Skip to content

Unwirksame Kündigung bei bloßem Schriftzeichen statt Unterschrift – fehlende Vertretungsmacht

Vertretungsmacht fehlt: Kündigung ohne wirksame Unterschrift

Das Landesarbeitsgericht Hamm bestätigte, dass eine Kündigung ohne gültige Unterschrift unwirksam ist. In diesem Fall wurden die Kündigungsschreiben lediglich mit einem Schriftzeichen (Paraphe) versehen, was nicht der erforderlichen Form entspricht. Die Vertretungsmacht der Unterzeichnenden war zudem nicht ausreichend, da sie nur Gesamtprokura besaßen und nicht einzeln handeln konnten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 17 Sa 1400/21  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unwirksamkeit der Kündigung: Die Kündigung war aufgrund der fehlenden Unterschrift ungültig.
  2. Bedeutung der Unterschrift: Eine gültige Unterschrift ist für die Rechtswirksamkeit einer Kündigung essentiell.
  3. Fehlende Vertretungsmacht: Die Personen, die das Kündigungsschreiben paraphierten, hatten nur Gesamtprokura, weshalb ihre alleinige Unterschrift nicht ausreichte.
  4. Rolle des Betriebsrats: Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung und widersprach einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
  5. Wiederholte Kündigungsversuche: Die Beklagte versuchte mehrfach, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen.
  6. Geltendmachung von Formfehlern: Der Kläger bestritt die Wirksamkeit der Kündigungen aufgrund von Formfehlern.
  7. Abwesenheit vom Arbeitsplatz: Der Kläger wurde beschuldigt, das Betriebsgelände während der Arbeitszeit unerlaubt verlassen zu haben.
  8. Vertrauen auf schriftliche Arbeitszeitnachweise: Das Unternehmen verließ sich auf das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter bei der Dokumentation ihrer Arbeitszeiten.

Die Bedeutung von Unterschrift und Vertretungsmacht bei Kündigungen

Die Frage, ob eine Kündigung rechtmäßig ist, hängt oft von der Einhaltung formaler Vorgaben ab. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm befasst sich mit der Unwirksamkeit einer Kündigung aufgrund von fehlender Unterschrift und Vertretungsmacht.

Unterschrift bei Kündigung
(Symbolfoto: megaflopp /Shutterstock.com)

Im Kern geht es um die Gültigkeit einer Kündigung, die lediglich mit einem Schriftzeichen (Paraphe) versehen wurde, anstatt einer Unterschrift. Zudem hatten die Unterzeichnenden nur Gesamtprokura, was ihre Vertretungsmacht in Frage stellt.

Im nachfolgenden Beitrag erfahren Sie mehr über die Hintergründe dieses Urteils und welche Konsequenzen sich daraus für die Praxis ergeben.

Warum die Unterschrift und Vertretungsmacht bei Kündigungen so wichtig sind

Die Unterschrift und Vertretungsmacht spielen eine zentrale Rolle bei Kündigungen. Sie gewährleisten, dass die Kündigung rechtmäßig ist und die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Fehlt eine Unterschrift oder ist die Vertretungsmacht nicht ausreichend, kann die Kündigung unwirksam sein.

Rechtliche Komplexität bei Kündigung mit bloßen Schriftzeichen

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Landesarbeitsgericht Hamm, Az.: 17 Sa 1400/21, wurde die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen eines Dienstleistungsunternehmens mit etwa 750 Mitarbeitern, die rund 2500 Menschen mit Einschränkungen betreuen, geprüft. Der Kläger, ein seit 2005 beschäftigter Betreuer, stand im Mittelpunkt dieses Rechtsstreits. Die Hauptkontroverse drehte sich um die Rechtmäßigkeit der Kündigungserklärungen, insbesondere um die Formvorschriften und die damit verbundene Vertretungsmacht der Unterzeichnenden.

Der Auslöser des Rechtsstreits: Ungewöhnliche Abwesenheiten am Arbeitsplatz

Die rechtliche Auseinandersetzung begann mit der Beobachtung des Klägers durch eine Kollegin, welche bemerkte, dass er das Betriebsgelände mehrmals während der Arbeitszeit verlassen hatte. Diese Beobachtungen wurden nicht in den Zeitsummenkarten des Klägers vermerkt, was Zweifel an der Korrektheit seiner Arbeitszeitnachweise aufwarf. Daraufhin erklärte das Unternehmen die Absicht, eine außerordentliche fristlose Kündigung sowie hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist auszusprechen.

Formfehler bei der Kündigung: Das Fehlen einer gültigen Unterschrift

Die Kontroverse entzündete sich an der Form der Kündigungserklärungen. Diese waren lediglich mit einem Schriftzeichen (Paraphe) versehen und nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, mit einer vollständigen Unterschrift. Der Kläger beanstandete diese Formfehler und betonte, dass die paraphierten Kündigungsschreiben der Prokuristen nicht den Anforderungen einer rechtswirksamen Kündigung entsprächen. Zudem wurde die fehlende Vertretungsmacht der Unterzeichnenden kritisiert, da sie nur Gesamtprokura besaßen und nicht einzeln handeln konnten.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm

Das Landesarbeitsgericht Hamm bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigung vom 19. Mai 2021, da die Paraphe von Frau F., einer der Unterzeichnenden, nicht als gültige Unterschrift gewertet werden konnte. Das Gericht stellte fest, dass eine Paraphe nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Unterschrift entspricht und somit die Kündigung formunwirksam war. Die Entscheidung stützte sich auch auf die Tatsache, dass die Prokuristen nur gemeinsam handlungsbefugt waren und daher nicht einzeln kündigen konnten.

Ausblick und Lehren aus dem Urteil

Das Urteil wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung der Einhaltung formaler Anforderungen bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer vollständigen und korrekten Unterschrift unter Kündigungsschreiben und hebt die Bedeutung der Vertretungsmacht hervor. Zudem wird deutlich, dass die genaue Beachtung arbeitsrechtlicher Formalien für Arbeitgeber unerlässlich ist, um die Rechtswirksamkeit von Kündigungen sicherzustellen.

Das Landesarbeitsgericht Hamm lehnte eine Revision ab, wodurch das Urteil eine gewisse Endgültigkeit erlangt. Dieses Urteil dient als wichtige Erinnerung für alle Arbeitgeber, die Bedeutung korrekter rechtlicher Verfahren und der Einhaltung formaler Anforderungen in Arbeitsverhältnissen nicht zu unterschätzen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was bedeutet die Schriftform einer Kündigung nach § 623 BGB und welche Rolle spielt die Unterschrift in diesem Kontext?

Die Schriftform einer Kündigung gemäß § 623 BGB bedeutet, dass die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit schriftlich erfolgen muss. Elektronische Übermittlungswege wie E-Mail, Fax, SMS oder WhatsApp sind explizit ausgeschlossen.

Rolle der Unterschrift

Die Unterschrift spielt eine entscheidende Rolle, da sie ein wesentlicher Bestandteil der Schriftform ist. Der Kündigende oder ein bevollmächtigter Vertreter muss das Kündigungsschreiben eigenhändig unterschreiben. Eine gedruckte, kopierte oder elektronisch übermittelte Unterschrift ist nicht ausreichend. Die Unterschrift muss nicht zwingend lesbar sein, jedoch muss die Identität des Unterzeichnenden erkennbar sein, sodass die Echtheit der Unterschrift feststellbar ist.

