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Treuwidriges Berufen auf verspäteten Probezeitkündigungszugang

Arbeitnehmer muss Kündigung akzeptieren trotz verspäteter Zustellung

Im Fall Az.: 7a Sa 109/15 entschied das Thüringer Landesarbeitsgericht, dass eine Kündigung wegen fehlender Mitteilung eines Adresswechsels durch den Arbeitnehmer treuwidrig verzögert zuging und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht wie ursprünglich vom Arbeitnehmer angefochten zum 31. Oktober, sondern bereits zum 26. September 2013 endete.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7a Sa 109/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Thüringer Landesarbeitsgericht entschied, dass ein Arbeitnehmer, der seinen Adresswechsel nicht mitteilt, sich nicht auf den verspäteten Zugang einer Kündigung berufen kann.
  • Die Kündigung wurde fristgerecht innerhalb der Probezeit zugestellt, nachdem der Arbeitgeber die neue Adresse des Arbeitnehmers erfuhr und erneut versandte.
  • Ein Arbeitnehmer muss sicherstellen, dass er für rechtserhebliche Erklärungen erreichbar ist, insbesondere während einer Probezeit.
  • Das Gericht sah es als treuwidriges Verhalten des Arbeitnehmers an, die Kündigung wegen fehlender Adressmitteilung verspätet zu erhalten.
  • Die Kündigungsfrist von zwei Wochen wurde eingehalten, und das Arbeitsverhältnis endete somit rechtswirksam zum 26. September 2013.
  • Der Arbeitnehmer trug den Großteil der Kosten des Berufungsverfahrens.
  • Die Revision des Urteils wurde zugelassen, was zeigt, dass die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist.
  • Dieses Urteil betont die Bedeutung der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der Pflichten, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben.

Arbeitnehmerpflichten bei Adresswechsel

Arbeitnehmer sind verpflichtet, ihren Arbeitgeber über einen Adresswechsel unverzüglich zu informieren. Dies folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben im Arbeitsverhältnis. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Insbesondere während der Probezeit eines Arbeitsverhältnisses sind beide Vertragsparteien gehalten, ihr Verhalten danach auszurichten, dass das Arbeitsverhältnis möglicherweise zeitnah beendet wird. Kündigungen innerhalb der Probezeit sind erleichtert und müssen daher unmittelbar den Adressaten erreichen können.

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➜ Der Fall im Detail


Streit um verspätete Kündigung während der Probezeit

In einem aufsehenerregenden Fall hat das Thüringer Landesarbeitsgericht entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der seinen Umzug dem Arbeitgeber nicht mitteilt und somit die Zustellung einer Kündigung verzögert, sich nicht auf diesen verspäteten Zugang berufen kann.

Verspätete Kündigung wegen Umzug
Verspätete Kündigung in der Probezeit: Muss der Arbeitnehmer seinen Umzug melden? (Symbolfoto: Anze Furlan /Shutterstock.com)

Der Streit entzündete sich, als ein Monteur, eingestellt für die Zeit vom 05. August bis 30. November 2013, nach seiner Probezeit gekündigt wurde. Die Kündigung, fristgemäß innerhalb der Probezeit ausgesprochen, erreichte ihn verspätet, da er zwischenzeitlich umgezogen war, ohne den Arbeitgeber darüber zu informieren.

Der Kern des Streits

Der Kläger behauptete, die Kündigung sei ihm erst am 20. September 2013 zugegangen, wodurch sich das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Oktober 2013 verlängert hätte. Der Arbeitgeber argumentierte hingegen, dass der Kläger durch die Nichtmitteilung seines Umzugs den Zugang der Kündigung treuwidrig verzögert habe. Das Arbeitsgericht Nordhausen gab zunächst dem Kläger Recht und sah das Arbeitsverhältnis bis zum Ende Oktober als fortbestehend an. Dieses Urteil wurde jedoch vom Thüringer Landesarbeitsgericht revidiert.

