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Gerichtsstand für Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG

Ein Bewerber klagt wegen Diskriminierung gegen ein Unternehmen. Er wirft der Firma mit Sitz in München vor, ihn im Bewerbungsverfahren für eine Stelle in Hamburg benachteiligt zu haben. Doch das Arbeitsgericht am Hamburger Standort erklärt sich für unzuständig.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Ca 151/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Arbeitsgericht Hamburg
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Antidiskriminierungsrecht (AGG), Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Begehrt Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung im Bewerbungsverfahren aufgrund ethnischer Herkunft.
  • Beklagte: Potentieller Arbeitgeber mit Sitz in München, der vom Kläger auf Entschädigung wegen Diskriminierung verklagt wurde.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Ein Kläger fordert von einem potentiellen Arbeitgeber, bei dem er sich beworben hatte, eine Entschädigung nach dem AGG wegen behaupteter Diskriminierung im Bewerbungsverfahren. Es kam kein Arbeitsverhältnis zustande. Die Stelle war für Hamburg ausgeschrieben, die Beklagte sitzt in München.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren nach dem AGG. Dabei ging es insbesondere um die Anwendung des Gerichtsstands des Arbeitsortes, obwohl kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen war.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das angerufene Arbeitsgericht Hamburg erklärte sich für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht München.
  • Begründung: Das Gericht begründete dies damit, dass der Gerichtsstand des Arbeitsortes nicht greift, da kein Arbeitsverhältnis zustande kam. Eine analoge Anwendung dieser Regelung auf vorvertragliche Ansprüche wurde abgelehnt, weil keine Regelungslücke vorliegt und die Interessenlagen unterschiedlich sind. Maßgeblich sei der allgemeine Gerichtsstand am Sitz der Beklagten in München.
  • Folgen: Die Klage wird nicht am Arbeitsgericht Hamburg, sondern am Arbeitsgericht am Sitz der Beklagten in München verhandelt.

Der Fall vor Gericht


Zuständigkeit bei AGG-Diskriminierungsklage: Arbeitsgericht Hamburg verweist Fall wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit nach München

Ein komplexer Rechtsstreit um eine mögliche Diskriminierung im Bewerbungsverfahren hat zu einer wichtigen Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit von Arbeitsgerichten geführt.

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Das Arbeitsgericht Hamburg hat entschieden, dass es für die Klage eines Bewerbers auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht zuständig ist, wenn der potenzielle Arbeitgeber seinen Sitz an einem anderen Ort hat und kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Der Fall wurde an das Arbeitsgericht München verwiesen.

Ausgangslage: Bewerbung in Hamburg, Firmensitz in München und der Vorwurf der Diskriminierung

Die Grundlage des Verfahrens bildete die Bewerbung eines Mannes auf eine Stelle, die von einem Unternehmen für den Standort Hamburg ausgeschrieben war. Der Bewerber machte geltend, im Laufe dieses Bewerbungsprozesses aufgrund seiner ethnischen Herkunft benachteiligt worden zu sein. Aus diesem Grund forderte er vom Unternehmen eine Entschädigung gemäß § 15 Absatz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Zu einem Abschluss eines Arbeitsvertrages zwischen dem Bewerber und dem Unternehmen kam es nicht. Das beklagte Unternehmen hat seinen offiziellen Firmensitz jedoch nicht in Hamburg, sondern in München. Der Bewerber reichte seine Klage auf Entschädigung wegen der behaupteten Diskriminierung im Bewerbungsverfahren beim Arbeitsgericht Hamburg ein, dem Ort, für den die Stelle ausgeschrieben war.

Streitpunkt Gerichtsstand: Ist das Arbeitsgericht am Ort der ausgeschriebenen Stelle zuständig?

