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Beschäftigungsverbot – bei Arbeitsunfähigkeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch

Entgeltfortzahlung bei Beschäftigungsverbot wegen fehlender COVID-19-Impfung

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass eine Krankenschwester, der aufgrund fehlender COVID-19-Impfung ein Beschäftigungs- und Betretungsverbot erteilt wurde, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat. Die Klage der Krankenschwester gegen ihr Krankenhaus wurde abgewiesen, da das Beschäftigungsverbot und nicht die Arbeitsunfähigkeit als Grund für den Verdienstausfall angesehen wurde. Das Gericht bestätigte, dass das Beschäftigungsverbot rechtens war, weil die Klägerin die geforderten Nachweise gemäß Infektionsschutzgesetz nicht erbrachte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 Sa 268/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Eine Krankenschwester klagte gegen ihr Krankenhaus auf Entgeltfortzahlung während eines Beschäftigungs- und Betretungsverbots wegen fehlender COVID-19-Impfung.
  2. Das Gericht wies die Klage ab, da das Beschäftigungsverbot und nicht die Krankheit der Klägerin der Grund für den Ausfall ihrer Arbeitsleistung war.
  3. Die Krankenschwester hatte keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung, weil das behördliche Verbot die Arbeitsleistung unmöglich machte.
  4. Das Beschäftigungsverbot basierte auf dem Infektionsschutzgesetz, das Mitarbeiter im Gesundheitswesen zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Ausnahmenachweises verpflichtet.
  5. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der COVID-19-Impfvorgaben für Beschäftigte in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheitswesen.
  6. Die Revision wurde zugelassen, sodass der Fall möglicherweise vor dem Bundesarbeitsgericht weiterverfolgt wird.
  7. Die Entscheidung betont die Verantwortung der Arbeitnehmer, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, um den Schutz vulnerabler Gruppen zu gewährleisten.
  8. Das Urteil verdeutlicht die rechtlichen Konsequenzen von Beschäftigungsverboten im Kontext der Pandemie und deren Vorrang vor individuellen Rechten bei fehlender Impfung.

Beschäftigungsverbot und Entgeltfortzahlung: Rechtsgrundlagen und Abgrenzungen

Beschäftigungsverbote werfen rechtliche Fragen auf und können sich auf den Entgeltfortzahlungsanspruch auswirken. Die Abgrenzung von Arbeitsunfähigkeit und Beschäftigungsverbot ist entscheidend, um die gesetzlichen Regelungen korrekt anzuwenden. Diese Kurz-Recherche ordnet wichtige Grundlagen und Herausforderungen zum Thema ein und gibt einen ersten Überblick über die rechtliche Einordnung solcher Fälle.

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Im Herzen des juristischen Disputs stand die Auseinandersetzung zwischen einer Krankenschwester und ihrem Arbeitgeber, einem Krankenhaus, über den Anspruch auf Entgeltfortzahlung während eines aufgrund von Nichtimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgesprochenen Beschäftigungs- und Betretungsverbots. Die Klägerin, seit dem 01. Mai 2011 in Vollzeit beschäftigt und später in Teilzeit tätig, wurde aufgrund fehlender Impfnachweise mit einem behördlichen Verbot belegt, das ihr sowohl die Ausübung ihrer Tätigkeit als auch das Betreten der Einrichtung untersagte.

Die Auseinandersetzung um Impfnachweise und Beschäftigungsverbote

Der Fall nahm seinen Anfang, als die Klägerin, eine nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Krankenschwester, von ihrem Arbeitgeber über die Notwendigkeit eines Impfnachweises gemäß § 20a Absatz 2 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) informiert wurde. Trotz Aufforderungen des Gesundheitsamts und der darauffolgenden Androhung eines Tätigkeits- und Betretungsverbots legte die Klägerin keinen solchen Nachweis vor. Dies führte zur Erlassung einer Ordnungsverfügung durch das Gesundheitsamt, welche der Klägerin mit sofortiger Wirkung die Tätigkeit im Krankenhaus sowie das Betreten der Einrichtung untersagte.

Der Streitpunkt: Entgeltfortzahlung trotz Beschäftigungsverbot

Kurz nach Zustellung der Ordnungsverfügung erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig und beanspruchte für die Dauer ihrer Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung von ihrem Arbeitgeber. Das Krankenhaus verweigerte die Zahlung mit der Begründung, dass das Beschäftigungs- und Betretungsverbot und nicht die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin der Grund für den Ausfall ihrer Arbeitsleistung sei.

Juristische Betrachtungen und Urteilsbegründung

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen ab und bestätigte somit, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch das behördlich ausgesprochene Tätigkeits- und Betretungsverbot ausgeschlossen sei. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem Grundsatz der Monokausalität, wonach ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Da die Klägerin aufgrund des behördlichen Verbots ohnehin nicht hätte arbeiten dürfen, war ihre Arbeitsunfähigkeit nicht der alleinige Grund für den Arbeitsausfall.

Zwischen gesetzlichen Vorgaben und individuellen Rechten

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf wirft ein Schlaglicht auf die komplexen rechtlichen und ethischen Fragen, die sich im Kontext der COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Impfvorgaben ergeben. Sie verdeutlicht die Spannungsfelder zwischen gesetzlichen Anforderungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und den individuellen Rechten der Beschäftigten.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf unterstreicht die rechtliche Gültigkeit von Beschäftigungs- und Betretungsverboten bei fehlenden COVID-19-Impfnachweisen und die damit verbundenen Konsequenzen für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was definiert ein Beschäftigungsverbot im Arbeitsrecht?

Ein Beschäftigungsverbot im Arbeitsrecht ist ein gesetzliches Verbot, das es untersagt, einen Arbeitnehmer mit bestimmten Erwerbstätigkeiten zu beschäftigen. Es dient dem Schutz des Arbeitnehmers, insbesondere in Fällen, in denen die Ausübung der Arbeit ein gesundheitliches Risiko für den Arbeitnehmer oder, im Falle von Schwangeren, für das ungeborene Kind darstellen könnte.

Es gibt verschiedene Gründe und Arten von Beschäftigungsverboten. Diese können religiöser, gesellschaftlicher, strafrechtlicher Natur sein oder sich auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz beziehen. Im Kontext des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wird häufig von einem Beschäftigungsverbot gesprochen, wenn es einem Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen verboten ist, seiner Arbeit nachzugehen. Ein spezielles Beispiel hierfür ist das Beschäftigungsverbot für Schwangere, das darauf abzielt, die Gesundheit der Schwangeren und des ungeborenen Kindes zu schützen.