Die Schriftform und die eigenhändige Unterschrift dienen der Rechtssicherheit und sollen sicherstellen, dass die Kündigungserklärung ernst gemeint und endgültig ist. Sie erleichtern zudem die Beweisführung im Streitfall.

Für den Arbeitnehmer besteht keine Verpflichtung, die erhaltene Kündigung zu unterschreiben. Die Kündigung ist auch ohne die Zustimmung oder Unterschrift des Arbeitnehmers wirksam.

Inwiefern ist die Unterscheidung zwischen einer Unterschrift und einem bloßen Handzeichen oder einer Paraphe für die Gültigkeit einer Kündigung relevant?

Die Unterscheidung zwischen einer Unterschrift und einem bloßen Handzeichen oder einer Paraphe ist für die Gültigkeit einer Kündigung äußerst relevant. Nach § 623 BGB muss eine Kündigung schriftlich und mit einer eigenhändigen Unterschrift erfolgen, um wirksam zu sein.

Eine Unterschrift ist ein individueller Schriftzug, der den vollen Namen des Unterzeichnenden repräsentiert und charakteristische Merkmale aufweist, die eine Nachahmung erschweren. Sie muss nicht unbedingt vollständig lesbar sein, aber sie sollte zumindest die Identität des Unterzeichnenden erkennen lassen.

Ein Handzeichen oder eine Paraphe hingegen ist eine stark vereinfachte Form der Unterschrift, oft eine Abkürzung oder ein Kürzel, das nicht genügend Merkmale aufweist, um eine ausreichende Authentifizierung sicherzustellen. Sie wahren die Schriftform nur im Falle einer notariellen Beglaubigung.

Wenn eine Kündigung mit einem Handzeichen oder einer Paraphe anstelle einer vollständigen Unterschrift unterzeichnet wird, kann sie unwirksam sein. Dies liegt daran, dass sie nicht die erforderliche Rechtssicherheit und Beweiserleichterung bei Rechtsstreitigkeiten gewährleistet. Daher ist es ratsam, bei der Unterzeichnung einer Kündigung äußerste Sorgfalt walten zu lassen und sicherzustellen, dass der Schriftzug möglichst lang ist und einzelne Buchstaben erkennen lässt.

Welche rechtlichen Folgen hat es, wenn eine Kündigung ohne entsprechende Vertretungsmacht ausgesprochen wird, insbesondere im Hinblick auf § 180 Satz 1 BGB?

Gemäß § 180 Satz 1 BGB ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht bei einem einseitigen Rechtsgeschäft, wie einer Kündigung, unzulässig. Wenn eine Kündigung von einer Person ohne entsprechende Vertretungsmacht ausgesprochen wird, ist sie grundsätzlich unwirksam.

Wenn der Arbeitnehmer die Kündigung unverzüglich und aus diesem Grund zurückweist, bleibt die Kündigung unwirksam. Eine solche Zurückweisung muss nicht ausdrücklich erfolgen, sollte aber aus der Begründung oder anderen Umständen eindeutig und für den Kündigenden zweifelsfrei erkennbar sein.

Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen eine Kündigung durch eine Person ohne Vertretungsmacht wirksam sein kann. Eine davon ist, wenn der Arbeitnehmer die behauptete Vertretungsmacht des Kündigenden nicht beanstandet hat oder damit einverstanden war, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt. Eine weitere Ausnahme kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Position des Kündigenden im Unternehmen davon ausgehen konnte, dass dieser zur Kündigung berechtigt ist.

Wenn eine Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht ausgesprochen und später vom Arbeitgeber genehmigt wird, wird sie rückwirkend wirksam. Allerdings beginnt die Klagefrist des § 4 KSchG erst mit dem Zugang der Genehmigung des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer.

Es ist daher für Arbeitnehmer wichtig, bei Erhalt einer Kündigung zu prüfen, ob die Person, die die Kündigung ausgesprochen hat, dazu berechtigt war. Bei Zweifeln sollte die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen und rechtlicher Rat eingeholt werden.

Welche Bedeutung hat die Klausel „ppa“ (per procura) im Kontext von Kündigungen und Unterschriften, insbesondere hinsichtlich der Vertretungsmacht und der Schriftform?

Die Klausel „ppa“ (per procura) ist eine Unterschriftenzusatz, der in Geschäftsbriefen und anderen offiziellen Dokumenten verwendet wird. Sie zeigt an, dass der Unterzeichner eine Prokura hat, also eine umfassende Handlungsvollmacht besitzt, die ihm von einem Unternehmen erteilt wurde, um in dessen Namen im Geschäftsverkehr mit Dritten zu handeln.

Im Kontext von Kündigungen ist die Verwendung von „ppa“ besonders relevant, da die Wirksamkeit einer Kündigung von der korrekten Unterschrift abhängt. Gemäß § 623 BGB ist für die Wirksamkeit der Kündigung die Schriftform erforderlich, und der Kündigende oder ein Vertreter müssen eigenhändig unterschreiben. Wenn eine nicht berechtigte Person das Kündigungsschreiben unterschreibt, kann die Kündigung unwirksam sein.

Ein Prokurist, der mit „ppa“ unterschreibt, ist befugt, im Namen der Gesellschaft alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, mit Ausnahme der Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Die Prokura muss ausdrücklich erteilt werden und wird mit notarieller Beglaubigung ins Handelsregister eingetragen.

Es ist zu beachten, dass eine Unterschrift ohne den Zusatz „ppa“ nicht automatisch unwirksam ist. Aus der Unterschrift muss nur erkennbar sein, dass im Namen des Inhabers gehandelt wurde. Allerdings schafft die korrekte Kennzeichnung Rechtssicherheit.

Eine Ausnahme von der Regel, dass eine Vollmacht vorgelegt werden muss, besteht, wenn der Erklärungsempfänger Kenntnis von der Vollmacht oder der Prokura hat, weil er etwa im gleichen Betrieb beschäftigt ist.

Unberechtigtes Unterschreiben mit „ppa“ kann ernsthafte Konsequenzen haben, da es eine Vollmacht vortäuscht, die nicht vorhanden ist. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen klare Unterschriftenregelungen haben, um rechtliche Sicherheit zu gewährleisten und teure Irrtümer zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 17 Sa 1400/21 – Urteil vom 28.06.2022

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.10.2021 – 1 Ca 1001/21 – wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Feststellung in Ziff. 1 des Tenors richtet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2021 nicht aufgelöst worden ist.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen mit etwa 750 Arbeitnehmern, die ungefähr 2500 Menschen mit Einschränkungen betreuen. Als gemeinnützige Gesellschaft ist es das Ziel der Beklagten, Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen des Lebens eine volle und gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Hierzu bietet die Beklagte sowohl berufliche Bildung als auch Arbeitsmöglichkeiten an und hält verschiedene Wohnangebote vor.

Der am 31.12.1969 geborene und verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.04.2005 als Betreuer zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 3.785,32 Euro beschäftigt. Der Kläger wird im Bereich „Berufliche Teilhabe“ eingesetzt und betreut Menschen mit Behinderung. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst des Bundes Anwendung.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommt unter anderem die Betriebsvereinbarung Nr. 1 Arbeitszeit in der Fassung vom 11.12.2002 (Bl. 111 ff. GA) zur Anwendung, die auszugsweise lautet:

㤠4 a Arbeitszeit im Bereich Berufliche Teilhabe

1. … Die tägliche Arbeitszeit ist von montags bis einschließlich donnerstags von 07:30 Uhr bis 16:05 Uhr. Freitags wird in der Zeit von 07:30 Uhr bis 14:40 Uhr gearbeitet. …

….

