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Wahrung der Frist des § 4 KSchG durch allgemeinen Feststellungs- und/oder Leistungsantrag

Arbeitsgericht Berlin: Kündigungsschutz für Arbeitnehmer im Streitfall bestätigt

In einem arbeitsrechtlichen Streitfall hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers durch die Arbeitgeberin unwirksam ist. Der Kläger hatte argumentiert, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. September 2014 nicht aufgelöst worden sei. Das Gericht stimmte dem zu und wies die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten zu. Die Entscheidung beruht auf der Feststellung, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei und die Beklagte den Arbeitsvertrag auch nicht wirksam angefochten habe.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 26 Sa 356/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Gericht hat die Berufung des Klägers angenommen und das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam zugunsten des Klägers abgeändert.
  2. Es wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. September 2014 nicht beendet wurde.
  3. Die Kündigung wurde als sozial ungerechtfertigt betrachtet.
  4. Die Anfechtung des Arbeitsvertrags durch die Beklagte wurde ebenfalls als unwirksam angesehen.
  5. Die Beklagte wurde zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet.
  6. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.
  7. Die Entscheidung berücksichtigte, dass die vorgebrachten Gründe der Beklagten für die Kündigung nicht ausreichten, um diese zu rechtfertigen.
  8. Es wurde hervorgehoben, dass mildere Mittel, wie eine Abmahnung, nicht in Betracht gezogen wurden, bevor die Kündigung ausgesprochen wurde.

Kündigungsschutz für Arbeitnehmer

Der Kündigungsschutz bietet Arbeitnehmern einen besonderen Schutz vor einer ungerechtfertigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nur dann kündigen, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Die gesetzlichen Regelungen sollen eine Willkür durch den Arbeitgeber verhindern und die soziale Stellung des Arbeitnehmers schützen.

Dennoch kommt es häufig zu Streitigkeiten, wenn der Arbeitnehmer der Ansicht ist, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt war. Besondere Bedeutung hat dabei die Einhaltung von Fristen durch den Arbeitnehmer, um seinen Kündigungsschutz nicht zu verlieren. Die Wahrung dieser Fristen bei Klageverfahren stellt für viele Arbeitnehmer eine große Herausforderung dar.

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Zwischen Kündigung und Vertragsfrist: Ein juristisches Tauziehen

Im Herzen dieses Falles steht eine verhaltensbedingte Kündigung, die vom Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer ausgesprochen wurde. Die Streitigkeit entzündete sich, nachdem die Parteien einen Arbeitsvertrag zum 1. Februar 2014 abgeschlossen hatten, in dem der Arbeitnehmer eine erweiterte Geschäftsleitungsposition innehatte. Ursprünglich war ein Bruttoeinkommen von 5.700 Euro vereinbart, welches später auf 3.000 Euro reduziert wurde.

Der Funke, der den Streit entfachte

Am 30. September 2014 übergab die Geschäftsführerin dem Kläger ein Schreiben, das eine Vertragsänderung zu einem befristeten Arbeitsverhältnis mit Ablauf zum 30. September 2014 vorsah. Es blieb strittig, ob dieses Schreiben vom Kläger unterzeichnet oder ob zusätzlich eine Kündigung zum 14. Oktober 2014 ausgehändigt wurde. Der Kläger meldete sich ab dem 1. Oktober arbeitsunfähig, woraufhin eine rechtliche Auseinandersetzung begann, die durch das Einreichen einer Klage gegen die vermeintliche Kündigung gekennzeichnet war.

Die juristische Auseinandersetzung nimmt Form an

Nachdem der Kläger rechtliche Schritte eingeleitet hatte, um gegen die Kündigung und die Befristung des Arbeitsverhältnisses vorzugehen, entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zugunsten des Klägers. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. September 2014 nicht aufgelöst wurde. Zudem trug die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits.

Die Gründe für das Urteil

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Es wurden keine ausreichenden Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung festgestellt. Vielmehr war das vorgebrachte Verhalten des Klägers, wie etwa die Angabe einer falschen Steuerklasse oder die Nutzung des Dienstlaptops für private Zwecke, nicht so schwerwiegend, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Zudem fehlte es an Beweisen für eine arglistige Täuschung durch den Kläger bei Vertragsabschluss.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung von Kündigungsgründen sowie die Bedeutung des Kündigungsschutzgesetzes. Es zeigt auf, dass nicht jede Verfehlung des Arbeitnehmers eine sofortige Kündigung rechtfertigt und dass die soziale Rechtfertigung einer Kündigung eine zentrale Rolle im deutschen Arbeitsrecht spielt.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Frist des § 4 KSchG in Kündigungsfällen gewahrt?

Um die Frist des § 4 KSchG in Kündigungsfällen zu wahren, muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen möchte, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Diese Frist gilt einheitlich für alle Arten von Kündigungen, einschließlich außerordentlicher Kündigungen und Änderungskündigungen, sowie für Kündigungen in Kleinbetrieben, in denen das KSchG nur beschränkt anwendbar ist.

Die Frist beginnt mit dem Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer. Der Zugang ist gegeben, wenn die Kündigung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen. Sollte der Fristablauf auf einen Feiertag, Samstag oder Sonntag fallen, endet die Frist am nächsten Werktag um 24 Uhr.

Es gibt Ausnahmen, die den Beginn der Frist beeinflussen können. Beispielsweise läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung einer zustimmungspflichtigen Behörde an den Arbeitnehmer ab, sofern die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf. Eine weitere Besonderheit ist die Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht. In diesem Fall beginnt die Drei-Wochen-Frist erst mit dem Zugang der Genehmigung der Kündigung beim Arbeitnehmer.