Es gibt zwei Hauptarten von Beschäftigungsverboten für Schwangere: das ärztliche und das betriebliche Beschäftigungsverbot. Ein ärztliches Beschäftigungsverbot wird vom behandelnden Arzt der Schwangeren ausgesprochen, wenn eine Gefährdung für die Gesundheit der Schwangeren oder des ungeborenen Kindes durch die Arbeit besteht. Dieses Verbot kann sich auf sämtliche Tätigkeiten erstrecken oder auch nur auf bestimmte Arbeiten. Ein betriebliches Beschäftigungsverbot hingegen muss vom Arbeitgeber erteilt werden, wenn der Arbeitsplatz der Schwangeren ein Risiko darstellt. Dieses gilt nur für den spezifischen Arbeitsplatz und bedeutet, dass die Schwangere von der Arbeit ausgeschlossen wird, bis eine Lösung gefunden ist.

Während des Beschäftigungsverbots behält die Arbeitnehmerin ihren Anspruch auf Gehalt. Dies umfasst auch alle leistungsbezogenen Entgeltbestandteile. Die Zeit des Beschäftigungsverbots wird wie tatsächliche Arbeitszeit behandelt, was bedeutet, dass die Arbeitnehmerin keine finanziellen Einbußen zu befürchten hat.

Ein Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft ist nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Das Mutterschutzgesetz sieht generelle und individuelle Beschäftigungsverbote vor, die für Schwangere oder stillende Mütter gelten. Arbeitgeber müssen hierfür nicht die vollen Kosten übernehmen. Frauen haben während der Schwangerschaft und Stillzeit einen besonderen gesetzlichen Schutz.

Die gesetzlichen Grundlagen für ein Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft finden sich im Mutterschutzgesetz (MuSchG) und in der Mutterschutzverordnung (MuSchArbV). Diese regeln, welche Tätigkeiten für Schwangere unzulässig sind und legen fest, dass Schwangere in bestimmten Zeiträumen oder unter bestimmten Bedingungen nicht beschäftigt werden dürfen.

Zusammenfassend dient ein Beschäftigungsverbot dem Schutz des Arbeitnehmers vor gesundheitlichen Risiken am Arbeitsplatz. Im Falle von Schwangeren zielt es speziell darauf ab, die Gesundheit der Schwangeren und des ungeborenen Kindes zu schützen. Arbeitnehmerinnen haben während eines Beschäftigungsverbots Anspruch auf Fortzahlung ihres Gehalts und sind sozialversicherungsrechtlich abgesichert.

Wie wirkt sich ein behördliches Tätigkeits- oder Betretungsverbot auf den Lohnanspruch aus?

### Lohnanspruch bei behördlichem Tätigkeits- oder Betretungsverbot

Ein behördliches Tätigkeits- oder Betretungsverbot kann unter bestimmten Umständen zu einem Verdienstausfall führen. In Deutschland regelt das Infektionsschutzgesetz (IfSG) die Entschädigung für Verdienstausfälle aufgrund solcher Verbote.

Wenn ein Arbeitnehmer aufgrund eines behördlich angeordneten Tätigkeitsverbots oder einer Quarantäne seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann, sieht das IfSG einen Entschädigungsanspruch vor. Die Entschädigung hängt vom Verdienstausfall ab und wird für die ersten sechs Wochen in voller Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Nach den ersten sechs Wochen kann sich die Höhe der Entschädigung ändern.

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Entschädigung zunächst auszuzahlen und können sich die Beträge anschließend von der zuständigen Behörde erstatten lassen. Es besteht die Möglichkeit, dass die Behörde dem Arbeitgeber einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages gewährt.

Es gibt jedoch Ausschlussgründe für die Entschädigung. Beispielsweise wird keine Entschädigung gewährt, wenn das Tätigkeitsverbot oder die Quarantäne auf eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet zurückzuführen ist oder wenn die betroffene Person durch eine empfohlene Schutzimpfung das Tätigkeitsverbot oder die Quarantäne hätte vermeiden können.

Im Falle eines Betretungsverbots des Betriebs, das vom Arbeitgeber aufgrund eines betrieblichen Hygienekonzepts ausgesprochen wird, ist die Rechtslage etwas anders. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat festgestellt, dass ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer das Betreten des Betriebs verbietet, sich in Annahmeverzug befindet, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitswillig ist. In diesem Fall muss der Arbeitgeber die Vergütung weiterzahlen, da die Nichterbringung der Arbeitsleistung durch eine vom Arbeitgeber selbst gesetzte Ursache bedingt ist.

Zusammenfassend bedeutet dies, dass bei einem behördlich angeordneten Tätigkeits- oder Betretungsverbot der Lohnanspruch durch das IfSG geregelt wird und der Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung hat. Bei einem vom Arbeitgeber ausgesprochenen Betretungsverbot ohne behördliche Anordnung muss der Arbeitgeber die Vergütung weiterzahlen, wenn der Arbeitnehmer bereit und in der Lage ist, seine Arbeit zu verrichten.

Unter welchen Umständen besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?

Unter bestimmten Umständen besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diese Umstände sind im deutschen Arbeitsrecht klar definiert und umfassen verschiedene Szenarien:

  • Arbeitsunfähigkeit nicht einzige Ursache für Arbeitsausfall: Wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht die einzige Ursache für den Arbeitsausfall ist, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
  • Ausschluss durch Vereinbarung: Der gesetzliche Anspruch auf bezahlte Freistellung kann durch arbeitsvertragliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge ausgeschlossen werden. Dies wird in der Praxis häufig genutzt, beispielsweise wenn Elternteile zu Hause bleiben müssen, weil ihr Kind krank ist.
  • Neueinstellungen: Neu eingestellte Beschäftigte haben in den ersten vier Wochen ihrer Beschäftigung keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Stattdessen zahlt in dieser Zeit die Krankenkasse Krankengeld.
  • Mehrfache Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit: Fällt ein Arbeitnehmer innerhalb von zwölf Monaten aufgrund derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig aus, entsteht kein neuer Anspruch auf eine Lohnfortzahlung.
  • Wartezeit: Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht erst, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat. Diese Wartezeit muss erfüllt sein, bevor ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht.
  • Selbstverschuldete Krankheit: Voraussetzung für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist, dass den Arbeitnehmer an seiner Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden trifft. Bei selbstverschuldeten Krankheiten besteht daher kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
  • Streik und Aussperrung: Wenn Beschäftigte an einem Streik teilnehmen oder von einer Aussperrung betroffen sind und währenddessen arbeitsunfähig werden, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da sie auch ohne die Erkrankung nicht beschäftigt worden wären.
  • Unentschuldigtes Fehlen: Fehlen Beschäftigte unentschuldigt und werden während dieser Zeit arbeitsunfähig, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sofern sie auch ohne die Erkrankung arbeitsunwillig geblieben wären.

Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur unter gerechtfertigten Umständen besteht und Missbrauch vorgebeugt wird.

Welche Rolle spielt die Monokausalität bei der Entgeltfortzahlung?

Die Monokausalität spielt eine entscheidende Rolle bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, da sie bestimmt, ob ein Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung seines Gehalts hat, wenn er krankheitsbedingt nicht arbeiten kann. Der Grundsatz der Monokausalität besagt, dass ein Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, wenn seine Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung ist. Das bedeutet, der Arbeitnehmer hätte ohne die Erkrankung arbeiten können und auch gearbeitet.

Einige Beispiele verdeutlichen, wie die Monokausalität in der Praxis angewendet wird:

  • Urlaub: Erkrankt ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs, so tritt anstelle des Urlaubsentgelts die Entgeltfortzahlung. Die durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit werden auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.
  • Streik und Aussperrung: Wenn ein Arbeitnehmer während eines Streiks erkrankt, hat er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da die Arbeit auch aus einem anderen Grund (dem Streik) nicht geleistet worden wäre. Behält jedoch ein Arbeitnehmer, der bereits vor Beginn des Streiks arbeitsunfähig erkrankt war, seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, solange er sich nicht am Streik beteiligt.
  • Kurzarbeit: Wenn aufgrund von Kurzarbeit die Arbeit im Betrieb vollständig ruht, ist nicht die Arbeitsunfähigkeit die Ursache für die Arbeitsverhinderung, sondern die Kurzarbeit. In solchen Fällen erhält der Arbeitnehmer keine Entgeltfortzahlung, sondern beispielsweise Krankengeld.
  • Annahmeverzug: Befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug und erkrankt der Arbeitnehmer währenddessen, erhält der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung, da die Arbeitsunfähigkeit in diesem Fall als alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung gilt.

Die Monokausalität ist somit ein zentrales Prinzip im Arbeitsrecht, das sicherstellt, dass Arbeitnehmer nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben, wenn ihre Arbeitsunfähigkeit die einzige Ursache für die Nichterbringung ihrer Arbeitsleistung ist. Dieses Prinzip hilft, Fälle zu klären, in denen andere Umstände wie Urlaub, Streiks oder Kurzarbeit ebenfalls eine Rolle spielen könnten.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG: Regelung für den Nachweis einer Immunisierung oder Nichtinfektiosität in bestimmten Einrichtungen, z.B. Krankenhäusern. Im Kontext des Urteils relevant für die Anordnung eines Beschäftigungs- und Betretungsverbots gegenüber der Klägerin, da sie die geforderten Nachweise nicht erbrachte.
  • § 20a Absatz 5 Satz 3 IfSG: Ermöglicht die Anordnung eines Tätigkeits- und Betretungsverbots bei Nichtvorlage der nach § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG geforderten Nachweise. Grundlage für das gegen die Klägerin ausgesprochene Verbot.
  • § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG: Legt den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall fest, vorausgesetzt, die Arbeitsunfähigkeit ist die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall. Im Urteil zentral für die Bewertung des Entgeltfortzahlungsanspruchs der Klägerin.
  • § 275 Abs. 1 BGB: Regelt die Befreiung von der Leistungspflicht, wenn diese unmöglich wird. Im Urteil relevant für die Feststellung, dass das Tätigkeits- und Betretungsverbot die Arbeitsleistung der Klägerin unmöglich machte.
  • § 326 Abs. 1 BGB: Bestimmt, dass bei Unmöglichkeit der Leistung der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt, es sei denn, der Leistungsberechtigte trägt die Verantwortung für die Unmöglichkeit. Im Urteil für die Frage relevant, ob die Klägerin trotz des Verbots einen Vergütungsanspruch hat.
  • § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB: Besagt, dass der Anspruch auf die Gegenleistung (hier: Lohn) erhalten bleibt, wenn der Gläubiger (hier: Arbeitgeber) die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten hat. Im Urteil wichtig für die Bewertung, ob die Beklagte zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist, obwohl die Klägerin aufgrund des behördlichen Verbots nicht arbeiten durfte.

Diese Paragraphen und Gesetze bilden die rechtliche Grundlage für die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, wonach der Klägerin für den Zeitraum des behördlich angeordneten Tätigkeits- und Betretungsverbots kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zusteht, da dieses Verbot unabhängig von ihrer Arbeitsunfähigkeit bestand.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 12 Sa 268/23 – Urteil vom 09.08.2023

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 21.03.2023 – 1 Ca 286/23 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aufgrund von Arbeitsunfähigkeit.

Die Klägerin war bei der Beklagten, einem Krankenhaus, seit dem 01.05.2011 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 01.03.2011 als Krankenschwester zunächst in Vollzeit beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach den Vorschriften der Kirchlichen Arbeitsvertragsordnung für Angestellte (BAT-KF). Die Eingruppierung erfolgte in Entgeltgruppe 9a. Aufgrund eines Änderungsvertrags vom 13.07.2016 verblieb es bei der bereits zuvor vereinbarten reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit von 80 %, d.h. von 30,8 Wochenstunden im Verhältnis zu 38,5 Wochenstunden der tariflichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Die Klägerin war im Schichtdienst eingesetzt. Jedenfalls seit dem Monat Juni 2022 betrugen – jeweils auf der Basis des für die Klägerin anwendbaren Teilzeitquotienten von 30,800/38,500 – das Tabellenentgelt 3.179,02 Euro brutto, die VL Zulage 5,32 Euro brutto und die Pflegezulage 96,00 Euro brutto. Hinzu kamen weitere Zulagen aus verschiedenen Gründen wie z.B. Sonntagsarbeit, Nachtarbeit oder Überstunden.

Die Klägerin war zunächst nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV2 geimpft und hatte sich einmal mit dem Coronavirus SARS-CoV2 infiziert. Sie legte der Beklagten bis zum Ablauf des 15.03.2022 keinen Nachweis gemäß § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG vor. Ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester erbrachte die Klägerin auch über den 15.03.2022 hinaus. Sie war nicht arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 30.05.2022 forderte das Gesundheitsamt der Stadt Essen die Klägerin auf, bis zum 07.06.2022 einen Nachweis im Sinne des § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG vorzulegen. Dem kam die Klägerin nicht nach. Mit Schreiben vom 02.06.2022 machte sie Pflichtangaben zu ihrer Person und berief sich im Übrigen auf ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Mit Schreiben vom 08.06.2022 teilte das Gesundheitsamt der Stadt Essen der Klägerin mit, auf welcher Grundlage aus seiner Sicht die personenbezogenen Daten erhoben und verarbeitet würden. Mit Anhörungsschreiben vom 20.06.2022 wurde der Klägerin seitens des Gesundheitsamts der Stadt Essen mitgeteilt, dass in einem nächsten Schritt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werde, ihr gegenüber ein Tätigkeitsverbot und / oder Betretungsverbot in der Einrichtung der Beklagten zu erlassen. Auf das Anhörungsschreiben teilte die Klägerin mit, dass sie jeden Tag erleben würde, dass Impfungen weder dem Eigenschutz noch dem Fremdschutz nutzen würden und dass sie zudem überaus bedenkliche Nebenwirkungen bei Kollegen, Familie und Freunden beobachtet hätte.