§ 5 Pausenzeiten

4. Die Lage der Pausen wird von den Arbeitnehmern in Abstimmung mit dem Team, den Standortleitungen und den betrieblichen Anforderungen (z.B. Aufsicht) festgelegt und genommen. In den Bereichen können hiervon abweichende Regelungen getroffen werden.

§ 8 Erfassung und Kontrolle von Arbeitszeiten

1. Die Arbeitgeberin wird die Arbeits- und Anwesenheitszeiten der Arbeitnehmer bis auf Weiteres nicht durch ein elektronisches oder mechanisches Zeiterfassungssystem kontrollieren, da sie auf das Verantwortungsbewusstsein der Arbeitnehmer und die Richtigkeit ihrer Angaben vertraut.

2. Jeder Arbeitnehmer wird ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Betriebsvereinbarung seine tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten in einem mittels EDV an einem Computer nach Weisung der Arbeitgeberin vorgegebenen Vordruck eintragen. Ist am Arbeitsplatz beziehungsweise im jeweiligen Arbeitsbereich eines Arbeitnehmers kein Computer vorhanden oder nutzbar, kann mit Zustimmung der Geschäftsführung oder jeweiligen Leitung dieser Arbeitszeit-Nachweis handschriftlich ausgefüllt werden. Die Arbeitszeit-Nachweise werden jeweils am Ende eines Kalendermonats von den Arbeitnehmern ihrer/ihrem Vorgesetzten ausgehändigt und von beiden abgezeichnet. Die Arbeitszeit wird im Arbeitszeitkonto verbucht.“

Die Mittagspause liegt im Bereich „Berufliche Teilhabe“ normalerweise in der Zeit von 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr. Etwaige Abweichungen in Arbeits- und/oder Pausenzeiten sind von den Mitarbeitern auf den sogenannten Zeitsummenkarten einzutragen.

Am 12.04.2021 wandte sich die Kollegin des Klägers, Frau A. , in deren Abteilung der Kläger seit kurzem nach einer Versetzung arbeitet, zunächst per E-Mail an den Vorgesetzten des Klägers, Herrn B. , und teilte ihm mit, dass sie gesehen habe, wie der Kläger vormittags um kurz nach 09:00 Uhr für ca. 15 Minuten das Betriebsgelände verlassen habe und dass er ein weiteres Mal, ca. 15 Minuten nach Beendigung seiner Mittagspause, das Betriebsgelände erneut für ca. eine Stunde mit dem Auto verlassen habe. Anschließend telefonierte Herr B. mit Frau A. , um die näheren Umstände zu erfragen. Frau A. wies darauf hin, dass diese beiden Abwesenheiten nach ihrer Einschätzung nicht mit der Erbringung einer Arbeitsleistung durch den Kläger erklärt werden könnten. Herr B. wartete sodann ab, bis ihm die Zeitsummenkarte des Klägers für den Monat April 2021 vom Kläger vorgelegt wurde, um prüfen zu können, ob der Kläger die entsprechenden Abwesenheitszeiten eingetragen hatte. Am 03.05.2021 übermittelte der Kläger die Zeitsummenkarte für April 2021 an Herrn B. . Die von der Kollegin A. behaupteten Abwesenheitszeiten des Klägers am 12.04.2021 waren auf der Zeitsummenkarte nicht vermerkt.

Am 04.05.2021 informierte Herr B. die Personalleiterin der Beklagten C. über den Sachverhalt. Im Nachgang teilte Frau C. gegenüber den weiteren bei der Beklagten Beteiligten mit, dass sie ihrerseits den Kläger am Morgen des 04.05.2021 um 08:05 Uhr gesehen habe, wie er mit geöffneter Motorhaube mit seinem PKW befasst gewesen sei. Zudem teilte Frau A. mit, dass der Kläger am 04.05.2021 das Betriebsgelände zwischen 10:00 Uhr und 11:00 Uhr zweimal erneut für ca. 15 Minuten verlassen habe.

Am 05.05.2021 sprach der Kläger seine Kollegin A. auf die Lage der Pausenzeit an und erklärte, er wolle an jenem Tag zu einem abweichenden Zeitpunkt Pause machen. Dies hätte dazu geführt, dass die vom Kläger und Frau A. betreuten Menschen mit Behinderung für eine gewisse Zeit ohne Betreuung gewesen wären. Frau A. teilte dem Kläger mit, zu versuchen, bereits zum 12:20 Uhr von ihrer Pause wieder in der Einrichtung zu sein, sie könne es aber nicht versprechen. Tatsächlich kam Frau A. am 05.05.2021 dann erst gegen 12:30 Uhr an ihren Arbeitsplatz zurück. Als sie zurückkehrte, fand sie die zu betreuenden Menschen alleine vor. Der Kläger nahm seine Mittagspause an jenem Tag in der Zeit von 12:20 Uhr bis 12:50 Uhr. Hierrüber hatte er seinen Vorgesetzten nicht informiert.

Am 06.05.2021 wurde der Kläger von Herrn B. und Frau C. zu den gegenüber ihm erhobenen Vorwürfen befragt.

Am 10.05.2021 kam es zu einem weiteren Gespräch mit dem Kläger, indem er erneut mit den gegenüber ihm erhobenen Vorwürfen konfrontiert wurde.

Mit Schreiben vom 12.05.2021 (Bl. 21 ff. GA) hörte die Beklagten den bei ihren bestehenden Betriebsrat an und erklärte ihre Absicht, gegenüber dem Kläger eine außerordentliche fristlose Kündigung sowie hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist auszusprechen.

Mit Schreiben vom 17.05.2021 (Bl. 213 ff. GA) nahm der Betriebsrat Stellung und erklärte, bezüglich der fristlosen Kündigung Bedenken zu äußern und der beabsichtigten hilfsweisen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zu widersprechen.

Mit Schreiben vom 19.05.2021, welches dem Kläger am 20.05.2021 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos mit sofortiger Wirkung. Das Kündigungsschreiben (Bl. 13 GA) enthält in der Unterschriftenzeile nebeneinander die maschinengeschriebenen Namen von Herrn Dr. D. , dem Werkstattleiter der Beklagten, und Frau F. , der kaufmännischen Leiterin der Beklagten. Herr Dr. D. und Frau F. besitzen jeweils Gesamtprokura für die Beklagte. Das handschriftliche Zeichen über dem maschinengeschriebenen Namen von Frau F. besteht aus einer nahezu senkrecht verlaufenden Linie und einem kurzen wellenförmigen Auslauf. Daneben sind handschriftlich die Buchstaben „ppa“ aufgeführt.

Mit Schreiben vom 20.05.2021, welches dem Kläger ebenfalls am 20.05.2021 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.11.2021 (Bl. 14 GA).

Gegen diese beiden Kündigungserklärungen erhob der Kläger mit einem am 20.05.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage, welcher der Beklagten am 26.05.2021 zugestellt wurde. In der Klageschrift rügt der Kläger im Hinblick auf beide Kündigungen die Nichteinhaltung der Schriftform und beanstandet, dass die Kündigungsschreiben von den Prokuristen nicht unterzeichnet, sondern lediglich paraphiert worden seien. Darüber hinaus macht er geltend, dass die Kündigungen selbst dann unwirksam seien, wenn eine der beiden Paraphen aus Sicht des Gerichts eine Unterschrift sein sollte. Denn in diesem Falle würde eine zweite Unterschrift fehlen. Die beiden Prokuristen Dr. D. und Frau F. hätten nur Gesamtprokura und könnten alleine nicht wirksam kündigen.

