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Arbeitnehmerkündigung wegen Mitnahme geheimer Geschäftsunterlagen

ArbG Hamburg, Az.: 28 Ca 240/10, Urteil vom 02.03.2011

1. Das Versäumnisurteil vom 26.1.2011 wird hinsichtlich der Ziffern 1., 2., 3. und 6. aufrechterhalten.

2. Das Versäumnisurteil vom 26.1.2011 wird hinsichtlich der Ziffern 5., 7. und 8. teilweise aufrechterhalten und wie folgt abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 31.1.2004 als Leiterin der Abteilung Finanzen und Rechnungswesen bis zum 30.6.2011 weiter zu beschäftigen. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 384,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2011 zu zahlen. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Annahmeverzugslohn in Höhe von € 5.858,62 brutto abzgl. € 1.722,30 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2011 zu zahlen.

3. Im Übrigen (Ziffer 4. und 9.) wird das Versäumnisurteil vom 26.1.2011 aufgehoben.

4. Die Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an die Klägerin Annahmeverzugslohn in Höhe von € 6.400,00 brutto abzüglich € 1.722,30 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.2.2011 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an die Klägerin Annahmeverzugslohn in Höhe von € 6.400,00 brutto abzüglich € 1.722,30 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.3.2011 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 384,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.2.2011 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 384,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.3.2011 zu zahlen.

8. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

9. Der Streitwert beträgt € 77.707,77.

10. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 88 %, die Klägerin 12. %. Die Kosten der Säumnis trägt die Beklagte.

Tatbestand

Arbeitnehmerkündigung wegen Mitnahme geheimer Geschäftsunterlagen
Symbolfoto: smolaw/Bigstock

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen der Beklagten, über die Weiterbeschäftigung der Klägerin sowie über Entgeltansprüche.

Die jetzt 51-jährige Klägerin ist seit dem 1.5.2004 als Leiterin der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen bei der Beklagten tätig. Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen betrug 2009 € 5.665,50. Die Klägerin hatte einen Dienstwagen, den sie auch privat nutzen durfte. Bis zu einer Höhe von € 150,00 monatlich übernahm die Beklagte die Kosten für die Fahrzeughaltung und Nutzung, inkl. Treibstoffkosten (Anl. K 36, Bl. 199 d) ff d.A.). Nach Aufforderung durch die Beklagte mit Kündigungsschreiben vom 29.11.2010 gab die Klägerin den Dienstwagen an die Beklagte am 30.11.2010 zurück.

Ab dem 1.1.2007 hatte die Klägerin einen Anspruch auf ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 6.400,00. Im Jahr 2010 verzichtete sie für das Jahr 2010 auf einen Teil ihres Gehalts, das sodann befristet nur noch € 5.848,62 brutto monatlich betrug.

Im November 2004 wurde Klägerin Prokura erteilt. Der Aufgabenbereich der Klägerin umfasst gemäß Anstellungsvertrag die eigenverantwortliche Führung der Abteilungen Finanz- und Rechnungswesen und Controlling, die Weiterentwicklung des Controllings einschließlich der monatlichen Berichte sowie die Erstellung von Analysen zur Vorbereitung von strategischen Entscheidungen der Geschäftsführung sowie die Vorbereitung der Jahresabschlüsse und die Funktion als Ansprechpartner für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte. Bis zum 30.9.2009 war die Klägerin Mitglied im sog. Führungskreis der Beklagten, aus dem sie mit Wirkung zum 1.10.2009 abberufen wurde. Die Klägerin ist direkt der Geschäftsführerin unterstellt und berichtet an diese.

Die Beklagte, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, ist eine touristische Mediengruppe.

Mit Schreiben vom 27.7.2010, der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte der Kläger ordentlich zum 31.1.2011. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit der am 17.8.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin wurde ab dem 23.9.2010 unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Die Freistellung wurde ihr mit Schreiben vom 20.9.2009 mitgeteilt (Anl. K 33, Bl. 173 d.A.). Am 21.9.2010 druckte die Klägerin die unveröffentlichte Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010 aus und nahm diese mit nach Hause. Mit Schriftsatz vom 22.11.2010 führte die Klägerin diese Geschäftsunterlagen in den vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten ein (Anl. K 16, Bl. 142 ff d.A.) sowie mit dem Hinweis, die Unterlagen zeigten, dass die Beklagte – entgegen ihren Ausführungen – im Jahr 2009 keine Kredite aufgenommen habe.

Mit E-Mail vom 9.12.2010, 9:56 Uhr, teilte der Betriebsrat der Personalleiterin der Beklagten mit, dass er die E-Mail mit den Anhörungen zur Kündigung der Klägerin am 8.12.2010 erhalten habe (Anl. der Bekl., überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 26.1.2011, Bl. 290 d.A.).

Mit Schreiben vom 29.11.2010, der Klägerin zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit weiterem Schreiben vom 9.12.2010, der Klägerin zugegangen am 10.12.2010, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin erneut fristlos, vorsorglich ordentlich zum 30.6.2011.

Die Klägerin trägt vor, die Kündigungen seien unwirksam. Betriebs- oder verhaltensbedingte Gründe seien nicht gegeben. Ebenso läge kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. BGB nicht gewahrt. Der Betriebsrat sei zu den Kündigungen nicht wirksam angehört worden. Eine Anhörung sei aber erforderlich gewesen, weil die Klägerin nicht leitende Angestellte im Sinne von § 5 BetrVG sei. Die erteilte Prokura sei von völlig untergeordneter Bedeutung gewesen. Das ergebe sich aus der sog. Investitionsregel der Beklagten (Anl. K 5, Bl .121 d.A.). Nach dieser Regelung dürften Abteilungsleiter wie die Klägerin nur Investitionen bis € 1.00,00 unterzeichnen. Alle sonstigen Investitionswünsche seien vorab mit schriftlicher Begründung bei der Geschäftsführung einzureichen. Diese im Innenverhältnis bestehende Einschränkung der Prokura zeige die geringe Bedeutung des Umfangs der Prokura. Sie habe Willenserklärungen für die Beklagte niemals eigenverantwortlich aus eigener, freier Entscheidung heraus, sondern erst aufgrund vorheriger Anweisung der Beklagten abgegeben. Verträge habe sie nur bei Abwesenheit der Geschäftsführung und auch nur nach Rücksprache unterzeichnet. Die Klägerin habe zudem keine Aufgaben erfüllt, die für den Bestand und die Entwicklung der Beklagten von Bedeutung seien und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzten. Entscheidungen habe sie nicht frei von Weisungen treffen dürfen oder solche maßgeblich beeinflussen können. Seit September 2009 sei sie nicht mehr Mitglied im Führungskreis gewesen. Seitdem sei sie nicht mehr in die Unternehmensplanung eingebunden gewesen. Sie beziehe kein Gehalt, das für leitende Angestellte der Beklagten üblich sei. Die Abteilungsleiter Anzeigen, Vertrieb, Online und der Chefredakteur verdienten deutlich mehr als sie. Sie sei auch nicht leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG. Sie sei zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern der Beklagten nicht befugt gewesen. Das ergebe sich zum einen aus der sog. Investitionsregel der Beklagten (Anl. K 5, Bl .121 d.A.), zum anderen aus Abs. II. Ziffer 1 des Arbeitsvertrags, wonach die Klägerin lediglich Empfehlungen von Einstellungen in ihrem Verantwortungsbereich habe abgeben können. Schließlich sei der Klägerin – unstreitig – der Verantwortungsbereich Personal seit Mai 2009 entzogen gewesen. Hinreichende Gründe für einen Auflösungsantrag seien nicht gegeben. Für den Entzug des Dienstwagens schulde die Beklagte ihr Schadenersatz. Aus der ADAC-Tabelle für Autokosten aus dem Jahr 2008 ergebe sich, dass die Gesamtbetriebskosten für ein Fahrzeug des Modells Audi A 4 Limousine 1.8 mit 118 kW pro gefahrenen Kilometer € 0,45 betrage (Anl. K 38, Bl. 199 j) d.A.). Da die Klägerin monatlich 1.404,1 km gefahren sei, ergäben sich Betriebskosten von monatlich € 631,85. Diesen Betrag schulde ihr die Beklagte als Nutzungsausfallschaden für Dezember 2010, Januar 2011 und Februar 2011. Für denselben Zeitraum schulde die Beklagte ihr Annahmeverzugslohn und zwar für Dezember in Höhe von € 5.848,62 brutto, für Januar und Februar in Höhe von jeweils € 6.400,00 brutto, wobei pro Monat € 1.722,30 Arbeitslosenentgelt abzuziehen seien.

In der Kammerverhandlung vom 26.1.2011 ist gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil ergangen (Bl. 295 f. d.A.), das der Beklagten am 28.2.2011 zugestellt worden ist. Hiergegen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 4.2.2011 Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt, nachdem die allgemeine Feststellungsklage in der mündlichen Verhandlung vom 26.1.2011 zurück genommen worden ist,

1. Das Versäumnisurteil vom 26.1.2011 aufrecht zu erhalten.

2. Unter Abänderung des Klagantrags zu Ziffer 8 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Annahmeverzugslohn in Höhe von € 5.858,62 brutto abzüglich gewährten Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.722,30 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2011 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Annahmeverzugslohn in Höhe von € 6.400,00 brutto abzüglich gewährten Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.722,30 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.2.2011 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Annahmeverzugslohn in Höhe von € 6.400,00 brutto abzüglich gewährten Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.722,30 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.3.2011 zu zahlen.

