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Fristlose Kündigung wegen Entwendung von Diesel – Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers

Fristlose Kündigung: Arbeitgeber fordert Schadensersatz für Dieseldiebstahl

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz befasste sich mit einem Fall, in dem ein Lkw-Fahrer wegen Entwendung von Diesel und Alkoholkonsum am Arbeitsplatz fristlos gekündigt wurde. Der Kläger stritt die Vorwürfe ab und klagte gegen die Kündigung. Das Gericht wog die Beweislage ab und berücksichtigte sowohl die Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers als auch die Rechte des Arbeitnehmers.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Sa 440/19  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Fristlose Kündigung des Lkw-Fahrers wegen des Verdachts der Dieselentwendung und Alkoholisierung am Arbeitsplatz.
  2. Bestreiten der Vorwürfe durch den Kläger, einschließlich der Behauptung, für die Dieselentnahme nicht verantwortlich zu sein.
  3. Der Arbeitgeber führte Schadensersatzansprüche wegen der Entwendung von Diesel und weiteren Kosten an.
  4. Berücksichtigung der Fleetboard-Daten zur Feststellung der Dieselentnahme und Alkoholkonsum durch Polizeimessung.
  5. Diskussion über die Zuverlässigkeit des Fleetboard-Systems und mögliche externe Kraftstoffdiebstähle.
  6. Strafanzeige gegen den Kläger und andauernde staatsanwaltliche Ermittlungen.
  7. Forderung des Klägers nach Vergütung und Annahmeverzugsansprüchen.
  8. Endurteil mit Berücksichtigung aller Aspekte, einschließlich der Rechtspositionen beider Parteien.

Arbeitsverhältnisse können aus verschiedenen Gründen enden, darunter auch fristlose Kündigungen. Diese Kündigungsform wird in der Regel nur aus wichtigem Grund ausgesprochen und kann weitreichende Folgen für beide Parteien haben.

Dieselentwendung und Schadensersatzansprüche

Arbeitnehmer Diebstahl Kraftstoff
(Symbolfoto: Irene Miller /Shutterstock.com)

In diesem Zusammenhang ist die Entwendung von Diesel ein relevantes Thema. Wenn ein Arbeitnehmer Kraftstoff aus der Tankanlage des Arbeitgebers entnimmt, kann dies zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers führen. Die Frage, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Im nachfolgenden Beitrag erfahren Sie mehr über ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz, das sich mit der fristlosen Kündigung eines Lkw-Fahrers befasst, der des Dieseldiebstahls und Alkoholkonsums am Arbeitsplatz beschuldigt wird. Lesen Sie weiter, um die Details des Urteils und die darin enthaltenen juristischen Aspekte kennenzulernen.

Der lange Weg zur Kündigung: Dieselentwendung und ihre Folgen

Im Fokus des Rechtsstreits stand ein Lkw-Fahrer eines Speditionsunternehmens, der seit 2007 beschäftigt war. Im Zentrum stand der Vorwurf der Dieselentwendung und des Alkoholkonsums am Arbeitsplatz, was zur fristlosen Kündigung führte. Der Kläger bestritt die Vorwürfe und führte an, dass die Dieselentnahmen durch Dritte erfolgt sein könnten, da die Fahrzeuge der Beklagten über keine verschließbaren Tankdeckel verfügten. Dies war eine bewusste Entscheidung der Beklagten, um Schäden an der Tankanlage bei gewaltsamen Öffnungen zu vermeiden.

Datenanalyse und Indizien: Fleetboard-System im Zentrum

Das Fleetboard-System, welches Fahrzeugdaten erfasst, spielte eine wesentliche Rolle im Prozess. Es zeigte signifikante Kraftstoffdifferenzen, die auf unbefugte Entnahmen hindeuteten. Die Beklagte argumentierte, dass diese Entnahmen hauptsächlich an den Standorten erfolgten, an denen der Kläger seinen Lkw parkte. Der Kläger hingegen zweifelte die Genauigkeit des Fleetboard-Systems an und führte an, dass die aufgezeichneten Tankstände bei gleichbleibenden Strecken unplausibel seien.

Alkohol am Steuer: Ein zusätzlicher Kündigungsgrund

Ein weiterer gravierender Vorwurf gegen den Kläger war der Alkoholkonsum am Arbeitsplatz. Eine Polizeikontrolle ergab einen Atemalkoholwert von etwa 0,8 Promille, was die Beklagte als weiteren Grund für die fristlose Kündigung ansah. Der Kläger erklärte, dass er aufgrund eines unvorhergesehenen frühen Arbeitsbeginns seine Ruhepause nicht einhalten konnte und somit den Alkohol vom Vorabend noch nicht vollständig abgebaut hatte.

Die juristische Auseinandersetzung und das Urteil

Der Kläger wandte sich gegen die Kündigung und forderte Vergütung für November 2018 sowie Annahmeverzugsansprüche. Die Beklagte erhob im Gegenzug Schadensersatzansprüche für die entwendeten Kraftstoffmengen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied schließlich teilweise zugunsten des Klägers und der Beklagten. Der Kläger wurde zur Zahlung von 4.943,32 € an die Beklagte verurteilt, die weitergehende Berufung der Beklagten jedoch zurückgewiesen.

Das Urteil reflektiert die Komplexität von Arbeitsrechtsfällen, insbesondere wenn es um den Nachweis von Fehlverhalten und dessen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis geht. Die Verwendung von technologischen Daten wie dem Fleetboard-System in Rechtsstreitigkeiten zeigt auch, wie digitale Werkzeuge zunehmend in rechtlichen Auseinandersetzungen eine Rolle spielen.

Abschließend führt dieses Urteil die Wichtigkeit von klaren betrieblichen Richtlinien und deren konsequente Anwendung vor Augen, insbesondere in Fällen, in denen es um schwerwiegende Anschuldigungen wie Kraftstoffdiebstahl oder Verstöße gegen die Arbeitsmoral geht. Das Urteil verdeutlicht, dass in solchen Fällen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer erhebliche Konsequenzen entstehen können.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Inwiefern begründet die Entwendung von Diesel einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung?

Die Entwendung von Diesel kann einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB liegt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Der Diebstahl von Dieselkraftstoff stellt einen Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber dar. Die Verletzung der Integrität von Eigentum und Vermögen des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer ist ein Verhalten, das die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung infrage stellt. Dabei spielt der materielle Wert des gestohlenen Gegenstands nicht wirklich eine Rolle, da es vielmehr darum geht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund des Diebstahls gestört ist.

Es ist jedoch zu beachten, dass die fristlose Kündigung wegen Diebstahls dem Arbeitnehmer spätestens zwei Wochen nach Kenntniserlangung der Kündigungsgründe zugegangen sein muss. Darüber hinaus muss die Kündigung auch im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verhältnismäßig sein. In bestimmten Fällen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer eine lange beanstandungsfreie Tätigkeit aufweist, kann eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht kommen.

Welche Kriterien sind bei der Feststellung eines Schadensersatzanspruches aufgrund von Dieselentwendungen relevant?

Die Feststellung eines Schadensersatzanspruches aufgrund von Dieselentwendungen hängt von mehreren Kriterien ab.

Erstens muss der Arbeitgeber nachweisen, dass der Arbeitnehmer den Diebstahl begangen hat. Dies kann durch Beweise wie Videoaufnahmen, Zeugenaussagen oder andere Beweismittel erfolgen.