Entscheidung des Thüringer Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht erst mit Ablauf des 31. Oktober, sondern bereits zum 26. September 2013 beendet wurde. Es begründete seine Entscheidung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie der Obliegenheit des Arbeitnehmers, für den Empfang rechtserheblicher Erklärungen Sorge zu tragen. Insbesondere während der Probezeit müsse mit Kündigungen gerechnet werden. Da der Kläger die neue Adresse nicht mitteilte und keinen Nachsendeauftrag einrichtete, habe er die verspätete Zustellung zu verantworten.

Juristische Begründung und Konsequenzen

Die Richter erläuterten, dass ein Arbeitnehmer, der mit rechtserheblichen Erklärungen rechnen muss, geeignete Vorkehrungen treffen sollte, um diese Erklärungen auch zu erhalten. Verletzt er diese Pflicht, kann er sich nicht auf den verspäteten Zugang der Erklärung berufen. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber alles Erforderliche und Zumutbare unternommen hat, um die Kündigung zuzustellen. Die Konsequenz dieser Rechtsauffassung ist, dass der Kläger sich so behandeln lassen muss, als sei ihm die Kündigung fristgerecht zugegangen.

Kosten des Verfahrens und Zulassung der Revision

Der Kläger wurde zu 92,11% und die Beklagte zu 7,89% mit den Kosten des Berufungsverfahrens belastet. Das Gericht ließ die Revision zu, was die Bedeutung der Sache unterstreicht und die Möglichkeit eröffnet, dass der Bundesgerichtshof sich mit den Grundsätzen der Treu und Glauben im Kontext der Kündigungszustellung auseinandersetzen wird.

Dieses Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die gegenseitigen Pflichten, die aus dem Arbeitsverhältnis entstehen, insbesondere während der sensiblen Phase der Probezeit.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Pflichten hat ein Arbeitnehmer bezüglich der Mitteilung seiner aktuellen Wohnanschrift an den Arbeitgeber?

Ein Arbeitnehmer hat grundsätzlich die Pflicht, seinem Arbeitgeber die aktuelle Wohnanschrift mitzuteilen. Diese Pflicht ergibt sich aus den Nebenpflichten des Arbeitsvertrages, die eine Auskunfts- und Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers beinhalten. Das Bundesarbeitsgericht bejaht eine allgemeine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses, die allerdings voraussetzt, dass der Arbeitgeber ein schutzwürdiges Interesse an der Information hat und dass durch die Auskunftserteilung für den Arbeitnehmer keine übermäßige Belastung eintritt.

Die Mitteilung der aktuellen Adresse ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Arbeitgeber wichtige Schriftstücke wie Kündigungen oder Mahnbescheide zustellen muss, da diese nicht an Postfachadressen zugestellt werden können. Eine Verletzung dieser Pflicht kann dazu führen, dass eine Kündigung nicht wirksam zugestellt werden kann und somit unwirksam ist.

Allerdings gibt es auch Urteile, die die Pflicht zur Mitteilung einer Adressänderung nicht so streng sehen. So hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main entschieden, dass eine Angestellte keine Pflicht trifft, einen Adresswechsel beim Arbeitgeber anzuzeigen, und dass eine Kündigung, die aufgrund der nicht mitgeteilten Adressänderung nicht fristgerecht zugestellt werden konnte, unwirksam ist.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Rechtsprechung in diesem Bereich nicht einheitlich ist. So hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Frage behandelt, ob ein Arbeitnehmer in einem laufenden Kündigungsschutzverfahren verpflichtet ist, dem Arbeitgeber seine neue Anschrift mitzuteilen. In diesem Fall ging es um die Zustellung einer außerordentlichen Kündigung, die nicht erfolgen konnte, weil der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine neue Adresse nicht mitgeteilt hatte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es im Interesse des Arbeitnehmers liegt, den Arbeitgeber über eine Adressänderung zu informieren, um sicherzustellen, dass wichtige Dokumente wie Kündigungen ordnungsgemäß zugestellt werden können. Dennoch kann die Rechtslage je nach Einzelfall und Gerichtsentscheidung variieren.

Was bedeutet „treuwidriges Verhalten“ im Kontext einer Kündigung?