Die zentrale juristische Frage, mit der sich das Arbeitsgericht Hamburg auseinandersetzen musste, war die der örtlichen Zuständigkeit. Konkret ging es darum, ob das Arbeitsgericht am Ort der ausgeschriebenen Stelle (Hamburg) für eine Klage zuständig ist, auch wenn der Firmensitz des potenziellen Arbeitgebers woanders liegt (München) und kein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Im Mittelpunkt stand dabei die Auslegung des § 48 Absatz 1a des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG). Diese Vorschrift regelt den sogenannten Gerichtsstand des Arbeitsortes. Es musste geklärt werden, ob diese Regelung direkt oder möglicherweise in analoger Form auf Streitigkeiten aus dem vorvertraglichen Stadium, wie es ein Bewerbungsverfahren darstellt, anwendbar ist.

Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg: Örtliche Unzuständigkeit und Verweisung nach München

Das Arbeitsgericht Hamburg kam zu dem Ergebnis, dass es für diesen Rechtsstreit örtlich unzuständig ist. Infolgedessen verwies es den Fall an das Arbeitsgericht München, in dessen Bezirk das beklagte Unternehmen seinen Sitz hat. Diese Entscheidung bedeutet, dass der Bewerber seine Klage nun vor dem Gericht am Sitz des Unternehmens weiterverfolgen muss.

Begründung der Unzuständigkeit: § 48 Abs. 1a ArbGG nicht direkt anwendbar bei fehlendem Arbeitsverhältnis

Die Richter in Hamburg begründeten ihre Entscheidung ausführlich. Zunächst stellten sie fest, dass die direkte Anwendung des § 48 Abs. 1a ArbGG ausscheidet. Diese Norm besagt, dass auch das Arbeitsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Die entscheidende Voraussetzung ist also das Bestehen oder zumindest das vorherige Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, in dessen Rahmen Arbeit geleistet wurde. Da im vorliegenden Fall zwischen dem Bewerber und dem Unternehmen gerade kein Arbeitsvertrag zustande kam, hat der Bewerber auch niemals Arbeit im Bezirk des Arbeitsgerichts Hamburg für dieses Unternehmen verrichtet. Somit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1a ArbGG nicht erfüllt.

Keine Analoge Anwendung des § 48 Abs. 1a ArbGG auf Bewerbungsverfahren möglich

Das Gericht prüfte weiterhin, ob § 48 Abs. 1a ArbGG möglicherweise analog auf den Fall angewendet werden könnte. Eine Analogie kommt im Recht dann in Betracht, wenn eine gesetzliche Regelungslücke besteht und eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Beides verneinte das Arbeitsgericht Hamburg.

Es bestehe keine Regelungslücke, da das Gesetz eine klare Regelung für die Zuständigkeit trifft, wenn spezielle Zuständigkeiten wie die des Arbeitsortes nicht greifen. Die allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO) sehen vor, dass eine Klage grundsätzlich am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten erhoben werden kann (§§ 12, 17 ZPO). Dies ist in der Regel der Sitz des Unternehmens. Da das Unternehmen seinen Sitz in München hat, steht dem Bewerber mit dem Arbeitsgericht München ein zuständiges Gericht zur Verfügung. Eine Lücke, die durch eine Analogie geschlossen werden müsste, existiert somit nicht.

Zudem fehle es an einer vergleichbaren Interessenlage. Der Zweck des § 48 Abs. 1a ArbGG sei es, dem Arbeitnehmer die Rechtsverfolgung in Streitigkeiten zu erleichtern, die direkt aus dem bestehenden oder beendeten Arbeitsverhältnis resultieren. Diese Streitigkeiten wurzeln typischerweise im sogenannten arbeitsvertraglichen Synallagma, also dem Kern des Arbeitsvertrages: dem Austausch von Arbeit gegen Lohn. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung die besondere Verbindung des Arbeitnehmers zum Ort seiner Tätigkeit berücksichtigen, wo Beweise oft leichter zu erheben sind und der Arbeitnehmer seinen Lebensmittelpunkt hat. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10901, S. 17) und wird von der juristischen Kommentarliteratur gestützt.