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 631,85 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.2.2011 zu zahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 631,85 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.3.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 26.2.2010 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Kündigung vom 27.7.2010 sei aus verhaltens- und betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Aufgrund diverser Pflichtverletzungen, u.a. aufgrund der ungenehmigten vorzeitigen Verlängerung eines Druckvertrags und der fehlende Information über das Auslaufen eines KfW-Rahmenkredits, sei das Vertrauensverhältnis zur Klägerin weggefallen. Daher sei verhaltensbedingt gekündigt worden. Zudem sei der Bereich Finanz- und Rechnungswesen umstrukturiert worden, was zum Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin geführt habe. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlender Betriebsratsanhörung unwirksam. Da die Klägerin leitende Angestellte sei, habe sie den Betriebsrat zu der Kündigung vom 27.7.2010 nicht anhören müssen. Das ergebe sich schon aus der Stellung als Prokuristin. Gleiches gelte für die fristlosen Kündigungen. Sie habe nach außen als zeichnungsberechtigt auftreten können und habe das auch getan. So habe sie z.B. am 8.2.2010 – unberechtigterweise – vorzeitig einen Druckvertrag verlängert. Sie habe sämtliche Verträge unterzeichnen und sämtliche Rechnungen frei geben dürfen. Sie habe z.B. auch Darlehensverträge unterzeichnet, etwa ein Mitarbeiterdarlehen vom 22.1.2010 (Anl. B 5, Bl. 231 d.A.). Ferner habe sie die mit Anlagenkonvolut B 9, auf welches Bezug genommen wird, in Kopie eingereichten Verträge in ihrer Funktion als Prokuristin unterzeichnet bzw. Rechnungen frei gegeben (Anl. Konv. B 9, Bl. 318 ff d.A.). Dies zeige, dass die Klägerin echte Prokuristin gewesen sei. Sie sei in ihrer Prokura nicht eingeschränkt gewesen. Durch die Investitionsregelung sei die Zeichnungsberechtigung nicht eingeschränkt worden. Es handele sich lediglich um eine Regelung betreffend „Investitionswünsche“. In ihrer Eigenschaft als Prokuristin habe sie die Regelung nicht betroffen. Soweit die Regelung für die begrenzten Bereiche von Investitionen und Anstellungsverträge bestimmte Regularien für Abteilungsleiter/Führungskräfte vorsehe, entspreche dies den Beschränkungen, wie sie auch wesentlicher Bestandteil von Geschäftsführerverträgen seien. Die Klägerin habe auch bei der Betriebsratswahl im Jahr 2009 nicht gewählt. Ihr seien nach ihrem Arbeitsvertrag Aufgaben übertragen worden, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung seien. Als Mitglied des Führungskreises habe sie sowohl wegen ihrer Tätigkeit als auch wegen der Bedeutung ihrer Funktion der Unternehmensleitung nahe gestanden. Sie habe in ihrer Funktion die zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Ihre Aufgabenstellung laut Vertrag habe darin bestanden, dass sie durch ihre Tätigkeit, nämlich z.B. den Aufbau eines Controllings, Entscheidungen der Unternehmensleitung so habe vorbereiten sollen, dass Vorschläge und Leistungsergebnisse hätten übernommen werden können. Weder die Geschäftsleitung noch andere Mitarbeiter wären in der Lage gewesen, von der Klägerin präsentierte Ergebnisse zu überprüfen und sachlich in Frage zu stellen. An korrekt vorbereiteten Vorschlägen der Klägerin habe die Leitung nicht vorbeigehen können. Die Klägerin sei in sämtliche Unternehmensplanungen stets maximal eingebunden gewesen. So habe die Klägerin z.B. den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag betreffend den Leiharbeitnehmer G. selbständig vorbereitet. Sie hätte diesen auch selbständig ohne Vorlage bei der Geschäftsführung unterzeichnen können. Sie habe in den vergangenen Jahren das Budget und sämtliche Hochrechnungen zur Lage des Unternehmens der Beklagten und zur Gewinn- und Verlustrechnung durchgeführt. Auf Basis dieser Berechnungen seien wichtige Unternehmerentscheidungen getroffen und Maßnahmen umgesetzt worden. In 2009 und 2010 hätten diese Berechnungen zur Entlassung von 20 Mitarbeitern geführt. Sie habe die alleinige Verantwortung für die Aufbereitung der gesamten wirtschaftlichen Zahlen des Unternehmens der Beklagten gehabt. Ihre Zahlen hätten maßgeblichen Einfluss auf das prognostizierte Ergebnis und darauf gehabt, welche Rückstellungen hätten gebildet werden müssen. Die Klägerin habe mit den von ihr aufbereiteten Zahlen im finanziellen Bereich wichtige Weichenstellungen und Entscheidungsfindungen des Unternehmens so vorbereitet, dass sie auf der Grundlage der Ergebnisse der Klägerin umgesetzt worden seien. Wenn die Klägerin nun meine, sie habe keine Aufgaben erfüllt, die für den Bestand und die Entwicklung der Beklagten von Bedeutung gewesen seien, so zeige dies, dass sie unbedingt von ihren Aufgaben zu entbinden sei. Es spiegele ihre fehlende Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit wider, was sich auch daran zeige, dass die Klägerin die Plattform des Führungskreises nicht genutzt habe, um sich einzubringen. Sie habe nie auch nur einen einzigen Vorschlag gemacht, wie Vorgänge hätten verbessert, Prozess verschlankt oder wie sonst Kosten hätten eingespart werden können. Auch ihr Gehalt entspreche dem eines leitenden Angestellten bei der Beklagten. So erziele z.B. auch der Leiter Personal und der Leiter der Unternehmensentwicklung ein Jahresbruttogehalt von € 90.000 brutto. Das Gehalt der Klägerin in Höhe von € 80.000 brutto liege zwar darunter, was aber daran liege, dass leitende Angestellte im Bereich Finanz- und Rechnungswesen überall erheblich weniger verdienten als leitende Angestellte im Anzeigen- oder Verkaufsbereich. Das Arbeitsverhältnis sei jedenfalls nach § 9 KSchG aufzulösen. Nach § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG bedürfe der Antrag keiner Begründung, da die Klägerin unzweifelhaft leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sei. Sie habe eine Führungsaufgabe wahrgenommen. Auch lägen Gründe im Sinne von § 9 KSchG vor. Eine weitere dienliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht möglich. Es liege sogar eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach § 626 BGB vor, da die Vertrauensgrundlage weggefallen sei. Die fristlose Kündigung vom 29.11.2010 sei wirksam. Ein wichtiger Grund sei gegeben. Die Klägerin habe – was unstreitig ist – am 21.9.2010 die unveröffentlichte Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung des Geschäftsjahres 2010 ausgedruckt und mit nach Hause genommen und damit zu einem Zeitpunkt, zu welchem ihr aufgrund der Freistellung klar gewesen sei, dass sei nur noch einen Tag im Hause sein würde. Das Mitnehmen der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung sei in Schädigungsabsicht erfolgt und verletze arbeitsvertragliche Verpflichtungen in schwerer Weise. Der Klägerin sei klar gewesen, dass die Beklagte mit der heimlichen Mitnahme der Unterlagen nicht einverstanden gewesen sei. Als Leiterin Finanz- und Rechnungswesen habe sie gewusst, dass die nicht veröffentlichte Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung zu den wichtigsten und vertraulichsten Unterlagen eines Unternehmens gehörten. Die Entwendung dieser Unterlagen stelle einen ungeheuren Vertrauensmissbrauch dar, der dadurch verschärft werde, dass die Klägerin die Unterlagen sogar an Dritte weiter gegeben habe und dass diese Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung vor Gericht hätten werden können. Genau das habe die Klägerin auch beabsichtigt. Einer Abmahnung habe es in diesem Fall nicht bedurft. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten. Der Kündigungsgrund sei erstmals bekannt geworden mit Erhalt des Schriftsatzes der Klägerin inkl. der Anlagen am 25.11.2010. Die Geschäftsführerin sei im Urlaub gewesen, so dass der Schriftsatz der Personalleiterin B. vorgelegt worden sei. Sie selbst habe anhand der Unterlagen nicht erkennen können, ob es sich tatsächlich um die aktuelle Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung gehandelt habe, so dass sie die Unterlagen an den Berater der Beklagten, Herrn RM., weitergeleitet habe. Dieser habe der Beklagten am 26.11.2010 bestätigt, dass es sich um die aktuelle und unveröffentlichte Bilanz der Beklagten handele. Der Betriebsrat sei am 8.12.2010 um 17.00 Uhr zur vorsorglichen Kündigung vom 9.12.2010 angehört worden. Es seien mündlich die Gründe erläutert worden und die schriftliche Anhörung (Anl. B 8, Bl. 245 d.A. sowie die in der mündlichen Verhandlung vom 26.1.2011 übergebene Anlage, Bl. 290 f. d.A.) übergeben worden. Der Betriebsrat habe am 9.12.2010 getagt und telefonisch den Gewerkschaftssekretär das DJV hinzugezogen. Nach der Beratung habe der Zeuge C., stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, gegenüber der Zeugin Frau B. erklärt, der Betriebsrat habe beschlossen, der Kündigung nicht zu widersprechen und weder zur fristlosen noch zur vorsorglich ordentlichen Kündigung eine Stellungnahme abzugeben. Selbst der Gewerkschaftssekretär habe aufgrund der Schwere der Vorwürfe gesagt, in einem solchen Fall könne der Betriebsrat tatsächlich von einem Widerspruch Abstand nehmen. Zahlungsansprüche wegen der Rückgabe des Dienstwagens bestünden nicht, da die Parteien vereinbart hätten, dass das Fahrzeug bei einer Freistellung zurückzugeben sei. Jedenfalls könne die Klägerin nicht die Kosten nach der ADAC-Kostentabelle fordern, weil hier auch Benzinkosten enthalten seien, die die Klägerin jedenfalls teilweise selbst zu tragen gehabt habe.