Am 06.09.2022 verfasste das Gesundheitsamt der Stadt Essen eine Ordnungsverfügung gegenüber der Klägerin, mit welcher ihr ab sofort die Tätigkeit in der Einrichtung/dem Unternehmen der Beklagten sowie das Betreten der Einrichtung/des Unternehmens der Beklagten zum Zwecke der Verrichtung der Tätigkeit gemäß § 20a Absatz 5 Satz 3 IfSG untersagt wurde. Die Verbote galten ausweislich der Vorlage der Ordnungsverfügung bis zur Vorlage eines Nachweises nach Maßgabe des § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG. Die Ordnungsverfügung wurde an die Klägerin per Postzustellungsurkunde versandt.

Am 08.09.2022 war die Klägerin zu der um 06.00 Uhr beginnenden Frühschicht eingeteilt. Sie erschien an diesem Tag nicht zur Arbeit, weil sie arbeitsunfähig erkrankt war. Ebenfalls am 08.09.2022 um 13.40 Uhr wurde der Klägerin die Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 zugestellt. Die Zustellung der Ordnungsverfügung an die Beklagte erfolgte ebenfalls an diesem Tag. Am 09.09.2022, an dem die Klägerin ebenfalls zur Frühschicht eingeteilt gewesen wäre, suchte sie ihren Hausarzt auf, der ihr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 08.09.2022 bis zum 23.09.2022 ausstellte. Die Klägerin war in der Zeit vom 08.09.2022 bis zum 02.11.2022 tatsächlich aufgrund der Diagnose einer gesicherten Anpassungsstörung durchgehend arbeitsunfähig erkrankt (Folgebescheinigung vom 23.09.2022 und Erstbescheinigung eines anderen Arztes vom 07.10.2022 und Folgebescheinigung vom 20.10.2022).

Die Beklagte zahlte an die Klägerin für die Zeit vom 08.09.2022 bis zum 02.11.2022 keine Vergütung. Gegen die Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 legte die Klägerin kein Rechtsmittel ein. Ab dem 28.11.2022 erbrachte die Klägerin ihre Arbeitsleistung wieder. Mit Schreiben vom 18.01.2023 forderte die Klägerin die Beklagte zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in der Zeit vom 08.09.2022 bis zum 02.11.2022 auf. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 25.01.2023 ab. Sie stellte die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht in Abrede. Sie ging davon aus, dass der Klägerin laut telefonischer Auskunft der Stadt Essen die Ordnungsverfügung unter dem 08.09.2022 zugestellt worden sei, also zeitlich vor der tatsächlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, sodass die Ordnungsverfügung vorrangig zu behandeln sei mit der Folge, dass Entgeltfortzahlungsansprüche nicht bestünden.

Mit der Abrechnung der Bezüge für den Monat Juli 2023 leistete die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an die Klägerin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den 08.09.2022 und für den 09.09.2022.

Die Klägerin hat gemeint, ihre stehe für den Zeitraum 08.09 bis 02.11.2022 ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 4.883,64 Euro brutto zu. Sie hat gemeint, die Erkrankung sei aufgrund des Zeitablaufs chronologisch „vorrangig“. Sie habe es nicht zu vertreten, dass ihr Hausarzt erst am 09.09.2022 einen Termin für sie hatte. Die Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 ginge faktisch ins Leere. Mit der leidigen Diskussion, ob das IfSG seinerzeit nun verfassungswidrig war oder nicht, müsse man sich in diesem Fall nicht beschäftigen. Ihre Forderung hat die Klägerin ausgehend von einem monatlichen Bruttoverdienst von ca. 3.255,78 Euro berechnet.

Die Klägerin hat mit der am 07.02.2023 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen und der Beklagten am 10.03.2023 zugestellten Klage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.883,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht gewesen, der Klägerin keine Entgeltfortzahlung zu schulden. Es fehle an der Monokausalität der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin.

Das Arbeitsgericht hat auf Antrag beider Parteien im Wege der Alleinentscheidung durch die Vorsitzende entschieden und die Klage mit Urteil vom 21.03.2023 abgewiesen. Gegen das ihr am 27.03.2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.04.2023 Berufung eingelegt und diese am 26.05.2023 begründet.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe ihre Klage zu Unrecht abgewiesen. Der vom Arbeitsgericht herangezogene Grundsatz der Monokausalität trage die Klageabweisung nicht. Dieser von der Rechtsprechung angewandte Grundsatz komme nicht uneingeschränkt zur Anwendung. Völlig losgelöst davon, dass Corona-Impfungen lediglich dem eigenen Schutz und nicht etwa dem Schutz Dritter vor Ansteckung dienten und bis dato nicht ein einziger Beleg dafür vorliege, dass sämtliche, seinerzeit auf dem Markt gehandelten Corona-Impfstoffe Dritte vor Ansteckung hätten schützen können, liege hier ein Sonderfall vor. Es bleibe dabei, dass ihre Arbeitsunfähigkeit faktisch die einzige Ursache des Arbeitsausfalls gewesen sei. Wegen ihrer Erkrankung ab dem 08.09.2022 sei für sie jede Möglichkeit der abverlangten Impfung bereits ausgeschlossen gewesen. Sie behauptet dazu, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht habe geimpft werden können. Die Impfung setze einen stabilen physischen und psychischen Zustand des „Impflings“ voraus. Daran habe es ab dem 08.09.2022 gefehlt. Wäre sie gesund gewesen, hätte sie sich ohne weiteres impfen lassen können.