Im Gegensatz dazu geht es bei einem Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren nicht um Pflichten aus einem geschlossenen Arbeitsvertrag. Es handelt sich um einen Anspruch aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis. Der Vorwurf bezieht sich auf die Verletzung von Verhaltenspflichten (hier: das Diskriminierungsverbot nach dem AGG) bevor ein Arbeitsvertrag überhaupt zustande kam. Das Synallagma spielt hier keine Rolle. Die Interessenlage des Bewerbers in dieser Phase unterscheidet sich grundlegend von der eines Arbeitnehmers, der Rechte aus einem bestehenden oder beendeten Arbeitsverhältnis geltend macht. Daher sei eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 1a ArbGG nicht gerechtfertigt.

Konsequenz: Verweisung an das Arbeitsgericht am Unternehmenssitz

Da das Arbeitsgericht Hamburg nach eingehender Prüfung zu dem Schluss kam, örtlich unzuständig zu sein, musste es den Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Gericht verweisen. Dies ergibt sich aus § 17a Absatz 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in Verbindung mit § 48 Absatz 1 ArbGG. Das örtlich zuständige Gericht ist in diesem Fall das Arbeitsgericht München. Dessen Zuständigkeit leitet sich aus den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 12, 17 ZPO) ab, da das beklagte Unternehmen seinen Sitz im Bezirk des Arbeitsgerichts München hat. Der Rechtsstreit wird nun dort fortgesetzt.


Die Schlüsselerkenntnisse

Bei einer AGG-Diskriminierungsklage ist für einen Bewerber nicht das Arbeitsgericht am Ort der ausgeschriebenen Stelle zuständig, sondern das Gericht am Sitz des Unternehmens, wenn kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Die spezielle Zuständigkeitsregelung des Arbeitsgerichtsgesetzes, die den Arbeitsort als Gerichtsstand vorsieht, gilt nur bei bestehenden oder beendeten Arbeitsverhältnissen und kann nicht auf vorvertragliche Diskriminierungsfälle übertragen werden. Für Menschen, die sich diskriminiert fühlen und klagen möchten, bedeutet dies, dass sie ihre Klage am Unternehmensstandort einreichen müssen, was unter Umständen mit höherem Aufwand und Kosten verbunden sein kann.

Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „örtliche Zuständigkeit“ in Bezug auf Gerichtsprozesse und warum ist sie wichtig?

Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, ist eine der ersten Fragen: Welches Gericht ist überhaupt zuständig? Juristen sprechen hier von der „Zuständigkeit“. Diese teilt sich auf in verschiedene Bereiche. Einer davon ist die „örtliche Zuständigkeit“.

Vereinfacht gesagt, bestimmt die örtliche Zuständigkeit, an welchem geografischen Ort – also in welcher Stadt oder Region – ein bestimmtes Gericht für Ihren Fall zuständig ist. Stellen Sie sich Deutschland als eine Landkarte vor, auf der viele Gerichte verteilt sind. Die örtliche Zuständigkeit legt fest, welches dieser Gerichte auf der Karte Ihren Fall bearbeiten darf.

Die Regeln, welches Gericht örtlich zuständig ist, sind im Gesetz festgelegt und können je nach Art des Rechtsfalls variieren. Oft sind wichtige Anhaltspunkte dabei:

  • Der Wohnort oder Firmensitz der Person oder Firma, die verklagt wird (der sogenannte „Beklagte“). Dies ist ein sehr häufiger Ausgangspunkt.
  • Der Ort, an dem sich ein bestimmtes Ereignis ereignet hat, das den Streit ausgelöst hat. Das kann zum Beispiel der Ort eines Verkehrsunfalls sein, der Ort, an dem eine Dienstleistung erbracht wurde, oder der Ort, an dem sich eine Mietwohnung befindet.

Warum ist die örtliche Zuständigkeit wichtig?