„Treuwidriges Verhalten“ im Kontext einer Kündigung bezieht sich auf Handlungen oder Unterlassungen, die gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Dieser Grundsatz ist ein fundamentales Prinzip des deutschen Zivilrechts, das fordert, dass die Vertragsparteien ihre Rechte und Pflichten im Einklang mit den Geboten von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte ausüben. Im Arbeitsrecht bedeutet dies, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ihre Handlungen und Entscheidungen so gestalten müssen, dass sie nicht gegen dieses Prinzip verstoßen.

Ein treuwidriges Verhalten seitens des Arbeitgebers könnte beispielsweise vorliegen, wenn eine Kündigung auf willkürlichen oder sachfremden Motiven beruht, wie Rache oder Diskriminierung. Ebenso kann das Verhalten eines Arbeitnehmers als treuwidrig angesehen werden, wenn er beispielsweise bewusst falsche Informationen liefert oder wichtige Informationen, wie eine Adressänderung, die für die Zustellung von Kündigungsschreiben relevant ist, vorenthält.

Das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) ist eine spezifische Ausprägung des Treuwidrigkeitsverbots. Es verbietet einem Vertragspartner, sich in einer Weise zu verhalten, die im Widerspruch zu seinem früheren Verhalten steht und auf das der andere Teil vertraut hat. Im Kontext der Kündigung könnte dies bedeuten, dass ein Arbeitnehmer nicht nachträglich Einwände gegen eine Kündigung erheben kann, wenn er zuvor in einer Weise gehandelt hat, die den Arbeitgeber vernünftigerweise davon ausgehen ließ, dass die Kündigung akzeptiert wird.

Zusammenfassend ist treuwidriges Verhalten im Kontext einer Kündigung ein Verhalten, das gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, indem es entweder grundlos, willkürlich, diskriminierend oder in anderer Weise unfair ist. Dies kann sowohl auf Handlungen des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers zutreffen und hat erhebliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Kündigungen.

Wie wirkt sich ein nicht mitgeteilter Umzug auf die Wirksamkeit einer Kündigung aus?

Ein nicht mitgeteilter Umzug des Arbeitnehmers kann erhebliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Kündigung haben. Grundsätzlich gilt, dass eine Kündigung erst dann wirksam wird, wenn sie dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Der Zugang ist ein rechtlicher Akt, der dann als vollzogen gilt, wenn die Kündigungserklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht.

Wenn der Arbeitnehmer seine neue Adresse nicht mitteilt und deshalb ein Kündigungsschreiben nicht zugeht, weil es an die alte Adresse gesendet wurde, kann dies dazu führen, dass die Kündigung unwirksam ist, da sie den Arbeitnehmer nicht erreicht hat. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber in der Verantwortung steht, sicherzustellen, dass die Kündigung dem Arbeitnehmer tatsächlich zugeht. Kann der Arbeitgeber nachweisen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um die Kündigung zuzustellen, und der Arbeitnehmer den Zugang vereitelt hat, indem er beispielsweise einen Umzug nicht mitgeteilt hat, kann dies unter Umständen anders bewertet werden.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Rechtsprechung in solchen Fällen differenziert und Einzelfallentscheidungen vorliegen. In manchen Fällen kann argumentiert werden, dass der Arbeitnehmer durch das Nichtmitteilen der neuen Adresse treuwidrig handelt, insbesondere wenn erwartet werden kann, dass wichtige Dokumente wie eine Kündigung zugestellt werden sollen. In solchen Fällen könnte der Arbeitnehmer sich nicht auf den fehlenden Zugang der Kündigung berufen, wenn er bewusst die Zustellung vereitelt hat.

Zusammenfassend hängt die Wirksamkeit einer Kündigung bei einem nicht mitgeteilten Umzug des Arbeitnehmers von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Umstände des Einzelfalls und der Frage, ob der Arbeitnehmer den Zugang der Kündigung bewusst vereitelt hat. Es ist daher ratsam, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in solchen Situationen rechtlichen Rat einholen.

Inwiefern spielt der Grundsatz von Treu und Glauben bei der Zustellung von Kündigungen eine Rolle?