Die Klägerin behauptet, in der Zeit vom 08.09.2022 bis zum 20.10.2022 weder Krankengeld noch sonstige Lohnersatzleistungen erhalten zu haben.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 26.05.2023 angekündigt zu beantragen,

unter Abänderung des am 21.03.2023 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Essen – 1 Ca 286/23 – die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.883,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Nach Erörterung im Termin am 09.08.2023 sind nur noch Entgeltfortzahlungskosten für die Zeit vom 10.09.2022 bis 30.09.2022 berechnet mit 21/30 von 3.275,02 Euro brutto, d.h. mit 2.292,51 Euro brutto und für die Zeit vom 01.10.2022 bis 19.10.2022 mit 19/30 von 3.275,02 Euro brutto, d.h. mit 2.074,18 Euro brutto, streitig gewesen. Der Betrag von 3.275,02 Euro brutto setzt sich zusammen aus dem Tabellenentgelt von 3.179,02 Euro brutto und der Pflegezulage von 96,00 Euro brutto. Insgesamt ergibt sich noch ein streitiger Betrag in Höhe von 4.366,69 Euro brutto insgesamt für die Zeit vom 10.09.2022 bis zum 19.10.2022.

Die Klägerin beantragt daraufhin, unter Abänderung des am 21.03.2023 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Essen – 1 Ca 286/23 – die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Zeitraum vom 10.09.2022 bis zum 19.10.2022 Entgeltfortzahlung in Höhe von 4.366,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Im Übrigen erklärt sie den Rechtsstreit für erledigt.

Die Beklagte schließt sich der teilweisen Erledigungserklärung an und beantragt im Übrigen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Beschäftigungsverbot gegenüber der Klägerin gelte, an welches sie sich strikt zu halten gehabt habe und welches die Vergütungspflicht entfallen lasse. Die Voraussetzungen der Monokausalität der Erkrankung sei vorliegend nicht gegeben, so dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen der Arbeitsunfähigkeit ausscheide. Etwaige von der Rechtsprechung bislang entschiedene Ausnahmen zur Monokausalität in Bezug auf die Corona-Pandemie beträfen andere Fallkonstellationen. Es gehe um Fälle, in denen der Arbeitnehmer an SARS-COV 2 erkrankt sei und zugleich eine Quarantäne angeordnet sei. Hier könnte zwischen Krankheit und Quarantäne ein ursächlicher Zusammenhang gesehen werden. Dies sei hier anders. Zum einen war die Klägerin nicht an Corona erkrankt. Zum anderen sei eine Quarantäne nicht mit einem Beschäftigungs- und Betretungsverbot i.S.d. § 20a IfSG gleichzustellen. Letzteres sei durch die Betroffene steuerbar, denn sie hätte es durch Impfung vermeiden können. Unabhängig davon stellt die Beklagte zwar nicht die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 08.09.2022 in Abrede. Sie bestreitet aber, dass bei der Klägerin ab dem 08.09.2022 eine Erkrankung vorgelegen habe, aufgrund derer sie sich nicht hätte impfen lassen können. Außerdem sei es ihr zum Vorwurf zu machen, dass sie sich bis zu dem Beginn ihrer Erkrankung ab dem 08.09.2022 nicht habe impfen lassen und dies auch nicht nach dem Schreiben der Stadt Essen vom 30.05.2022. Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin in der Zeit vom 08.09.2023 bis zum 02.11.2022 keinerlei Ersatzleistungen, in Form von Krankengeld oder Arbeitslosengeld, erhalten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften in beiden Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil die zulässige Klage, soweit sie nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien noch Streitgegenstand ist, unbegründet ist. Die Klägerin kann von der Beklagten für die Zeit vom 10.09.2022 bis zum 19.10.2022 keine Entgeltfortzahlung in Höhe von insgesamt 4.366,69 Euro brutto gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, § 4 Abs. 1 EFZG i.V.m. § 21 Abs. 1 BAT-KF i.V.m. § 20 Abs. 6 BAT-KF verlangen. Diesem Anspruch steht der Grundsatz der Monokausalität entgegen.

I.Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Klägerin ab dem 08.09.2022 arbeitsunfähig erkrankt war, so dass ihr im Grundsatz ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für sechs Wochen zustehen würde. Dieser Anspruch scheitert jedenfalls für den hier allein noch streitigen Zeitraum ab dem 10.09.2022 bis zum 19.10.2022 am Grundsatz der Monokausalität. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG besteht ebenso wie gemäß § 21 Abs. 1 BAT-KF ein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, d.h. die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen. Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt demnach voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte. Dadurch werden arbeitsunfähige und arbeitsfähige Arbeitnehmer gleichgestellt (BAG 28.01.2004 – 5 AZR 58/03, juris Rn. 90; BAG 23.02.2021 – 5 AZR 304/20, juris Rn. 20; BAG 19.05.2021 – 5 AZR 420/20, juris Rn. 26)

II. Der Klägerin stand aufgrund der Ordnungsverfügung des Gesundheitsamtes der Stadt Essen vom 06.09.2022 jedenfalls ab dem 10.09.2022 unabhängig von ihrer Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Arbeitsvergütung zu.

1. Mit der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 hat das Gesundheitsamt der Stadt Essen gegenüber der Klägerin gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ein Verbot erlassen, mit welchem dieser ab sofort die Tätigkeit in der Einrichtung/dem Unternehmen der Beklagten sowie das Betreten der Einrichtung/des Unternehmens der Beklagten zum Zwecke der Verrichtung der Tätigkeit untersagt wurde. Aufgrund dieses behördlichen Tätigkeits- und Betretungsverbots war es der Klägerin für die Zeitdauer des Verbots objektiv unmöglich ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester bei der Beklagten zu erbringen. Nach § 275 Abs. 1 BGB führt die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zum Ausschluss des Leistungsanspruchs. Der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt zugleich nach § 326 Abs. 1 BGB, bleibt aber gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB erhalten, wenn der Gläubiger für den Umstand allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht. Der Anwendungsbereich von § 326 Abs. 2 BGB umfasst sämtliche gegenseitigen Verträge und findet damit auch auf Arbeitsverträge Anwendung. Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu verantworten hat (BAG 19.08.2015 – 5 AZR 975/13, juris Rn. 25 f.). Von der Anwendung des § 326 Abs. 1, 2 BGB bei der Anordnung eines Tätigkeits- und Betretungsverbots i.S.v. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG und einem grundsätzlichen Entfall der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers geht auch der Gesetzgeber aus (BT-Drs. 20/188 S. 42; s.a. BVerfG 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21, juris Rn. 259). Für die Kammer besteht kein Grund, die Rechtslage insoweit anders zu bewerten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das gegenüber der Klägerin ausgesprochene Tätigkeits- und Betretungsverbot zu verantworten hätte, sind nicht ersichtlich.