Die Wahl des richtigen Gerichts ist entscheidend. Wenn Sie eine Klage bei einem Gericht einreichen, das für Ihren Fall örtlich nicht zuständig ist, kann das Gericht die Klage als unzulässig abweisen. Das bedeutet, das Gericht befasst sich mit Ihrem Fall inhaltlich gar nicht erst, weil es rechtlich nicht dazu befugt ist.

Für Sie als Kläger bedeutet eine solche Abweisung, dass Sie wichtige Zeit verlieren und oft auch zusätzliche Kosten entstehen. Sie müssen dann die Klage erneut beim korrekt zuständigen Gericht einreichen. Daher ist es essenziell, die örtliche Zuständigkeit vor Einleitung eines Verfahrens sorgfältig zu prüfen.


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Was bedeutet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und welche Ansprüche können daraus entstehen?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist ein wichtiges Gesetz in Deutschland. Sein Hauptziel ist es, Menschen vor ungerechter Behandlung – also vor Diskriminierung – zu schützen. Das Gesetz soll verhindern, dass jemand in bestimmten Bereichen des Lebens benachteiligt wird, weil er oder sie bestimmte Merkmale hat.

Das Gesetz schützt vor Benachteiligung aufgrund von bestimmten Merkmalen. Dazu gehören insbesondere die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter oder die sexuelle Identität.

Das AGG gilt in verschiedenen Lebensbereichen, zum Beispiel im Arbeitsleben, bei der Jobsuche oder auch bei der Suche nach einer Wohnung. Besonders im Bewerbungsprozess ist das AGG wichtig. Es soll sicherstellen, dass Bewerber fair behandelt werden und nicht aufgrund eines der genannten Merkmale schlechtere Chancen haben als andere, die für die Stelle genauso gut oder schlechter geeignet wären.

Wenn jemand gegen dieses Gesetz verstößt und eine Person wegen eines der genannten Merkmale benachteiligt, kann das für die betroffene Person bestimmte Ansprüche auslösen. Dabei geht es oft um Schadensersatz und Entschädigung.

  • Schadensersatz soll einen konkreten finanziellen Schaden ausgleichen, der durch die Benachteiligung entstanden ist. Stellen Sie sich vor, Ihnen ist durch die Diskriminierung ein nachweisbarer Geldverlust entstanden.
  • Die Entschädigung hingegen soll einen sogenannten „immateriellen“ Schaden ausgleichen. Das kann zum Beispiel die Kränkung oder das Gefühl der Ungerechtigkeit sein, die man durch die Benachteiligung erfahren hat. Insbesondere bei diskriminierenden Ablehnungen im Bewerbungsprozess geht es häufig um solche Entschädigungsansprüche.

Für Sie bedeutet das grundsätzlich, dass Sie bei einer Bewerbung oder im Berufsleben nicht einfach aufgrund Ihrer Herkunft, Ihres Alters oder eines anderen geschützten Merkmals schlechter behandelt werden dürfen als jemand anderes in einer vergleichbaren Situation. Das AGG gibt Ihnen also einen Schutzrahmen gegen solche Benachteiligungen.


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Warum ist es relevant, ob ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist oder nicht, wenn es um Diskriminierung im Bewerbungsprozess geht?

Die Frage, ob bereits ein Arbeitsverhältnis besteht oder nicht, ist relevant für die Bestimmung des zuständigen Gerichts. Stellen Sie sich vor, Sie möchten rechtlich gegen eine Diskriminierung vorgehen. Wo Sie Ihre Klage einreichen können, hängt von bestimmten Regeln ab – dem sogenannten Gerichtsstand.

Wenn ein Arbeitsverhältnis besteht oder bestanden hat, gibt es in Deutschland spezielle Regeln, die festlegen, welches Arbeitsgericht zuständig ist. Oft ist das Arbeitsgericht am Ort des Arbeitsplatzes oder dort, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. Diese Regeln sollen es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erleichtern, ihre Rechte geltend zu machen.