Mit einem am 31.05.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte die Beklagte Klageabweisung.

Mit Schreiben vom 30.06.2021, welches dem Kläger am 30.06.2021 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2021. Diese Kündigung griff der Kläger mit einem am 05.07.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz an.

Mit Schreiben vom 30.07.2021, welches dem Kläger am 30.07.2021 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger vorsorglich erneut außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31.01.2022. Diese Kündigung griff der Kläger mit einem am 03.08.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz an.

Der Kläger hat behauptet, am 12.04.2021 habe er seinen Arbeitsplatz nicht verlassen. Es habe das Betriebsgelände während der Arbeitszeit weder zu Fuß noch mit dem Auto verlassen. Im Hinblick auf die von ihm für April 2021 übermittelte Zeitsummenkarte hat der Kläger zunächst im Schriftsatz vom 19.07.2021 vorgetragen, er habe auf der Zeitsummenkarte folgendes vermerkt:

„Nach besten Wissen und Gewissen, konnte allerdings erst ab dem 28.04. wieder auf die ZSK zugreifen, weil das Team 44 noch im alten System unterwegs war. Bei Fragen oder Unklarheiten melde Dich bitte“.

Mit Schriftsatz vom 12.10.2021 hat der Kläger vorgetragen, die von ihm behauptete Bemerkung habe er nicht in der eigentlichen Zeitsummenkarte, sondern auf der Folgeseite des Programms unter „Bemerkungen“ eingetragen. Im Kammertermin vom 14.10.2021 hat der Kläger erklärt, er habe den von ihm behaupteten Satz in die Zeitsummenkarte aufgenommen und sich davon einen Screenshot nach Hause geschickt. Anschließend habe er die Zeitsummenkarte so, wie die Beklagte sie im Verfahren vorgelegt habe, an die Arbeitgeberin geschickt und auf einem gesonderten Blatt im Programm wörtlich das geschrieben, was dem Gericht als Bemerkung auf der Zeitsummenkarte vorgelegt worden sei.

Am 04.05.2021 habe er seinen Arbeitsplatz einige Male verlassen, weil er im Nachbargebäude Material für die zu erledigenden Aufträge habe holen müssen. Am 05.05.2021 seien die zu betreuenden Menschen mit Behinderungen nur ca. fünf Minuten alleine gewesen seien. Zudem sei der Kläger telefonisch erreichbar gewesen. Die Menschen würden seine Telefonnummer kennen, weil sie sich morgens bei ihm telefonisch abmelden müssten, wenn sie nicht zur Arbeit kommen. Zudem komme es immer mal wieder vor, dass die zu betreuenden Menschen für ein paar Minuten alleine seien. Insbesondere während der wöchentlichen Teambesprechungen, die während der Arbeitszeit stattfänden, seien die zu betreuenden Menschen auch für längere Zeiträume ohne Betreuung. Während dieser Teambesprechungen reiche das Mitführen eines Telefons aus, um im Notfall für die zu betreuenden Menschen erreichbar zu sein.

Der Kläger sei sich mit dem Standortleitungen einig gewesen, dass er nicht jede Änderung der Pausenzeiten in der Zeitsummenkarte eintragen müsse, weil es oft vorgekommen sei, dass im angedachten Pausenzeitraum Arbeiten anfielen.

Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, dass die streitgegenständlichen Kündigungen unwirksam seien. Die Beklagte habe bereits die Schriftform nicht eingehalten, weil es sich bei den Schriftzeichen auf den Kündigungen vom 19.05.2021 und 20.05.2021 nicht um Unterschriften, sondern um bloße Paraphen handele. Darüber hinaus liege auch keine Pflichtverletzung des Klägers vor.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19.05.2021, zugegangen am 20.05.2021, nicht aufgelöst wurde, sondern unverändert weiter fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wird; festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 20.05.2021, zugegangen am 20.05.2021, nicht zum 30.11.2021 aufgelöst wurde, sondern unverändert weiter fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wird;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 30.06.2021, zugegangen am 30.06.2021, nicht zum 31.12.2021 aufgelöst wird, sondern unverändert weiter fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wird;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 30.07.2021, zugegangen am 30.07.2021, nicht zum 31.01.2022 aufgelöst wird, sondern unverändert weiter fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wird.

Hilfsweise für den Fall, dass die Feststellungsanträge abgewiesen werden, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine endgültiges Arbeitszeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten/Führung und Leistung erstreckt, § 109 GewO.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen;

das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtsgestellt wird, aufzulösen zum 30.11.201, hilfsweise zum 31.12.2021, äußerst hilfsweise zum 31.01.2022.

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, seitdem der Kläger ordentlich unkündbar sei, habe er nur noch wenig Motivation gezeigt. Er habe sich gegenüber Kollegen wiederholt dahingehend geäußert, dass er sich nicht mehr anstrengen müsse.

Am 12.04.2021 habe der Kläger um kurz nach 09:00 Uhr seinen Arbeitsplatz und das Betriebsgelände mit dem Auto verlassen und sei erst 15 Minuten später zurückgekehrt. Das Verlassen des Betriebsgeländes sei nicht durch Arbeitsaufgaben des Klägers gerechtfertigt gewesen. Die Unterbrechung seiner Arbeitszeit habe der Kläger weder mit seiner Kollegin Frau A. noch mit dem Vorgesetzten Herrn B. abgesprochen. Der Kläger habe die Abwesenheit auch nicht auf der Zeitsummenkarte für den Monat April 2021 vermerkt. Nachdem der Kläger an jenem Tag zwischen 11:30 Uhr und 12:00 Uhr seine vorgezogene Mittagspause gemacht habe, habe er das Betriebsgelände von ca. 12:15 Uhr bis 13:05 Uhr erneut mit dem Auto verlassen. Auch diese Abwesenheit sei nicht durch die geschuldete Arbeitsleistung bedingt und sei nicht in Erfüllung der Arbeit des Klägers erfolgt. Auch über diese Abwesenheit habe der Kläger weder seine Kollegin Frau A. noch seinen Vorgesetzten Herrn B. informiert. Der Kläger habe auch diese Abwesenheit nicht auf der Zeitsummenkarte vermerkt. Die vom Kläger behauptete Bemerkung auf der Zeitsummenkarte für April 2021 habe sich tatsächlich nicht auf der Zeitsummenkarte befunden. Eine solche Bemerkung habe sich auch nicht auf der zweiten Seite oder an einer anderen Stelle des Programms befunden.