Zweitens muss der Arbeitgeber den entstandenen Schaden quantifizieren. Dies kann beispielsweise durch die Menge des gestohlenen Diesels und dessen Marktwert zum Zeitpunkt des Diebstahls erfolgen.

Drittens muss der Arbeitgeber nachweisen, dass der Arbeitnehmer den Diebstahl vorsätzlich begangen hat. Bei vorsätzlicher Verursachung eines Schadens haftet der Arbeitnehmer immer voll.

Viertens kann der Arbeitgeber Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer Wertgegenstände des Arbeitgebers entwendet hat.

Fünftens kann der Arbeitgeber Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer den Schaden zu vertreten hat. Dies ist gemäß § 619a BGB der Fall, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.

Schließlich kann der Arbeitgeber auch Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer den gestohlenen Diesel an Dritte verkauft hat und dadurch dem Arbeitgeber ein weiterer Schaden entstanden ist.

Es ist zu beachten, dass der Arbeitgeber den Schadensersatzanspruch innerhalb bestimmter Fristen geltend machen muss. Andernfalls kann der Anspruch verfallen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 440/19  Urteil vom 27.06.2022

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.10.2019 – 11 Ca 3691/18 – teilweise aufgehoben.

2. Der Kläger wird verurteilt, 4.943,32 € an die Beklagte nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2019 zu zahlen.

3. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.10.2019 – 11 Ca 3691/18 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte zur Zahlung von 216,- € Spesen für November 2018 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 verurteilt wird.

5. Von den Kosten beider Rechtszüge hat die Beklagte 3/5, der Kläger 2/5 zu tragen.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen, im Berufungsverfahren nicht mehr auch darüber, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer hilfsweisen ordentlichen Arbeitgeberkündigung beendet worden ist, sie streiten des Weiteren über rückständige Vergütung und Zahlungsansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten sowie im Wege der Widerklage über von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzansprüche, u.a. wegen der Entwendung von Dieselkraftstoff durch den Kläger.

Die Beklagte betreibt ein Speditionsunternehmen. Sie verfügt über eine Lkw-Flotte von ca. 115 Fahrzeugen.

Der Kläger ist seit 2007 nach Maßgabe eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.06.2007, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 109 ff. d.A. Bezug genommen wird, als Lkw-Fahrer zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2675,00 EUR beschäftigt. Zusätzlich hat der Kläger jedenfalls im Zeitraum August bis Oktober 2018 eine monatliche „Zusatzzahlung“ in Höhe von 200,00 EUR brutto uns Spesen in monatlich wechselnder Höhe erhalten. Gemäß § 14 des schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages verfallen sämtliche Ansprüche der Parteien, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit oder Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen geltend gemacht werden.

Die LKWs der Beklagten waren ursprünglich mit verschließbaren Tankdeckeln versehen. Allerdings hat die Beklagte am LKW des Klägers, wie auch an den LKWs der anderen von ihr beschäftigten Fahrer, die Verriegelungstechnik der Tankanlage entfernen lassen, weil im Falle von Treibstoffdiebstahl die Schäden an der Tankanlage bei Öffnung mit Gewalt höher wären als die Verluste durch die Treibstoffeinbußen. Die LKWs der Beklagten sind mit sogenannten Fleetboards ausgestattet. Damit werden die Fahrzeugdaten, wie z. B. der Kraftstoffverbrauch, die Standzeit und die Kilometerleistung erfasst. Die Daten werden der jeweils eingesteckten Fahrerkarte und damit dem Fahrzeugführer zugeordnet. Der Standort des Fahrzeuges wird GPS gestützt auch dann erfasst, wenn der LKW während der Standzeit geparkt ist. Die Sensoren, die den Tankinhalt erfassen sind auch die, die die Tankanzeige im Fahrzeug steuern. Die Daten des Fleetboards werden per Mobilfunk an die Beklagte übertragen und dort per Computer erfasst und gespeichert. Innerhalb des Fahrzeugs wird der Tankinhalt mit einer analogen Tankanzeige dargestellt. Die Kapazität eines LKW-Tanks beträgt durchschnittlich 660 Liter. Die Betankung des Fahrzeuges erfolgt durch den Fahrer und wird per Tankkarte von ihm unmittelbar bezahlt.

Die Beklagte hat für die bei ihr beschäftigten Fahrer eine Prämie ausgelobt, wenn sie durch kraftstoffsparende Fahrweise Kraftstoffe einsparen.

In der Vergangenheit kam es bei den LKWs der Beklagten wiederholt zu unbefugten Kraftstoffentnahmen. Wenn Fahrer dementsprechende Meldungen an die Beklagte erstatteten, hat diese in einigen Fällen zwischen 2013 bis 2016 Strafanzeige erstattet bzw. die jeweilige Auslandsbehörde informiert. Etwaige strafrechtliche Ermittlungen wurden allerdings eingestellt, jeweils mangels Tatverdachts.

Die Tankkapazität der LKW der Beklagten beträgt ca. 660 Liter. Der Kläger betankt den von ihm geführten LKW selbst und zahlt per Tankkarte.

Der Kläger parkte den LKW regelmäßig in der Nähe seines Wohnhauses (A-Straße, L.) in der K-Straße, L.. Von dort trat der Kläger nach einer Standzeit unmittelbar die Folgefahrt an. Die entsprechenden Zeiten wurden durch das Fleetboard-System erfasst. Während dieser und weiterer, nicht am Wohnort des Klägers erfasster Standzeiten ergaben sich bei Auswertung der durch das Fleetboard-System erfassten Tankfüllstände im streitgegenständlichen Zeitraum bei Abgleich des Füllstands zwischen Beginn und Ende der Standzeit folgende Abweichungen:

Standzeit Abweichung Füllstand Standort

11.11.2017 – 13.11.2017  184,80 Liter K-Straße, L.

17.11.2017 – 20.11.2017 244,20 Liter K-Straße, L.

24.11.2017 – 27.11.2017 376,20 Liter K-Straße, L.

08.12.2017 – 11.12.2017 409,20 Liter K-Straße, L.

22.12.2017 – 23.12.2017 462,00 Liter K-Straße, L.

26.01.2017 – 29.01.2017 501,60 Liter K-Straße, L.

09.02.2018 – 12.02.2018 184,80 Liter K-Straße, L.

16.02.2018 – 19.02.2018 198,00 Liter A-Straße, L.

23.02.2018 – 26.02.2018 217,80 Liter K-Straße, L.

02.03.2018 – 03.03.2018 125,40 Liter K-Straße, L.

09.03.2018 – 12.03.2018 455,40 Liter K-Straße, L.

29.03.2018 – 03.04.2018 369,60 Liter A-Straße, L.

07.04.2018 – 09.04.2018 389,40 Liter K-Straße, L.

13.07.2018 – 14.07.2018 283,80 Liter S.

21.07.2018 – 23.07.2018 72,60 Liter K-Straße, L.

09.08.2018 66,00 Liter U-Straße, T

07.09.2018 – 10.09.2018 158,40 Liter K-Straße, L.

14.09.2018 – 17.09.2018 369,60 Liter K-Straße, L.

12.10.2018 – 15.10.2018 72,60 Liter K-Straße, L.

Summe  5.141,40 Liter

Mit Schreiben vom 24.09.2013 und vom 07.05.2014 (Blatt 197 der Akten) sprach die Beklagte unter anderem gegenüber dem Kläger ein Alkohol- und Alkoholisierungsverbot aus. Im Schreiben vom 07.05.2014 heißt es auszugsweise:

„Während der Arbeitszeit ist der Konsum von Alkohol (und wenn es auch nur ein einziges kleines Radler ist) strikt verboten.