Wird man jedoch bereits im Bewerbungsprozess diskriminiert, ist noch kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Das bedeutet, die speziellen Gerichtsstandsregeln für bestehende Arbeitsverhältnisse greifen hier nicht. Es gibt noch keinen Arbeitsplatz im üblichen Sinne.

Daher gelten in solchen Fällen die allgemeinen Regeln für die Zuständigkeit von Gerichten. Das kann dazu führen, dass ein anderes Gericht zuständig ist als bei einer Diskriminierung während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses – zum Beispiel das Gericht am allgemeinen Wohnsitz des beklagten Unternehmens. Für Sie als betroffene Person bedeutet das, dass sich die Wahl des richtigen Gerichts unterscheidet, je nachdem, ob die Diskriminierung im Bewerbungsverfahren oder während eines bestehenden Jobs passiert ist. Dies ist ein wichtiger Punkt im Recht, da eine Klage vor dem falschen Gericht nicht erfolgreich sein kann.


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Was bedeutet „analoge Anwendung“ eines Gesetzes und warum wurde sie in diesem Fall abgelehnt?

Die analoge Anwendung (oder kurz „Analogie“) eines Gesetzes ist ein wichtiges Werkzeug in der Rechtswissenschaft. Stellen Sie sich vor, es gibt eine klare Regel in einem Gesetz, die eine ganz bestimmte Situation beschreibt und dafür eine Lösung vorschreibt. Manchmal gibt es aber eine Situation, die dem geregelten Fall sehr ähnlich ist, für die das Gesetz aber keine ausdrückliche Regelung vorsieht. Man spricht dann von einer Regelungslücke.

Wenn eine solche Regelungslücke besteht und die nicht geregelte Situation der geregelten wesentlich ähnelt, kann ein Gericht prüfen, ob die Regel für die geregelte Situation auch auf die nicht geregelte Situation angewendet werden kann – eben analog. Das ist nur erlaubt, wenn die Interessen, die hinter der ursprünglichen Regel stehen, auch für die neue Situation passen. Es geht darum, vergleichbare Sachverhalte gleich zu behandeln, auch wenn das Gesetz das nicht explizit sagt.

Im konkreten Fall, in dem es um Diskriminierung ging, hat das Gericht die analoge Anwendung abgelehnt. Hier ging es um die Frage, ob Regeln, die für die Diskriminierung von Personen in einem bestehenden Arbeitsverhältnis gelten, auch auf die Diskriminierung von Bewerbern im Bewerbungsprozess übertragen (analog angewendet) werden können.

Das Gericht sah hier keine vergleichbare Interessenlage. Für das Gericht war die Situation eines Arbeitnehmers, der bereits in einem Vertrag steht, und die eines Bewerbers, der sich erst um eine Stelle bemüht, grundsätzlich verschieden. Die Rechte und die Position einer Person in einem bestehenden Arbeitsverhältnis wurden als anders angesehen als die eines Bewerbers. Weil diese Situationen aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend vergleichbar waren, durften die Regeln für das bestehende Arbeitsverhältnis nicht einfach auf den Bewerbungsprozess übertragen werden. Daher wurde die analoge Anwendung abgelehnt.


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Wo muss ich eine Klage einreichen, wenn ich mich bei einer Bewerbung diskriminiert fühle und kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist?

Wenn Sie sich nach einer Bewerbung diskriminiert fühlen und es zu keinem Arbeitsverhältnis gekommen ist, stellt sich die Frage, welches Gericht für Ihre Klage zuständig ist. Dies wird als Gerichtsstand bezeichnet. Der Gerichtsstand bestimmt, bei welchem Gericht Sie die Klage einreichen müssen.

Da noch kein Arbeitsvertrag bestand und somit auch kein Arbeitsort existiert, greift in dieser Situation nicht der spezielle Gerichtsstand, der normalerweise für Klagen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis gilt (oft am Arbeitsort). Stattdessen wird in der Regel der allgemeine Gerichtsstand angewendet.

