiergegen haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz 20.07.2020, eingegangen beim Arbeitsgericht Nürnberg am selben Tag, Einspruch eingelegt. Dieser Einspruch ist jedenfalls innerhalb der einwöchigen Einspruchsfrist des § 59 Satz 1 ArbGG rechtzeitig eingelegt, etwaige Zustellmängel des Versäumnisurteils vom 14.07.2020 gelten als geheilt, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 189 ZPO.

Der Kläger beantragt daher zuletzt:

1. Das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

2. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) beantragen wir, festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 20.01.2020, zugegangen am 27.01.2020, sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind.

3. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2):

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen als First Officer an einer Station der Beklagten in Deutschland weiterzubeschäftigen.

4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.04.2020 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Versetzung des Klägers, jedenfalls aber die ihm gegenüber hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung seien wirksam. Am 25.11.2019 habe die Geschäftsleitung der R. DAC die Entscheidung getroffen, künftig keine Flugzeuge mehr am Flughafen Nürnberg dauerhaft zu stationieren und die von ihr am Flughafen N. betriebene Base mit Wirkung zum 29.03.2020 vollständig und dauerhaft zu schließen. Diese Entscheidung sei auch nach der Übernahme des Flugbetriebs in Deutschland und der Arbeitsverhältnisse durch die Beklagte entsprechend weiterverfolgt und umgesetzt worden. Deshalb sei der Beschäftigungsbedarf für Piloten dort entfallen.

Die Versetzung des Klägers bewege sich in den durch den Arbeitsvertrag und den Tarifsozialplan vorgegebenen Grenzen. Die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag unterfalle nicht der AGB-Kontrolle, da zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages noch kein deutsches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden habe. Die Versetzungsklausel entspreche auch inhaltlich der Regelung des § 106 Satz 1 GewO und stelle deshalb keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Die Klausel sei auch hinreichend klar und verstoße weder gegen das Transparenzgebot noch gegen die Unklarheitenregelung. Eine arbeitsvertragliche Versetzungsklausel, nach der ein Arbeitnehmer auch ins Ausland versetzt werden könne, sei darüber hinaus zulässig. Der Tätigkeit von Flugpersonal sei eine gewisse Volatilität/ Flexibilität nach Auffassung des BAG immanent. Die Frage welche Folge mit dem neuen Arbeitsort hinsichtlich der Vergütung des Klägers verbunden sei, stelle sich erst in einem zweiten Schritt und berühre nicht die Wirksamkeit der Versetzung. Zudem sei die Klausel der Änderung der Vergütung jedenfalls im Rahmen des Blue-Pencil-Tests streichbar. Die Versetzungsentscheidung habe auch billigem Ermessen entsprochen.

Die Versetzung entspreche auch den Regelungen des abgeschlossenen Sozialplans. Der Tarifsozialplan bestätige lediglich das arbeitsvertraglich Erlaubte hinsichtlich der Versetzung. Insbesondere werde ausdrücklich auch eine Versetzung ins Ausland geregelt.

Auch die Sozialdaten des Klägers hätten zu keinem anderen Ergebnis führen können, da keine freien Stellen in Deutschland existierten. Die im Tarifsozialplan vorgesehenen Stufen anlässlich der Schließung des Stationsortes Nürnberg seien eingehalten worden. Nach Stufe 1 des Verfahrens sei den Piloten eines betroffenen Stationierungsortes eine freie Stelle an einem Stationierungsort anzubieten, der als dieselbe Stadt bedienend gelte oder weniger als 60 Minuten Fahrzeit vom bisherigen Stationierungsort entfernt liege. Einen solchen Stationierungsort gebe es beim Flughafen Nürnberg nicht. Da der Kläger keine Präferenzen innerhalb der gesetzten Frist angegeben habe, sei auch Stufe 2 des Tarifsozialplans nicht durchführbar gewesen, zumal es innerhalb Deutschland keine freien Stellen gegeben habe. Der auf dritter Stufe vorgesehene Abschluss eines Arbeitsvertrages als mobiler Pilot sei für den Kläger ebenfalls nicht in Betracht gekommen, da es zum damaligen Zeitpunkt nur eine freie Stelle als mobiler Pilot gegeben habe und diese Position gemäß den Regelungen des Tarifsozialplans dem Piloten zugewiesen worden sei, der die längste Betriebszugehörigkeit aufgewiesen habe.