Jeder Hat dafür Sorge zu tragen, dass er bis zu Arbeitsbeginn wieder HUNDERTPROZENTIG NÜCHTERN (0,00 Promille) ist.

Jede Zuwiderhandlung hat ohne weitere Ermahnung die fristlose Kündigung zur Folge.“

Dieses Schreiben wurde durch den Kläger gegengezeichnet.

Am Abend des 29.11.2018 konsumierte der Kläger gemeinsam mit anderen Kollegen Schnaps.

Am Morgen des 30.11.2018 wurde durch die Polizei auf dem Betriebsgelände der Beklagten bei dem Kläger ein Atemalkoholwert von umgerechnet etwa 0,8 Promille festgestellt. Der Kläger führte unmittelbar vor der Messung des Atemalkohols ein LKW-Gespann mit einem Gesamtgewicht von 16,5 Tonnen. Nach Durchführung der Messung fuhr der Kläger mit den Polizeibeamten auf das Polizeirevier nach Boppard.

Später am gleichen Tag übergab die Beklagte dem Kläger und drei weiteren Arbeitnehmern das streitgegenständliche Kündigungsschreiben, mittels dessen sie das Arbeitsverhältnis fristlos, ersatzweise zum nächstmöglichen Termin kündigte. Bei der Übergabe waren Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstleisters anwesend.

Die Beklagte hat gegen den Kläger Strafanzeige erstattet. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen waren zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht abgeschlossen.

Mit dem Kläger am gleichen Tag zugegangenem Kündigungsschreiben vom 30.11.2018 erklärte die Beklagte die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Abrechnung für Oktober 2018 weist einen Resturlaubsanspruch des Klägers von 42,5 Tagen aus (Blatt 22 der Akten). Unstreitig stand dem Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Resturlaubsanspruch von 40,5 Tagen zu. Hieraus errechnete die Beklagte ausweislich der Abrechnung für November 2018 (Blatt 108 der Akten) einen Urlaubsabgeltungsanspruch von 5.000,19 EUR brutto. Weiter weist die Abrechnung Spesenzahlungen in Höhe von insgesamt 612,00 EUR aus, die dem Kläger unstreitig ausgezahlt wurden. Im Übrigen ergibt sich aus der Abrechnung kein Auszahlungsbetrag. Die Beklagte hat insoweit die Aufrechnung mit dem ihrer Auffassung nach bestehenden Schadensersatzanspruch aufgrund der dem Kläger vorgeworfenen Treibstoffentnahmen erklärt und einen entsprechenden Posten in der Abrechnung als „sonstige Abzüge“ bezeichnet.

Mit Schreiben vom 14.12.2018 hat die Beklagte demgegenüber Schadensersatzansprüche wegen unbefugter Kraftstoffentnahme, der Kosten für die Security-Mitarbeiter, der Kosten für die Ermittlung der ihr entstandenen Schadens sowie Nutzungsausfallentschädigung für den vom Kläger geführten LKW für die Zeit nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung in Höhe von in Höhe von insgesamt 27.251,36 Euro geltend.

Im vorliegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung vom 30.11.2018, ebenso im erstinstanzlichen Rechtszug gegen die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung vom gleichen Tage; darüber hinaus macht er Vergütung für den Monat November 2018 und des Weiteren im Wesentlichen Annahmeverzugsansprüche geltend. Schließlich verteidigt er sich gegen die Widerklage der Beklagten.

Der Kläger hat vorgetragen:

Der der Kündigung zugrundeliegende Vorwurf der Unterschlagung von Kraftstoff sei unzutreffend. Er habe keinen Diesel entnommen. Er sei für etwa durch Dritte durchgeführte Entnahmen auch nicht verantwortlich. Kriminelle Banden würden regelmäßig im öffentlichen Verkehrsraum nach abgestellten LKW suchen und aus diesen Kraftstoff abzapfen. Hierfür könne er, der Kläger, nicht verantwortlich gemacht werden. Die Beklagte selbst habe entschieden, die Kraftstofftanks ihrer Fahrzeugflotte nicht mit abschließbaren Deckeln auszustatten.

Der Kläger bezweifelt, dass überhaupt tatsächlich Kraftstoff entnommen wurde. Die Aufzeichnungen des Fleetboards seien ungenau und nicht plausibel. Insoweit habe es schon in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen zwischen den Fahrern der Beklagten und deren Disponenten gegeben. Die mittels des Fleetboard ermittelten Tankstände seien bei Abgleich der zurückgelegten Strecken nicht nachvollziehbar. Für identische Entfernungen seien teilweise erheblich höhere Verbräuche erfasst worden.

Zu der ihm vorgeworfenen Alkoholisierung trägt der Kläger vor, er habe zwar am Abend des 29.11.2018 gemeinsam mit Kollegen Schnaps getrunken. Zu seinen Gunsten sei aber zu berücksichtigen, dass er am Morgen des 30.11.2018 drei Stunden früher als geplant habe losfahren müssen und die vorgeschriebene Nachtruhepause von 11 Stunden nicht habe einhalten können.

Der Kläger behauptet, er habe im Zeitraum 19.05.2018 bis 24.11.2018 186 „Samstagsstunden“ geleistet, die mit 15,00 EUR je Stunde und dementsprechend mit insgesamt 2.790,00 EUR brutto zu vergüten seien. Weiterhin habe er 36 Feiertagsstunden geleistet, die mit 11,25 EUR je Stunde, mithin insgesamt mit 405,00 EUR brutto zu vergüten seien. Mit dem Geschäftsführer der Beklagten habe er, der Kläger, besprochen, dass die geleisteten Überstunden dann abgerechnet werden, wenn sein Gehalt eher niedrig ausfiel. Damit habe die Beklagte zugleich auf die arbeitsvertragliche Verfallsfrist verzichtet.

Der Kläger hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.11.2018 nicht zum 30.11.2018 aufgelöst worden ist;

2. es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die „ersatzweise zum nächstmöglichen Termin“ ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 30.11.2018 aufgelöst worden ist;

3. es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.11.2018 hinaus fortbesteht;

4. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.648,17 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2019 zu zahlen;

5. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.648,17 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2019 zu zahlen.

Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1., 2. oder 3. beantragt der Kläger,

a) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.156,15 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen;

b) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.195,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt, den Kläger zu verurteilen, an sie 27.251,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2019 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, aufgrund zahlreicher Indizien stehe fest, dass der Kläger die streitgegenständliche Kraftstoffmenge jeweils selbst entnommen habe. Der Schwund an Dieselkraftstoff sei ganz überwiegend am Wohnort des Klägers bzw. an dem von ihm jeweils gewählten Abstellort in der Nähe seines Wohnortes zu verzeichnen gewesen. Dort komme aber niemand zufällig vorbei und entwende Diesel. Aufgrund der jeweiligen Menge sei auch auszuschließen, dass sich der Kraftstoff ohne weiteres habe abtransportieren lassen, ohne dass dies bemerkt worden sei.