Randnummer 22

Die Klägerin erwidert zur Frage der leitenden Angestellteneigenschaft, dass die Beklagte ihr für die (angeblich) eigenmächtige Verlängerung des Druckvertrags eine Abmahnung erteilt habe. Das zeige, dass sie Verträge nicht ohne Zustimmung der Geschäftsführung habe unterzeichnen dürfen, was entgegen der Ansicht der Beklagten auch aus der Investitionsregelung folge. Die Prokura habe die Beklagte – wie sie in ihrem Schriftsatz vom 15.9.2010 ausführe – widerrufen, so dass die Klägerin zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigungen über keine Prokura mehr verfügt habe. Sie habe keine Entscheidungen getroffen, die für den Bestand und die Entwicklung der Beklagten von Bedeutung gewesen seien. Auf den Inhalt des Arbeitsvertrags komme es nicht an, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse. Auch die mit dem Anlagenkonvolut B 9 vorgelegten Dokumente zeigten nicht, dass sie leitende Angestellte gewesen sei. Zum einen handele es sich um Jahre zurückliegende Ereignisse. Zum anderen genügten sie in ihrer Bedeutung nicht, um die Klägerin als leitende Angestellte qualifizieren zu können. Sämtliche Verträge seien erst nach Rücksprache mit und Zustimmung durch die Geschäftsführung unterzeichnet worden. Nicht richtig sei, dass sei die alleinige Verantwortung für die Aufbereitung der gesamten wirtschaftlichen Zahlen gehabt habe, insbesondere für die Erstellung der Budgets. Die Budgets seien durch die Führungskreismitglieder erstellt worden. Die wirtschaftlichen Zahlen des Unternehmens habe sie mit dem kaufmännischen Leiter abgesprochen, der sie wiederum im Führungskreis präsentiert habe. Die Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung habe sie ausgedruckt, um am 22.9.2010 eine Arbeitsplatzübergabe machen zu können. Sie habe in ihrer Funktion berechtigterweise Zugriff auf die Daten gehabt. Sie habe sich die Unterlagen auch ausdrucken dürfen. Nach Ziffer VII. des Arbeitsvertrags habe sie Unterlagen, die Geschäftsvorgänge betreffen und Eigentum der Beklagten seien, erst bei Beendigung des Vertrags zurückzugeben. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass die Beklagte ihr Verhalten nicht dulden würde. Schädigungsabsicht habe sie nicht gehabt. Sie habe den Ausdruck sodann lediglich ihrem Prozessbevollmächtigten zukommen lassen. Insoweit hätten selbst Beamte, die einer Pflicht zur Amtsverschwiegenheit hätten, gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten ein Offenbarungsrecht, wenn sie diese zur Rechtswahrung gegenüber der Behörde hinzuziehen. Dies folge aus der übergeordneten Rechtsschutzgarantie (Art. 103 Abs. 1 GG, Art 19 Abs. 4 GG). Sie habe auch nicht beabsichtigt, dass die Unterlagen Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung würden. Hier sei auch festzustellen, dass sich der Öffentlichkeitsgrundsatz ausschließlich auf die Teilnahme an der Verhandlung, nicht jedoch auf die Einsicht in Schriftsätze und Anlagen beziehe. Für die mögliche Dauer einer Erörterung von Geschäftsgeheimnissen u.ä. hätte nach § 52 ArbGG, § 172 ZPO die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden können. Auch sei sie zur Rechtsverteidigung auf diese Unterlagen angewiesen gewesen, weil die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 15.10.2010 wahrheitswidrig erklärt habe, sie habe nur mit Hilfe von Krediten fortbestehen können. Die Klägerin habe ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf rechtsstaatliche Prozessführung. Dies überwiege gegenüber der Pflicht zur Rücksichtnahme, die die Klägerin gegenüber der Beklagten treffe. Die Kündigung stelle eine unverhältnismäßige Reaktion der Beklagten dar. Sie habe durch Vorlage der Unterlagen nur wahrheitswidrige Behauptungen der Beklagten widerlegen wollen, die Beklagte habe nur durch Kredite überleben können. Die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Dass Nachforschungen angestellt worden seien, werde bestritten. Diese seien auch nicht notwendig gewesen. Die Beklagte habe spätestens am 24.11.2010 gewusst, dass es sich bei den Unterlagen um die unveröffentlichte Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung handele. Die Kündigungserklärungsfrist sei damit am 8.12.2010 abgelaufen. Auch fehle es an einer Abmahnung. Bestritten werde zudem, dass die Beklagte den Betriebsrat mündlich am 8.12.2010 angehört und die schriftliche Anhörung überreicht habe und dass der Betriebsrat erklärt habe, er wolle keine Stellungnahme abgeben.

Auf die Schriftsätze und Anlagen der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 2.3.2011 ist Beweis erhoben worden über die Frage der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung durch Vernehmung der Zeugen C. und B.. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen (Bl. 415 ff d.A.).

Entscheidungsgründe

Das Versäumnisurteil vom 26.1.2011 war teilweise, nämlich hinsichtlich der Ziffern 1., 2., 3. und 6. aufrecht zu erhalten. Soweit ist die Klage nämlich zulässig und begründet. Die Kündigungen vom 27.7.2010 und vom 29.11.2010 sind unwirksam und haben das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Ebenso hat die fristlose Kündigung vom 9.12.2010 das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Hinsichtlich der Ziffern 5., 7. und 8. war das Versäumnisurteil abzuändern. Die Klägerin hat einen eingeschränkten Weiterbeschäftigungsanspruch, nämlich nur bis zum 30.6.2011. Ferner hat die Klägerin zwar Annahmeverzugslohnansprüche, allerdings war das Datum hinsichtlich der Zinsansprüche zu korrigieren auf das Jahr 2011. Hinsichtlich des Annahmeverzugslohns für Dezember 2010 war antragsgemäß ein Nettobetrag in Höhe von € 1.722,30 (bezogenes Arbeitslosengeld) in Abzug zu bringen. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Ziffern 4. und 9. war das Versäumnisurteil aufzuheben. Die vorsorglich ordentliche Kündigung vom 9.12.2010 ist wirksam und wird das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2011 auflösen. Schließlich war die Kostenentscheidung des Versäumnisurteils neu zu fassen. Im Einzelnen:

I.

Die Beklagte hat gegen das Versäumnisurteil vom 26.1.2011 frist- und formgerecht Einspruch eingelegt, indem gegen das am 28.1.2011 zugestellte Versäumnisurteil am 4.2.2011 Einspruch eingelegt worden ist.

II.

Das Versäumnisurteil war – wie bereits dargelegt – teilweise aufrecht zu erhalten, teilweise abzuändern und teilweise aufzuheben.

1.

Die Kündigungen vom 27.7.2010 und vom 29.11.2010 haben das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Beide Kündigungen sind mangels Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG unwirksam.

a)

Die Klägerin hat die 3-wöchige Klagfrist des § 4 KSchG eingehalten, indem sie gegen die am 27.7.2010 zugegangene Kündigung am 17.8.2010 Kündigungsschutzklage erhoben hat sowie sich gegen die Kündigung vom 29.11.2010, zugegangen am selben Tag, mit der am 20.12.2010 eingegangenen Klagerweiterung wehrt.

b)

Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die ordentliche Kündigung vom 27.7.2010 zum 31.1.2011 und auch nicht durch die fristlose Kündigung vom 29.11.2010 beendet worden. Beide Kündigungen sind mangels Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG unwirksam.

Auf die Anhörung des Betriebsrats konnte vorliegend entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verzichtet werden. Die Klägerin ist nicht leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG.

aa)

Die Klägerin ist nicht leitende nach § 5 Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 BetrVG.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist.

Hierfür genügt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 25. März 2009, 7 ABR 2/08, zit. nach iuris) nicht jede Einstellungs- und Entlassungsbefugnis für die Herausnahme aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor bei Arbeitnehmern, deren Personalkompetenzen nur von untergeordneter Bedeutung für den Betrieb und damit auch für das Unternehmen sind (BAG, Beschluß vom 10. Oktober 2007 – 7 ABR 61/06 – Rn. 14, a.a.O.). Die unternehmerische Bedeutung der Personalverantwortung kann aus der Anzahl der Arbeitnehmer folgen, auf die sich die selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis bezieht (BAG, Urteil vom 11. März 1982 – 6 AZR 136/79 – zu B 1 der Gründe, AP Nr. 28 zu § 5 BetrVG 1972). Umfasst sie nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG regelmäßig nicht vor. Der Angestellte tritt in diesem Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auf, es sei denn, die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis besteht für einen für das Unternehmern qualitativ bedeutsamen Personenkreis (BAG, 10. Oktober 2007, 7 ABR 61/06, zit. nach iuris). Schließlich darf die Ausübung der Personalkompetenz nicht von der Zustimmung einer anderen Person abhängig sein (BAG, 10. Oktober 2007, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Klägerin nicht erfüllt. Weder verfügte die Klägerin über eine maßgebliche Einstellungs- noch über eine Entlassungsbefugnis.

bb)

Die Klägerin ist auch nicht im Sinne der Nr. 3 des § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG leitende Angestellte.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach seinem Arbeitsvertrag und seiner Stellung im Unternehmen oder Betrieb regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und für die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (5. Mai 2010, 7 ABR 97/08, zit. nach iuris), der sich die Kammer anschließt, gilt: Voraussetzung für die Wahrnehmung einer unternehmerischen (Teil-) Aufgabe ist, dass dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener und erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht, d.h. er muss mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung seinen Tätigkeitsbereich wahrnehmen und kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben. Der nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG erforderliche Einfluss auf die Unternehmensführung kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung schlechterdings nicht vorbeigehen kann. Ein derartiger maßgeblicher Einfluss fehlt dann, wenn der Angestellte nur bei der reinen arbeitstechnischen, vorbestimmten Durchführung unternehmerischer Entscheidungen eingeschaltet wird, etwa im Rahmen von Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen (BAG, 25. März 2009, zit. nach iuris). Erforderlich ist schließlich auch, dass die unternehmerische Aufgabenstellung mit Entscheidungsspielraum die Tätigkeit des leitenden Angestellten prägt, d.h. sie schwerpunktmäßig bestimmt und jedenfalls ein beachtlicher Teil der Arbeitszeit von diesen Tätigkeiten beansprucht wird (BAG, 23.1.1986, 6 ABR 51/81, zit. nach iuris).