Versäumt der Arbeitnehmer die Frist, gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam, es sei denn, es liegt ein Fall vor, der eine nachträgliche Zulassung der Klage gemäß § 5 KSchG rechtfertigt. Eine nachträgliche Zulassung ist möglich, wenn der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage fristgerecht zu erheben. Der entsprechende Antrag muss innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt werden, wobei eine nachträgliche Zulassung der Klage nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, ausgeschlossen ist.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 4 KSchG (Kündigungsschutzgesetz): Regelt die Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung muss Klage erhoben werden, um die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen. Im Kontext des Falls bedeutend für die Wahrung der Rechte des Klägers gegen die Kündigung.
  • § 1 KSchG: Betrifft die soziale Rechtfertigung von Kündigungen. Eine Kündigung ist nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist, etwa durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse. Relevant für die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung im vorliegenden Fall.
  • § 123 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelung zur Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung. Ein Vertrag kann angefochten werden, wenn eine Willenserklärung durch Täuschung oder unter Drohung abgegeben wurde. Wichtig für die Argumentation der Anfechtung des Arbeitsvertrags durch die Beklagte.
  • § 7 KSchG: Bestimmt die Rechtsfolgen bei Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage innerhalb der Dreiwochenfrist. Die Kündigung gilt als von Anfang an wirksam, falls keine Klage erhoben wird. Im Kontext dieses Falls relevant für das Verfahren und die Rechtsfolgen der Kündigung.
  • § 6 KSchG: Ermöglicht es, nach Ablauf der Dreiwochenfrist weitere Gründe für die Sozialwidrigkeit der Kündigung im Prozess vorzubringen. Wichtig für die Strategie des Klägers, seine Rechte im Kündigungsschutzprozess zu verteidigen.
  • § 256 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Im Fall relevant für die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
  • § 142 BGB: Bestimmt, dass die Anfechtung eines Vertrags rückwirkende Kraft hat. Relevant für die Argumentation der Beklagten bezüglich der Anfechtung des Arbeitsvertrags.
  • § 1 Abs. 2 KSchG: Definiert, wann eine Kündigung durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist. Wichtig für die Bewertung der verhaltensbedingten Kündigung im vorliegenden Fall.


Das vorliegende Urteil

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 26 Sa 356/15 – Urteil vom 18.06.2015

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 21.01.2015 – 8 Ca 1867/14 – abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30.09.2014 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob eine verhaltensbedingten Kündigung ihr Arbeitsverhältnis beendet hat.

Die Parteien schlossen am 29. Januar 2014 mit Wirkung zum 1. Februar 2014 einen Arbeitsvertrag. Er sieht unter § 1 Nr. 1 folgende Tätigkeit vor: „Erweiterte Geschäftsleitung, Leitung, Vertrieb Nutzfahrzeuge mit Außendiensttätigkeit im Homeoffice“. Die Parteien vereinbarten zunächst ein Bruttoeinkommen in Höhe von 5.700 Euro, welches sie für die Zeit ab dem 1. August 2014 auf 3.000 Euro reduzierten.

Am 30. September 2014 bestellte die Geschäftsführerin der Beklagten den Kläger in ihr Büro. Unstreitig ist unter den Parteien, dass die Geschäftsführerin der Beklagten dem Kläger dann ein auf den 30. August 2014 datiertes Schreiben überreichte, in dem es heißt:

„Sehr geehrter Herr N.,

weiterhin ändern wir den mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag vom 01.02.2014 in seiner bestehenden Form zu einem befristeten Arbeitsverhältnis.

Die Befristung läuft bis zum 30.09.2014.

Somit endet das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2014, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“

Unter den Parteien war streitig, ob der Kläger dieses Schreiben unterzeichnet hat und ob die Geschäftsführerin der Beklagten ihm am 30. September 2014 zudem eine Kündigung zum 14. Oktober 2014 überreicht hat. Ab dem 1. Oktober 2014 war der Kläger arbeitsunfähig.

Mit E-Mail vom 7. Oktober 2014 zeigte die Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten an, dass sie den Kläger vertrete. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 überreichte sie der Beklagten eine Vollmacht. In dem Schreiben heißt es außerdem:

„Mein Mandant bietet seine Arbeitskraft weiterhin an und wird nach Genesung zur Arbeit bei Ihnen erscheinen.

Einer etwaigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird schon jetzt vorsorglich widersprochen…

Außerdem fordere ich Sie auf, das arbeitsvertraglich vereinbarte ungekürzte Gehalt einschließlich Fahrtkosten pp. meinem Mandanten ab Oktober weiter zu bezahlen.“

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, in der es heißt:

„Sie sind seit dem 01.10.2014 arbeitsunfähig erkrankt. Diese Kenntnis erlangten wir erstmals durch die per Boten am 06.10.2014 übergebene Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung des Herrn Dr. J.-U. L.. Weder teilten Sie ordnungsgemäß am 01.10.2014 Ihren Arbeitsausfall mit noch reichten Sie innerhalb von drei Tagen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein.

Mit diesem Verhalten habe Sie Ihre Arbeitspflichten schwerwiegend verletzt.

Für Ihr Verhalten sprechen wir Ihnen hiermit eine Abmahnung aus.

Als Arbeitnehmer sind Sie verpflichtet, Ihre etwaige Arbeitsverhinderung unverzüglich, spätestens am Morgen der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit bekannt zu geben und die Gründe hierfür nachzuweisen, insbesondere etwaige ärztliche Bescheinigungen unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Tagen vorzulegen.

Wir weisen darauf hin, dass dem Arbeitgeber bei erneuter Zuwiderhandlung im Rahmen bestehender Arbeitsverhältnisse das Recht zur fristlosen Kündigung zusteht.“

Am 6. November 2014 sprach die Beklagte dem Kläger eine fristlose Kündigung aus, die er gesondert angegriffen hat. Das Verfahren wird nicht betrieben. Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag zudem im Rahmen des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 3. Juni 2015 wegen arglistiger Täuschung angefochten.

In der beim Arbeitsgericht am 20. Oktober 2014 eingegangenen Klage vom 19. Oktober 2014 hat der Kläger zunächst folgende Anträge angekündigt:

1.„Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch das Schreiben der Beklagten vom „30.08.2014“ noch durch eine etwa geartete Befristungsvereinbarung der Parteien zum 30.09.2014 aufgelöst worden ist.

2.Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.09.2014 und jeden zunächst zulässigen Termin hinaus ungekündigt fortbesteht.

3.Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 30.09.2014 hinaus zu den unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

4.Die Beklage wird des Weiteren verurteilt, dem Kläger über den 30.09.2014 hinaus das vereinbarte Gehalt von monatlich 5.700,- € brutto zu bezahlen sowie rückständiges Gehalt für die Monate August und September 2014 in Höhe von 5.885,- € brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz des § 247 BGB ab Klagzustellung zu zahlen.“

Der Klageschrift war das Schreiben der Klägervertreterin vom 8. Oktober 2014 beigefügt.

In der Güteverhandlung vom 25. November 2014 hat die Geschäftsführerin der Beklagten erklärt, der Kläger habe das als Anlage K2 vorgelegte Schreiben (Befristung) nicht unterzeichnet. Sie berufe sich nicht auf einen Befristungsablauf. Sie habe dem Kläger in dieser Situation am 30. September 2014 eine auf den 30. September 2014 datierte Kündigung zum 14. Oktober 2014 überreicht. Der Kläger habe die Entgegennahme verweigert.