2. Das der Klägerin gegenüber seitens des Gesundheitsamtes der Stadt Essen mit der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 ausgesprochene Tätigkeits- und Betretungsverbot hatte die erkennende Kammer zu Grunde zu legen, weil es auf einem bestandskräftigen und von der Klägerin nicht angegriffenen Verwaltungsakt beruht. An einen bestandskräftigen Verwaltungsakt sind die Arbeitsgerichte gebunden. Seine Wirksamkeit hätte – ausgenommen den Fall der Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 VwVfG NRW i.V.m. § 44 VwVfG NRW) – nur in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nachgeprüft werden können (BAG 20.01.2005 – 2 AZR 500/03, juris Rn. 12). Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 Bestehen nicht. Insbesondere ist die der Ordnungsverfügung letztlich zu Grunde liegende Tätigkeitsvoraussetzung in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG in den hier maßgeblichen Fassungen bis zum 16.09.2022 und vom 17.09.2022 bis zum 31.12.2022 nicht offenkundig verfassungswidrig, so dass ein ausgesprochenes Tätigkeits- und Betretungsverbot letztlich offenkundig ohne wirksame Grundlage ergangen wäre. Vielmehr ist die vom Gesetzgeber in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG normierte Tätigkeitsvoraussetzung für die Einrichtung eines Krankenhauses und die Tätigkeit einer Krankenschwester verfassungsgemäß. Die erkennende Kammer hat dies in anderem Zusammenhang (Urteil vom 19.04.2023 – 12 Sa 621/22, juris Rn. 96 ff.) wie folgt begründet:

„(3.4.4.)Entgegen der Ansicht der Klägerin beruht die hier angenommene Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung durch die Beklagte auf einer verfassungsmäßigen Tätigkeitsvoraussetzung in § 20a Abs. 1 IfSG. Die erkennende Kammer hat dabei insbesondere auch die von der Klägerin aufgezeigten Aspekte in Bezug auf die Omikron-Variante berücksichtigt. Diese ändern an dem Ergebnis nichts. Die Kammer folgt dabei im Wesentlichen den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen aus dem Beschluss vom 23.12.2022 (13 B 1256/22, juris). Im Einzelnen gilt insbesondere Folgendes:

(3.4.4.1.)“Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 – bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung aus, die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose, die verfügbaren Impfstoffe würden auch gegenüber der Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 eine noch relevante Schutzwirkung entfalten, sei durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens nach Verabschiedung des Gesetzes ausweislich der Stellungnahmen der im dortigen Verfahren als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften nicht durchgreifend erschüttert worden. Dies gelte insbesondere auch für die gesetzgeberische Prognose, die verfügbaren Impfstoffe könnten vor einer Infektion schützen und – sollten sich Betroffene gleichwohl infizieren – zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beitragen. Die zugrundeliegenden Stellungnahmen der als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften bezifferten eine Impfstoffwirksamkeit gegenüber „der Omikron-Variante“ des Coronavirus SARS-CoV-2 – vorbehaltlich wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten – bei dreifach Geimpften auf 40 bzw. 50 bis 70 %; bei einer Grundimmunisierung sei die Schutzrate (teils mit 42,8 % beziffert) zwar reduziert, aber nicht bzw. erst nach Ablauf von 15 Wochen nach der Grundimmunisierung aufgehoben. Zudem bestehe eine im Allgemeinen niedrigere Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch eine geimpfte Person nach Infektion mit der Omikron-Variante. Vor diesem Hintergrund sei weiterhin davon auszugehen, dass eine Impfung jedenfalls einen relevanten – wenn auch mit der Zeit abnehmenden – Schutz vor einer Infektion auch mit der aktuell vorherrschenden Omikron-Variante des Coronavirus biete. Dabei sei auch nicht erkennbar, dass die Impfwirksamkeit so sehr reduziert wäre, dass die Verwirklichung des mit dem angegriffenen Gesetz verfolgten Zwecks des Schutzes vulnerabler Menschen nur noch in einem derart geringen Maße gefördert würde, dass im Rahmen der Abwägung den widerstreitenden Interessen der von der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht Betroffenen von Verfassungs wegen der Vorrang gebühren müsste.“ (so OVG Münster 16.09.2022 – 13 B 869/22, juris Rn. 8 ff.; OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 9). Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

(3.4.4.2.)Soweit die Klägerin einwendet, dass diese Annahmen aus April 2022 mit dem Vordringen der Omikron-Variante nicht mehr zutreffen, folgt die erkennende Kammer dem nicht. Hierzu stellt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 20) zunächst auf die Darstellung des nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 IfSG zur Beurteilung der epidemiologischen Lage berufenen Robert Koch-Instituts zur Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe ab. Nach dessen Erkenntnissen bieten die Covid-19-mRNA-Impfstoffe Comirnaty (BioNTech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) sowie der Vektor-Impfstoff JCOVDEN (Johnson & Johnson) vor der Omikron-Variante weniger Schutz als vor der sog. Delta-Variante, die das Infektionsgeschehen in Deutschland zuvor dominiert hatte. Die Studienergebnisse zeigten, dass die Wirksamkeit nach zwei Impfstoffdosen (Grundimmunisierung) gegenüber jeglicher oder symptomatischer Erkrankung durch die Omikron-Variante insgesamt gering sei und zudem mit der Zeit deutlich nachlasse. Durch eine Auffrischimpfung könne die Schutzwirkung verbessert werden. Gegen schwere Erkrankungen biete die Impfung weiterhin einen guten Schutz. Die Datenlage deute darauf hin, dass auch hier die Schutzwirkung nach der Grundimmunisierung abfalle, jedoch weniger stark als im Vergleich zu jeglichen bzw. symptomatischen Erkrankungen. Nach einer Auffrischimpfung sei die Wirksamkeit gegenüber schweren Erkrankungen erneut hoch. Daten wiesen auch nach Auffrischimpfung auf einen nachlassenden Schutz vor (symptomatischer) Infektion über die Zeit hin. Die hohe Schutzwirkung gegenüber schweren Infektionen bleibe aber mindestens über sechs bis neun Monate nach der Auffrischimpfung bestehen. Über die Transmission, das heißt die Virusübertragung, unter Omikron gebe es – worauf auch die Klägerin abstellt – bisher keine ausreichenden Daten; sie scheine bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt sei. Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark zeigten indes, dass eine Impfung auch unter vorherrschender Zirkulation der Omikron-Variante die Übertragbarkeit um ca. 6 bis 21 % nach Grundimmunisierung und nach Auffrischimpfung um weitere 5 bis 20 % reduziere.