Zu beachten ist weiterhin, dass sich die Tätigkeit des Angestellten nicht in Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen erschöpfen darf (BAG, 23.1.1986, a.a.O.). Die rein arbeitstechnische „vorprogrammierte“ Durchführung unternehmerischer Entscheidungen gehört nicht zur Unternehmensleitung. Es sollen nur solche Schlüsselpositionen im Unternehmen erfasst werden, die für die Verwirklichung der unternehmerischen Zielsetzung besonders wichtig sind. Dabei muss dem Angestellten ein rechtlich und tatsächlich eigener, erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung stehen, d.h. er muss mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung im Rahmen seiner Tätigkeit handeln können (BAG, 22.2.1994, 7 ABR 32/93, zit. nach iuris). Der Angestellte muss entweder selbständig unternehmerische Führungsentscheidungen treffen oder sie maßgeblich beeinflussen. Letzteres ist dann gegeben, wenn der Angestellte auf Grund seiner Position Fakten schafft, die bei der Findung der unternehmens- oder betriebsleitenden Entscheidung nicht unbeachtet gelassen werden können (BAG, 29. Januar 1980, 1 ABR 45/79, zit. nach iuris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht erkennbar, dass die Klägerin leitende Angestellte im Sinne der Norm ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung hat und dass sie kraft einer Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung schlechterdings nicht vorbeigehen kann. Soweit die Beklagte vorträgt, der Klägerin seien nach ihrem Arbeitsvertrag Aufgaben übertragen worden, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung seien, ist festzustellen, dass es nicht auf die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags ankommt, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitsverhältnisses. Zudem umfasst der Aufgabenbereich der Klägerin gemäß ihrem Anstellungsvertrag (u.a.) lediglich die Erstellung von Analysen zur Vorbereitung von strategischen Entscheidungen der Geschäftsführung. Hieraus ist nicht erkennbar, dass die Klägerin konkret Vorschläge für unternehmerische Entscheidungen auszuarbeiten hatte, die die Geschäftsführung sodann nur noch hätte übernehmen müssen. Der Hinweis auf die Mitgliedschaft im Führungskreis führt ebenfalls nicht zur leitenden Angestellteneigenschaft. Zum einen ist die Klägerin bereits seit September 2009 nicht mehr Mitglied des Führungskreises gewesen. Zum anderen belegt die Mitgliedschaft nicht, inwiefern die Klägerin Einfluss auf die Unternehmensführung hat nehmen können oder genommen hat. Zuzugestehen ist der Beklagten, dass die Funktion der Klägerin grundsätzlich von unternehmerischer Bedeutung sein und auch dazu führen kann, dass jemand, der Leiter der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen ist, tatsächlich leitender Angestellter ist. Ein Automatismus ist hier allerdings nicht gegeben, sondern es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalls an.

Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin habe in ihrer Funktion die zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen maßgeblich beeinflusst, ist unklar, konkret welche unternehmerischen Entscheidungen die Beklagte hiermit meint. Entscheidend wäre die Beeinflussung von Entscheidungen, die von Bedeutung sind für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens. An welchen korrekt vorbereiteten Vorschlägen der Klägerin die Leitung nicht habe vorbeigehen können, wird von der Beklagten nicht näher geschildert. Auch der Hinweis, die Klägerin sei in sämtliche Unternehmensplanungen stets maximal eingebunden gewesen, ist nicht hinreichend konkret, um tatsächlich einen maßgeblichen Einfluss der Klägerin auf unternehmensrelevante Entscheidungen erkennen zu können. Die selbständige Vorbereitung eines Arbeitnehmerüberlassungs-vertrags betreffend den Leiharbeitnehmer G. ist nicht von Bedeutung für Bestand und Entwicklung des Unternehmens. Der Vortrag, sie habe „das Budget“ des Unternehmens erstellt, zeigt nicht konkret, welches Budget die Beklagte meint, was die Klägerin hier erstellt hat und welchen Einfluss diese Arbeiten der Klägerin auf welche Entscheidungen der Unternehmensleitung gehabt haben, insbesondere, dass und warum die Unternehmensleitung an (welchen?) Entscheidungen der Klägerin nicht hat vorbeigehen können. Allein das Erstellen von Hochrechnungen zur Lage des Unternehmens der Beklagten und zur Gewinn- und Verlustrechnung ist noch keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne der Norm. Soweit diese Tätigkeiten sich in einem reinen Reporting erschöpfen, fehlt es an einem maßgeblichen Einfluss der Klägerin. Gleiches gilt für die Aufbereitung der gesamten wirtschaftlichen Zahlen des Unternehmens der Beklagten durch die Klägerin. Soweit die von der Klägerin aufbereiteten Zahlen im finanziellen Bereich Grundlage für wichtige Weichenstellungen und Entscheidungsfindungen des Unternehmens waren, ist es nicht die Klägerin, die diese Entscheidungen getroffen oder derart vorbereitet hat, dass die Geschäftsführung nur noch „Ja“ sagen konnte. Das erfordert mehr als nur das Aufbereiten von Zahlen, nämlich das Erstellen von Konzepten auf der Grundlage analysierter Sachverhalte und hierauf aufbauende eigene Vorschläge der Klägerin für unternehmerische Entscheidungen von Bedeutung oder auch das Erarbeiten von Unternehmensstrategien.

Schließlich ist zu beachten, dass die Beklagte selbst die fehlende Eigeninitiative der Klägerin in dem hiesigen Verfahren rügt. So trägt die Beklagte vor, die Klägerin habe die Plattform des Führungskreises nicht genutzt, um sich einzubringen. Sie habe nie auch nur einen einzigen Vorschlag gemacht, wie Vorgänge hätten verbessert, Prozesse hätten verschlankt oder wie sonst Kosten hätten eingespart werden können. Das zeigt deutlich, dass die Klägerin keine unternehmensbedeutsamen Entscheidungen getroffen oder maßgeblich beeinflusst hat.

Ebenso wenig war ersichtlich, dass unternehmerische Aufgabenstellungen mit Entscheidungsspielraum die Tätigkeit der Klägerin in der Weise prägen, dass sie sie schwerpunktmäßig bestimmen und jedenfalls ein beachtlicher Teil der Arbeitszeit von diesen Tätigkeiten beansprucht wird. Wo der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin liegen soll, also ob in der strategisch-planend ausgerichteten, gestaltenden Tätigkeit oder in der abarbeitenden, Strategievorgaben umsetzenden Tätigkeit, ist nicht dargestellt worden.

cc)

Die Klägerin ist schließlich auch nicht leitende Angestellte im Sinne der Nr. 2 des § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG.

Zwar verfügte die Klägerin über Prokura. Allein dieser Umstand ist jedoch nicht genügend, um einen Mitarbeiter als leitenden Angestellten zu qualifizieren. Dazu ist vielmehr erforderlich, dass das Aufgabengebiet, das der Prokura zugrunde liegt, im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist (BAG, 25.3.2009, 7 ABR 2/08, zit. nach iuris). Daran fehlt es bei dem der Klägerin obliegenden Tätigkeitsbereich als Leiterin der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen. Für die Erledigung dieser Aufgaben ist die Prokura nicht von sachlicher Bedeutung, jedenfalls war dies nicht hinreichend erkennbar.

Nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist. Das funktionsbezogene Merkmal der auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutenden Prokura ist – so das BAG – dahin zu verstehen, dass das der Prokura zugrunde liegende Aufgabengebiet nicht unbedeutend sein darf (BAG, a.a.O.). Ausschlaggebend für die Zuordnung eines Prokuristen zum Personenkreis der leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind daher nicht nur die mit der Prokura verbundenen formellen und umfassenden Vertretungsbefugnisse im Außenverhältnis, sondern auch die damit verbundenen unternehmerischen Aufgaben, für deren Erfüllung dem Arbeitnehmer Prokura verliehen worden ist. Diese unternehmerischen Aufgaben dürfen nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG nicht von einer untergeordneten Bedeutung sein, weil es sonst an dem vom Gesetzgeber für den Personenkreis der leitenden Angestellten angenommenen Interessengegensatz zum Betriebsrat fehlen würde (BAG, a.a.O.). Als leitender Angestellter muss ein Prokurist unternehmerische Führungsaufgaben wahrnehmen (BAG, a.a.O.). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den für die Zuordnung nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG entwickelten Grundsätzen (BAG, a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin ebenfalls keine leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. So ist bereits festgestellt, dass die Klägerin keine leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG ist, d.h. dass sie keine unternehmerischen Führungsaufgaben im Sinne der Norm wahrnimmt bzw. wahrgenommen hat. Dementsprechend ist die Prokura auch nicht erteilt worden, um unternehmerische Aufgaben von erheblicher Bedeutung erfüllen zu können. Die von der Beklagten aufgezählten Verträge und Rechnungen, die die Klägerin unterzeichnet hat, führen ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Vor allem ist nicht hinreichend erkennbar, dass diese Rechtsgeschäfte, insbesondere die Unterzeichnung der Avalbürgschaft, der Änderungsverträge zum Mietvertrag und der Leasingverträge, zum vertraglichen Aufgabengebiet der Klägerin als Leiterin der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen gehörten und die der Klägerin erteilte Prokura insoweit für ihre Aufgabenerfüllung von sachlicher Bedeutung gewesen ist.