Daraufhin hat der Kläger in der Güteverhandlung „unter Klagerücknahme im Übrigen“ seine Anträge darauf gerichtet,

1.„festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch eine Kündigung vom 30.09.2014 oder weitere Kündigungen beendet worden ist und weist auf eine bereits anhängige Klage mit einer fristlosen Kündigung vom 6. November 2014 hin,

2.die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.10.2014 hinaus zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.“

Der Kläger hat behauptet, die Geschäftsführerin der Beklagten habe ihn am 30. September 2014 aufgefordert, das auf den 30. August 2014 datierte Schreiben (Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2014) zu unterschreiben. Falls er das Schreiben nicht sofort unterschreibe, werde er sehen, was passiere; und er werde aus dem Raum nicht wieder herauskommen. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, als sich zu beugen, da er aufgrund eines vorangegangenen anderen Vorfalls gewusst habe, dass die Geschäftsführerin Ernst machen werde. Erst später habe er bemerkt, dass das Schreiben auf den 30. August 2014 vordatiert gewesen sei. Ihm sei dann durch seine Prozessbevollmächtigte geraten worden, Klage zu erheben, weil das Schreiben vom 30. August 2014 eine Kündigung darstellen könnte. Deshalb habe er innerhalb der Drei-Wochen-Frist Klage erhoben.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch eine Kündigung vom 30. September 2014 oder weitere Kündigungen beendet worden ist,

2.die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31. Oktober 2014 hinaus zu unveränderten vertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe das als Anlage K2 (Befristung) zur Akte gereichte Schreiben nicht unterzeichnet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe durch eine dem Kläger am 30. September 2014 überreichte Kündigung am 14. Oktober 2014 sein Ende gefunden. Der Kläger habe den Inhalt des Kündigungsschreibens zur Kenntnis genommen, aber die Entgegennahme und Empfangsbestätigung verweigert. Diese Kündigung habe der Kläger nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG angegriffen. Im Rahmen der Güteverhandlung habe der Kläger seine Klage vom 19. Oktober 2014 vollständig zurückgenommen und stattdessen zwei ganz neue Anträge gestellt. Diese Anträge genügten – ungeachtet des Umstandes, dass sie zu spät gestellt worden seien – nicht den Formerfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO. Es fehle hinsichtlich der zu Protokoll erklärten Anträge an der Bezeichnung der Parteien und des Gerichts sowie der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie an einer Unterschrift. Zudem fehle es an einer Zustellung. Auch die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 28. Dezember 2014 genügten diesen Anforderungen nicht.

Im Übrigen hat sie eine Widerklage angekündigt und das damit begründet, sie habe aufgrund einer unzutreffenden Angabe der Steuerklasse III durch den Kläger einen zu hohen Nettolohn ausgezahlt. Von der Ehefrau des Klägers habe sie inzwischen erfahren, dass er seit dem 1. Januar 2013 nach Lohnsteuerklasse I veranlagt sei.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, die Geschäftsführerin habe dem Kläger am 30. September 2014 eine Kündigung ausgesprochen, durch Vernehmung des Lebensgefährten der Geschäftsführerin der Beklagten, des Zeugen R.. Es hat sodann die Klage abgewiesen und das damit begründet, dass die Geschäftsführerin der Beklagten dem Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Kündigungsschreiben vorgelegt habe. Auf seinen ursprünglichen Feststellungsantrag könne sich der Kläger nicht mehr berufen, da er die Klage in der Güteverhandlung insoweit zurückgenommen habe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17. Februar 2015 zugestellte Urteil am 2. März 2015 Berufung eingelegt. Am selben Tag ist bei dem Landesarbeitsgericht ein Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage eingegangen. Die Berufungsbegründung des Klägers ist am 13. April 2015 eingegangen. Zur Begründung der Berufung führt der Kläger aus, das Arbeitsgericht sei im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem unzutreffenden Ergebnis gelangt, dass die Geschäftsführerin der Beklagten ihm am 30. September 2014 eine Kündigung vorgelegt habe. Im Übrigen fehle es an Rechtfertigungsgründen. Er habe die Frist des § 4 KSchG gewahrt, indem er zunächst einen allgemeinen Feststellungsantrag angekündigt habe. Diesen habe er auch in der Güteverhandlung nicht zurückgenommen. Die Rücknahme habe sich auf den angekündigten Antrag zu 1) bezogen. Er habe weitere Beendigungstatbestände daher auch noch nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG in den Prozess einbringen können, was er getan habe. Dass er sich gegen jeglichen Beendigungsgrund habe wehren wollen, ergebe sich auch aus dem innerhalb von drei Wochen nach dem angeblichen Ausspruch der Kündigung eingereichten Weiterbeschäftigungsantrag sowie dem Zahlungsantrag. Auf Ausführungen in der Klageschrift zum Feststellungsinteresse komme es daher gar nicht an. Die nun erfolgte Anfechtung des Arbeitsvertrages könne allenfalls ex nunc wirken. Im Übrigen habe er keine falschen Angaben zur Lohnsteuerklasse gemacht. Er sei bis heute zutreffend nach Lohnsteuerklasse III veranlagt. Er werde weiterhin mit seiner Ehefrau veranlagt, was die Beklagte nicht bestreitet. Er habe das Finanzamt U. nie genannt, zuständig sei das Finanzamt N.. Er sei auch nicht vermögenslos. Einen Haftbefehl gegen ihn habe es nie gegeben. Die Beklagte habe ihm einen Laptop zum dienstlichen und zum privaten Gebrauch überlassen.

Der Kläger beantragt – unter Rücknahme der übrigen Anträge, der die Beklagte zugestimmt hat -,