Am 04.05.2021 sei der Kläger pünktlich um 07:30 Uhr an seinem Arbeitsplatz erschienen. Kurze Zeit später habe er den Arbeitsplatz jedoch verlassen, ohne dass dies zur Erfüllung seiner Arbeitspflicht erforderlich gewesen sei. Er habe sich zum Parkstreifen an der Hans-Böckler-Straße begeben auf dem er seinen privaten PKW geparkt hatte, und habe sich dort mit seinem Auto befasst. Hierbei sei der Kläger um 08:05 Uhr von der Personalleiterin der Beklagten C. gesehen worden. Auch diese Unterbrechung seiner Arbeitszeit habe der Kläger weder mit seiner Kollegin noch mit seinem Vorgesetzten abgesprochen. Er habe diese Arbeitsunterbrechung auch nicht auf der Zeitsummenkarte vermerkt. Im weiteren Verlauf des 04.05.2021 habe der Kläger sodann zwischen 10:00 Uhr und 11:00 Uhr zwei weitere Male das Betriebsgelände für jeweils ca. 15 Minuten verlassen. Auch diese Abwesenheitszeiten seien weder mit der Kollegin Frau A. noch mit dem Vorgesetzten Herrn B. abgesprochen worden. Der Kläger habe die Abwesenheitszeiten auch nicht auf der Zeitsummenkarte vermerkt.

Am 05.05.2021 habe der Kläger die zu betreuenden Menschen mit Behinderungen für einen nicht unerheblichen Zeitraum alleine gelassen. Änderungen der Lage oder Verlängerungen von Pausen seien stets mit den Kollegen vor Ort abzustimmen, damit die Betreuung der Menschen mit Behinderung gesichert werden könne. Wenn Teambesprechungen stattfinden, würden die anwesenden Menschen mit Behinderungen darüber informiert. Der fitteste von ihnen bekomme ein Telefon mit dem Hinweis darauf, welche Nummer er wählen müsse und dass er sich sofort melden solle, wenn es irgendein Problem gebe. Die Menschen mit Behinderungen wüssten, wo sich die Betreuer aufhalten. Zudem fänden die Teambesprechungen in einem verglasten Raum direkt im Gebäude statt, sodass die Betreuer ein Auge auf die Situation haben könnten. Die Situation bei Teambesprechungen sei somit keinesfalls mit der Situation vergleichbar, die am 05.05.2021 aufgrund der abweichenden Pausenzeiten des Klägers eingetreten sei.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsverhältnis bereits durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.05.2021 wirksam beendet worden sei. Die Schriftzeichen von Dr. D. und Frau F. unter dieser Kündigung stellten Unterschriften und nicht lediglich Handzeichen dar. Selbst wenn die Unterschrift von Frau F. nicht als ordnungsgemäße Unterschrift, sondern als Paraphe angesehen würde, läge kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis vor, weil die von Dr. D. geleistete Unterschrift zweifelsfrei als solche zu qualifizieren sei und insoweit bereits dem Schriftformerfordernis genügt sei. Eine etwaige dann fehlende Vertretungsmacht von Dr. D. sei geheilt worden, indem die Beklagte die Kündigungserklärung konkludent durch ihren Klageabweisungsantrag vom 31.05.2021 genehmigt habe. Diese Genehmigung sei der Beklagten auch noch möglich gewesen, weil der Kläger das Fehlen einer Vertretungsberechtigung von Dr. D. nicht rechtzeitig beanstandet habe. Zudem liege auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, weil der Kläger mehrfach seinen Arbeitsplatz verlassen habe, auf der Zeitsummenkarte jedoch jeweils vorgespiegelt habe, tatsächlich gearbeitet zu haben. Zudem habe er seine Pflicht zur Abstimmung seiner Pausenzeiten mit der Kollegin und dem Vorgesetzten mehrfach verletzt und darüber hinaus die ihm anvertrauten Menschen mit Behinderungen zumindest in einem Fall bewusst allein gelassen. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei der Beklagten unter diesen Umständen nicht zumutbar. Sollte die außerordentliche Kündigung vom 19.05.2021 unwirksam sein, so sei das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch die weiteren Kündigungen vom 20.05.2021, 30.06.2021 und 30.07.2021 beendet worden. Bei Unwirksamkeit der Kündigungen sei das Arbeitsverhältnis jedenfalls aufzulösen. Der Kläger habe im Prozess wahrheitswidrig vorgetragen, dass er auf dem Arbeitszeitnachweis für April 2021 eine Bemerkung eingefügt habe, die er in Wirklichkeit nicht an die Beklagte übersandt habe. Daher sei der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar.

Mit Urteil vom 14.10.2021 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.05.2021 sei unwirksam. Das Schriftzeichen von Frau F. auf dem Kündigungsschreiben vom 19.05.2021 lasse nicht erkennen, dass sie eine Unterschrift habe leisten wollen; es handele sich um eine bloße Paraphe. Auch das Schriftzeichen von Dr. D. begegne Bedenken. Selbst wenn man insoweit von einer wirksamen Unterschrift ausgehe, habe der Kläger die dann fehlende Vertretungsbefugnis von Dr. D. unverzüglich gerügt. Darüber hinaus liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. Der Beklagten sei es zuzumuten gewesen, eine Abmahnung auszusprechen und das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Aus denselben Gründen sei auch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 20.5.2021 unwirksam. Auch insoweit fehle es an einer Unterschrift von Frau F. und einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB. Die letzten beiden Kündigungen vom 30.06.2021 und vom 30.07.2021 seien unwirksam, weil die Beklagte insoweit die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Der Auflösungsantrag der Beklagten sei abzuweisen, weil der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei.

Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 27.10.2021 eine weitere fristlose Kündigung sowie hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.04.2022 erklärt. Diese Kündigung ist dem Kläger nach seinem Vortrag am 28.10.2021 zugegangen. Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die derzeit beim Arbeitsgericht Bielefeld unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1996/21 geführt wird. Kammertermin in jenem Verfahren ist auf den 24.08.2022 anberaumt worden.

Gegen das der Beklagten am 22.10.2021 zugestellte Urteil richtet sich deren am 19.11.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die sie innerhalb der bis zum 02.02.2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet: Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts stellten die auf dem Kündigungsschreiben vom 19.05.2021 und 20.05.2021 befindlichen Handzüge schriftformwahrende Unterschriften dar. Selbst wenn die Unterschrift von Frau F. als bloße Paraphe angesehen werden sollte, läge kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis vor, weil die von Dr. D. geleistete Unterschrift zweifelsfrei als solche zu qualifizieren sei. Damit habe eine von mindestens einer Person ordnungsgemäß unterzeichnete Kündigungserklärung vorgelegen, so dass das Schriftformerfordernis eingehalten sei. Eine etwaige fehlende Vertretungsmacht von Dr. D. sei im Ergebnis unschädlich, weil die Beklagte die Kündigungserklärung jedenfalls durch ihren Klageabweisungsantrag im vorliegenden Verfahren nachträglich genehmigt habe. Diese Genehmigung sei ihr auch noch möglich gewesen, da der Kläger das Fehlen einer Vertretungsberechtigung von Dr. D. nicht rechtzeitig gerügt habe.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts liege auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor. Der Kläger habe seinen Arbeitsplatz wiederholt verlassen und gleichwohl durch Vorlage der Zeitsummenkarten vorgespiegelt, gearbeitet zu haben. Zudem habe er die Pflicht zu Abstimmung mit seiner Kollegin und seinem Vorgesetzten verletzt. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls sei eine Abmahnung im vorliegenden Falle entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts entbehrlich gewesen. Es handele sich um so schwerwiegende Pflichtverletzungen, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch die Beklagte erkennbar ausgeschlossen gewesen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis schon zuvor belastet gewesen sei, da die Beklagte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 11.06.2019 eine Abmahnung wegen Beleidigung eines Menschen mit Behinderung ausgesprochen habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.10.2021- 1 Ca 1001/21 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen und führt ergänzend aus: Die Kündigungen vom 19.05.2021 und 20.05.2021 seien bereits formunwirksam, da es sich bei den angeblichen Unterschriften um Paraphen handele. Darüber hinaus liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. Der in der Abmahnung vom 11.06.2019 vorgetragene Sachverhalt werde bestritten.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c) ArbGG) und nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs.1 Satz 1 ArbGG am 19.11.2021 gegen das am 22.10.2021 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der bis zum 02.02.2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.