Von den 125 Fahrern der Beklagten, von denen nur ca. 20 Fahrer ihre Firmen-LKWs regelmäßig auf dem Betriebsgelände der Beklagten abstellten, seien lediglich 17 von Kraftstoffentnahmen betroffen gewesen. Von diesen 17 hätten 11 die Täterschaft der Entnahme gegenüber der Beklagten eingeräumt; insoweit wird auf Bl. 191 und 192 d. A. Bezug genommen. Neun Fahrer, denen der Vorwurf der unbefugten Kraftstoffentnahme gemacht worden sei, hätten zudem Schuldanerkenntnisse unterzeichnet (Bl. 46 d. A.). Ein weiterer Fahrer, Herr E., habe nach Erhalt der Kündigung den erlittenen Schaden ausgeglichen, zwei weitere Fahrer, Herr H. und Herr M., hätten bestätigt, von dem Kollegen A. zur Entnahme von Dieselkraftstoff angestiftet worden zu sein. Ein weiterer Fahrer, Herr F., habe sich vergleichsweise vor dem Arbeitsgericht auf einen Teilausgleich des Schadens eingelassen. Nur vier weitere Fahrer neben dem Kläger stritten die Entnahme ab. Diese vier weiteren Fahrer seien ebenfalls fristlos gekündigt worden und hätten beim Arbeitsgericht Klage erhoben. Die Beklagte habe zusätzlich gegen diese und den Kläger Strafanzeige erstattet. Insgesamt sei bezeichnend, dass nach dem 05.11.2018, als die Beklagte Herrn E. wegen unbefugter Kraftstoffentnahme fristlos gekündigt habe, die unbefugten Kraftstoffentnahmen auch am LKW des Klägers geendet hätten.

Dem Kläger habe der Schwund im Tank jeweils auffallen müssen. Dies lasse sich deutlich an der Tanknadel feststellen, die sich schon bei einer Entnahme von ca. 82,5 Litern erkennbar bewege.

Der Kläger habe nicht dargelegt, dass er den Standort des Lkw sowie den Umstand, dass dessen Tankdeckel nicht verschlossen sei, an Dritte mitgeteilt habe. Für die Täterschaft des Klägers spreche auch, dass die Entnahmen an unterschiedlichen Orten erfolgt seien.

Sie, die Beklagte, habe durch eine Mitarbeiterin, die Zeugin Z., erstmals am 22.11.2018 die für den Kläger verfügbaren Fleetboard-Protokolle überprüft und die Differenzen festgestellt, nachdem sie, die Beklagte, zuvor einen anonymen Hinweis betreffend illegaler Kraftstoffentnahmen betreffend einen mit dem Kläger befreundeten Fahrer erhalten habe.

Auch sei die Kündigung aufgrund des Verstoßes gegen das Alkoholverbot gerechtfertigt. Der Kläger habe bewusst in Kauf genommen, den genutzten LKW der Beklagten zu schädigen und seine Arbeitsleistung infolge eines Fahrverbots für nicht unerhebliche Zeit für die Beklagte nicht erbringen zu können.

Der Kläger sei im Übrigen für den entstandenen Schaden haftbar, auch deshalb, weil er die Entnahmen bemerken und entsprechende Gegenmaßnahmen hätte ergreifen müssen. Anders als andere Mitarbeiter der Beklagten habe er, der Kläger, aber nichts veranlasst. Hätte der Kläger ihr die Entnahmen größerer Mengen Kraftstoff mitgeteilt, wäre ihm aufgegeben worden, den Lkw zukünftig nur noch auf dem Betriebsgelände abzustellen. So hätten sich weitere illegale Kraftstoffentnahmen vermeiden lassen. Das Verschulden des Klägers sei insoweit zu vermuten.

Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadens hat die Beklagte vorgetragen, diese ergäbe sich zum einen aus den jeweiligen Einkaufspreisen für den Dieselkraftstoff (s. Bl. 61 ff. d. A.). Weiterhin seien ihr, der Beklagten, für die Inanspruchnahme des Sicherheitsdiensts im Rahmen der Übergabe der außerordentlichen Kündigung Kosten in Höhe von netto 468,50 EUR entstanden. Ausgehend davon, dass vier Kündigungen in Anwesenheit der Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens ausgesprochen worden seien, habe der Kläger ein Viertel dieser Kosten zu tragen. Mit der Auswertung der Fleetboard-Protokolle der von dem Kläger rechtswidrig zugeeigneten Mengen an Dieselkraftstoff sei die Zeugin H. 2,5 Arbeitsstunden zu Kosten in Höhe von 14,93 EUR pro Stunde beschäftigt gewesen. Weiterhin sei ihr, der Beklagten, ein Nutzungsausfallschaden aufgrund der fristlosen Kündigung des Klägers entstanden.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H. in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2019; hinsichtlich des Beweisbeschlusses wird insoweit auf Bl. 271 d.A., hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 22.10.2019, Bl. 272 ff. d.A. Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 22.10.2019 – 11 Ca 3691/18 – die Beklagte zur Zahlung von 8.248,95 EUR brutto zuzüglich Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen ebenso wie die Widerklage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 280 – 316 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 08.11.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 06.12.2019 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 17.01.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nach dem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 19.12.2019 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 22.01.2020 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger, dem das Urteil am 08.11.2019 zugestellt worden ist, hat durch am 21.02.2020 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor,

die Täterschaft des Klägers hinsichtlich der unbefugten Entwendung von Dieselkraftstoff könne die Beklagte vorliegend im Wege des Indizienbeweises beweisen, bei dem nur mittelbar auf die Täterschaft geschlossen werden könne. Die Indizien in ihrer Gesamtheit vermittelten vorliegend die entsprechende Überzeugung, auch wenn die Mehrzahl der Beweiszeichen jeweils für sich alleine nicht zum Nachweis der Täterschaft des Klägers auszureichen vermöge. Die einzelnen Beweiszeichen seien mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Hinsichtlich der insoweit bestehenden schweren Verdachtsmomente sei jeweils für die Täterschaft des Klägers entsprechend zu berücksichtigen, dass die unbefugten Dieselentnahmen allesamt während der Standzeiten und an den Standorten stattgefunden hätten, an denen der Kläger den Firmen-LKW abgestellt habe. Gegen die Täterschaft Dritter spreche, dass nur die LKWs weniger Fahrer der Beklagten wiederholt und regelmäßig Gegenstand unbefugter Entnahmen gewesen seien. Die Mehrheit dieser Fahrer habe die Kraftstoffentnahmen am eigenen Fahrzeug eingeräumt oder sei deshalb verurteilt worden. Nur fünf der 17 betroffenen Fahrer stritten etwaige Entnahmen ab und weigerten sich, Schadenersatz zu leisten. Einer dieser Fahrer sei zwischenzeitlich aufgrund einer belastenden Zeugenaussage vom Arbeitsgericht zum Ersatz des vollen Schadens für den entwendeten Diesel verurteilt worden. Von der Täterschaft im Rahmen organisierter Kriminalität oder sonstiger Dritter könne nicht ausgegangen werden. Auch endeten die unbefugten Entnahmen insgesamt am 05.11.2018, nachdem zuvor am 02.11.2018 der Fahrer E. wegen unbefugter Kraftstoffentnahmen fristlos entlassen worden sei.

Zudem stellten die unterbliebenen Anzeigen des Klägers bezüglich des abhanden gekommenen Kraftstoffes einen eigenständigen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand dar. Hätte der Kläger die Entnahmen, wozu er verpflichtet gewesen sei, angezeigt, wäre er von der Beklagten spätestens beim zweiten Mal angewiesen worden, seinen Firmen-LKW auf dem Betriebsgelände der Beklagten abzustellen, wo weitere unbefugte Entnahmen vermieden worden wären. Einer Abmahnung bedürfe es insoweit nicht.