das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 21. Januar 2015 – 8 Ca 1867/14 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. September 2014 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme sei nicht zu beanstanden. Im Übrigen habe sich die Klage ursprünglich gerade nicht gegen die Kündigung, sondern gegen eine Befristungsabrede gerichtet. Dass der Kläger eine Kündigung habe angreifen wollen, ergebe sich aus der Klageschrift gerade nicht. Daher hätte der Kläger allenfalls weitere Unwirksamkeitsgründe gegen die Befristung vortragen können. § 6 nF. ermögliche es nur, weitere Unwirksamkeitsgründe in den Prozess einzuführen, der – punktuelle – Streitgegenstand bleibe derselbe. Dieser betreffe hier aber die Befristungsabrede. Die Klage sei zudem im Gütetermin vollständig zurückgenommen worden. Erst danach habe der Kläger einen Kündigungsschutzantrag gestellt. Es liege also keine Klageumstellung vor, was auch nur bei identischem Lebenssachverhalt möglich gewesen wäre. Auch der Weiterbeschäftigungsantrag habe sich nur auf ein Ereignis vom 30. August 2014 bezogen. Eine Umdeutung in einen Kündigungsschutzantrag sei nicht möglich. Zur Begründung der Kündigung beruft sie sich darauf, dass der Kläger ihr bei Beginn des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt habe, er sei nach Lohnsteuerklasse III veranlagt. Sie habe aber inzwischen bei der (vom Kläger getrennt lebenden) Ehefrau in Erfahrung gebracht, dass der Kläger bereits seit dem 1. Januar 2013 nach Lohnsteuerklasse I veranlagt sei. Aufgrund der Fehlinformation habe sie 3.123,42 Euro nachträglich an das Finanzamt abführen müssen. Der Kläger habe im Rahmen des Anfang Februar 2014 geführten Personalgesprächs beim gemeinsamen Ausfüllen eines Personalfragebogens falsche Angaben zu seiner Lohnsteuerklasse gemacht und als zuständiges Finanzamt das Finanzamt U. angegeben. Das Feld für die Steueridentifikationsnummer sei offen geblieben. Dem Kläger sei zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen, dass er nach Lohnsteuerklasse I veranlagt gewesen sei. Das sei nicht aufgefallen, da sie zunächst mangels Kenntnis die Steueridentifikationsnummer beim Finanzamt nicht habe angeben können. Außerdem habe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits ein Haftbefehl gegen den Kläger vorgelegen. Hätte sie von der Vermögenslosigkeit des Klägers Kenntnis gehabt, hätte sie ohne Vorlage entsprechender Unterlagen des Finanzamts (Lohnsteuerklassenbescheinigung) den Arbeitsvertrag mit ihm nicht abgeschlossen. Mit diesen Gesichtspunkten begründet die Beklagte auch die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Berufungsinstanz. Selbst wenn die Angabe zur Lohnsteuerklasse nicht absichtlich erfolgt sei, liege ein Anfechtungsgrund vor. Auch Aussagen in Blaue hinein seien arglistig. Der Kläger habe zudem bei Abschluss des Arbeitsvertrags eine Anschrift in S. angegeben und dadurch bewirkt, dass die Geschäftsführerin ihm vorübergehend ab Februar 2014 einen aus zwei Zimmern bestehenden Bungalow zur Verfügung gestellt habe. Die Ehefrau des Klägers habe inzwischen mitgeteilt, dass der Kläger in F. lebe. Das stelle einen Betrug zu ihren Lasten dar. Außerdem habe der Kläger während der Arbeitszeit jedenfalls viermal Kontakt zu kontaktwilligen Frauen per Skype aufgenommen, wie eine Untersuchung des ihm zur Verfügung gestellten Laptops nachträglich ergeben habe. Der Kläger bestreitet solche Kontaktaufnahmen nicht.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 19. Februar, 15. April, 8. Mai, 27. Mai, 3. Juni, 4. Juni 2015 sowie auf die Protokolle der Berufungsverhandlung vom 28. Mai und vom 18. Juni 2015.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden.

II. Die Berufung ist auch begründet. Denn die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag auch nicht wirksam angefochten (1.). Die angeblich am 30. September 2014 ausgesprochene ordentliche Kündigung wäre unwirksam, auch die Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung liegen nicht vor (2.). Es kam daher nicht darauf an, ob die Beklagte dem Kläger überhaupt eine Kündigung übergeben hat. Das Arbeitsverhältnis wäre durch eine solche Kündigung nicht aufgelöst worden. Eine Kündigung hätte das Arbeitsverhältnis in diesem Fall nicht beenden können, da sie sozial ungerechtfertigt wäre.

1) Der Kläger wendet sich mit seiner Klage dagegen, dass eine ihm angeblich am 30. September 2014 ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat. Außerdem setzt sich der Kläger mit ihr gegen die im Rahmen des Berufungsverfahrens erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zur Wehr.

2) Die Kündigungsschutzklage war nicht schon deshalb abzuweisen, weil zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Ablaufs der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Oktober 2014 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hätte. Die Beklagte war nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigt.

a) Die Anfechtung war trotz der Kündigungserklärung nicht ausgeschlossen. Beide Gestaltungsrechte bestehen grundsätzlich nebeneinander (vgl. BAG 6. September 2012 – 2 AZR 270/11, Rn. 46 mwN; 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12, Rn. 26).

b) Hat der Arbeitgeber neben einer ordentlichen Kündigung die Anfechtung des Arbeitsvertrags erklärt, hängt der Erfolg der Kündigungsschutzklage auch von der Wirksamkeit der Anfechtung ab, wenn diese – ihre Berechtigung unterstellt – auf einen Zeitpunkt wirkt, der vor dem Auflösungstermin der Kündigung liegt. Ob die Anfechtung durchgreift, ist deshalb in aller Regel schon im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu überprüfen (vgl. BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09, Rn. 19; 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12, Rn. 19).

aa) Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist das Begehren festzustellen, dass „das Arbeitsverhältnis“ durch die fragliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Die Klage kann daher nur Erfolg haben, wenn zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung ein Arbeitsverhältnis noch bestand (vgl. BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 826/09, Rn. 13; 26. Juni 2008 – 6 AZN 648/07, Rn. 12 mwN). Dementsprechend ist Gegenstand der Kündigungsschutzklage auch die Frage, ob das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bzw. – im Fall der ordentlichen Kündigung – des Ablaufs der Kündigungsfrist bestand (vgl. BAG 27. April 2006 – 2 AZR 360/05, Rn. 16 f.; 5. Oktober 1995 – 2 AZR 909/94, zu II 1 der Gründe). Ist dies nicht der Fall, kann ein der Klage stattgebendes Urteil nicht ergehen, vielmehr ist die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen. (vgl. BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09, Rn. 18).

bb) Danach hängt hier der Erfolg der Kündigungsschutzklage (auch) von der Berechtigung der Anfechtung ab. Dem steht nicht entgegen, dass die Anfechtung erst mit einem Schriftsatz in der Berufungsinstanz und damit lange nach Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung erklärt wurde. Zwar wirkt die Anfechtung eines in Vollzug gesetzten Arbeitsvertrags nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten einer Rückabwicklung grundsätzlich nur „ex nunc“ (vgl. BAG 16. September 1982 – 2 AZR 228/80, zu IV der Gründe). Hier wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien aber bereits am 1., spätestens am 14. Oktober 2014 faktisch außer Funktion gesetzt. Unter solchen Umständen besteht kein Grund, die Vorschrift des § 142 Abs. 1 BGB, die der wirksamen Anfechtung grundsätzlich rückwirkende Kraft beilegt, einschränkend anzuwenden. Die Anfechtung wirkt vielmehr auf den Zeitpunkt der faktischen „Außerfunktionssetzung“ zurück, selbst wenn diese ihrerseits auf einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung beruhen sollte (vgl. BAG 16. September 1982 – 2 AZR 228/80, zu IV 3 a der Gründe; 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09, Rn. 19).

c) Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

aa) Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war (vgl. BAG 6. September 2012 – 2 AZR 270/11, Rn. 24; 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10, Rn. 16; 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12, Rn. 28).

bb) Das Verschweigen von Tatsachen, nach denen nicht gefragt wurde, stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht besteht. Eine solche Pflicht ist an die Voraussetzung gebunden, dass die betreffenden Umstände entweder dem Bewerber die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht von vornherein unmöglich machen oder doch seine Eignung für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz entscheidend berühren (vgl. BAG 6. September 2012 – 2 AZR 270/11, Rn. 25; 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09, Rn. 41; 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12, Rn. 30).

cc) Arglistig ist die Täuschung, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalb oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim (künftigen) Arbeitgeber entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Arbeitgeber. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (vgl. BAG 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12, Rn. 31).

dd) Der Vortrag der Beklagten rechtfertigt bereits die Annahme einer Täuschung durch den Kläger nicht. Aus dem Vortrag der Beklagten lässt sich schon nicht erkennen, dass der Kläger Anfang Februar 2014 nach Lohnsteuerklasse I veranlagt war. Nach seinem unbestrittenen Vortrag ist er verheiratet und wird gemeinsam mit seiner Ehefrau veranlagt. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, die Ehefrau des Klägers als Zeugin zu benennen. Relevanter Tatsachenvortrag, der eine falsche Angabe zu der Steuerklasse rechtfertigen könnte, liegt darin nicht. So hat die Beklagte – auch nach dem Vortrag des Klägers in der Berufungsverhandlung, er sei bis heute weiterhin nach Lohnsteuerklasse III und gemeinsam mit seiner Ehefrau veranlagt – davon abgesehen, den Bescheid des Finanzamtes vorzulegen, aus dem sich angeblich etwas anderes ergeben soll. Im Übrigen beruft sich die Beklagte im Schriftsatz vom 3. Juni 2015 darauf, die fehlerhafte Angabe des Klägers sei anlässlich des Ausfüllens eines Personalfragebogens im Februar 2014 erfolgt. Sollte das zutreffen, könnte sie nicht für den Abschluss des Arbeitsvertrages relevant gewesen sein. Dieser erfolgte ausweislich des vorgelegten Arbeitsvertrages am 29. Januar 2014. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor Abschluss des Arbeitsvertrages zu seiner Lohnsteuerklasse überhaupt Angaben gemacht hat. Woraus die Beklagte eine Verpflichtung zur Abgabe einer solchen Erklärung bei Abschluss des Arbeitsvertrages ableiten möchte, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Unabhängig davon hat die Beklagte auch keine Tatsachen dafür vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, welche irrigen Vorstellungen der Kläger bei ihr im Rahmen des Abschlusses des Arbeitsvertrages dadurch erzeugt haben soll, dass er die Angabe seiner Steuerklasse unterlassen hat. Soweit sie in diesem Zusammenhang Vermögenslosigkeit des Klägers behauptet, stellt sie insoweit selbst keinen Zusammenhang zum Abschluss des Arbeitsvertrages her, sondern zur Auszahlung der Nettovergütung ohne Kenntnis der Steueridentifikationsnummer.

2) Die angebliche Kündigung vom 30. September 2014 wäre jedenfalls sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG und deshalb unwirksam, hätte also das Arbeitsverhältnis nicht auflösen können.

a) Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dieses hätte bei Zugang der Kündigung schon länger als sechs Monate iSv. § 1 Abs. 1 KSchG bestanden; der betriebliche Geltungsbereich des Gesetzes nach § 23 Abs. 1 KSchG ist eröffnet.

b) Die Wirksamkeit der Kündigung wird nicht nach § 7 KSchG fingiert. Der Kläger hat gegen sie rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage erhoben.

aa) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine schriftliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang Klage auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden ist. Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt diese gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage muss als unbegründet abgewiesen werden (vgl. BAG 18. Dezember 2014 – 2 AZR 163/14, Rn. 16).

bb) Einen dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag hat der Kläger gegen die angebliche Kündigung vom 30. September 2014 erstmals in der Güteverhandlung am 25. November 2014 angekündigt. Zuvor war die Kündigung von keiner der Parteien konkret angesprochen worden. Am 25. November 2014 war die Klagefrist von drei Wochen, die mit dem Zugang des Kündigungsschreibens am 30. September 2014 begann, verstrichen.

cc) Dennoch hat der Kläger die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG – jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG – gewahrt. Er hat mit seiner am 20. Oktober 2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage vom 19. Oktober 2014 neben dem gegen die Befristung gerichteten – punktuellen – Antrag zugleich einen allgemeinen Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO formuliert. Dieser Antrag reichte – in Verbindung mit dem im Gütetermin vom 25. November 2015 angekündigten Antrag – aus, um hinsichtlich einer Kündigung vom 30. September 2014 den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern. (vgl. BAG 26. September 2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 30). Außerdem hat der Kläger durch seine Leistungsanträge (Weiterbeschäftigungsantrag/Zahlungsantrag) innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich gegen alle Beendigungstatbestände zur Wehr setzen, dh. nicht etwa ausschließlich eine Befristung angreifen, aber eine zum 14. Oktober 2014 ausgesprochene Kündigung akzeptieren wollte. Diese Anträge sind mit der am 20. Oktober 2014 bei Gericht eingegangenen Klage zu einem Zeitpunkt angekündigt worden, zu dem die in dem durch die Beklagte vorgelegten Kündigungsschreiben angegebene Kündigungsfrist bereits verstrichen war.

(1) Ein innerhalb von drei Wochen nach Zugang der (weiteren) Kündigung erhobener Antrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, mit dem der Arbeitnehmer die Wirksamkeit jeglichen Auflösungstatbestands negiert, wahrt auch nach neuer Rechtslage in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG jedenfalls dann die Frist des § 4 Satz 1 KSchG für eine erst nach deren Ablauf in den Prozess eingeführte Kündigung, wenn sich der Arbeitnehmer – wie hier – auf die Unwirksamkeit der weiteren Kündigung noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz berufen und einen auf sie bezogenen, dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG angepassten Antrag gestellt hat (vgl. BAG 26. September 2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 34).