Schließlich ist zu beachten, dass die Klägerin im Innenverhältnis erheblich in ihrer Stellung als Prokuristin eingeschränkt war durch die bei der Beklagten bestehende Investitionsrichtlinie (Anl. B 5, Bl. 121 d.A.). Hiernach bedurften bereits Investitionsentscheidungen von mehr als € 1.000 der Zustimmung durch einen Geschäftsführer. Richtig ist zwar der Hinweis der Beklagten, dass auch Geschäftsführer Weisungen und Bindungen unterliegen würden. Allerdings ist die Einschränkung bereits bei Investitionen von einem so geringen Volumen wie der Betrag von € 1.000 ein erhebliches Indiz dahingehend, dass die Klägerin keine Prokura von Bedeutung besaß, sondern im Innenverhältnis erheblich eingeschränkt war und bereits bei Rechtsgeschäften von geringem finanziellem Umfang an die Zustimmung der Geschäftsführung gebunden war.

dd)

Auch die Zweifelsregelung des § 5 Abs. 4 Nr. 2 BetrVG führt nicht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin als leitende Angestellte anzusehen ist.

Diese Bestimmungen des Abs. 4 geben lediglich eine Entscheidungshilfe und sollen die Anwendung der Nr. 3 des Abs. 3 in Grenzfällen erleichtern. Sie enthalten somit keine eigenen Tatbestandsmerkmale enthalten, nach denen ein Angestellter den leitenden Angestellten zugeordnet werden könnte (Fitting, BetrVG, 24. Aufl., § 5 Rn. 375, 377 f. m.w.N. aus der Rspr. des BAG; „Auslegungshilfe“). Ein Grenzfall ist vorliegend nicht gegeben.

Auch aus § 5 Ziffer 4 lässt sich die leitende Angestellteneigenschaft der Klägerin nicht herleiten. Auch hierbei handelt es sich nur um eine Auslegungshilfe für Zweifelsfälle.

ee)

Da insgesamt feststeht, dass die Klägerin nicht leitende Angestellte im Sinne von § 5 BetrVG war bzw. ist, hätte die Beklagte den Betriebsrat zur Kündigung vom 27.7.2010 sowie zur Kündigung vom 29.11.2010 anhören müssen. Weil die Beklagte dies versäumt hat, sind beide Kündigungen unwirksam nach § 102 BetrVG.

Auf die Frage, ob betriebsbedingte oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe gegeben sind, kommt es demnach nicht an.

2.

Ausführungen zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG sind entbehrlich. Die Beklagte hat diesen Antrag weder schriftsätzlich noch in einer der mündlichen Verhandlungen gestellt, sondern nur in einem Schriftsatz darauf hingewiesen, das Arbeitsverhältnis sei nach § 9 KSchG aufzulösen.

3.

Die Kündigung vom 9.12.2010 hat das Arbeitsverhältnis zwar nicht fristlos, wohl aber unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.6.2011 beendet. Die fristlose Kündigung ist wegen Versäumens der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die ordentliche Kündigung zum 30.6.2011 ist sozial gerechtfertigt, der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden. Damit ist die ordentliche Kündigung wirksam.

a)

Die Klägerin hat sich mit Klagerweiterung vom 20.12.2010 rechtzeitig unter Einhaltung der Frist des § 4 KSchG gegen die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 9.12.2010 zur Wehr gesetzt.

b)

Die fristlose Kündigung vom 9.12.2010 ist unwirksam. Die Beklagte hat die Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten.

Spricht der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aus, so muss diese dem Arbeitnehmer innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis der kündigungsrelevanten Gründe zugehen. Diese Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 S. 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

§ 626 Abs. 2 BGB ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand (BAG, 2.2.2006, 2 AZR 57/05, zit. nach iuris).Ziel der Regelung ist es, dem Erklärungsgegner rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt. Die Ausschlussfrist beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat und ihm deshalb die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist (BAG, 1.2.2007, 2 AZR 333/06, zit. nach iuris).Zu diesen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigungberechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Ist der Sachverhalt geklärt, sind Ermittlungen ausgeschlossen bzw. solche führen dann nicht zur Hemmung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Im Rahmen einer Ermittlung dürfen nur die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig erscheinenden Maßnahmen ergriffen werden.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Kündigung vom 9.12.2010 nicht eingehalten. Unstreitig war der die Kündigung auslösende Schriftsatz der Klägerin, der die unveröffentlichte Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung als Anlage enthielt, der Beklagten jedenfalls am 25.11.2010 zugegangen. Am 25.11.2010 hatte die Beklagte somit Kenntnis davon, dass die Klägerin die Unterlagen gemäß Anlage K 16 am 21.9.2010 ausgedruckt und mit nach Hause genommen hatte. Aus der Anlage selbst ergibt sich eindeutig, dass es sich um Geschäftsunterlagen der Beklagten handelte. Ebenso ergibt sich eindeutig, dass es sich um die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung des laufenden Jahres für den Zeitraum Januar bis August 2010 inkl. der Zahlen des entsprechenden Vorjahreszeitraums handelte. Das ergibt sich zum einen aus den Vorblättern der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, wo es heißt „Bilanz“ bzw. „GUV“ (siehe Bl. 142 und Bl. 148 d.A.). Ferner steht auf jeder Seite der Anlage „VDN GmbH“ „Bilanz“ (bzw. „Gewinn- und Verlustrechnung“) „Gesch.Jahr: 2010.0.01 – 2010.0.08“ „Vorjahr: 2009.0.01 – 2009.0.08“. Hieraus ist eindeutig ohne Nachforschungen zu entnehmen, um welche Art von Geschäftsunterlagen es sich handelte. Weitere Ermittlungen waren überflüssig. Im Übrigen hätte die Beklagte in ihrer eigenen Buchhaltung nachfragen und insofern die sich ihr gestellte Frage am Tag des Zugangs der Unterlagen klären können. Die Einschaltung eines externen Beraters war nicht erforderlich. Außerdem hat die Beklagte weder im Einzelnen dargelegt, wie der Berater eingeschaltet worden ist, d.h. z.B. wann ihm welche Unterlagen zugesandt worden waren, damit er die Frage der Beklagten hat beantworten können, und wann konkret der Berater geantwortet hat.

Ausgehend vom 25.11.2011 lief die Frist des § 626 Abs. 2 BGB am 9.12.2010 ab. Die Kündigung ging der Klägerin aber erst am 10.12.2010 und damit außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu.

Da die fristlose Kündigung unwirksam ist, kann dahinstehen, ob ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist.

c)

Die vorsorglich ordentliche Kündigung vom 9.12.2010 ist wirksam. Sie ist sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG. Es liegt ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vor, der die Beklagte zur Kündigung berechtigte. Es war der Beklagten auch nicht nach der im Rahmen von § 1 KSchG erforderlichen Interessenabwägung zuzumuten, die Klägerin über den 30.6.2011 hinaus weiter zu beschäftigen. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG zu der Kündigung angehört worden.

aa)

Sozial gerechtfertigt ist eine Kündigung nach § 1 KSchG unter anderem dann, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Erforderlich ist ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers, durch das das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im personalen Vertrauensbereich oder sonst im Unternehmensbereich. Es genügen hierbei solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Dabei ist nicht von dem Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen, sondern es ist vielmehr ein objektiver Maßstab anzulegen. Als verhaltensbedingter Kündigungsgrund kommt daher nur ein solcher Umstand in Betracht, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann.

Das Bundesarbeitsgericht gliedert die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung in zwei Schritte. Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass der in Frage stehende Vorfall „an sich“, also seiner allgemeinen Bedeutung nach geeignet ist, Kündigungen zu rechtfertigen. In einem zweiten Schritt ist dann noch unter Verwertung aller besonderen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln, ob der konkrete Vorfall geeignet ist, die Kündigung zu rechtfertigen (Interessenabwägung).

bb)

Der anlassgebende Vorfall ist an sich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu begründen.

(1)

Indem die Klägerin Geschäftsunterlagen, die sich im Eigentum der Beklagten befanden, unberechtigt mit nach Hause nahm, hat sie zu Lasten der Beklagten eine Straftat sowie unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung eine schwere Pflichtverletzung begangen. Die Klägerin hat unstreitig an ihrem letzten Arbeitstag zu einem Zeitpunkt, zu dem ihr die unwiderrufliche Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung bekannt war, die unveröffentlichte Bilanz 2010 sowie die unveröffentlichte Gewinn- und Verlustrechnung 2010 zunächst ausgedruckt und diese Unterlagen sodann ohne Genehmigung der Beklagten mit nach Hause genommen. Die Klägerin war nicht befugt, über Eigentum ihrer Arbeitgeberin zu verfügen. Ebenso war sie nicht befugt, noch geheime Geschäftsunterlagen aus den Räumen der Beklagten ohne deren Einverständnis und ohne deren Wissen zu entfernen. Insgesamt handelt sich hierbei um eine erhebliche, nicht gerechtfertigte Pflichtverletzung.

Hinzu tritt der Umstand, dass die Klägerin die unveröffentlichte Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung ohne hinreichenden Grund in den hiesigen Rechtsstreit eingeführt und damit zumindest die Möglichkeit einer öffentlichen Verhandlung über den Inhalt der Unterlagen herbeigeführt hat.

(2)

Die Schilderung der Klägerin, sie habe die Unterlagen zwecks Arbeitsplatzübergabe ausgedruckt, rechtfertigt nicht den Umstand, dass sie die Unterlagen mit nach Hause genommen hat. Auch rechtfertigt der Hinweis, das Arbeitsverhältnis habe noch bestanden, insoweit sei es nicht widerrechtlich, Unterlagen auszudrucken und mitzunehmen, die Handlung der Klägerin nicht.