Der Grundsatz von Treu und Glauben, verankert in § 242 BGB, spielt bei der Zustellung von Kündigungen eine wesentliche Rolle, da er das Verhalten der Vertragsparteien im Arbeitsrecht maßgeblich beeinflusst. Dieser Grundsatz fordert von den Vertragsparteien, ihre Pflichten und Rechte so auszuüben, dass sie die Interessen der Gegenseite nicht unbillig verletzen und sich an die Verkehrssitte halten.

Im Kontext der Kündigungszustellung bedeutet dies, dass der Arbeitgeber sicherstellen muss, dass die Kündigung so zugestellt wird, dass sie den Arbeitnehmer auch tatsächlich erreicht. Das Risiko für Verzögerungen bei der Postzustellung trägt grundsätzlich der Kündigende. Eine Kündigung, die aus Rache oder anderen sittenwidrigen Motiven ausgesprochen wird, verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und ist unwirksam.

Für den Arbeitnehmer ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben die Pflicht, seine Interessen so wahrzunehmen, dass er die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nicht schädigt. Dies beinhaltet unter anderem, dass der Arbeitnehmer bei einem Umzug dem Arbeitgeber die neue Adresse mitteilen sollte, um die Zustellung wichtiger Dokumente wie einer Kündigung zu ermöglichen. Unterlässt der Arbeitnehmer dies, könnte dies als treuwidriges Verhalten gewertet werden, insbesondere wenn er dadurch die Zustellung einer Kündigung vereitelt.

Zusammenfassend ist der Grundsatz von Treu und Glauben im Arbeitsrecht und bei der Zustellung von Kündigungen von zentraler Bedeutung, da er die Ausübung der Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien regelt und ein faires sowie vertrauensvolles Miteinander sicherstellen soll.

Welche Maßnahmen sollten Arbeitnehmer ergreifen, um sicherzustellen, dass sie rechtserhebliche Erklärungen erhalten?

Um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer rechtserhebliche Erklärungen, wie beispielsweise Kündigungen, erhalten, sollten sie verschiedene Maßnahmen ergreifen. Diese Maßnahmen sind besonders wichtig bei einem Umzug oder längerer Abwesenheit, um die lückenlose Zustellung wichtiger Post zu gewährleisten.

Nachsendeauftrag einrichten

Ein Nachsendeauftrag bei einem Postunternehmen sorgt dafür, dass Postsendungen, die noch an die alte Adresse gerichtet sind, an die neue Adresse weitergeleitet werden. Dies ist besonders hilfreich bei Umzügen, um sicherzustellen, dass wichtige Dokumente und persönliche Sendungen ankommen. Die Deutsche Post bietet beispielsweise einen solchen Service an, der für einen bestimmten Zeitraum (in der Regel 6, 12 oder 24 Monate) eingerichtet werden kann und in der Regel kostenpflichtig ist. Es ist ratsam, den Nachsendeauftrag rechtzeitig, idealerweise zwei bis drei Wochen vor dem Umzug, zu beantragen.

Aktuelle Adresse mitteilen

Es ist wichtig, dass Arbeitnehmer bei einem Umzug oder einer Änderung der Wohnanschrift diese Änderung umgehend ihrem Arbeitgeber mitteilen. Dies ergibt sich aus einer Nebenpflicht aus dem geschlossenen Arbeitsvertrag. Die Mitteilung der aktuellen Adresse an den Arbeitgeber stellt sicher, dass rechtserhebliche Erklärungen, wie Kündigungen, den Arbeitnehmer auch erreichen.

Datenschutz beachten

Arbeitnehmer sollten bei der Mitteilung ihrer Kontaktdaten darauf achten, dass der Arbeitgeber das Bundesdatenschutzgesetz und die Landesdatenschutzgesetze beachtet. Es ist möglich, zu verlangen, dass die Adresse nicht weitergegeben wird und nur bestimmten Personen im Unternehmen bekannt ist.