(a) § 6 KSchG zielt auch in seiner neuen Fassung darauf ab, den Arbeitnehmer davor zu bewahren, seinen Kündigungsschutz aus formalen Gründen zu verlieren. Die Frist des § 4 Satz 1 KSchG soll nicht nur durch eine punktuelle Feststellungsklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung, sondern auch dadurch eingehalten werden können, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Frist auf anderem Wege geltend macht, eine wirksame Kündigung liege nicht vor. Eine entsprechende Anwendung von § 6 KSchG kommt deshalb in Betracht, wenn etwa der Arbeitnehmer mit einer Leistungsklage Lohnansprüche oder Weiterbeschäftigung für die Zeit nach Zugang der Kündigung bzw. Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend gemacht hat (vgl. BAG 15. Mai 2012 – 7 AZR 6/11, Rn. 23; 23. April 2008 – 2 AZR 699/06, Rn. 23; 26. September 2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 35).

(b) § 6 Satz 1 KSchG ist danach auch auf eine allgemeine Feststellungsklage, mit der sich der Arbeitnehmer innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gegen solche Beendigungstatbestände wendet, die von einem bereits gestellten punktuellen Antrag nicht erfasst sind, entsprechend anzuwenden. Das durch § 4 Satz 1, § 7 KSchG geschützte Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage und sein Vertrauen in den Bestand der ausgesprochenen Kündigung wird in diesen Fällen durch die „Verlängerung“ der Anrufungsfrist nicht stärker berührt als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 6 Satz 1 KSchG (vgl. BAG 26. September 2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 36).

(c) Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für Kündigungen, die dem Arbeitnehmer schon vor Klageerhebung zugegangen sind. Ein sachlicher Grund, bezüglich ihrer an die Klageanträge des Arbeitnehmers andere Anforderungen zu stellen als bezüglich solcher Kündigungen, die erst während des Rechtsstreits erklärt wurden, ist nicht erkennbar. Die Frage, ob über den Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt wird, ist auch in diesem Fall danach zu beantworten, ob er innerhalb der Frist gestellt worden ist (vgl. BAG 26. September 2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 37).

(2) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger die Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt. Der Kläger hat innerhalb der Frist des § 4 KSchG und nach Ablauf der in der Kündigung genannten Kündigungsfrist sowohl einen allgemeinen Feststellungsantrag angekündigt als auch einen Weiterbeschäftigungsantrag und einen Zahlungsantrag, die nur Sinn machen, wenn der Bestand des Arbeitsverhältnisses über den in dem Kündigungsschreiben genannten Beendigungstermin hinaus geltend gemacht werden sollte.

(a) Bei dem Antrag zu 2) in der Klageschrift handelt es sich eindeutig um einen gesonderten allgemeinen Feststellungsantrag. Die Frage, ob neben einem punktuellen Antrag auch ein allgemeiner Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO angekündigt werden sollte, ist durch Auslegung zu ermitteln.

(aa) Ob im Zeitpunkt des Ablaufs der Klagefrist ein Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO vorliegt, mit dem das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht und damit jeglicher Auflösungstatbestand negiert wird, ist im Zweifelsfall durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93; 7. Dezember 1995 – 2 AZR 772/94, Rn. 31). Bei der Feststellung, welches Rechtsschutzbegehren aufgrund welchen Lebenssachverhalts verfolgt wird und damit welchen Streitgegenstand die Klagepartei dem Gericht unterbreitet hat, sind die für die Auslegung von Willenserklärungen im Prozessrecht maßgeblichen Grundsätze anzuwenden. Prozesserklärungen sind danach im Zweifel so auszulegen, dass dasjenige gewollt ist, was aus der Sicht der Prozessparteien nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Jedoch sind auch die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen. Das verbietet es allerdings auch, eindeutigen Erklärungen nachträglich einen Sinn zu geben, der dem Interesse des Erklärenden am besten dient (vgl. BAG 10. Dezember 2014 – 7 AZR 1009/12, Rn. 17).

Dabei kommt es auf den gestellten Antrag und/oder darauf an, was der Kläger erkennbar gewollt hat (vgl. BAG 12. Mai 2005 – 2 AZR 426/04, Rn. 24). Es ist entscheidend zu berücksichtigen, ob für den Arbeitgeber hinreichend erkennbar wird, dass der Arbeitnehmer jenen Beendigungstatbestand angreifen will. Durch die Frist des § 4 KSchG soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber, wenn er nicht alsbald nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine gegen diese Kündigung gerichtete Klage erhält, auf die Rechtfertigung der Kündigung im Umfang der Fiktionswirkung des § 7 KSchG vertrauen kann. Ist durch eine Klageerhebung sichergestellt, dass der Arbeitgeber unter Wahrung der Frist des § 4 KSchG gewarnt ist, so ist die Funktion der Norm erfüllt. Es kommt dann nicht darauf an, welche Formulierung der Arbeitnehmer seinem Klageantrag gegeben hat (vgl. BAG 12. Mai 2005 – 2 AZR 426/04, Rn. 27).

Nicht als ausreichend wird insoweit die Formulierung „sondern fortbesteht“ angesehen, wenn es an einer Begründung in der Klageschrift fehlt. Dies folge aus dem Umstand, dass die Klagebegründung nicht erkennen lasse, ob der Kläger befürchtet, der Arbeitgeber werde weitere Beendigungsgründe geltend machen. Der Zusatz stellt danach lediglich ein unselbständiges Anhängsel zum Kündigungsschutzantrag dar, solange weitere Ausführungen zum Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses in der Klageschrift fehlen (vgl. BAG 15. März 2001 – 2 AZR 141/00, zu B II 3 der Gründe; 16. Mai 2002 – 8 AZR 320/01, Rn. 52). Befasst sich die Begründung bei dieser Formulierung ausschließlich mit der Frage, ob eine vom Arbeitgeber ausgesprochene bestimmt bezeichnete Kündigung wirksam ist, so liegt regelmäßig kein über der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG erweiterter Streitgegenstand vor (vgl. BAG 16. März 1994 – 8 AZR 97/93; auch schon BAG Urteil vom 27. Januar 1994 – 2 AZR 484/93; 28. Februar 1995 – 5 AZB 24/94, zu B II 2 c der Gründe). Bringt der Kläger zum Ausdruck, er wolle nur den Inhalt des Antrages nach § 4 KSchG etwa dahin verdeutlichen, wenn die angegriffene Kündigung unwirksam sei, bestehe das Arbeitsverhältnis eben fort, so hat der Zusatz – so jedenfalls das Bundesarbeitsgericht – als völlig überflüssig (sog. unselbständiges Anhängsel) wegzubleiben, und er hat trotz des Zusatzes keine eigene prozessrechtliche Bedeutung (vgl. BAG 27. Januar 1994 – 2 AZR 484/93, Rn. 29). Nichts anderes gilt, wenn der punktuelle Antrag nicht eine Kündigung, sondern eine Befristung betrifft. Nicht ausreichen lassen hat das BAG in der Entscheidung vom 16. März 1994 (8 AZR 97/93) auch einen innerhalb der Frist des § 4 KSchG angekündigten Antrag, der auf die Feststellung gerichtet war, dass „das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom … noch durch sonstige Beendigungstatbestände aufgelöst“ sei.