Die Klägerin war ab dem Tag nach der Tathandlung unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Die Klägerin sollte keinerlei Arbeitsleistung mehr für die Beklagte – zumindest bis zur Klärung der Wirksamkeit der Kündigungen in diesem Prozess – erbringen. Damit war die Mitnahme – sprich das Entwenden – der Unterlagen aus dem Betrieb der Beklagten nicht erforderlich und nicht (mehr) vom Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten gedeckt.

Der Hinweis, die Mitnahme und Einführung der Unterlagen in den Rechtsstreit sei erforderlich gewesen, um sich ordnungsgemäß gegen die Kündigung verteidigen zu können, sie habe nur ihre verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte wahrgenommen, verfängt nach Ansicht der Kammer nicht. Zu dem Zeitpunkt der Tathandlung hatte die Beklagte in dem hiesigen Prozess lediglich vorgetragen, die erste Kündigung sei – auch – aus betriebsbedingten Gründen erfolgt, u.a. weil es der Beklagten wirtschaftlich schlecht gegangen sei. Um diesem Sachvortrag hinreichend entgegen treten zu können, war es nicht notwendig, die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung an sich zu nehmen und aus dem Betrieb der Beklagten zu entfernen. Die Klägerin hätte diesen Sachvortrag schlicht bestreiten können unter Hinweis auf ihre Kenntnisse aus ihrer Stellung als Leiterin der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen.

Der Sachvortrag, sie habe gewusst, die Behauptung der Beklagten, diese habe nur durch die Aufnahme von Krediten überleben können, sei unwahr, was sie durch Vorlage der Unterlagen habe beweisen wollen, verfängt ebenfalls nicht. Zu dem Zeitpunkt der Tathandlung hatte die Beklagte diese Behauptung noch nicht aufgestellt, sondern erst mit Schriftsatz vom 15.10.2010.

Zum Zeitpunkt der Tathandlung bestand somit kein Rechtfertigungsgrund und auch kein Beweis- oder Erklärungsnotstand der Klägerin.

cc)

Die vorzunehmende Interessenabwägung führt ebenfalls nicht dazu, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus zuzumuten ist.

Die Klägerin wusste, dass sie über das Eigentum der Beklagten nicht verfügen und dieses nicht mit nach Hause nehmen durfte. Sie hat mit ihrem Verhalten nicht nur eine Straftat zu Lasten der Arbeitgeberin begangen, sondern sich mit ihrem Handeln eine Entscheidung (Entfernen der Unterlagen aus dem Betreib und Einführen der Unterlagen in den Rechtsstreit) angemaßt, die ihr nicht zustand und die geeignet ist, die Beklagte in ihren Interessen als Eigentümerin der geheimen Geschäftsunterlagen empfindlich zu treffen. Die Klägerin wusste aufgrund der unwiderruflichen Freistellung, dass sie keinerlei Arbeitsleistungen mehr für die Beklagte – zumindest bis zur Klärung der Wirksamkeit der Kündigungen in diesem Prozess – erbringen würde. Insofern war ihr auch klar, dass sie die Unterlagen zu Hause nicht benötigen würde und dass die Beklagte mit der Mitnahme der Unterlagen, da es sich um unveröffentlichte Geschäftsdaten handelte, nicht einverstanden war.

Eine mildere Bewertung des Vorgehens der Klägerin käme nur in Betracht, wenn ein Entschuldigungsgrund oder Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Das ist jedoch, wie bereits geschildert, nicht der Fall.

Im Rahmen der Würdigung der Interessen beider Vertragsteile sprechen zugunsten der Klägerin zwar ihre Betriebszugehörigkeit von 6 ½ Jahren und ihr Lebensalter. Allerdings liegt keine Betriebszugehörigkeit von erheblicher Länge vor, die dazu führen könnte, dass die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauens- und Bestandsschutz erworben hatte. Zugunsten der Klägerin ist weiter zu beachten, dass der materielle Wert der mitgenommenen Unterlagen gering war. Inhaltlich aber handelte es sich um Unterlagen von erheblicher Bedeutung für die Beklagte, da es um – noch – geheime, unveröffentlichte, sensible Daten der Beklagten ging. Zu Lasten der Klägerin spricht, dass es sich bei der vorliegenden gegen die Beklagte gerichteten Straftat um eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten handelt. Die Klägerin ist heimlich vorgegangen mit der Absicht, die Unterlagen später zu ihren Zwecken verwerten zu wollen. Als erschwerend ist es zu werten, wenn – wie hier – der Pflichtenverstoß mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit der Arbeitnehmerin zusammen hängt, die Arbeitnehmerin eine sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Obhutspflicht trägt und die Pflichtwidrigkeit bei Gelegenheit der Arbeitsleistung verübt wird. Diese Voraussetzungen treffen vorliegend zu. Die Klägerin hatte aufgrund ihrer Stellung als Leiterin der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen stets Zugang zu den Geschäftsdaten der Beklagten und war ohne Kontrollmechanismen vor Ort tätig. Ihr oblagen eine Obhutspflicht in Bezug auf die unveröffentlichten Daten sowie eine Verschwiegenheitspflicht. Die Beklagte musste sich darauf verlassen können, dass ordnungsgemäß mit ihrem Eigentum und auch mit den unveröffentlichten sensiblen Geschäftsdaten umgegangen wird. Allein sie hat zu entscheiden, wie mit ihrem Eigentum und mit ihren geheimen Geschäftszahlen zu verfahren ist. Die Klägerin hat ihre Vertrauensstellung missbraucht, indem sie über die Sachen der Beklagten zu deren Lasten verfügt, die Daten in Papierform entwendet und in den Rechtsstreit eingeführt hat. Insgesamt führen die vorgenannten Umstände dazu, dass bei der Beklagten von einem erheblichen Vertrauensverlust auszugehen ist, der es ihr unmöglich macht, das Arbeitsverhältnis jedenfalls über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus fortzusetzen. Die Klägerin ist zumindest noch bis zum 30.6.2011 finanziell abgesichert und hat insoweit noch Zeit, sich nach einem anderweitigen Arbeitsplatz umzusehen.

dd)

Die Kündigung scheidet nicht deshalb aus, weil die Klägerin zuvor nicht einschlägig in einem gleich gelagerten Fall abgemahnt worden ist.

Eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der notwendigen negativen Prognose im Rahmen der Prüfung der Wiederholungsgefahr. Sie ist allerdings entbehrlich, wenn sich bereits aus dem Vorfall, der der Kündigung zu Grunde liegt, mit ausreichender Sicherheit auf eine negative Zukunftsprognose schließen lässt (vgl. BAG 31.5.2007, 2 AZR 200/06, zit. nach iuris).

So liegen die Dinge hier. Eine Mitarbeiterin in einer Vertrauensstellung und herausgehobenen Position, wie sie die Klägerin innehat, die zu Lasten ihres Arbeitgebers eine Straftat begeht und dessen Eigentum verletzt sowie geheime Daten aus dem Betrieb entfernt und ohne Erforderlichkeit in einen Rechtsstreit einführt, muss davon ausgehen, dass sie damit ihren Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Die Klägerin muss sich des Unrechts ihres Verhaltens bewusst gewesen sein, da es auf der Hand lag, dass die Beklagte mit dem Vorgehen der Klägerin nicht einverstanden war.

ee)

Der Betriebsrat ist in seiner Anhörung vom 8.12.2010 zu den Gründen der ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß und inhaltlich ausreichend im Sinne von § 102 BetrVG angehört worden. Da der Betriebsrat am 9.12.2010 abschließend zur Kündigung Stellung genommen hat, war das Anhörungsverfahren am 10.12.2010, am Tag des Zugangs der Kündigung, ordnungsgemäß beendet. Diese Umstände stehen zur Überzeugung der Kammer nach erfolgter Beweisaufnahme fest. Im Einzelnen:

Das Gericht hat im Hinblick auf die Frage, ob der Betriebsrat zur Kündigung vom 9.12.2010 ordnungsgemäß angehört worden ist und vor Zugang der Kündigung am 10.12.2010 abschließend zur Kündigung Stellung genommen hat, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C., stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, und der Zeugin B., Personalleiterin.

(1)

Die inhaltlich ausreichende Anhörung zu der ordentlichen Kündigung vom 9.12.2010 folgt aus der schriftlichen Anhörung vom 8.12.2010 (Bl. 291). Diese Anhörung beinhaltet die persönlichen Daten der Klägerin und die maßgeblichen Angaben zum Kündigungsgrund. Hiergegen ist die Klägerin auch nicht weiter vorgegangen, sondern hat lediglich bestritten, dass die Anhörung dem Betriebsrat rechtzeitig zugegangen ist. Insoweit hat allerdings der Zeuge C. bekundet, dass der Betriebsrat sowohl für die fristlose als auch für die vorsorglich ordentliche Kündigung ein Anhörungsschreiben am 8.12.2010 erhalten hatte. Da dies mit der E-Mail vom 9.12.2010 (Bl. 290 d.A.) übereinstimmt, war die Kammer überzeugt davon, dass dem Betriebsrat die schriftliche Anhörung rechtzeitig vor der Beschlussfassung zugegangen war.

(2)

Soweit es um die abschließende Stellungnahme vor Zugang der Kündigung geht, hat die Zeugin B. bekundet, sie habe am 9.12.2010 zwei Rückmeldungen des Betriebsrats erhalten. Zunächst habe Herr C. für den Betriebsrat erklärt, man wolle der Kündigung widersprechen. Sie habe den Betriebsrat gebeten, das zu überdenken und habe am Nachmittag die zweite Rückmeldung erhalten, der Betriebsrat wolle keinen Widerspruch einlegen. Anschließend sei die Kündigung dem Kurier übergeben worden. Als Grund für ihre Erinnerungen gab sie an, dass der Betriebsrat seine Entscheidung damit begründet habe, dass sie sich mit dem Gewerkschaftssekretär Herrn E. beraten hätten. Diese Bekundungen sprechen für eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor Zugang der Kündigung am 10.12.2010.