Von den in Nürnberg stationierten 24 Piloten seien zwei im November, Dezember 2019 durch Eigenkündigung ausgeschieden. Den 21 übrigen Piloten (22 abzüglich des mobilen Piloten) sei mangels freien Arbeitsplatzes an den präferierten Stationsorten in Deutschland im Rahmen der Stufe 4 des Sozialplantarifvertrages ein neuer Arbeitsort in Italien zugewiesen worden. Das Auswahlverfahren in der Stufe 4 des Tarifsozialplans sei nach § 6 des TVSP durchzuführen. Eine Sozialauswahl nach § 7 TVSP sei nur für die Stufe 5, das heißt bei Beendigungskündigungen, vorgesehen. Eine weitergehende Auswahl der Piloten in Nürnberg sei hier nicht durchzuführen gewesen, da alle Piloten in Nürnberg eine Versetzung/Änderungskündigung erhalten hätten.

Die tariflich vereinbarte Versetzungsklausel sei auch wirksam und von der sich aus Art. 9 Abs. 3 GG gegebenen Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien gedeckt.

Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung/Änderungskündigung hätten keine freien Stellen in Deutschland vergeben werden können. Bereits vor der unternehmerischen Entscheidung vom 25.11.2019, den Stationierungsort Nürnberg zu schließen, sei entschieden worden, zwei Positionen für Copiloten an den Stationierungsorten Köln und Baden-Baden an zwei Piloten aus Hamburg zu vergeben, da der Hamburger Stationierungsort zum 08.01.2020 geschlossen wurde. Bei Versetzungen von Hamburg nach Berlin habe es sich nicht um freie Positionen in Berlin gehandelt, sondern anlässlich der Schließung des Hamburger Stationierungsortes hätten Kapitäne in Berlin angeboten, ihre Vollzeitstelle zu reduzieren und sich den Arbeitsplatz im Rahmen eines Jobsharings mit einem Hamburger Kapitän zu teilen. Dies sei bereits vor der Versetzung der Nürnberger Kollegen geschehen. Die letzte Versetzung nach Frankfurt am Main sei zum 01.10.2019 und nach Frankfurt-Hahn mit Wirkung zum 01.12.2019 erfolgt. Die Versetzungsentscheidung habe auch billigem Ermessen entsprochen. Der Vorwurf der Tarifflucht sei abwegig. Der Tarifsozialplan sehe ausdrücklich vor, dass im Falle der Verlegung des Arbeitsortes ins Ausland die am neuen Stationierungsort geltenden Arbeitsbedingungen Anwendung fänden (§ 3 Abs. 4 TVSP). Zum anderen sei der Geltungsbereich dieser Tarifverträge ausdrücklich auf in Deutschland stationierte Piloten begrenzt.

Sofern die Versetzung nicht vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht umfasst gewesen sein sollte, so wäre jedenfalls die hilfsweise Änderungskündigung wirksam.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 Abs. 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

I. Die internationale Zuständigkeit ist nach Art. 21 Abs. 1 b) i) EUGVVO gegeben, da der Kläger seine Arbeit zuletzt gewöhnlich von der Base in Nürnberg aus verrichtet hat.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a), b) ArbGG eröffnet.

Die Klage ist teilweise zulässig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 4a Abs. 1 a ArbGG.

Bei dem Antrag zu Ziffer 4 handelt es sich um einen allgemeinen Feststellungsantrag, für den nach § 256 ZPO ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich ist. Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung wurden keine über die punktuell angegriffenen Kündigungen hinausgehenden Beendigungstatbestände dargelegt, so dass der Antrag mangels Feststellungsinteresse unzulässig ist und daher abzuweisen war.

II. Die Klage ist im Übrigen nicht begründet. Die Versetzung des Klägers vom 20.01.2020 nach Bergamo zum 01.05.2020 ist wirksam. Über die Hilfsanträge des Klägers für den Fall des Obsiegens war deshalb nicht mehr zu entscheiden. Die Kammer schließt sich den Ausführungen der Kammer 1 (1 Ca 836/20) an.

1. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, dem Kläger nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen, auch wenn er in einem anderen EU-Land, wie hier in Italien, liegt.

a) Im Arbeitsvertrag des Klägers wurde kein Tätigkeitsort in Nürnberg vertraglich abschließend festgelegt. In Ziffer 5.1 des Arbeitsvertrages ist entsprechend der Übersetzung des Klägers geregelt, dass der Arbeitsplatz des Klägers „sich hauptsächlich am Nürnberger Airport und an einem anderen Ort oder anderen Orten, die das Unternehmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung benötigt“, befindet. Die Übersetzung ins Deutsche durch die Beklagte weicht von dieser Formulierung nicht wesentlich ab.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes verhindert die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG vom 28.08.2013 – 10 AZR 569/12). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll. Im vorliegenden Fall ist der Arbeitsort des Klägers nicht auf den Flughafen Nürnberg beschränkt. Dies ergibt sich aus der Formulierung „hauptsächlich“, bzw. „grundsätzlich“ nach der Übersetzung der Beklagten, „und an einem anderen Ort oder anderen Orten“.

b) Der arbeitsvertragliche Versetzungsvorbehalt unter Ziffer 5.1 Satz 2, das heißt die Versetzungsbefugnis zu jedem anderen Standort des Unternehmens, ist nach § 4 Abs. 3 TVG zumindest für den Fall der Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten unwirksam, da er gegen § 3 Ziffer 2 Stufe 4 Satz 1 des Tarifsozialplans verstößt. Danach kann eine arbeitgeberseitige Änderung des Stationierungsortes bei Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten nur innerhalb Deutschlands oder an einen Stationierungsort in EU-Ländern (einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz) arbeitgeberseitig erfolgen. Diese Beschränkung auf EU-Länder und weitere genannte Länder ist im Arbeitsvertrag nicht vorgesehen. Nach § 4 Abs. 3 TVG sind abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Die arbeitsvertragliche Regelung, die eine Versetzungsmöglichkeit prinzipiell weltweit zulassen würde, ist insoweit ungünstiger für den Arbeitnehmer. Die tarifliche Regelung findet auch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar Anwendung, da beide Parteien nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden sind.

Wegen der Unwirksamkeit des arbeitsvertraglichen Versetzungsvorbehalts nach dem Tarifvertragsgesetz kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob der Versetzungsvorbehalt als allgemeine Geschäftsbedingung einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, insbesondere wegen der weltweiten Versetzungsmöglichkeit, standhalten würde.

c) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO (BAG vom 28.08.2013 – 10 AZR 569/12).

Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Umstritten ist, ob die Regelungen des § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich eine Versetzung ins Ausland zulässt. So wird vertreten, dass die Befugnis hierzu schon direkt aus § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich folge (ErfK/Preis, 20. Auflage, § 106 GewO, RdNr. 18). Nach anderer Ansicht ist eine Versetzung in einen ausländischen Betrieb allein auf Grundlage von § 106 Satz 1 GewO, das heißt ohne dass dies ausdrücklich als möglich vereinbart worden wäre, in der Regel ausgeschlossen (vgl. BAG vom 20.04.1989 – 2 AZR 431/88; KR/Kreft, 12. Auflage, § 2 KSchG, RdNr. 66). Letzterer Meinung hat sich auch das LAG Nürnberg im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens des Klägers angeschlossen (LAG Nürnberg vom 08.07.2020- 7 Ta 63/20). Jedoch wurde dort von einer Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers aufgrund der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel ausgegangen.