Kommunikationswege klären

Es kann sinnvoll sein, mit dem Arbeitgeber auch alternative Kommunikationswege zu klären, beispielsweise die Nutzung einer E-Mail-Adresse für wichtige Mitteilungen. Allerdings sollte dies im Einklang mit den Datenschutzbestimmungen und der Unternehmenspolitik stehen. Durch die Einrichtung eines Nachsendeauftrags und die rechtzeitige Mitteilung der aktuellen Adresse an den Arbeitgeber können Arbeitnehmer dazu beitragen, dass sie wichtige rechtserhebliche Erklärungen, wie Kündigungen, zuverlässig erhalten.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 622 Abs. 3 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt die Kündigungsfristen während der Probezeit auf zwei Wochen. Dies ist zentral für den Fall, da die Kündigung innerhalb dieser Frist erfolgte, was die rechtliche Grundlage für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet.
  • § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben): Dieser Paragraph ist für den Fall relevant, da das Gericht feststellte, dass der Kläger sich so behandeln lassen muss, als sei ihm die Kündigung rechtzeitig zugegangen. Er begründet die Verpflichtung, sich gegenüber Vertragspartnern fair und redlich zu verhalten, was hier in Bezug auf den verspäteten Zugang der Kündigung wegen Nichtmitteilung eines Umzugs angewendet wurde.
  • Kündigungsrecht im Arbeitsvertrag: Die spezifischen Kündigungsfristen und -bedingungen, die zwischen den Parteien vereinbart wurden, sind hier von Bedeutung. Im konkreten Fall war eine Probezeit mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen vereinbart, was direkt auf die Zulässigkeit der Kündigung einwirkt.
  • Arbeitsrecht bezüglich der Mitteilungspflicht von Adressänderungen: Obwohl nicht direkt in einem spezifischen Gesetz geregelt, ergibt sich aus dem Fall die Bedeutung der Pflicht eines Arbeitnehmers, den Arbeitgeber über Adressänderungen zu informieren, um den Empfang arbeitsrechtlicher Dokumente sicherzustellen.
  • Zivilprozessordnung (ZPO) § 92 Abs. 1: Regelt die Kostenentscheidung im Gerichtsverfahren. In diesem Fall wurde der Kläger größtenteils mit den Kosten des Verfahrens belastet, was die finanziellen Konsequenzen der Gerichtsentscheidung verdeutlicht.
  • Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) § 72 Abs. 2 Nr. 1: Dieser Paragraph ist relevant, da die Revision des Urteils zugelassen wurde, was auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinweist und die Möglichkeit bietet, dass höhere Gerichte sich mit dem Fall auseinandersetzen.


Das vorliegende Urteil

Thüringer Landesarbeitsgericht – Az.: 7a Sa 109/15 – Urteil vom 23.04.2015

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nordhausen

vom 30.04.2014 – 2 Ca 1091/13 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 09.09.2013 nicht zum 23.09.2013, sondern erst mit Ablauf des 26.09.2013 beendet wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3.Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 92,11 v. H. und die Beklagte zu 7,89 v. H. zutragen.

4.Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zugang der Kündigung.

Der Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 02. August 2013 (Bl. 12 d. A.) als Monteur befristet für die Zeit vom 05. August 2013 bis 30. November 2013 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Stundenlohn von 8,00 EUR brutto bei der Beklagten eingestellt. Die Parteien vereinbarten in § 2 eine Probezeit von sechs Wochen mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist während der Probezeit von zwei Wochen. Nach Ablauf der Probezeit sollte die Kündigungsfrist gemäß § 11 des Arbeitsvertrages zwei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats betragen. Der Kläger wohnte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages in M., Z.-straße. Diese Anschrift war im Arbeitsvertrag angegeben.

Der Kläger zog zum 01. September 2013 in die J.-straße um. Dies teilte er der Beklagten nicht mit.