Schließlich rechtfertige allein das Führen des Firmen-LKW unter Alkoholeinfluss während der Arbeitszeit die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung. Jedem Berufskraftfahrer sei das als arbeitsvertragliche Nebenpflicht bestehende Verbot bewusst, jeden die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholgenuss zu unterlassen. Dieses Gebot beginne nicht erst bei einer Alkoholmenge, die die Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeuges völlig beseitige. Bei einem Blutalkoholwert von 0,5 Promille liege ein vom Staat sanktioniertes Verhalten vor. Die Pflichtverletzung sei gravierend, weil es für die Beklagte als Speditionsunternehmen nicht hinnehmbar sei, wenn ein Fahrer mit einem oberhalb der Fahrverbotsgrenze liegenden Blutalkoholwert eines ihrer Fahrzeuge führe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger mit dem ihm ausgehändigten Fahrerhandbuch ausdrücklich jeglicher Alkoholkonsum während der Arbeitszeit verboten worden sei und er dadurch verpflichtet sei, bei Arbeitsbeginn absolut nüchtern (0,00 Promille) zu sein. Die Fahrer der Beklagten würden insoweit darauf hingewiesen, dass jede Zuwiderhandlung ohne vorherige Ermahnung die fristlose Kündigung zur Folge habe. Dem Kläger habe bewusst sein müssen, dass seine Fahruntüchtigkeit in Folge der offenkundig erheblichen Menge an Alkohol, die er am Vorabend konsumiert habe, beeinträchtigt gewesen sei.

Insgesamt sei es der Beklagten folglich nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Im Rahmen der Interessenabwägung sei der erhebliche Alkoholisierungsgrad zu Lasten des Klägers zu werten; er habe nicht damit rechnen können, dass die Beklagte derartiges bei Dienstantritt dulden werde. Dies gelte erst Recht vor dem Hintergrund des ausgesprochenen absoluten Alkoholverbots. Auch sei die Beklagte nicht in der Lage, die Fahrtüchtigkeit des Klägers zu kontrollieren. Des Weiteren bestehe die Gefahr eines erheblichen Ansehensverlustes der Beklagten bei Kunden und Auftraggeber bis hin zur Gefahr des Verlusts des Beförderungsauftrages. All dies habe der Kläger billigend in Kauf genommen. Eine Abmahnung sei vorliegend als milderes Mittel entbehrlich gewesen.

Hinsichtlich der Widerklage sei der Beklagten ein Mitverschulden an der unbefugten Entnahme von Kraftstoff nicht anzulasten, obwohl sie die Verschlussvorrichtungen an den Tankdeckeln habe entfernen lassen. Denn diese verhinderten nicht den Aufbruch der Tankdeckel. Aus deren Entfernen könne nicht gefolgert werden, die Beklagte entnehme unbefugte Entnahmen in Kauf. Bei dem Aufbruch eines verschließbaren Tankdeckels fielen Reparaturkosten von ca. 3.000,00 bis 4.000,00 Euro an. Nichts Anderes gelte für die Gestattung des wohnortnahen Parkens der LKW, weil ihr, der Beklagten, zum damaligen Zeitpunkt die Kraftstoffentnahme im großen Stil nicht bekannt gewesen sei.

Fehlerhafte Messungen des Fleetboards seien weder substantiiert behauptet, noch naheliegend. Auch das Entfernen der Verschlussvorrichtung habe keine Auswirkungen auf die Messungen der Tankfüllstände. Bei einem Fassungsvermögen von 660 Litern des Tanks des LKW, der vom Kläger geführt worden sei, sei eine Entnahme von ca. 100 Litern bei Fahrtantritt deutlich bemerkbar. Durch die Einführung des Fleetboard-Systems habe die Beklagte die technischen Voraussetzungen und die Organisation geschaffen, die überhaupt erst eine Kontrolle ermöglicht habe. Es sei überzogen, zu fordern, dass mit Beginn der Nutzung dieses Systems sämtliche Daten anlasslos ausgewertet und auf Plausibilität hätten geprüft werden müssen. Zwischen März 2018 und Oktober 2018 habe die Beklagte die Tankfüllstände der LKW nicht mit dem Fleetboard-System kontrollieren können. Auch ein Fehlen stichprobenartiger Kontrollen könne ihr nicht vorgeworfen werden; diese habe sie durchgeführt, nachdem Ende November 2018 Anlass dafür bestanden habe.

Vorliegend komme hinzu, dass der Fahrer I. am 29.11.2018, als er anlässlich der Abweichung des Tankfüllstandes an seinem Dienst-LKW vernommen worden sei, geäußert habe, dass auch andere Fahrer Kraftstoff entnehmen würden. Er habe Herrn A. und Herrn „J.“, also den Kläger, gemeinsam bei der Entwendung von Diesel beobachtet. Dies habe der Zeuge I. im Nachhinein gegenüber Herrn W. und der Prokuristin der Beklagten, Frau Y., klargestellt. Herr A. und der Kläger hätten danach im Sommer 2017 auf dem Gelände der Firma X. im Beisein des Zeugen I. Wodka getrunken. Nach Aussage von Herrn I. hätten Herr A. und der Kläger regelmäßig, wohl auch während der Arbeitszeit, Wodka getrunken. Das Gelände der Firma Z. Baumaschinen GmbH diene als Abstellgelände für die Auflieger der Beklagten. An diesem Tag hätten Herr A. und der Kläger dem Zeugen I. mitgeteilt, dass gleich jemand komme und Diesel kaufe. Tatsächlich sei sodann ein Pkw vorgefahren. Herr A. habe dem Fahrer 2 Kanister mit bereits vorher abgefülltem Diesel (2mal 20 Liter) übergeben und dafür Geld erhalten. Der Kläger und Herr A. hätten dem Zeugen I. gesagt, alle in der Firma würden Diesel für private Zwecke abpumpen. Der Chef wisse das, dafür gebe es eben keine Gehaltserhöhung. Er, der Zeuge I. könne dies doch auch machen. Der Kläger habe geäußert, 70 Liter Kraftstoff in der Woche könne der Zeuge I. als „Gehaltserhöhung“ abpumpen. Auch diese Anstiftung zur unerlaubten Kraftstoffunterschlagung stelle einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar und einen weiteren Beweis für die Täterschaft des Klägers der unerlaubten Entnahme von Kraftstoff.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des Arbeitsentgelts für November 2018 bestehe nicht, weil sie, die Beklagte, mit dem Schadenersatzanspruch auf Ersatz des Wertes des entwendenden Kraftstoffs aufgerechnet habe. Das gesetzliche Aufrechnungsverbot stehe dem nicht entgegen, weil die Forderung auf vorsätzlichem Handeln des Klägers beruhe.

Die Widerklage sei vollumfänglich begründet.

Letztlich sei darauf hinzuweisen, dass fehlerhafte Messungen des Fleetboards vom Kläger weder substantiiert behauptet noch naheliegend seien. Weder der Kläger noch seine vergleichbaren Kollegen seien Opfer organisierter Kriminalität von Entnahmen sonstiger Dritter geworden. Dagegen spreche schon, dass keiner von ihnen der Beklagten eine Mitteilung über Dieselentnahmen gemacht habe.