Der allgemeine Gerichtsstand für Klagen gegen ein Unternehmen ist der Ort, an dem das Unternehmen seinen Sitz oder seine Niederlassung hat. Das bedeutet, die Klage wegen vermeintlicher Diskriminierung im Bewerbungsverfahren ist grundsätzlich bei dem Gericht einzureichen, das für den Sitz des Unternehmens zuständig ist, bei dem Sie sich beworben haben.

Es ist wichtig, dass Sie den korrekten Gerichtsstand ermitteln, bevor Sie eine Klage einreichen. Die Zuständigkeit des Gerichts ist eine grundlegende Voraussetzung für die Bearbeitung Ihrer Klage. Eine Klage beim falschen Gericht kann zu Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen, da das Gericht die Klage unter Umständen als unzulässig abweisen oder an das zuständige Gericht verweisen muss. Informationen zum Sitz eines Unternehmens finden sich oft im Impressum auf dessen Webseite oder im Handelsregister.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

§ 15 Absatz 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Entschädigung, wenn jemand im Bewerbungsverfahren oder bei einer Beschäftigung aufgrund eines geschützten Merkmals – etwa der ethnischen Herkunft – diskriminiert wurde. § 15 Absatz 2 AGG sieht vor, dass die benachteiligte Person eine Entschädigung verlangen kann, auch wenn kein Arbeitsverhältnis entstanden ist. Anders als Schadensersatz ist Entschädigung oft auf immaterielle Nachteile, etwa Kränkungen, ausgerichtet. Das Gesetz schützt Bewerber, damit sie nicht benachteiligt werden, noch bevor sie einen Vertrag abschließen.

Beispiel: Wenn ein Bewerber wegen seiner Herkunft bei einer Einladung zum Vorstellungsgespräch systematisch ausgeschlossen wird, kann er eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen.


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§ 48 Absatz 1a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)

Diese Norm bestimmt den Gerichtsstand für Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis und macht das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich arbeitet oder zuletzt gearbeitet hat. Die Vorschrift soll den Arbeitnehmer entlasten, indem der Gerichtsstand nah am Arbeitsplatz liegt und Verfahren erleichtert werden. Eine zentrale Voraussetzung ist, dass ein Arbeitsverhältnis besteht oder bestanden hat. Ist das Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen, greift § 48 Abs. 1a ArbGG nicht.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer klagt gegen seinen Arbeitgeber wegen Kündigungsschutz am Arbeitsgericht am Ort seiner Beschäftigung, obwohl das Unternehmen vielleicht woanders seinen Sitz hat.


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Vorvertragliches Schuldverhältnis

Ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht in der Phase vor dem Abschluss eines Vertrages, wenn sich die Parteien in Verhandlungen befinden oder ein Bewerbungsverfahren läuft. Während in einem Arbeitsverhältnis konkrete Rechte und Pflichten gelten, umfasst das vorvertragliche Schuldverhältnis vor allem sogenannte Interessen- und Rücksichtnahmepflichten. Diese Pflichten sollen verhindern, dass eine Partei die andere unangemessen benachteiligt oder diskriminiert, auch wenn noch kein Vertrag besteht.

Beispiel: Ein Unternehmen darf im Bewerbungsverfahren keine Bewerber wegen ihrer Herkunft diskriminieren, obwohl noch kein Vertrag abgeschlossen wurde.


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Analogieverbot (Verbot der analogen Anwendung ohne Regelungslücke)

Die analoge Anwendung von Gesetzen bedeutet, eine bestehende Rechtsnorm auf eine ähnliche, aber gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Situation zu übertragen, um eine Regelungslücke zu schließen. Ein solches Vorgehen ist nur erlaubt, wenn tatsächlich eine Lücke im Gesetz besteht und die zu vergleichenden Situationen sich wesentlich gleichen. Im vorliegenden Fall wurde die analoge Anwendung des § 48 Abs. 1a ArbGG abgelehnt, weil das Gesetz keine Regelungslücke aufweist und die Interessenlage bei einem Bewerbungsverhältnis mit vorvertraglichem Charakter nicht mit der eines bestehenden Arbeitsverhältnisses vergleichbar ist.