Der Zeuge C. hat bekundet, dass der Betriebsrat in der Sitzung den Gewerkschaftssekretär Herrn E. angerufen habe, dass dieser den Rat gegeben habe, die gesetzlichen Fristen auslaufen zu lassen, also nicht zu reagieren, das habe der Betriebsrat dann getan. Diese Bekundungen sprechen gegen eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, d.h. die Beklagte hätte die Kündigung – mangels Einhaltens der Wochenfrist des § 102 BetrVG – am 10.12.2010 noch nicht wirksam erklären können.

Anschließend bekundete der Zeuge allerdings, er erinnere nicht, ob es eine mündliche Stellungnahme gegeben habe, er wisse nicht, warum sie dies getan haben sollten. Ebenso bekundete er zunächst, er habe nicht mit der Zeugin B. über die Kündigung am 9.12.2010 gesprochen, erklärte aber anschließend, er könne sich nicht hieran erinnern. Nach Vorhalt der Aussage der Zeugin B. erklärte der Zeuge C. sodann, es habe doch eine Rückmeldung gegenüber der Zeugin B. gegeben, nämlich, dass der Betriebsrat nichts gegen die Kündigung unternehmen werde, die zeitliche Einordnung sei ihm aber nicht mehr möglich. Denkbar sei, dass er dies am 9.12.2010 geäußert habe. Es habe eine Beratung mit Herrn E. gegeben, dann eine Diskussion im Betriebsrat mit dem Beschluss, nichts zu unternehmen, dementsprechend habe es dann keine Reaktion gegeben – was wiederum im Widerspruch steht zu der Aussage, er habe eine Rückmeldung an Frau B. gegeben.

Insgesamt war die Kammer von der Richtigkeit der Angaben der Zeugin B. und damit davon überzeugt, dass sich der Betriebsrat am 9.12.2010 abschließend zu der Kündigung vom 9.12.2010 geäußert hatte, indem er erklärt hatte, (doch) keinen Widerspruch einlegen zu wollen. Die Zeugin war glaubwürdig und die Aussage glaubhaft. Erforderlich für die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit der Zeugenaussage ist ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, NJW-RR 1994, 567).

Die Angaben der Zeugin waren widerspruchslos und stimmten im Kern mit dem Sachvortrag der Beklagten überein, ohne allerdings vollkommen gleich zu sein. Insbesondere der Umstand, dass es zwei Rückmeldungen durch den Betriebsrat gegeben hat, findet sich in dem Sachvortrag der Beklagten nicht. Diese Aussage der zweimaligen Rückmeldung mit erneuter Beratung durch den Betriebsrat empfand die Kammer insbesondere deshalb als überzeugend, weil eine zweimalige Rückmeldung des Betriebsrats als Reaktion auf eine Kündigungsanhörung eher ungewöhnlich ist. Auch konnte die Zeugin erinnern, dass sich der Betriebsrat mit dem Gewerkschaftssekretär E. beraten hatte, was mit den Angaben des Zeugen C. übereinstimmt. Hiervon hat die Zeugin aber nur nach entsprechender Mitteilung durch den Betriebsrat Kenntnis erlangen können, was für eine Stellungnahme des Betriebsrats zur Kündigungsanhörung spricht. Die Angaben des Zeugen C. hingegen waren teilweise widersprüchlich und unklar. Allerdings erinnerte er sich auf Vorhalt der Aussage der Zeugin B. doch, dass es eine Rückmeldung gegeben hatte und dass das am 9.12.2010 gewesen sein kann.

Im Ergebnis geht die Kammer nach Würdigung der Beweisaufnahme davon aus, dass eine inhaltlich ausreichende Anhörung und auch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor Zugang der Kündigung bei der Klägerin am 10.12.2010 erfolgt waren. Die Aussage, der Betriebsrat wolle nicht widersprechen, kann als abschließende Stellungnahme angesehen werden. Hier gilt:

Die Erklärung ist ordnungsgemäß durch den Zeugen C. als Stellvertreter der Vorsitzenden des Betriebsrats erfolgt (§ 26 BetrVG), die zur Zeit der Anhörung und der Erklärung des Betriebsrats – wie sich aus der Aussage des Zeugen C. ergab – verhindert war.

Die Erklärung, der Betriebsrat wolle nicht widersprechen, war als abschließende Stellungnahme anzusehen. Die Beklagte konnte aus dieser Mitteilung entnehmen, dass der Betriebsrat eine weitere Erörterung des Falles nicht mehr wünschte. Anhaltspunkte dahingehend, der Betriebsrat wolle trotz der Erklärung, der Kündigung nicht widersprechen zu wollen, den Fall weiter erörtern, sind nicht gegeben. Auch ist aus der Erklärung nicht ersichtlich, dass der Betriebsrat vorliegend die Einhaltung der Wochenfrist des § 102 BetrVG fordere. Vielmehr hat sich der Betriebsrat positiv dahingehend geäußert, keinen Widerspruch gegen die Kündigung einlegen zu wollen. Damit wurde ein Schlusspunkt unter das Anhörungsverfahren gesetzt. Der Betriebsrat hat mit seiner Äußerung im Rahmen der zweiten Rückmeldung klar gemacht, dass er abschließend beraten hat, dass er der Kündigung nicht widersprechen möchte und dass damit das Anhörungsverfahren erledigt ist.

4.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, d.h. bis zum 30.6.2011.

Jeder Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Rechtsgrundlage dieses allgemeinen Beschäftigungsanspruchs ist eine entsprechende Rechtsfortbildung des Dienstvertragsrechts der §§ 611 ff. BGB auf der Grundlage von § 242 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG. Diese Rechtsfortbildung ist notwendig, weil die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1, 2 GG über den Persönlichkeitsschutz auch den Schutz des ideellen Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers durch die grundsätzliche Anerkennung eines arbeitsvertraglichen Anspruchs auf vertragsgemäße Beschäftigung gebieten, sofern der Arbeitnehmer diese Beschäftigung verlangt, und weil der Arbeitnehmer gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG (und § 79 BPersVG) auf sein Verlangen sogar nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden muss (so BAG GS 27.02.1985 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14).

Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers kann demnach, insbesondere mit Rücksicht auf seinen Rechtsgrund und Zweck, gemäß Art. 1, 2 GG die Persönlichkeit des Arbeitnehmers vor Diskriminierung durch Nichtbeschäftigung zu schützen, nur ausnahmsweise durch eine Freistellung des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden. Die Freistellung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist „nur bei einem besonders schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers, an dessen Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen sind, zulässig“ (vgl. BAG 15.06.1972 AP BGB § 628 Nr. 7, zu 2 b der Gründe). „Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes“ und muss deshalb „nur dann zurücktreten, wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen“ (BAG 19.08.1976 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 4). In diesem Sinne hat auch der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts den allgemeinen Beschäftigungsanspruch nur für den Fall ausgeschlossen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers schutzwürdig ist und das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers, das im Einzelfall noch durch besondere Interessen ideeller und/oder materieller Art verstärkt sein kann, überwiegt (BAG GS 27.02.1985 a.a.O.). Der allgemeine Beschäftigungsanspruch kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur „ausnahmsweise entfallen, wenn der Weiterbeschäftigung zwingende betriebliche oder persönliche Gründe entgegenstehen und der Arbeitnehmer demgegenüber kein besonderes, vorrangig berechtigtes Interesse an der tatsächlichen Weiterbeschäftigung hat“, so dass der Arbeitgeber nur dann berechtigt ist, „den Arbeitnehmer zu suspendieren, wenn er hierfür ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse geltend machen kann“ (so BAG 15.03.2001, 2 AZR 141/00, zit. nach iuris). Nach dieser Rechtsprechung kann eine Ausnahme von dem Grundsatz des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers nur in seltenen Fällen in Betracht kommen. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis hat nämlich einen besonders hohen Stellenwert hat und schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers typischerweise allenfalls geringfügig ein, wohingegen eine Nichtbeschäftigung den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers völlig ausschließt. Der Arbeitnehmer hat daher dementsprechend auch nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung grundsätzlich Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Vorliegend konnte ein ausnahmsweise überwiegendes, schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin nicht festgestellt werden. Nach intensiver Beratung kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum 30.6.2011 trotz der Pflichtverletzung, die die Klägerin begangen hat, zuzumuten ist. Richtig ist, dass das Vertrauensverhältnis zur Klägerin aufgrund der Handlungen, die die Kündigung rechtfertigen (Entwenden der unveröffentlichten Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung) erheblich belastet ist. Richtig ist auch, dass die Klägerin eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hat. Dennoch war die Kammer der Meinung, dass das Weiterbeschäftigungsinteresse der Klägerin das der Beklagten an deren Nichtbeschäftigung überwiegt. Für die Klägerin ist es wichtig, nicht ganz den Anschluss an ihre Tätigkeiten und an das Arbeitsleben zu verlieren, nachdem sie bereits seit Ende September 2010 freigestellt ist. Das Beschäftigungsinteresse und das Recht auf vertragsgemäße Beschäftigung sind – wie ausgeführt – von besonderer Bedeutung im laufenden Arbeitsverhältnis. Trotz berechtigter Interessen der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin ist es ihr aus diesen Gründen zuzumuten, die Klägerin noch befristet zu beschäftigen. Es geht lediglich um den überschaubaren Zeitraum bis zum 30.6.2011. Der Beklagten ist es zuzumuten, Vorsorge dafür zu treffen, dass die Klägerin für diesen Zeitraum keinen Zugriff auf geheime Daten und Zahlen der Beklagten hat, um sich vor befürchteten weiteren Übergriffen durch die Klägerin zu schützen.