Berücksichtigt werden müsse, dass der Kläger dem Zeugen I. selbst mitgeteilt habe, dass er Diesel-Kraftstoff entnommen habe. Dies habe der Zeuge ausdrücklich ausgesagt. Ebenso, dass er zu den eigenen Spritentnahmen von Arbeitskollegen, insbesondere auch dem Kläger, angestiftet worden sei, dass er den Kläger gesehen habe, wie er auf dem Firmengelände der Firma X. Diesel aus dem Fahrzeugtank entnommen habe und dass der Kläger ihm gesagt habe, dass alle Fahrer der Beklagten, der Kläger einschließlich, dies machen würden und dass es niemandem auffallen werde, wenn auch er, der Zeuge I. ca. 30 Liter pro Woche für den Eigenbedarf entnehmen würde. Berücksichtigt werden müsse auch, dass zwei Lkw der Beklagten regelmäßig in unmittelbarer räumlicher Nähe des vom Kläger geführten Lkw abgestellt gewesen seien und dort keine Tankdifferenzen hätten festgestellt werden können. die jeweiligen Dieselentnahmen seien auf der Tankanzeige sehr auffällig gewesen. Demzufolge müsse angenommen werden, dass sie dem Kläger als Berufskraftfahrer aufgefallen seien. Ein Mitverschulden der Beklagten an den Kraftstoffentnahmen liege nicht vor; sie habe keinen Anlass gehabt, den Kläger in Bezug auf Kraftstoffentnahmen aus dem Tank seines Diesel-Lkw zu kontrollieren. Es sei überzogen zu fordern, dass mit Beginn der Nutzung des Fleetboard-Systems sämtliche Daten anlasslos ausgewertet und auf Plausibilität hätten geprüft werden müssen. Dies sei ohnehin nicht ohne weiteres möglich gewesen (s. Bl. 420 f. d.A.). Ein Organisationsverschulden könne der Beklagten folglich nicht vorgehalten werden.

Der Zuschuss von 200,00 EUR brutto monatlich sei dem Kläger nur ab Juli 2018 gezahlt worden und habe nur bis Dezember 2018 gezahlt werden sollen (Bl. 422 d.A.). Überstundenvergütung stehe dem Kläger nicht zu. Es werde bestritten, dass die Ableistung zusätzlicher Samstags- und Feiertagsarbeit zwischen dem Kläger und dem Werkstattmeister der Beklagten, dem Zeugen W., erfolgt sei. Das klägerische Vorbringen zu angeblichen Überstunden sei unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig.

In Bezug auf die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger wegen der Unterschlagung von Dieselkraftstoff müsse festgestellt werden, dass diese nicht die vom Zeugen I. geschilderten Fälle betreffe. Insoweit sei das Ermittlungsverfahren lediglich abgetrennt und zunächst von der Staatsanwaltschaft Koblenz fortgeführt worden mit der Absicht, es an die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach abzugeben (Bl. 445 d.A., Bl. 442 d.A.). Die Zuzahlung in Höhe von 200,00 EUR sei nur befristet bis Dezember 2018 gezahlt worden; dies sei dem Kläger mit Schreiben vom 18.09.2018 mitgeteilt worden. Die Spesen in Höhe von 612,00 EUR seien dem Kläger bar ausgezahlt worden. Arbeitsentgelt für Dezember 2018 werde wegen der wirksamen fristlosen Kündigung zum 30.11.2018 nicht geschuldet; ebenso wenig Urlaubsabgeltung für 2019. Im Übrigen sei die Urlaubsabgeltung pro Arbeitstag ohne Berücksichtigung der befristeten Zuzahlung zu berechnen; ein Anspruch auf Überstundenbezahlung bestehe nicht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.01.2020 (Bl. 372 – 383 d.A.) nebst Anlage (Bl. 385 d.A.), sowie ihre Schriftsätze vom 06.03.2020 (Bl. 409 – 411 d.A.), vom 06.03.2020 (Bl. 413 – 422 d.A.), vom 29.10.2020 (Bl. 445 – 462 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 463 – 474 d.A.) sowie vom 22.12.2020 (Bl. 493, 494 d.A.).

Die Beklagte beantragt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz, Aktenzeichen 11 Ca 3691/18, vom 22.10.2019, der Beklagten zugestellt am 08.11.2019, aufgehoben, soweit es die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 8.248,95 EUR brutto verurteilt und die Widerklage abgewiesen hat, und wie folgt abgeändert:

a) Die Klage wird abgewiesen.

b) Auf den Widerklageantrag wird der Kläger und Berufungsbeklagte verurteilt, an die Beklagte 27.251,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2019 zu zahlen.

c) Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.10.2019 – 11 Ca 3691/18 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz, Az: 11 Ca 3691/18 vom 22.10.2019, soweit es die Klage teilweise abgewiesen hat, wie folgt abzuändern:

a) Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.11.2018 nicht zum 30.11.2018 aufgelöst worden ist.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.487,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen.

c) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.875,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2019 zu zahlen.

d) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 9.630,47 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen.

e) Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.10.2019 – 11 Ca 3691/18 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die aufgetretenen Differenzen des Tankinhalts während der Standzeiten ließen sich keineswegs nur mit unbefugter Entwendung von Kraftstoff erklären (s. Bl. 336 ff. d.A.). Das Fleetboard habe nämlich auch bei anderen Werten, z.B. dem Gewicht, falsch gemessen, so dass nicht auszuschließen sei, dass die gemessenen Werte auch schlicht falsch erfasst worden seien und überhaupt kein Kraftstoff abhandengekommen sei. Ausreichende Indizien für eine Täterschaft des Klägers bestünden zudem nicht. Außer ihm, dem Kläger, hätten auch noch andere Personen Kenntnis vom Standort des dienstlichen Lkw, den er geführt habe, gehabt. Da dieser über Jahre hinweg am Wochenende an derselben Stelle abgestellt gewesen sei, habe er leicht ausgekundschaftet werden können. Dass eine etwaige Entnahme von Treibstoff stets durch denselben Täter erfolgt sei, erschließe sich nicht. Es treffe nicht zu, dass die Fahrer, die den angeblichen Kraftstoffdiebstahl eingeräumt haben sollten, auch jeweils den vollen Umfang der Entnahmen eingeräumt hätten. Was daraus folgen solle, dass bei Fahrern, die ihre Lkw´s am Wochenende in U. oder Hn. abgestellt hätten, kein Kraftstoff entnommen worden sei, erschließe sich ebenso nicht. Denn der Lkw des Klägers sei zu den Zeiten, zu denen nach Darstellung der Beklagten am häufigsten Kraftstoff abhandengekommen sein solle, in Vr. abgestellt gewesen. Bestritten werde, dass die Tankdifferenzen im Oktober 2018 geendet hätten. Wenn dies der Fall sein sollte, spreche dies zudem dafür, dass die Entnahmen durch den entlassenen Mitarbeiter E. erfolgt seien, der die illegalen Entnahmen nach seiner fristlosen Entlassung beendet habe. Es treffe nicht zu, dass der Zeuge I. den Kläger und den Zeugen A. dabei beobachtet habe, wie sie gemeinsam Diesel entwendet hätten. Der Zeuge A. habe ebenso wenig Diesel entwendet, wie der Kläger. Auch habe der Kläger den Zeugen Mh. nicht angestiftet, ebenfalls Diesel abzupumpen.

Anzeigen des Klägers wegen Tankdifferenzen seien unterblieben, weil er, der Kläger, derartiges nicht festgestellt habe. Die angeblichen Tankdifferenzen seien zu bestreiten. Anhand der Tanknadel des von ihm geführten Lkw seien sie auch nicht festzustellen gewesen. Zudem habe er, der Kläger, wenn er abhanden gekommenen Kraftstoff bemerkt hätte, keine Veranlassung gehabt, entsprechendes der Beklagten zu melden. Denn ein von ihm gemeldeter Vorfall sei von den Disponenten der Beklagten lediglich zur Kenntnis genommen worden, ohne dass dem Konsequenzen gefolgt seien.