II. Mit dem vorliegenden Teilurteil wird allein über die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.05.2021 entschieden. Hinsichtlich der weiteren streitgegenständlichen Kündigungen der Beklagten vom 20.05.2021, 30.6.2021 und 30.7.2021 ist der Rechtsstreit noch nicht zur Endentscheidung reif. Denn diese Kündigungen sollen als außerordentliche Kündigungen mit sozialer Auslauffrist das Arbeitsverhältnis erst zum 30.11.2021, 31.12.201 bzw. 31.1.2022 beenden. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2021, die den Streitgegenstand des derzeit vor dem Arbeitsgericht Bielefeld anhängigen Kündigungsschutzverfahrens 6 Ca 1996/21 bildet, würde das Arbeitsverhältnis jedoch bereits zu einem früheren Termin beenden und ist daher vorgreiflich. Eine Entscheidung über die Kündigungen der Beklagten vom 20.05.2021, 30.6.2021 und 30.7.2021 im hiesigen Verfahren hätte Auswirkungen auf das Verfahren beim Arbeitsgericht Bielefeld, weil bei einer klagestattgebenden Entscheidung angesichts des sog. erweiterten punktuellen Streitgegenstandsbegriffs auch festgestellt würde, dass das Arbeitsverhältnis bis zum jeweils vorgesehenen Auflösungszeitpunkt noch bestanden hat (vgl. BAG 24.05.2018 – 2 AZR 67/18Rn. 20 mwN). Der Kläger hat den Gegenstand der Beendigungsschutzanträge auch nicht dahingehend begrenzt, dass mit ihnen nur isoliert über die Wirksamkeit der Kündigungen und nicht über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigungen entschieden werden soll (vgl. zur „Ausklammerung“ BAG 20.05.1999 – 2 AZR 278/98 – zu I der Gründe; 24.05.2018 – 2 AZR 67/18 – Rn. 20). Gegen einen solchen Willen des Klägers spricht schon der Umstand, dass er neben den Kündigungsschutzanträgen auch eine allgemeine Feststellungsklage erhoben hat, mit der gerade umfassend geklärt werden soll, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzanträge nicht erfasst sind (vgl. BAG 16.12.2021- 6 AZR 154/221 – Rn. 16).

III. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2021 nicht aufgelöst worden ist.

1. Der diese Kündigung betreffende Klageantrag ist zulässig. Auch wenn der Kläger die Schriftform der Kündigung in Frage stellt, handelt es sich um eine Kündigungsschutzklage iSd. § 4 Satz 1 KSchG und nicht um eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO, weil die Beklagte sich einer schriftlichen Kündigung berühmt und – sollte sie damit Recht haben – die Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG droht (vgl. BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 18; ErfK/Kiel, 22. Aufl. § 4 KSchG Rn. 8; Niemann NZA 2019, 65, 67).

2. Der Klageantrag ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.05.2021 nicht aufgelöst worden.

a) Die Kündigung gilt nicht gemäß §§ 4 Satz 1, 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KschG als rechtswirksam. Gegen die ihm am 20.05.2021 zugegangen Kündigung hat der Kläger am 20.05.2021 und somit rechtzeitig innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhoben.

b) Die Kündigung ist gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam.

aa) Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass Dr. D. das Kündigungsschreiben vom 19.05.2021 unterschrieben und nicht lediglich paraphiert hat. Jedoch stellt das Schriftzeichen von Frau F. keine Unterschrift iSd. §§ 623, 126 Abs. 1 BGB dar.

(1) Die in § 623 BGB angeordnete Schriftform der Kündigung soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirken. Durch die dazu von § 126 Abs. 1 BGB verlangte eigenhändige Unterschrift wird der Aussteller der Urkunde erkennbar. Die Unterschrift stellt eine unzweideutige Verbindung zwischen Erklärung und Erklärendem her. Der Empfänger der Erklärung erhält die Möglichkeit zu überprüfen, wer sie abgegeben hat und ob sie echt ist (BAG 24.01.2008 – 6 AZR 519/07 – Rn. 11; 21.04.2005 – 2 AZR 162/04 – zu II 1 der Gründe; 06.09.2012 – 2 AZR 858/11 – Rn. 16). Für die Einhaltung der Schriftform ist deshalb erforderlich, dass alle Erklärenden die schriftliche Willenserklärung unterzeichnen (BAG 28. 11. 2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 18).

Eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt (BAG 30.08.2000 – 5 AZB 17/00 – zu II 1 der Gründe; 25.04.2007 – 10 AZR 246/06 – Rn. 25). Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter, von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichneter Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein (BAG, 25.02.2015 – 5 AZR 849/13 – Rn. 19). Die Unterschrift ist von einer bewussten und gewollten Namensabkürzung (Handzeichen, Paraphe) zu unterscheiden (BGH 21.02. 2008 – V ZB 96/07 – Rn. 8; 10.07.1997 – IX ZR 24/97 – zu II 1 der Gründe mwN). Auch das Gesetz differenziert in § 126 Abs. 1 BGB zwischen einer Namensunterschrift und einem Handzeichen; letzteres wahrt die Schriftform nur im Falle notarieller Beglaubigung. Für die Abgrenzung zwischen Unterschrift und Handzeichen (Paraphe) ist das äußere Erscheinungsbild maßgebend. Der Wille des Unterzeichnenden ist nur von Bedeutung, soweit er in dem Schriftzug seinen Ausdruck gefunden hat (BAG 06.09.2012 – 2 AZR 858/11 – Rn. 18).