Beispiel: Eine Vorschrift über die Kündigung eines Arbeitsvertrages darf nicht analog auf den Bewerbungsprozess angewandt werden, weil hier andere rechtliche Rahmenbedingungen gelten.


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Allgemeiner Gerichtsstand nach der Zivilprozessordnung (ZPO)

Der allgemeine Gerichtsstand bestimmt, bei welchem Gericht eine Klage eingereicht werden kann, wenn keine besonderen Zuständigkeitsregeln gelten. Nach §§ 12 und 17 ZPO ist der Gerichtsstand für eine Klage gegen eine juristische Person, z. B. ein Unternehmen, grundsätzlich der Ort, an dem diese ihren Sitz hat. Das bedeutet für den Bewerber in diesem Fall: Da es keinen Arbeitsvertrag gibt, bestimmt sich die Zuständigkeit nach diesen allgemeinen Regeln, weshalb die Klage beim Arbeitsgericht des Unternehmenssitzes eingereicht werden muss.

Beispiel: Ein Bewerber, der sich diskriminiert fühlt, muss in der Regel am Ort des Firmensitzes des Unternehmens klagen, wenn kein Arbeitsverhältnis besteht.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 15 Absatz 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Regelt den Anspruch auf Entschädigung bei Benachteiligung im Beschäftigungsverhältnis, auch im Bewerbungsverfahren, wenn zum Beispiel wegen ethnischer Herkunft diskriminiert wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Bewerber fordert auf dieser Grundlage eine Entschädigung für die behauptete Diskriminierung im Vorfeld eines Arbeitsverhältnisses.
  • § 48 Absatz 1a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG): Bestimmt den örtlichen Gerichtsstand für Streitigkeiten von Arbeitsverhältnissen am Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Voraussetzung ist das Bestehen bzw. Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Vorschrift ist nicht direkt anwendbar, da kein Arbeitsvertrag zustande kam und der Bewerber somit nirgendwo tatsächlich gearbeitet hat.
  • §§ 12, 17 Zivilprozessordnung (ZPO): Regeln den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten, in der Regel am Sitz des Unternehmens, für zivilrechtliche Streitigkeiten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da kein Arbeitsvertrag zustande kam, ist der allgemeine Gerichtsstand am Unternehmenssitz in München maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit.
  • § 17a Absatz 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Verbindung mit § 48 Absatz 1 ArbGG: Ermöglichen die Verweisung von Klagen an das örtlich zuständige Gericht, hier an das Arbeitsgericht am Unternehmenssitz. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Arbeitsgericht Hamburg verweist die Klage an das Arbeitsgericht München, da es örtlich unzuständig ist.
  • Grundsätze zur analogen Anwendung von Gesetzen: Eine Analogie ist nur zulässig bei Vorliegen einer Gesetzeslücke und vergleichbarer Interessenlage. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht lehnt eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 1a ArbGG auf das Bewerbungsverfahren ab, weil keine Gesetzeslücke besteht und die Interessenlage nicht vergleichbar ist.
  • Arbeitsrechtliche Grundprinzipien des Synallagmas: Das arbeitsvertragliche Synallagma beschreibt die wechselseitigen Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis (Arbeit gegen Lohn) und bildet die Grundlage für besondere Schutzvorschriften. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da kein Arbeitsverhältnis besteht, greift die Regelung zum Arbeitsort als Gerichtsstand nicht, weil der Schutz besondere Verhältnisse eines geschlossenen Arbeitsvertrages voraussetzt.

Das vorliegende Urteil


ArbG Hamburg – Az.: 4 Ca 151/25 – Beschluss vom 23.04.2025


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