Der Kläger erkrankte ab 09. September 2013. Die am 09. September 2013 erstellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 09. September 2013 bis 16. September 2013 lautet auf die vom Kläger im Arbeitsvertrag angegebene Adresse in der Z.-straße. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob der Beklagten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 09. September 2013 – wie vom Kläger behauptet – oder am 11. September 2013 – wie von der Beklagten behauptet – zuging.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09. September 2013 fristgemäß zum 23. September 2013, hilfsweise zum nächst möglichen Termin (Bl. 21 d. A.). Das Kündigungsschreiben war an die Adresse des Klägers in der Z.-straße gerichtet. Die Beklagte gab die Kündigung am 10. September 2013 mittels Einwurfeinschreiben zur Post. Das Einwurfeinschreiben kam mit dem Poststempel 11. September 2013 und dem Vermerk vom 12. September 2013 „Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ (Bl. 22 d. A.) zurück. Die Beklagte setzte sich daraufhin telefonisch mit dem Kläger in Verbindung. Sie sandte, nachdem ihr der Kläger die neue Anschrift mitgeteilt hatte, die Kündigung vom 09. September 2013 mit Begleitschreiben vom 19. September 2013 (Bl. 14 d. A.) an die neue Anschrift J.-straße, wo sie dem Kläger am 20. September 2013 zuging.

Der Kläger hat mit der am 09. Oktober 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Einhaltung der Kündigungsfrist bis zum 31. Oktober 2013 geltend gemacht. Er ist dabei von einem Zugang der Kündigung erst am 20. September 2013 ausgegangen, wogegen sich die Beklagte darauf berufen hat, der Kläger habe es unterlassen, über seine aktuelle Wohnanschrift zu informieren und auch keinen Nachsendeauftrag erteilt, so dass ihm bei pflichtgemäßem Verhalten die Kündigung am 11. September 2013 zugegangen wäre.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, das Arbeitsverhältnis sei nicht zum 23. September 2013 beendet worden, sondern habe bis zum 31. Oktober 2013 fortbestanden. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger müsse sich nicht so behandeln lassen, als sei ihm das Kündigungsschreiben bereits am 11. September 2013 zugegangen. Es sei weder ersichtlich, dass der Kläger mit einer Kündigung habe rechnen müssen, noch bestünden Anhaltspunkte für eine bewusste Täuschung. Bloße Saumseligkeit sei noch kein treuwidriges Vereiteln. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 74 f. d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 03. September 2014 zugestellte Teilurteil mit dem am 30. September 2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung am 29. Oktober 2014 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe den Zugang der Kündigung durch pflichtwidriges Verhalten treuwidrig vereitelt. Er müsse sich so behandeln lassen, als wäre die Kündigung während der Probezeit ausgesprochen worden. Er habe seine Nebenpflicht verletzt, indem er der Beklagten die neue Anschrift nicht mitgeteilt habe. Das Arbeitsverhältnis habe zum Zeitpunkt des Zugangs 4,5 Wochen bestanden. Bei einem derart jungen Arbeitsverhältnis habe der Arbeitergeber nicht davon ausgehen müssen und können, die im Arbeitsvertrag vom Arbeitnehmer angegebene Adresse habe sich durch Umzug geändert. Darüber hinaus habe der Kläger innerhalb der Probezeit sehr wohl damit rechnen müssen, das Arbeitsverhältnis werde beendet.

Die Beklagte beantragt, das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 30.04.2014 – 2 Ca 1091/13 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er meint, er habe zu keinem Zeitpunkt mit einer Kündigung rechnen müssen. Deshalb könne ihm insbesondere auch keine Arglist bezüglich der Nichtmitteilung seiner neuen Anschrift vorgeworfen werden. Zudem habe ihm die Beklagte offensichtlich wegen seiner Erkrankung kündigen wollen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie die in der Verhandlung am 23.04.2015 zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht erst zum 31. Oktober 2013, sondern innerhalb der Probezeit mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zum 26. September 2013 beendet. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts ist insofern abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen, soweit die Beklagte meint, das Arbeitsverhältnis sei bereits zum 23. September 2013 beendet worden.

I. Das Arbeitsverhältnis wurde mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen beendet. Die Kündigungsfrist ergibt sich aus § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeits-vertrages.

1. Nach § 2 des Arbeitsvertrages kann das Arbeitsverhältnis während der Probezeit von sechs Wochen beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

2. Diese Regelung ist wirksam. Eine Probezeitvereinbarung ist auch im befristeten Arbeitsverhältnis zulässig. Die Kündigungsfrist von zwei Wochen entspricht den gesetzlichen Vorgaben in § 622 Abs. 3 BGB.