Bestehen danach weiterhin Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos, werden die bisherigen Annahmen des Gesetzgebers zu einer relevanten Schutzwirkung der Impfung gegenüber vulnerablen Personen nicht durchgreifend erschüttert. Soweit die Klägerin beanstandet, dass bei zweifach Geimpften, deren Impfung mehrere Monate zurückliegt, kein relevanter Impfschutz mehr besteht, übersieht sie, dass ab dem 01.10.2022 für einen vollständigen Impfschutz grundsätzlich drei Einzelimpfungen erfolgt sein müssen (vgl. OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 20). Im Ergebnis nichts Anderes folgt aus einer etwaigen Immunflucht bei den Omikron-Varianten BA.4 und BA.5. So geht etwa die Ständige Impfkommission in der 21. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung vom 18.08.2022 davon aus, dass die COVID-19-Impfung nach wie vor dem Ziel dient, insbesondere in Umgebungen mit einem hohen Anteil vulnerabler Personen und/oder einem hohen Ausbruchspotenzial die Virustransmission zu vermindern, um so einen zusätzlichen Schutz zu bewirken (OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 28 ff.). Ohnehin geht es hier – was die streitigen Vergütungsansprüche betrifft – um einen Zeitraum bis zum 31.08.2022. Es genügt, wenn der Gesetzgeber auf etwaige Entwicklungen des Infektionsgeschehens reagiert und die gesetzlichen Regelungen anpasst. Dies ist erfolgt.

(3.4.4.3.)Soweit die Klägerin wesentlich geltend macht, dass die Schutzimpfung gegen das Coronavirus keinen Drittschutz vermittle, folgt dem die erkennende Kammer ebenso wie das Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht. Es haben sich durch den Einsatz der Impfung Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos gezeigt, die die Annahme des Gesetzgebers, dass die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht in relevantem Maße vulnerable Personen vor einer Ansteckung schützen könne, ausreichend tragen. Dies ist weiterhin so. So verweist das Robert Koch-Institut auf Monitoring des COVID-Impfgeschehens in Deutschland – Monatsbericht des RKI vom 07.07.2022, in dem es ausgeführt hatte, die Impfeffektivität der 1. Auffrischungsimpfung im Sinne eines Schutzes vor einer Infektion (asymptomatisch oder symptomatisch) liege bei 34%-66% (mRNA-basierter Impfstoff) bzw. 38%-76% (jeglicher Impfstoff, nicht spezifiziert). Auch im Hinblick auf den zunehmenden Anteil der Untervariante BQ1.1. der BA5-Sublinie ist keine abweichende Beurteilung geboten. Zwar deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass diese Untervariante der Immunantwort von geimpften Personen oder solchen, die eine Infektion durchgemacht haben, besser entgehen kann als frühere Varianten. Dies führt jedoch nicht dazu, dass § 20a IfSG bereits im hier maßgeblichen Zeitraum nicht mehr verhältnismäßig gewesen wäre, weil eine Anordnung von Tätigkeits- und Betretungsverboten nicht mehr geeignet wäre, den hiermit verfolgten Zweck, vulnerable Menschen in besonderem Maße vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen, zu erreichen. Noch am 22.12.2022 liege – so das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den wöchentlichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 22.12.2022, S. 26 – der Anteil dieser Variante bei über 21 %. Damit war selbst im Dezember 2022 das Infe ktionsgeschehen noch zum überwiegenden Teil von den anderen (Unter-)Varianten geprägt, die eine weniger starke Immunflucht aufweisen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die auf das Jahresende befristete einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums – offenbar auch mit Blick auf die Verbreitung der BQ1.1. Variante – nicht verlängert wurde. Hieraus folgt nicht, dass davon ausgegangen werden muss, diese bis zum 31.12.2022 nicht mehr rechtmäßig war. Vielmehr belegt dies, dass der Gesetzgeber Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Regelung beobachtet und diese (erst) mit Blick auf die sich abzeichnende Entwicklung des Infektionsgeschehens erst für den Zeitraum ab dem 01.01.2023 nicht mehr als notwendig erachtet (zutreffend und überzeugend OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 46 ff.).

(3.4.4.4.)Ferner war der Gesetzgeber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gehalten, den Beschäftigten in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtungen statt der Pflicht zur Vorlage eines Immunitätsnachweises eine Pflicht, sich vor Betreten einer Einrichtung oder eines Unternehmens – und damit vor einem möglichen Kontakt mit einer vulnerablen Person – mit einem Schnelltest auf eine SARS-CoV-2-Infektion zu testen, aufzuerlegen. Die Einschätzung des Gesetzgebers, hierbei handele es sich schon um kein gleich geeignetes Mittel, weil diese Tests fehleranfällig seien, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt nach wie vor. Auch sonstige Verhaltensregeln, wie etwa das Abstandhalten, das Tragen einer (medizinischen) Schutzmaske, die Einhaltung von Hygieneregeln, regelmäßiges Lüften oder das Einsetzen eines Luftfilters, sind nicht gleich wirksam. Es besteht schon das Risiko einer bewusst oder unbewusst fehlerhaften Anwendung, weshalb der Gesetzgeber auf hinreichend tragfähiger Grundlage nicht auf den Schutz verzichten musste, den eine COVID-19-Impfung oder Genesung jedenfalls grundsätzlich verspricht und von dem vulnerable Personen profitieren (OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 88 f.).“

Daran hält die erkennende Kammer auch in diesem Fall fest, macht sich diese Begründung zu eigen und überträgt die Ausführungen auf den hier maßgeblichen Zeitraum. Es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022.

3. Die Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 und damit das mit dieser Verfügung ab sofort ausgesprochene Tätigkeits- und Betretungsverbot entfaltete gegenüber der Klägerin jedenfalls ab dem 10.09.2022 Wirkung. Gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG NRW wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem er ihm bekanntgegeben wird. Da die Zustellung hier durch Postzustellungsurkunde gemäß § 3 VwZG NRW erfolgte, finden die Zugangsfiktionen aus § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG für die Zustellung mittels Einschreiben sowie die allgemeine Fiktion aus § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW keine Anwendung. Die Zustellung mittels Zustellungsurkunde ist in dem Zeitpunkt wirksam, in dem die Zustellung faktisch durch Aushändigung des zuzustellenden Dokuments erfolgt ist (L. Ronellenfitsch in BeckOK VwVfG, 59. Ed. Stand 01.10.2019, § 3 VwZG Rn. 7; Schlatmann in Engelhard/App/Schlatmann, VwVG und VwZG, 12. Aufl. 2021, § 3 VwZG Rn. 51). Dies ist hier der 08.09.2022 um 13.40 Uhr.

III.Die von der Klägerin gegen die Anwendung des Grundsatzes der Monokausalität in diesem Fall vorgebrachten Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.