Ob bei fehlenden weiteren einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Regelungen im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO eine Versetzung ins Ausland grundsätzlich in jedem Fall möglich ist, kann dahinstehen. Jedenfalls im vorliegenden Fall ist ein solches Versetzungsrecht aufgrund § 106 Satz 1 GewO i.V.m. der Regelung in § 3 Ziffer 2 Stufe 4 des TVSP in die dort genannten Länder gegeben. Die Parteien sind darüber einig, dass diese tarifvertragliche Regelung keine Erweiterung des Direktionsrechts bedingen soll. Nach Auffassung der Beklagten liegt aber eine Bestätigung der arbeitsvertraglich erlaubten Versetzung vor. Auch wenn man der Auffassung des Klägers folgt, legt der Tarifsozialplan in der genannten Regelung den Rahmen fest, in dem Versetzungen oder Änderungskündigungen ins Ausland erfolgen können. Zumindest für den Fall der Stilllegung und Einschränkung von Stationierungsorten gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass eine Tätigkeit in den genannten ausländischen Staaten zumutbar ist, soweit keine Regelungen in den Stufen 1 bis 3 des § 3 Ziffer 2 TVSP gefunden werden kann. Es handelt sich vorliegend um ein Arbeitsverhältnis, in dem es zum Berufsbild und zum Tätigkeitsprofil des Arbeitnehmers gehört, auch im Ausland tätig zu sein, also zur „Leistung der versprochenen Dienste“ nach § 611a Abs. 1 BGB. Der beklagte Arbeitgeber ist eine ausländische Firma ohne Niederlassung bzw. einen Betrieb in Deutschland. Dies war bereits bei der früheren Arbeitgeberin der Fall gewesen. Im Arbeitsvertrag ist deshalb auch nicht die Anwendung deutschen, sondern irischen Rechts vorgesehen. § 106 GewO beschränkt das Weisungsrecht hinsichtlich der örtlichen Einsatzmöglichkeiten auch nach dem Wortlaut nicht ausdrücklich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Somit ist im vorliegenden Fall von einer Einsatzmöglichkeit auch im Ausland im Rahmen der tarifvertraglichen Bestimmungen auszugehen.

2. Die Versetzung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil in § 1 Ziffer 1 des Vergütungstarifvertrages geregelt ist, dass deutsches Recht auf alle angestellten Piloten Anwendung findet, die an deutschen Stationierungsorten stationiert sind (= Homebase). In der Versetzung vom 20.01.2020 wurde unstreitig lediglich eine Veränderung des Arbeitsortes des Klägers vorgenommen, das heißt die Homebase des Klägers wurde nach Italien verlagert. Die übrigen arbeitsvertraglichen Regelungen sollten erhalten bleiben, insbesondere auch alle Regelungen, die die Vergütung betreffen. Der Kläger hat nicht im Einzelnen vorgetragen, dass er durch die Versetzung Einkommensverluste hinzunehmen hatte oder dass die Versetzung zu Einkommensverlusten führen wird. Eine etwaige Schlechterstellung des Klägers hinsichtlich seiner Vergütungsbedingungen in der Zukunft, die sich aus seinem Arbeitsortwechsel ergeben könnte, wurde nicht vom Kläger dargelegt und kann deshalb vom Gericht nicht unterstellt werden. Die bloße Befürchtung des Klägers ist insofern nicht ausreichend.

3. Die Versetzung hält auch der Ausübungskontrolle nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB stand.

a) Die Versetzung entspricht der in § 3 TVSP geregelten Vorgehensweise bei Stilllegungen und Einschränkungen von Stationierungsorten für Piloten. Der Pilotenüberhang konnte nicht in Stufe 1 des TVSP geregelt werden. Die Beklagte hat dargelegt, dass eine Änderung des Stationierungsortes zu von der IATA als dieselbe Stadt bedienend benannte Flughäfen oder Änderung des Stationierungsortes mit einer Fahrzeit von weniger als 60 Minuten nicht möglich war. Dies wurde vom Kläger nicht im Einzelnen bestritten und gilt deshalb als zugestanden nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 138 Abs. 3 ZPO. Die Beklagte hat dargelegt, dass der Kläger auch keine Angabe zur Wahl eines anderen Standortes innerhalb der gesetzten Frist bis 31.12.2019 getroffen habe. Auch dies wurde vom Kläger nicht im Einzelnen bestritten und gilt deshalb als zugestanden. Er hat nicht im Einzelnen dargelegt, wann er welchen Wunsch für welche freie Position gegenüber der Beklagten dargelegt hat. Weiterhin hat die Beklagte ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Versetzung auch keine Möglichkeit zum Abschluss von Arbeitsverträgen als mobile Piloten gemäß Stufe 3 des TVSP bestanden habe. Dies wurde vom Kläger nicht im Einzelnen bestritten. Insbesondere hat der Kläger nicht bestritten, dass der einzige Arbeitsplatz für einen mobilen Piloten an einen Kollegen in Nürnberg vergeben wurde, der sozial schutzwürdiger war.