(2) Gemessen an diesen Grundsätzen stellt das auf der Kündigungserklärung befindliche Schriftzeichen über dem maschinengeschriebenen Namen von Frau F. keine Unterschrift dar. Es besteht aus einer nahezu senkrecht verlaufenden Linie und einem kurzen wellenförmigen Auslauf. Dieses Schriftzeichen kann allenfalls als ein einzelner Buchstabe („L“) gedeutet werden. Nach seinem äußeren Erscheinungsbild stellt es sich folglich nicht als Wiedergabe eines Namens, sondern als Handzeichen, d.h. als eine bewusste und gewollte Namensabkürzung dar (vgl. allg. BGH 11.02.1982 – III ZR 39/81 – zu II der Gründe). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Nachname von Frau F. aus zwölf Buchstaben besteht und das Schriftzeichen eine Länge von lediglich 1 – 1,5 cm aufweist (vgl. allg. BAG 24.01.2008 – 6 AZR 519/07 – Rn. 12). Selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist daher nach dem äußeren Erscheinungsbild die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung nicht ansatzweise erkennbar. Dies bestätigt ein Vergleich mit anderen, von Frau F. unterzeichneten Dokumenten. Auf einem Dokument, mit dem Frau F. und Dr. D. der Personalleiterin der Beklagten C. eine Handlungsvollmacht erteilten (Bl. 142 GA), hat Frau F. mit Vor- und Nachnamen unterzeichnet. Der Nachname besteht aus einem 3 – 3,5 cm langen Schriftgebilde, welches mehrere Buchstaben erkennen lässt und zudem mehrere Auf- und Abschwünge enthält, um die Buchstaben des Nachnamens abzubilden. Ein Vergleich mit dieser Unterschrift von Frau F. macht deutlich, dass das Schriftzeichen unter der hier streitgegenständlichen Kündigung keine Wiedergabe eines Namens, sondern eine bewusste und gewollte Namensabkürzung darstellt. Nach dem gesamten Schriftbild ist nicht mehr als ein Handzeichen zu erkennen. Auch zwei weitere Unterschriften von Frau F. , mit der sie den Prozessbevollmächtigten der Beklagten Prozessvollmacht erteilte (Bl. 167, 168 GA), weichen erkennbar von dem Schriftzeichen auf der Kündigungserklärung ab. Dass sich vor dem Schriftzeichen der Zusatz „ppa“ befindet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar kann dieser Zusatz darauf hindeuten, dass eine nach außen gerichtete, für den Rechtsverkehr verbindliche und nicht nur eine interne Erklärung abgegeben werden soll (§ 51 HGB, vgl. auch BAG 06.09.2012 – 2 AZR 858/11 – Rn. 21). Allein dieser Zusatz führt jedoch nicht zur Einhaltung der Schriftform, wenn sich das anschließende Namenszeichen – wie im vorliegenden Fall – erkennbar nicht als Unterzeichnung mit dem vollen Namen, sondern als Handzeichen, d.h. als bewusst abgekürzte Form des Namens darstellt.

bb)  Da somit allein Dr. D. das Kündigungsschreiben unterzeichnete, handelte er „ohne Vertretungsmacht“ iSd. § 180 Satz 1 BGB.

(1) Dr. D. hat die ihm zustehende Vertretungsmacht überschritten, weil er die Kündigung alleine unterschrieb, jedoch lediglich Gesamtprokura besaß (vgl. BGH 20.12.2007 – IX ZR 210/05 – Rn. 2; MüKoBGB/Schubert 9. Aufl.§ 177 Rn. 15; BeckOGK/Ulrici, 1.8.2021, BGB § 177 Rn. 95; BeckOK BGB/Schäfer, 62. Ed. 1.5.202 § 177 Rn. 7). Dabei ist ohne Belang, ob Dr. D. diese Überschreitung bewusst war oder nicht (vgl. BeckOGK/Ulrici, 1.8.2021, BGB § 177 Rn. 101; Grüneberg/Ellenberger BGB 81. Aufl. § 177 Rn. 1).

(2) Eine Überschreitung der Vertretungsmacht läge nicht vor, wenn Frau F. Dr. D. vorab zur Alleinvertretung der Beklagten im Rahmen der Kündigungserklärung ermächtigt hätte (vgl. allg. MüKoBGB/Schubert 9. Aufl.§ 164 Rn. 214; ErfK/Oetker, 22. Aufl. 2022, HGB § 48 Rn. 1). Dass eine solche Ermächtigung erteilt wurde, ist aber weder ersichtlich noch von der Beklagten behauptet worden. Auch kann das Handzeichen von Frau F. auf dem Kündigungsschreiben nicht in eine Ermächtigung von Dr. D. zur Alleinvertretung der Beklagten umgedeutet werden. Dagegen spricht bereits, dass sich dann die persönlichen Verantwortlichkeiten für die Kündigung anders gestalten würden, als sie von der Beklagten gewollt waren: Im Verhältnis zum Kläger wäre die Kündigung nicht mehr von Frau F. und Dr. D. gemeinsam, sondern ausschließlich von Dr. D. zu verantworten (vgl. zur vergleichbaren Situation bei einem Verstoß gegen § 181 BGB BGH 08.10.1991 – XI ZR 64/90 – zu 2 a aa der Gründe; zu einem Verstoß gegen § 623 BGB bei Gesamtprokura LAG Hessen 04.03.2013 – 17 Sa 633/12 – Rn. 35). Zudem liefe eine solche Umdeutung dem Zweck der §§ 623 BGB, 126 Abs. 1 BGB zuwider (vgl. allg. zu diesem Kriterium im Rahmen des § 140 BGB BGH 05.02.1980 – KZR 13/79 – zu II der Gründe; 08.10.1991 – XI ZR 64/90 – zu 2 a aa der Gründe; Staudinger/Roth (2020) BGB § 140 Rn. 16; BeckOGK/Beurskens, 1.10.2021, § 140 BGB Rn. 47). Durch die eigenhändige Unterschrift wird der Aussteller der Urkunde erkennbar. Die Unterschrift stellt damit eine unzweideutige Verbindung zwischen der Urkunde und dem Aussteller her (Identitätsfunktion). Außerdem wird durch die Verbindung zwischen Unterschrift und Erklärungstext gewährleistet, dass die Erklärung inhaltlich vom Unterzeichner herrührt (Echtheitsfunktion). Schließlich erhältder Empfänger der Erklärung die Möglichkeit zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist (Verifikationsfunktion) (BAG 21.04.2005 – 2 AZR 162/04 – zu II 1 der Gründe). Diese Zwecke würden vereitelt, wenn eine formgebundene Erklärung als wirksam behandelt würde, obwohl sie nicht von allen auf ihr als Aussteller ausgewiesenen Personen unterschrieben wurde. Der auf den vorgenannten Zwecken beruhende Grundsatz, dass für die Einhaltung der Schriftform alle Erklärenden die schriftliche Willenserklärung zu unterzeichnen haben (vgl. BAG 28. 11. 2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 18), würde missachtet. Ließe man die Umdeutung einer formunwirksamen Erklärung eines Gesamtvertreters in eine Ermächtigung des anderen Gesamtvertreters zu, hätte dies die praktische Folge, dass formgebundene Erklärungen von Gesamtvertretern regelmäßig nur von einem Gesamtvertreter unterzeichnet werden müssten und bei den übrigen eine Paraphe oder ein sonstiges Zeichen ausreichen würde. Dies widerspräche erkennbar dem Zweck der §§ 623 BGB, 126 Abs. 1 BGB.

(3) Frau F. hat die Alleinvertretung durch Dr. D. bei Ausspruch der Kündigung auch nicht nachträglich analog § 177 Abs. 1 BGB iVm. § 180 Satz 2 BGB genehmigt (vgl. hierzu allg. BGH 28. 11. 2002 – VII ZR 270/01 – zu II 2 a der Gründe mwN). Dies behauptet die Beklagte auch selbst nicht. Soweit sie geltend macht, sie habe eine allein durch Dr. D. erklärte Kündigung jedenfalls durch den Klageabweisungsantrag vom 31.05.2021 nachträglich genehmigt, macht sie damit eine Genehmigung durch die Beklagte als Vertretene und nicht eine Genehmigung durch Frau F. als weitere Gesamtvertreterin geltend. Im Übrigen war diese Genehmigung verspätet, was unten näher ausgeführt wird.

cc) Da Dr. D. bei Abgabe der Kündigungserklärung somit ohne Vertretungsmacht handelte, ist die Kündigung gemäß § 180 Satz 1 BGB unzulässig und damit unwirksam (vgl. zu dieser Rechtsfolge BGH 12.11.2008 – VIII ZR 170/07 – Rn. 13; BAG 13.12.2012 – 6 AZR 608/11 – Rn. 65).

dd) Eine nachträgliche Genehmigung durch die Beklagte war ausgeschlossen, weil der Kläger den Mangel der Vetretungsmacht rechtzeitig beanstandet hat.