1. Der Umstand, dass die Klägerin bereits den ganzen Tag des 08.09.2022 arbeitsunfähig erkrankt war und die Zustellung der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 am 08.09.2022 um 13.40 Uhr nach Beginn der Frühschicht erfolgte, ändert an dem Ergebnis nichts. Es bleibt dabei, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ab dem 10.09.2022 war. Der Anspruch auf das Arbeitsentgelt ist für diesen Zeitraum bereits aufgrund einer anderer Ursache, nämlich dem gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Tätigkeits- und Betretungsverbot entfallen. Für den den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließenden Grundsatz der Monokausalität ist es unerheblich, dass die Arbeitsunfähigkeit zeitlich vor Wirksamwerden der genannten Verbote gegenüber der Klägerin begonnen hatte. Entscheidend ist nur das zeitliche Zusammentreffen beider Ursachen (vgl. z.B. BAG 23.02.2021 – 5 AZR 304/20, juris Rn. 21 und auch Rn. 5: Erkrankung aufgrund eines Arbeitsunfalls ab dem 07.02.2018 und anschließende Arbeitsunfähigkeit bis zum 18.09.2018 im Verhältnis zu einem witterungsbedingten Arbeitsausfall vom 19.02.2018 bis 02.03.2018).

2. Es kann unterstellt werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung ab dem 08.09.2022 aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden konnte. Einer Sachaufklärung, ob dies bei der Diagnose „gesicherte Anpassungsstörung“ im konkreten Fall so war, bedurfte es nicht. Selbst wenn die Klägerin aufgrund dieser Erkrankung ab dem 08.09.2022 nicht geimpft werden konnte, änderte dies an dem Ergebnis nichts.

a)Es liegt kein Fall vor, in dem ein Beschäftigungsverbot den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht ausschließt. Dies ist dann der Fall, wenn das gesetzliche Beschäftigungsverbot seinerseits nur die Folge der Erkrankung ist, die ihrerseits auch Ursache der Arbeitsunfähigkeit ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht z.B. für die offene Tuberkolose anerkannt. Diese Erkrankung war der Grund für das Beschäftigungsverbot und die Arbeitsunfähigkeit. Das Beschäftigungsverbot ist dann kein weiterer Umstand, der – für sich allein gesehen – Grund für eine Arbeitsverhinderung sein könnte. Nur wenn ein Beschäftigungsverbot unabhängig von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit besteht oder angeordnet wird, kommt diesem Beschäftigungsverbot selbständige Bedeutung zu (BAG 26.04.1978 – 5 AZR 7/77, juris Rn. 11).

b)So liegt der Fall hier nicht. Das Tätigkeits- und Betretungsverbot aus der Ordnungsverfügung vom 09.09.2022 hat entgegen der Ansicht der Klägerin und selbst wenn man unterstellt, dass sie sich krankheitsbedingt ab dem 08.09.2022 nicht impfen lassen konnte, nicht ihrerseits seine Ursache in der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Tätigkeits- und Betretungsverbot sind nicht ausgesprochen worden, weil die Klägerin an einer Erkrankung litt, die zugleich die Arbeitsunfähigkeit bedingte. Das Tätigkeits- und Betretungsverbot ist ausgesprochen worden, weil die Klägerin als Krankenschwester in einer Einrichtung gemäß § 20a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG tätig war und sie die Nachweise gemäß § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG weder der Beklagten noch dem Gesundheitsamt vorgelegt hatte. Es handelte sich dabei um den Nachweis über eine abgeschlossene Impfung (Nr. 1), einen Genesenennachweis (Nr. 2), einen Nachweis, dass sie sich im ersten Schwangerschaftsdrittel befindet (Nr. 3) oder ein ärztliches Attest darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann (Nr. 4). Der Umstand einer gesundheitsbedingt nicht möglichen Impfung ist mithin ein Ausnahmetatbestand für die ab dem 15.03.2022 bis zum 31.12.2022 geltende Tätigkeitsvoraussetzung aus § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG. Sie kann deshalb schon von der Gesetzessystematik her kein Grund für die Anordnung des Beschäftigungsverbots sein. Das Gegenteil ist der Fall. Und selbst wenn die Klägerin sich tatsächlich aufgrund des ausgesprochenen Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbots hätte impfen lassen wollen und dies zunächst ab dem 08.09.2022 aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht möglich gewesen wäre, änderte dies nichts. Dies liegt im konkreten Fall in ihrer eigenen Risikosphäre und führt nicht dazu, dass die Erkrankung zugleich die Arbeitsunfähigkeit und das Tätigkeits- und Betretungsverbot begründet. Die Anforderungen an die dem 15.03.2022 geltende Tätigkeitsvoraussetzung gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG waren spätestens seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes am 12.12.2021 bekannt. Der Gesetzgeber hat den betroffenen Berufsgruppen eine Übergangsfrist von rund drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes bis zum 15.03.2022 gewährt, um sich auch bei fehlender Bereitschaft zur Impfung auf die beruflichen Folgen einzustellen (BVerfG 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21, juris Rn. 262). Diese Möglichkeit hat die Klägerin nicht genutzt. Sie war jedenfalls seit dem 15.03.2022 nicht aufgrund von Arbeitsunfähigkeit gehindert, sich impfen zu lassen. Sie hat von der Möglichkeit der Impfung auch nach der Aufforderung seitens des Gesundheitsamtes vom 30.05.2022, einen Nachweis gemäß § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzulegen, keinen Gebrauch gemacht. Sie hat weder einen Impfnachweise noch einen Nachweis darüber, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden kann, vorgelegt. Wenn sie dann ab dem 08.09.2022 arbeitsunfähig erkrankte und ab diesem Zeitpunkt in einer geänderten Willenseinstellung nunmehr eine Impfung wollte, aber zunächst krankheitsbedingt nicht erhalten konnte, führt dies nicht zu einer Ausnahme vom Grundsatz der Monokausalität. Nicht die Erkrankung ab dem 08.09.2022 war die Ursache für das Tätigkeits- und Betretungsverbot, sondern der Umstand, dass die Klägerin entgegen der – wie ausgeführt – verfassungsrechtlich wirksamen Regelung in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG nicht für die Erfüllung der Tätigkeitsvoraussetzungen in ihrer Person gesorgt hat. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin ausgeführt hat, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht von Beginn an Kritik ausgesetzt war und auch durch Äußerungen von Seiten der Poli tik unklar gewesen sei, wie lange diese überhaupt gilt bzw. jedenfalls im Herbst 2022 schon davon auszugehen gewesen sei, dass diese nicht verlängert wird, ändert dies nichts. Maßgeblich sind die gesetzlichen und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden Vorschriften.

B.Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 91a Abs. 1 ZPO.

4. C.Das Gericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

 

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