(bb) Danach ist der angekündigte Antrag zu 2) in der Klageschrift als allgemeiner Feststellungsantrag zu verstehen.

Dabei ist es hier nicht relevant, dass es an einer ausdrücklichen Begründung des Antrags in der Klageschrift fehlt. Der Antrag ist bereits aus sich heraus verständlich. Zudem ergab sich aber auch aus dem der Klage beigefügten Schreiben der Klägervertreterin an die Beklagte, dass der Kläger sich auch gegen etwaige Kündigungen der Beklagten wenden wollte. Soweit die Rechtsprechung eine Begründung in der Klageschrift verlangt, betrifft das die Fälle, in denen sich nicht bereits aus dem Klageantrag ergibt, dass es sich um einen allgemeinen Feststellungsantrag handeln soll. Allerdings kann sich aus der Begründung auch ergeben, dass gerade nicht ein über den punktuellen Streitgegenstand hinaus gehenden Antrag angekündigt werden sollte. Das ist hier aber nicht der Fall.

Dass der Antrag zu 2) sich auch auf andere Beendigungsgründe als die in dem Antrag zu 1) genannte Befristung beziehen sollte, ergibt sich schon aus dem Wortlaut, wonach es um die Feststellung geht, dass das Arbeitsverhältnis „ungekündigt“ fortbestehe. Der punktuelle Antrag zu 1) betraf eine Befristung. Außerdem bringt die Formulierung „jeden anderen zulässigen Termin“ auch zum Ausdruck, dass es dem Kläger auch um Beendigungstatbestände ging, die das Arbeitsverhältnis zu einem anderen Zeitpunkt beenden sollten als es in dem Schreiben vom 30. August 2014 vorgesehen war. Zudem ist die Klage zu einem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen, zu dem das Arbeitsverhältnis – hätte der Kläger die Kündigung nicht angreifen wollen – bereits beendet gewesen wäre.

Im Übrigen lässt sich jedenfalls auch dem der Klageschrift beigefügten Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 8. Oktober 2014 entnehmen, dass der Kläger sich gegen sämtliche in Betracht kommenden Beendigungstatbestände zu Wehr setzen wollte. Es kommt darin deutlich zum Ausdruck, dass der Kläger sich ob etwaiger sonstiger Beendigungstatbestände unsicher war und sich gegen alle in Betracht kommenden Auflösungstatbestände verteidigen wollte. Er bzw. seine Prozessbevollmächtigte schlossen offenbar nicht aus, dass das am 30. September 2014 übergebene Schreiben eventuell als Kündigung auszulegen sein könnte. Wurde dies aber bereits in der Klageschrift deutlich, dann musste die Arbeitgeberin erst recht annehmen, dass der Kläger eine an diesem Tag ausdrücklich ausgesprochene Kündigung nicht hinnehmen wollte. Wenn sie zudem selbst davon ausgegangen ist, dass der Kläger das ihm am 30. September 2014 übergebene, auf den 30. August 2014 datierte Schreiben gar nicht gegengezeichnet, sie ihm aber an diesem Tag eine Kündigung ausgesprochen hat, dann musste sie zwangsläufig annehmen, dass die Klage sich an sich auf die Kündigung beziehe. Von einem anderen angreifbaren Beendigungstatbestand konnte sie nach ihrem eigenen Vortrag gar nicht ausgehen. Es ist insoweit ausreichend, wenn sich von dem vorgetragenen Prozessstoff her gesehen – auch ohne dass durch den Kläger noch ausdrücklich darauf hingewiesen wird – die Möglichkeit eines weiteren Beendigungsgrundes deutlich wird (vgl. BAG 13. März 1997 – 2 AZR 512/96, Rn. 27).

Daraus ergibt sich zudem, dass die Argumentation der Beklagten, der Kläger habe sich angesichts der Kombination des allgemeinen Feststellungsantrags mit einem Entfristungsantrag nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist allenfalls auf weitere Unwirksamkeitsgründe hinsichtlich der Befristung berufen dürfen, mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in Einklang zu bringen ist. Derartiges ergibt sich insbesondere auch nicht aus der durch sie herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Die Ausführungen der Beklagten entsprechen nicht einmal der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Befristungsrecht. Die entsprechende Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG nach § 17 Satz 2 TzBfG hat danach zur Folge, dass die Rechtsunwirksamkeit einer konkreten Befristung nicht nur durch eine den Anforderungen des § 17 Satz 1 TzBfG entsprechende Klage innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags geltend gemacht werden kann. Die Klagefrist kann auch dadurch gewahrt sein, dass der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz einen Befristungskontrollantrag stellt und er innerhalb der Dreiwochenfrist auf anderem Weg gerichtlich geltend gemacht hat, dass die nach diesem Antrag streitgegenständliche Befristung rechtsunwirksam ist (vgl. BAG 15. Mai 2012 – 7 AZR 6/11, Rn. 22).

(3) Der Kläger hat den allgemeinen Feststellungsantrag auch nicht ersatzlos zurückgenommen. Vielmehr hat er seinen Antrag – wie es die Rechtsprechung verlangt – umgestellt und ab der Güteverhandlung einen punktuellen, konkret auf die Kündigung vom 30. September 2014 bezogenen Kündigungsschutzantrag formuliert.

Geht ein Kläger von dem erweiterten Streitgegenstand zu dem engeren und spezielleren Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage über, so ist damit keine Änderung (sondern nur Einschränkung) des Streitgegenstandes verbunden (vgl. BAG 13. März 1997 – 2 AZR 512/96, Rn. 17). Zugleich hat der Kläger in der Güteverhandlung – so ausdrücklich protokolliert – auf die weitere Kündigung der Beklagten vom 6. November 2014 hingewiesen und darauf, dass er diese gesondert angegriffen habe. Damit hat er den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits auf die angebliche Kündigung vom 30. September 2014 begrenzt. Die Klagerücknahme bezog sich danach eindeutig ausschließlich auf den Befristungstatbestand und den weitergehenden allgemeinen Feststellungsantrag. Das war im Gesamtzusammenhang sachgerecht, nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, dass sie sich auf diesen möglichen Beendigungstatbestand nicht berufen wolle.