Zur arbeitgeberseitigen Änderung des Stationierungsortes nach Stufe 4 des TVSP erklärt der Kläger, freie Arbeitsplätze in Deutschland seien vorhanden gewesen und die Sozialauswahl auf Stufe 5 sei nicht vorgenommen worden. Zum Sachvortrag des Klägers Ende 2019/Anfang 2020 seien Piloten aus England nach Frankfurt und aus Hamburg nach Berlin, Köln sowie Frankfurt versetzt worden, hat die Beklagte im Einzelnen Stellung genommen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 25.11.2019, den Stationierungsort in Nürnberg zu schließen, seien keine freien Arbeitsplätze mehr vorhanden gewesen. Zwei Positionen für Copiloten an den Stationierungsorten Köln und Baden-Baden, die im November 2019 frei geworden seien, seien an zwei Piloten aus Hamburg vergeben worden. Bei den Versetzungen von Hamburg nach Berlin handele es sich nicht um freie Positionen in Berlin, sondern anlässlich der Schließung des Hamburger Stationierungsortes hätten Kapitäne in Berlin angeboten, ihre Vollzeitstelle zu reduzieren und sich den Arbeitsplatz im Rahmen eines Jobsharings mit einem der Hamburger Kapitäne zu teilen. Dies sei bereits vor der Versetzung der Nürnberger Piloten geschehen. Die Versetzung nach Frankfurt am Main sei zum 01.10.2019 und die letzte Versetzung nach Frankfurt-Hahn sei mit Wirkung zum 01.12.2019 erfolgt, wobei diese Versetzungen bereits im Oktober 2019 ausgesprochen worden seien. Diesen Sachvortrag hat der Kläger nicht im Einzelnen bestritten. Die Möglichkeit eines Job-Sharings mit einem Memminger Kollegen stellt auch keinen freien Arbeitsplatz dar. Der Kläger hat hierzu nicht ausreichend vorgetragen, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung ein Teilzeitarbeitsplatz in Memmingen tatsächlich frei war. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung hatte der Kläger noch nicht wegen des Job-Sharings bei der Beklagten angefragt. Weiter hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass zum Zeitpunkt der beiden Anfragen aufgrund der COVID-19-Pandemie der Personalüberhang auch in Memmingen so groß war, dass keine freien Stellen mehr verfügbar gewesen wären.

Nach der Regelung in Stufe 4 des TVSP ist die Auswahl der Piloten, denen arbeitgeberseitig ein anderer Stationierungsort zugewiesen wird, gemäß § 6 vorzunehmen. Die Beklagte hat vorgetragen, dass hier keine freien Stellen in Deutschland mehr vorhanden gewesen wären. Eine Verletzung des § 6 TVSP ist deshalb nicht erkennbar. Eine Sozialauswahl ist in Stufe 5 nach § 7 TVSP für den Fall von Beendigungskündigungen vorgesehen und nicht für Versetzungen. Abgesehen davon hat der Kläger auch nicht dargelegt, ob und welche Kollegen von ihm nicht oder weniger einschneidend versetzt worden wären.

b) Die Versetzung entspricht billigem Ermessen gemäß §§ 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB. Die Ermessensentscheidungen des Arbeitgebers waren hier weitgehend durch den Tarifsozialplan vorgegeben, der Spielraum für eine darüberhinausgehende Ermessensentscheidung gering. Welche Erwägungen die Beklagte für die unternehmerische Entscheidung der Stilllegung von Standorten hatte, kann dahinstehen. Die Organisationsentscheidung der Beklagten kann nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Deshalb kann es auch dahinstehen, welche Motive ausschlaggebend waren. Der Kläger hat nicht behauptet, dass außerhalb Deutschlands Standorte zur Verfügung gestanden hätten, die für ihn weniger belastend gewesen wären. Insoweit ist deshalb davon auszugehen, dass die Auswahl von Bergamo in Italien nicht ermessensfehlerhaft war.

Folglich war die Klage abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91, 344 ZPO. Der allgemeinen Fortbestehensantrag konnte unberücksichtigt bleiben, da der Antrag sich nicht streitwerterhöhend ausgewirkt hat (§ 46 Abs. 2 ArbGG, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

Der Streitwert ist gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO in Höhe eines Bruttomonatseinkommens festgesetzt worden.

Es bestand kein Anlass, die Berufung gesondert zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen. Im Übrigen wird auf die Rechtsmittelbelehrungverwiesen.

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