(1) Nach § 180 Satz 2 BGB finden die §§ 177ff. BGB mit der Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung eines einseitigen Rechtsgeschäfts unter anderem dann keine Anwendung, wenn der Erklärungsempfänger die Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts beanstandet. Die Vertretungsmacht ist also unverzüglich iSv. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu rügen (BAG 11.12.1997 – 8 AZR 699/96 – zu B I der Gründe; 13.12.2012 – 6 AZR 608/11 – Rn. 65). Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche nicht unverzüglich iSv. § 174 Satz 1 BGB, wenn keine besonderen Umstände vorliegen. Diese Grundsätze gelten auch für die Rüge der Vollmacht „bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts“ iSv. § 180 Satz 2 iVm. § 177 Abs. 1 BGB (BAG 13.12.2012 – 6 AZR 608/11 – Rn. 67; Spelge RdA 2016, 309, 314). Eine ausreichende Beanstandung der Vertretungsmacht liegt nur vor, wenn der Vertreter ausdrücklich oder konkludent wegen Zweifeln an der Legitimation zurückgewiesen wird. Erforderlich ist, dass das Handeln gerade wegen des Fehlens der Vertretungsmacht oder von Zweifeln daran nicht gelten soll (MüKoBGB/Schubert 9. Aufl. § 180 Rn. 10; Spelge RdA 2016, 309, 312).

(2) Der Kläger hat in der Klageschrift zunächst die Formunwirksamkeit der Kündigungen geltend gemacht und eingewandt, dass das Kündigungsschreiben von beiden Prokuristen lediglich paraphiert worden sei. Im Anschluss hat der Kläger ausgeführt, wenn eine Paraphe aus Sicht des Gerichts eine Unterschrift darstellen sollte, seien die Kündigungen dennoch unwirksam, weil dann eine zweite Unterschrift fehle. Die Prokuristen Dr. D. und Frau F. hätten nur Gesamtprokura und könnten daher alleine nicht wirksam kündigen. Mit diesen Vorbringen hat der Kläger deutlich gemacht, dass die Kündigung, wenn eine wirksame Unterschrift vorliegen sollte, gerade deshalb nicht geltend solle, weil der allein unterzeichnenden Person in diesem Fall die Vertretungsmacht für den Ausspruch der Kündigung gefehlt habe. Er hat damit erkennbar die (Einzel-)Vertretungsmacht für den Ausspruch der Kündigung beanstandet. Diese Beanstandung erfolgte auch unverzüglich, da die Klageschrift der Beklagten am 26.05.2021 und damit innerhalb von sechs Kalendertagen nach Zugang der Kündigung zugestellt wurde. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, die Beanstandung in der Klageschrift sei deshalb nicht mehr unverzüglich, weil der Kläger seine Beanstandung der Beklagten auch unmittelbar und nicht über den „Umweg“ über das Gericht habe zukommen lassen können, folgt die Kammer dem nicht. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer sich anschließt, ist eine Beanstandung innerhalb einer Woche grundsätzlich noch unverzüglich. Darüber hinaus ist für die Kammer nicht erkennbar, dass ein unmittelbar an die Beklagte gerichtetes Beanstandungsschreiben diese wesentlich früher erreicht hätte als die durch das Gericht zugestellte Kündigungsschutzklage.

ee) Selbst wenn man zugunsten der Beklagten von einer nicht rechtzeitigen Beanstandung durch den Kläger ausginge, hat dieser die Kündigung jedenfalls nach § 178 BGB widerrufen.

(1) Beanstandet der Arbeitnehmer die behauptete Vertretungsmacht nicht, finden gemäß § 180 Satz 2 BGB die §§ 177 ff. BGB entsprechende Anwendung. Damit gilt auch das Widerrufsrecht des § 178 BGB entsprechend (vgl. BAG 31.1.1996 – 2 AZR 91/95 – zu II 1 der Gründe; Spelge RdA 2016, 309, 315). Ein Widerruf iSd. § 178 BGB muss erkennen lassen, dass das Rechtsgeschäft wegen des Vertretungsmangels nicht gelten soll BAG 31.1.1996 – 2 AZR 91/95 – zu II 1 der Gründe; BGH 08.05.2006 – II ZR 123/05 – Rn. 22; MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. § 178 Rn. 10).

(2) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger die Kündigungserklärung durch seine Ausführungen in der Klageschrift wirksam im Sinne von § 178 BGB widerrufen. Aus seinen Ausführungen wird wie dargelegt deutlich, dass die Kündigung unter anderem wegen eines Vertretungsmangels nicht gelten soll. Im Zeitpunkt des Zugangs der Klageschrift am 26.05.2021 lag auch keine Genehmigung der Beklagten im Sinne des§ 184 BGB vor.

ff) Selbst wenn man schließlich zugunsten der Beklagten davon ausginge, dass die Kündigung genehmigungsfähig war, liegt eine wirksame Genehmigung nicht vor.

(1) Eine Genehmigung iSd. § 177 Abs. 1 BGB wirkt zwar gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf die Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück (BAG 06.09.2012 – 2 AZR 858/11 – Rn. 14). Eine ohne hinreichende Vertretungsmacht erklärte außerordentliche Kündigung kann vom Vertretenen jedoch nach § 184 BGB nur innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB genehmigt werden (BAG 26.03.1986 – 7 AZR 585/84 – zu II der Gründe; 04.02.1987 – 7 AZR 583/85 – zu II 4 der Gründe; Spelge RdA 2016, 309, 317).

(2) Der Klageabweisungsantrag, mit dem die Beklagte nach eigenem Bekunden die Kündigung durch Dr. D. konkludent genehmigte, ging am 31.05.2021 beim Arbeitsgericht ein. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann spätestens am 10.05.2021, nachdem die Vertreter der Beklagten dem Kläger ein zweites Mal zu den gegenüber ihm erhobenen Vorwürfen angehört hatten. Sie lief damit am 24.05.2021 ab (vgl. allg. ErfK/Niemann 22. Aufl. § 626 BGB Rn. 219). Die Genehmigung vom 31.05.2021 war damit verspätet.

3. Die Kündigung ist auch gemäß § 623 BGB unwirksam. Denn für die Einhaltung der Schriftform ist erforderlich, dass alle Erklärenden die schriftliche Willenserklärung unterzeichnen (BAG 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 18). Hier hat allein Dr. D. die Kündigung unterzeichnet. Aus der Kündigungserklärung ergibt sich jedoch nicht, dass er als einziger eine Erklärung für die Beklagte abgeben wollte, er durch seine Unterschrift also als alleiniger Vertreter der Beklagten und damit auch in Vertretung von Frau F. handeln wollte (vgl. allg. BAG 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 18ff.; LAG Hessen 04.03.2013 – 17 Sa 633/12 – Rn. 18ff.; KR/Spilger 13. Aufl. § 623 BGB Rn. 108). Vielmehr belegt insbesondere der Umstand, dass der Name von Frau F. in der Unterschriftenzeile des Kündigungsschreibens maschinenschriftlich neben den Namen von Dr. D. aufgeführt ist, dass Frau F. ebenfalls eine Erklärung für die Beklagte abgeben sollte (vgl. BAG 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 24 mwN).

IV. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

V. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!