(4) Im Übrigen hat der Kläger auch bereits durch die Leistungsanträge innerhalb der Frist des § 4 KSchG klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich nicht nur gegen eine Befristung, sondern auch gegen andere Beendigungstatbestände zur Wehr setzen wollte.

(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist § 6 KSchG entsprechend anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer aus der Unwirksamkeit einer Kündigung folgende Lohnansprüche mit einer Leistungsklage geltend macht. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer im Wege der Leistungsklage seine Weiterbeschäftigung für einen Zeitraum nach Zugang der außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend gemacht hat (vgl. BAG 23. April 2008 – 2 AZR 699/06, Rn. 23; 26. September 2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 35). Der Arbeitnehmer ist nach §§ 4, 6 KSchG nur verpflichtet, durch eine rechtzeitige Anrufung des Arbeitsgerichts seinen Willen, sich gegen die Wirksamkeit einer Kündigung wehren zu wollen, genügend klar zum Ausdruck zu bringen. Dieser Wille des Arbeitnehmers, eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht zu akzeptieren und das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft fortsetzen zu wollen, kann während der dreiwöchigen Klagefrist auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf eine ganz konkrete Kündigungserklärung für den Kündigenden hinreichend klar zum Ausdruck kommen, indem der Arbeitnehmer eine Leistungsklage erhoben hat, deren Anspruch zwingend die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung voraussetzt (vgl. BAG 23. April 2008 – 2 AZR 699/06, Rn. 24). Zweck der gesetzlichen Regelung des § 6 KSchG ist es, im Zusammenspiel mit § 4 KSchG frühzeitig Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. § 6 KSchG will den – häufig rechtsunkundigen – Arbeitnehmer vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus formalen Gründen schützen. Diesem Regelungszweck dient auch die neue Fassung des § 6 KSchG. Das Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage und sein Vertrauen in den Bestand der ausgesprochenen Kündigung wird hierdurch regelmäßig nicht bzw. nur geringfügig berührt und muss unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 6 KSchG zurücktreten (vgl. BAG 23. April 2008 – 2 AZR 699/06, Rn. 24).

(b) Nach diesen Grundsätzen ist auch angesichts des Weiterbeschäftigungsantrags und des Zahlungsantrags in der Klageschrift in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG von einer fristwahrenden Klageerhebung auch gegen die angebliche Kündigung vom 30. September 2014 auszugehen. Der Beklagten muss auch dadurch hierdurch hinreichend deutlich geworden sein, dass der Kläger die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht akzeptiert und er eine Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses mit ihr erstrebt. Das gilt jedenfalls bei der hier gegebenen Konstellation, bei der die begehrte – ggf. auch nur vorläufige – Weiterbeschäftigung auch nach dem 14. Oktober 2014 ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis voraussetzt.

c) Die Kündigung, auf die die Beklagte sich beruft, ist unwirksam. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt und deshalb sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG).

aa) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (vgl. BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 434/13, Rn. 19).

bb) Das durch die Beklagte behauptete Verhalten des Klägers wiegt jedenfalls nicht so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre.

(1) Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe im Februar 2014 eine falsche Steuerklasse angegeben, was zu Nachforderungen des Finanzamtes in Höhe von über 3.000 Euro geführt habe. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich schon nicht, warum der Kläger im Februar 2014 von einer anderen Steuerklasse hätte ausgehen müssen. Allein die Benennung der Ehefrau des Klägers als Zeugin ist insoweit nicht weiterführend. Die Beklagte hat im Übrigen weder bestritten, dass der Kläger verheiratet ist, noch dass er mit seiner Ehefrau gemeinsam veranlagt wird. Eine Veranlagung nach der Steuerklasse I ist vor diesem Hintergrund zwar nicht ausgeschlossen, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zutreffend (zB. bei dauerhaftem Getrenntleben). Die Beklagte hat zum Vorliegen dieser Voraussetzungen nichts vorgetragen, weder dazu, dass der Kläger im Februar 2014 dauernd getrennt lebte, noch Indizien dafür, dass der Kläger davon hätte ausgehen müssen. Die Beklagte hat ihre Behauptung auch nicht weiter belegt, wofür sich aus der angeblichen Nachforderung seitens des Finanzamtes Anhaltspunkte hätten ergeben können. Jedenfalls hat die Beklagte keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich schließen ließe, dass der Kläger ihr gegenüber bewusst falsche Angaben gemacht hat, um – in Kenntnis des Umstandes, dass er den Betrag nicht werde zurückzahlen können – ungerechtfertigt einen zu hohen Nettobetrag ausgezahlt zu bekommen. Es fehlt bereits konkreter Vortrag zu einer dauerhaften Vermögenslosigkeit des Klägers. Jedenfalls verfügte er auch über ein Einkommen bei der Beklagten.

Ob eine unbewusst falsche Angabe einer Steuerklasse hier eine Abmahnung hätte rechtfertigen können, bedarf keiner Entscheidung. Eine Kündigung kann auf den vorgetragenen Sachverhalt jedenfalls nicht mit Erfolg gestützt werden.

(2) Soweit die Beklagte weiter vorträgt, der Kläger habe durch falsche Angaben über seinen Wohnort „erschlichen“, dass ihre Geschäftsführerin ihm einen Bungalow mit zwei Zimmern zur Verfügung gestellt habe, kann auch dies eine Kündigung nicht rechtfertigen. Als Kündigungsgrund kommt dieser Sachverhalt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger unbestritten dargelegt hat, dass er zu dieser Zeit nicht bei seiner Frau wohnte und noch keine andere Wohnung gefunden hatte.

(3) Auch der Umstand, dass der Kläger in einigen Fällen tagsüber mit seinem Dienstlaptop über ein Partnerportal kommuniziert hat, ist nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Ein solches Verhalten schafft keinen absoluten Kündigungsgrund (vgl. BAG 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 28, für einen weitaus gravierenderen Fall). Die Beklagte trägt zudem nicht vor, dass ihr dadurch ein Schaden entstanden ist, insbesondere auch nicht, dass der Kläger dadurch seine Arbeitsleistung nicht ordentlich erbracht hätte. Jedenfalls dann, wenn die Beklagte dem Kläger den Laptop auch zum privaten Gebrauch überlassen haben sollte, stellte eher das Verhalten der Beklagten (Auslesen privater Kommunikation) einen gravierenden Pflichtverstoß gegenüber dem Kläger dar.

III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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