Die von der Beklagten behaupteten betriebsbedingten Kündigungsgründe stehen der Weiterbeschäftigung ebenfalls nicht entgegen. Die Aufgaben der Klägerin sind weiterhin im Unternehmen vorhanden, eine Beschäftigung ist somit nicht unmöglich. Soweit die Beklagte selbst durch ihre Umstrukturierungen dazu beigetragen hat, dass der ursprüngliche Arbeitsplatz nicht mehr vorhanden ist, ist es ihr zuzumuten, für den Übergangszeitraum bis zum 30.6.2011 eine angemessene, vertragsgemäße Beschäftigung für die Klägerin zu schaffen.

5.

Die Klägerin hat aufgrund der erfolgten Kündigungen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, da die Beklagte mit Ausspruch der Kündigungen einen hinreichenden Anlass für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses gesetzt hat.

6.

Die Klägerin hat Anspruch auf Annahmeverzugslohn, der aus §§ 611, 615 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag ab Dezember 2010 folgt, da die Kündigungen vom 27.7.2010 und vom 29.11.2010 sowie die fristlose Kündigung vom 9.12.2010 unwirksam sind.

Der Höhe nach hat die Klägerin zunächst Anspruch auf € 5.858,62 brutto abzüglich bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.722,30 netto für den Monat Dezember 2010. Für die Monate Januar und Februar 2011 beträgt der Zahlungsanspruch € 6.400,00 brutto abzüglich € 1.722,30 netto Arbeitslosengeld, da das Monatsentgelt der Klägerin nur befristet für das Jahr 2010 auf € 5.858,62 brutto reduziert worden war.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

7.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich für den Entzug des Dienstwagens, der ihr auch zur privaten Nutzung überlassen worden war. Anspruchsgrundlage sind §§ 611, 615, 280 BGB i.V.m. Arbeits- und Dienstwagennutzungsvertrag.

a)

Die Beklagte war arbeitsvertraglich verpflichtet, der Klägerin einen PKW für Dienst- und Privatfahrten zu überlassenen. Dieser Anspruch der Klägerin stellt einen Vergütungsbestandteil dar, auf den sie auch Anspruch hat, wenn die Beklagte sie – zu Recht oder zu Unrecht – von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt hat. Der Vergütungsanspruch der Klägerin bleibt auch hinsichtlich des PKW’s bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.6.2011 nach §§ 611, 615 BGB bestehen. Die Überlassung des PKW an die Klägerin ist eine arbeitsvertragliche Vergütung, die die Beklagte nicht einseitig verändern durfte.

b)

Hieran ändert auch der in Ziffer 5 des Dienstwagennutzungsvertrags der Parteien vereinbarte Ausschluss von Nutzungsausfallansprüchen im Fall des Dienstwagenentzugs bei Freistellung nichts. Eine derartige Klausel ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil der Vertrag keinerlei Sachgründe für die vereinbarte Widerrufsmöglichkeit der Beklagten regelt und den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt (vgl. BAG 12.1.2005, 5 AZR 364/04).

Der Widerrufsvorbehalt stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB dar. Grundsätzlich ist der Vertrag bindend. Der Satz “pacta sunt servanda” gehört zu den Grundelementen des Vertragsrechts (BAG, a.a.O.). Die Wirksamkeit des Widerrufsrechts richtet sich nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Da § 308 Nr. 4 BGB den § 307 BGB konkretisiert, sind auch die Wertungen des § 307 BGB heran zu ziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (BAG, a.a.O.). Die Vereinbarung des Widerrufsrechts ist gem. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist (BAG, a.a.O.). Auch im Arbeitsverhältnis muss in diesem Sinne ein Grund für den Widerruf bestehen. Unabhängig davon, ob der Grund als sachlich, hinreichend, triftig oder schwerwiegend bezeichnet wird, muss jedenfalls die gebotene Interessenabwägung zu einer Zumutbarkeit der Klausel für den Arbeitnehmer führen. Das richtet sich in Anlehnung an § 307 BGB insbesondere nach der Art und Höhe der Leistung, die widerrufen werden soll, nach der Höhe des verbleibenden Verdienstes und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen. Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte muss der Widerrufsgrund den Widerruf typischerweise rechtfertigen. Im Grundsatz hat der Arbeitgeber wegen der Ungewissheit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der allgemeinen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ein anerkennenswertes Interesse daran, bestimmte Leistungen, insbesondere “Zusatzleistungen” flexibel auszugestalten. Dadurch darf aber das Wirtschaftsrisiko des Unternehmers nicht auf den Arbeitnehmer verlagert werden. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrags sind nach der Wertung des § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig. Der Vertragsinhaltsschutz gem. § 2 KSchG kann dabei als Maßstab dienen (BAG, a.a.O.). Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts ist zulässig, soweit der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 bis 30 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird. Dem Arbeitnehmer wird hier zu seinem Vorteil eine Leistung zusätzlich zu dem üblichen Entgelt gewährt. Der Arbeitgeber ist dann bis zur Grenze der Willkür frei, die Voraussetzungen des Anspruchs festzulegen und dementsprechend auch den Widerruf zu erklären. Formell muss eine Vertragsregelung allerdings nicht nur klar und verständlich sein. Sie darf auch als solche nicht unangemessen benachteiligen; die Vereinbarung des konkreten Widerrufsrechts muss zumutbar sein. Das bedeutet: Die Bestimmung muss die Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen. Der Maßstab von § 307 Abs. 1, Abs. 2, § 308 Nr. 4 BGB muss nach dem Text der Klausel zum Ausdruck kommen. Es muss sich aus der Regelung selbst ergeben, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf. Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen müssen möglichst konkretisiert werden. Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein, damit der Arbeitnehmer erkennen kann, was ggf. “auf ihn zukommt”. Bei den Voraussetzungen der Änderung, also den Widerrufsgründen, lässt sich zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers) (vgl. zu den vorstehenden Ausführungen: BAG, a.a.O.).

Da der Arbeitsvertrag der Parteien keine dementsprechenden Widerrufsgründe nennt, vielmehr die Beklagte frei das Recht haben soll, den Dienstwagen im Fall einer fristlosen Kündigung oder im Fall einer Freistellung zurückzufordern, ist diese Klausel nicht zumutbar und damit unwirksam.

c)

Der Höhe nach schuldet die Beklagte der Klägerin allerdings monatlich nur € 384,00 brutto und nicht die geforderten € 631,85 brutto.

Da die Beklagte ihrer Leistungspflicht zur Überlassung des Dienstwagens schuldhaft ab Dezember 2010 nicht mehr nachgekommen ist, schuldet sie Schadensersatz nach § 280 BGB. Nach §§ 249 ff BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

Der Höhe nach schuldet die Beklagte der Klägerin jedenfalls Ersatz des steuerlichen Sachbezugswerts, der sich aus der Entgeltabrechnung der Klägerin ergibt und vorliegend € 384,00 brutto monatlich beträgt. Soweit die Klägerin eine Entschädigung anhand der ADAC-Kostentabelle fordert, ist festzustellen, dass nicht vorgetragen worden ist, welche Positionen diese Tabelle für die Berechnung der Nutzungsentschädigung beinhaltet. Möglicherweise sind Kostenbestandteile enthalten, die die Beklagte vertraglich nicht zu tragen hat. Insoweit ist v.a. darauf hinzuweisen, dass die Kostentragung der privaten Nutzung vorliegend gedeckelt war. Die Beklagte war lediglich verpflichtet, Kosten für Benzin, Wagenpflege u.ä. in Höhe von max. € 150,00 monatlich zu tragen.

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Entschädigungsleistung der Beklagten mit dem Betrag anzunehmen ist, den die Parteien im ungestörten Arbeitsverhältnis als Sachbezugswert angenommen haben. Das ist vorliegend die sog. 1 %-Regelung (steuerlicher Sachbezugswert). Es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien für den Fall einer Störung des Vertragsverhältnisses – wie vorliegend durch den Entzug des Dienstwagens – eine abweichende, insbesondere eine höhere Bewertung des Sachbezugs angenommen hätten, was aber der Fall wäre, würde die Beklagte nunmehr € 631,85 brutto monatlich und damit der Klägerin fast doppelt so viel schulden wie im ungestörten Vertragsverhältnis.

Im Ergebnis kann die Klägerin daher monatlich € 384,00 brutto Nutzungsersatz verlangen. Im Übrigen war der Anspruch als unbegründet abzuweisen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 286 BGB.

III.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 12 %, die Beklagte 88 % entsprechend dem anteiligen Unterliegen zu tragen (§§ 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG) mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die die Beklagte zu tragen hat. Die Klägerin unterlag im Hinblick auf die ordentliche Kündigung vom 9.12.2010 (bewertet mit 1,5 Gehältern) sowie der Differenz zwischen ausgeurteilter und beantragter Nutzungsentschädigung für den Dienstwagenentzug (3 Mal € 247,85), was 12 % des Streitwerts ausmacht.

Der gemäß § 61 ArbGG festgesetzte Wert des Streitgegenstandes beträgt nach den im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen € 77.707,77 (je drei Gehälter – à € 5.665,50 – für jede angegriffene Kündigung; je ein Gehalt für den Weiterbeschäftigungsantrag und Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses zzgl. der Zahlungsanträge abzüglich bezogenen Arbeitslosengeld).

Einer Entscheidung über die Zulassung oder Nichtzulassung der Berufung bedurfte es nicht (§ 64 Abs. 2 ArbGG).

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