3. Die Voraussetzungen einer Kündigung innerhalb der Probezeit sind erfüllt. Die sechswöchige Probezeit endete am 16. September 2013. Die Kündigung vom 09. September 2013 ging dem Kläger zwar erst am 20. September 2013 zu. Der Kläger muss sich jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als sei ihm das Kündigungsschreiben am 12. September 2013 und damit noch innerhalb der sechswöchigen Probezeit zugegangen.

a) Der Empfänger einer Willenserklärung kann sich nach Treu und Glauben nicht auf den verspäteten Zugang der Willenserklärung berufen, wenn er die Zugangsverzögerung selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Erklärende die entsprechenden Fristen gewahrt. Wer aufgrund bestehender oder angebahnter vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, muss geeignete

Vorkehrungen treffen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen. Tut er dies nicht, so wird darin vielfach ein Verstoß gegen die, durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder den Abschluss eines Vertrages begründeten Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Partner liegen. Auch bei schweren Sorgfaltsverstößen kann der Adressat nach Treu und Glauben regelmäßig aber nur dann so behandelt werden, als habe ihn die Willenserklärung erreicht, wenn der Erklärende alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte (BAG 22. September 2005 – 2 AZR 366/04 – NZA 2006, 204-206 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen ist es dem Kläger verwehrt, sich nach Treu und Glauben auf den verspäteten Zugang der Kündigung zu berufen.

aa) Der Kläger musste mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen rechnen. Dies folgt bereits aus dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis und gilt insbesondere während einer vereinbarten Probezeit. Der Kläger musste gerade in der Probezeit davon ausgehen, die Beklagte mache von der „erleichterten“ Kündigungsmöglichkeit Gebrauch.

bb) Der Kläger verletzte seine ihm gegenüber der Beklagten obliegende Sorgfaltspflicht, indem er es unterließ, geeignete Vorkehrungen zu treffen, damit ihn eine etwaige Kündigung erreichen konnte. Er war ab 01. September 2013 unter der der Beklagten bekannten Anschrift nicht mehr erreichbar. Er stellte weder einen Nachsendeauftrag bei der Post, noch teilte er der Beklagten seine neue Anschrift mit. Dieses Verhalten hat der Kläger auch zu vertreten. Er hat keinerlei plausible Erklärung für diese Säumnisse abgegeben.

cc) Die Beklagte unternahm alles Erforderliche und Zumutbare, damit die Kündigung den Kläger erreichen konnte. Die Beklagte wählte mit dem hier verwendeten Einwurfeinschreiben eine übliche und sichere Form der Zustellung der Kündigungserklärung. Sie konnte aufgrund des gerade einmal seit gut fünf Wochen bestehenden Arbeitsverhältnisses davon ausgehen, die im Arbeitsvertrag angegebene Anschrift des Klägers sei zutreffend, zumal ein Wohnungs-wechsel in der Regel nicht überraschend erfolgt. Die Beklagte war daher nicht gehalten, sich beim Kläger zu erkundigen, ob die im Arbeitsvertrag genannte Anschrift noch zutrifft. Hinzukommt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 9.9.2013 die alte Adresse des Klägers in der Z.-straße ausweist. Die Beklagte konnte und durfte daher davon ausgehen, der Kläger sei unter dieser Adresse gemeldet. Schließlich unternahm die Beklagte alles Zumutbare, damit die Kündigung den Kläger erreichen konnte. Nachdem sie Kenntnis von der Unzustellbarkeit des Kündigungsschreibens erlangt hatte, rief sie beim Kläger an und brachte dessen neue Anschrift in Erfahrung, unter der die Kündigung zeitnah zugestellt werden konnte.

II. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Ablauf des 26. September 2013 beendet.

Da sich der Kläger so behandeln lassen muss, als sei ihm das Kündigungsschreiben am 12. September 2013 zugegangen, endete die zweiwöchige Kündigungsfrist am 26. September 2013. Die Beklagte geht hier zu Unrecht vom 23. September 2013 aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist für den Kläger zuzulassen. Die Zulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Gründe, die Revision auch für die Beklagte zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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