Bestritten werde, dass der Zeuge I. den Kläger und den Zeugen J. dabei beobachtet habe, wie diese gemeinsam Diesel entwendet hätten. Auch habe der Kläger den Zeugen nicht angestiftet, ebenfalls Diesel abzupumpen. Der Kläger und der Zeuge Herr J. hätten einen Pkw-Fahrer auf dem Betriebsgelände der Firma X. auch nicht zwei Kanister mit je 20 Litern Diesel gegen Geld übergeben.

Die außerordentliche Kündigung sei auch nicht wegen des festgestellten Alkoholwerts im Blut gerechtfertigt. Ohne Abmahnung komme insoweit eine fristlose Kündigung nicht in Betracht. Das ihm auferlegte einmonatige Fahrverbot rechtfertige abweichende Beurteilung.

Für November seien noch unstreitige Spesen in Höhe von 612,00 EUR brutto zu zahlen. Erfüllung sei nicht eingetreten und sei auch von der Beklagten nicht behauptet worden. Folglich bestehe für November 2018 ein Bruttolohnanspruch von 3.487,00 EUR. Dass der Zusatzlohn nur vorübergehend habe gezahlt werden sollen, werde bestritten. Ferner stehe Urlaubsabgeltung ausgehend von 132,69 EUR pro Tag in Höhe von 6435,47 EUR offen unter Berücksichtigung einer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.03.2019. Schließlich stehe dem Kläger Überstundenvergütung in Höhe von 3195,00 EUR brutto zu. Für November 2018 sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte zwar zutreffend 612,00 EUR Spesen abgerechnet habe, diese jedoch vom Nettolohn wiederum als bereits ausgezahlt in Abzug gebracht. Der Kläger habe lediglich 408,00 EUR netto in bar vor Ausspruch der Kündigung erhalten. Der Abgeltungsbetrag pro Urlaubstag sei in der streitgegenständlichen Entscheidung zutreffend ermittelt worden, jedoch nicht für sämtliche Urlaubstage zugesprochen worden. Die von der Beklagten abgerechneten Spesen in Höhe von 612,00 EUR bezögen sich zudem auf die Kalenderwochen 42 bis 46; diese habe der Kläger tatsächlich in bar erhalten. Allerdings stünden ihm für November 2018 weitere 216,00 EUR zu (Kalenderwoche 47, 48; s. im Einzelnen Bl. 489 d.A.).

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass beim Eintreffen des Klägers auf dem Parkplatz an dem von dem Zeugen I. geschilderten Tag dieser, der Kläger, zu Herrn J. gegangen sei. Herr I. sei dazugekommen und habe zum Wodkatrinken eingeladen. Dann seien der Kläger, Herr J. und die anderen Fahrer, Herr F. und G. zu Herrn I. zu dessen Lkw gegangen. Dort seien die von den Fahrern mitgebrachten Gaskocher ausgepackt und Fleisch zubereitet und Wodka getrunken worden. Andere Zeugen seien hinzugekommen, dabei sei immer einer der benannten Zeugen anwesend gewesen. Auch die Zeugen, die sich kurz entfernt hätten, hätten den Kläger sehen können. Die Zeugen könnten bestätigen, dass keine Kanister an einen Pkw-Fahrer übergeben worden seien, zumindest solange nicht, bis der Kläger Herrn I. in dessen Lkw geholfen und dieser geschlafen habe. Berücksichtigung finden müsse schließlich auch, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger von der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach (06.12.2021; Bl. 590 d.A.) gemäß § 153 StPO eingestellt worden sei. Insbesondere auch die Aussagen der Zeugen J., E. u.a. seien geeignet und ausreichend, die Aussage des Zeugen I. zu widerlegen (Bl. 580 ff. d.A.).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Anschlussberufungsbegründungsschrift vom 21.02.2020 (Bl. 395 – 405 d.A.), sowie seine Schriftsätze vom 04.10.2020 (Bl. 436 – 438 d.A.), vom 14.10.2020 (Bl. 441 d.A.) nebst Anlage (Bl. 442 d.A.), vom 07.12.2020 (Bl. 485 – 487 d.A.), vom 16.12.2020 (Bl. 488, 489 d.A.) sowie schließlich vom 15.06.2022 (Bl. 580 – 583 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 584 – 590 d.A.) Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 26.04.2021, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 504, 505 d.A. Bezug genommen wird, durch Vernehmung der Zeugen I. und J.; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.04.2021 (Bl. 506 ff. d.A.) Bezug genommen. Ferner hat die Kammer Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 25.10.2021, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 538, 539 d.A. Bezug genommen wird, durch Vernehmung der Zeugen E., F. und H.; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2021 (Bl. 539 ff. d.A.) Bezug genommen. Der Zeuge G. wurde schließlich nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 25.10.2021 in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2022 vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme insoweit wird auf Bl. 596, 597 d.A. Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 09.11.2020, 26.04.2021, 25.10.2021 und 27.06.2022.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Anschlussberufung des Klägers ist statthaft und begegnet in ihrer Zulässigkeit auch sonst keinen Bedenken.

II.

Die Rechtsmittel der Beklagten und der Anschlussberufung des Klägers haben in der Sache jedoch nur teilweise (Beklagte) bzw. ganz geringfügig (Kläger) Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist zunächst vorliegend davon auszugehen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der rechtswirksamen außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.11.2018 mit Zugang am gleichen Tag sein Ende gefunden hat.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1, 2 BGB vorliegend erfüllt.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts (DLW/Dörner), 15. Auflage 2019, Kap. 4. Rz. 1121 ff.).

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts Anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der – in der Regel – vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW/Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 – 17 Sa 1308/04 – EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; DLW/Dörner, a. a. O.).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesses des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen – einstweiligen – Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeit-nehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242; Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O.). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts Anderes.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). „Absolute Kündigungsgründe“, die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; s. DLW/Dörner, a.a.O., Kap. 4, Rz. 1625 ff).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit; eine „Notwehrsituation“, vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. 9: Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 – 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rz. 173 ff.).

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien – insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit – als Zielpunkt aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rz. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für – auch nur geringe – Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr „erachten“. Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise eine Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting a. a. O., Rz. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Die Tatsachengerichte haben nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (BAG 21.09.2017 – 2 AZR 57/17, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 101 = NZA 2017, 1524). Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist dabei, wie dargelegt, ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen – deren Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Die wesentlichen Grundlagen der Überzeugungsbildung sind nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO nachvollziehbar darzulegen. Dies erfordert keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass überhaupt eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Es genügt nicht, allein durch formelhafte Wendungen ohne Bezug zu den konkreten Fallumständen zum Ausdruck zu bringen, das Gericht sei von der Wahrheit einer Tatsache überzeugt oder nicht überzeugt (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich auch erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt – beweisen kann. Hat die erste Instanz ihre freie Überzeugung nach § 286 ZPO auf eine Parteianhörung gestützt, muss das Berufungsgericht sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung mit dem Ergebnis dieser Parteianhörung auseinandersetzen und die informatorische Anhörung nach § 141 ZPO ggf. selbst durchführen (BGH 27.09.2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249).

Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage ist ureigene Aufgabe des Tatgerichts, das sich dabei nur ausnahmsweise sachverständiger Hilfe zu bedienen hat, d. h. das Gericht kann und muss die Glaubhaftigkeit von Zeugen selbst in schwierigen Beweissituationen i. d. R. ohne sachverständige Hilfe beurteilen (so für das strafgerichtliche Verfahren Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung – Ott, 8. Aufl. 2019, § 261 StPO Rn. 126). Die wissenschaftlichen Anforderungen an aussagepsychologische Begutachtungen spiegeln sich allerdings insoweit in den Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung der Zeugenaussage wider. Das Tatgericht selbst hat die Glaubhaftigkeit von Aussagen grundsätzlich, „wenn auch auf niedrigerem Niveau“, nach derselben wissenschaftlichen Methode zu beurteilen, wie der Sachverständige, wenn es ähnlich zuverlässige Ergebnisse erzielen will wie mit sachverständiger Hilfe; es hat, auch wenn es sich nicht der Hilfe eines Sachverständigen bedient, jedenfalls die allgemein anerkannten Grundsätze der Aussagepsychologie heranzuziehen (Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, a. a. O.).

Allerdings ist die beweisrechtliche Relevanz einschlägiger wissenschaftlicher Befunde von vornherein dadurch eingeschränkt, dass Merkmale der Glaubhaftigkeit bzw. Nichtglaubhaftigkeit stets nur Anzeichen oder Hinweise dafür sind, dass Zweifel an der Glaubhaftigkeit abgeschwächt bzw. verstärkt werden. Eine stringente wissenschaftliche Begründung für die Auswahl der Merkmale fehlt. Die vorliegenden Zusammenstellungen sind nicht zu einer Art von Checklistendiagnostik oder als Quantifizierungsinstrument im Sinne der Festlegung von klaren Grenzwerten geeignet (BGH NStZ 2000, 102; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. 2017 Rn. 1429). Es bleibt nämlich offen, welche Anzahl der jeweiligen Merkmale gegeben sein müssen und welches Gewicht diesem oder jenem Merkmal zukommt. Vielmehr gewinnen die Merkmale erst durch ein Zusammenwirken in Annäherung an das Prinzip der Aggregation an Bedeutung, jedoch sind auch dann allenfalls Wahrscheinlichkeitsaussagen zulässig. Nach den Regeln der psychologischen Testtheorie setzt Aggregation zu einem Gesamtwert die Homogenität der einzelnen Merkmale voraus, was bei den in Betracht kommenden Prüfmerkmalen, auch bei den Realkennzeichen, allenfalls eingeschränkt der Fall ist (Eisenberg, a. a. O., Rn. 1429 Fn. 178.).

Zwar kann insoweit auch das Führen eines Lkw im alkoholisierten Zustand einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand darstellen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Tätigkeit im öffentlichen Personennahverkehr erfolgt oder beim Führen eines Gefahrguttransporters (s. LAG Nürnberg 17.12.2002, NZA-RR 2003, 301; LAG Köln 19.03.2008 – 7 Sa 1369/07, DB 2009, 69). Vorliegend ist der Kläger aber nicht in einem der zuvor bezeichneten Bereiche tätig gewesen. Allein der Hinweis der Beklagten auf das Fahrerhandbuch und die dort vorgesehene Verpflichtung zur 0,00 Promille führt, abgesehen von der durchaus zweifelhaften Wirksamkeit einer derartigen Regelung im Hinblick auf §§ 305 ff BGB nicht dazu, dass die gesetzliche Regelung des § 314 Abs. 2 BGB – des Vorrangs der Abmahnung als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips – in ihr Gegenteil verkehrt wird. Vielmehr verbleibt es dabei, dass es bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer Abmahnung bedarf, wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist. Anhaltspunkte dafür, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft, selbst nach Abmahnung, nicht zu erwarten gewesen sein könnte, bestehen vorliegend nach dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen ersichtlich nicht; auch handelt es sich, wenn überhaupt, nicht um eine so schwere Pflichtverletzung, dass selbst die erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen und nach objektiven Maßstäben auch unzumutbar ist (s. BAG 20.11.2014 NZA § 626 BGB 2002 Nr. 47; DLW-Dörner, a.a.O., Kapitel 4 Rn. 2646).

Andererseits ist die Alkoholisierung des Klägers öffentlich-rechtlich durch ein Fahrverbot sanktioniert worden, weil ein entsprechender Alkoholisierungsgrad erreicht war, so dass fraglich, ob nichts Anderes vorliegend gelten muss. Einer abschließenden Einzelfallbeurteilung bedarf es im vorliegend maßgeblichen Einzelfall jedoch nicht, weil davon auszugehen ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB aus anderen Gründen erfüllt sind.

Als Grund im Verhalten des Arbeitnehmers kommt allerdings auch z.B. die Entwendung einer (auch geringwertigen) Sache, die im Eigentum des Arbeitgebers steht (erste Stufe; BAG 17.05.194 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 90; 21.06.2012 – AZR 153/11, EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 13 – NZA 2012, 1025; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199) in Betracht.

Das gilt insgesamt bei rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, selbst wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden führt (BAG 21.06.2012 EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 12 = NZA 2012, 1025; 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, JurionRS 2014, 31221 = NZA 2015, 621; OLG Koblenz 15.04.2013 – 3 U 112/13, NZA-RR 2013, 521 i.S. DLW/Dörner, a.a.O., Rz. 1291 ff.).

Dabei ist für die arbeitsrechtliche Beurteilung nicht entscheidend, ob das Verhalten des Arbeitnehmers Straftatbestände erfüllt. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199). Denn auch dann verletzt der Arbeitnehmer in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB; s. a. BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 34 = NZA 2011, 1029; 21.06.2012 EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 13 = NZA 2012, 1025) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers derart verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung infrage zu stellen. Denn maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (LAG Rheinland-Pfalz 07.08.2018 – 8 Sa 29/18 – LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 76).

Deshalb ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würde im Übrigen zu Folgeproblemen führen, z. B. bei der exakten Wertberechnung, der Folgen mehrfacher, für sich genommen „irrelevanter“ Verstöße sowie bei der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen, und kann deshalb nicht zu einem angemessenen Interessenausgleich führen (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; s. LAG Rheinland-Pfalz 07.08.2018 – 8 Sa 29/18 – LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 76).

Auf die Strafbarkeit der Pflichtverletzung kommt es nicht an (BAG 26.09.2013 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 193 = NZA 2014, 443).

Dies steht nicht in Widerspruch zur gesetzlichen Wertung des § 238a StGB. Denn dieser Norm liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Dieser Ansatz ist dem Schuldrecht fremd, denn dort geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob sie – vergleichbar einer staatlichen Maßnahme – als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Entscheidend ist, ob eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft (nicht mehr) zu erwarten ist, künftigen Pflichtverstößen also nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (BAG 26.11.2009 EzA § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 5; 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 67 = NZA 2019, 445).

Darin liegt auch kein Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des BVerwG (13.02.2008 DÖV 2008, 1056; 11.11.2003 – 1 D 5/03, BeckRS 2006, 26067; 24.11.1992 NJW 1994, 210; a. A. Klueß AuR 2010, 57 ff. u. 192 ff.). Denn danach wird zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund anerkannt. Dies erfolgt aber vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße über die Kürzung von Dienstbezügen und die Zurückstufung bis zur Entfernung aus dem Dienst. Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte nicht auf die „Entfernung aus dem Dienst“ zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das i. d. R. auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Reuter NZA 2009, 594 ff. i. DLW/Dörner, a.a.O., Rz. 1297).

Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten ist, kann dann zur Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung führen („zweite Stufe“, BAG 11.12.2003 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 5; 16.12.2004 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 7; 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; LAG Rheinland-Pfalz 27.05.2004 LAG Report 2005, 40; 24.10.2017 – 8 TaBV 19/17, BeckRS 2017, 145964; Schlachter NZA 2005, 433 ff.; OLG Koblenz 15.04.2013 – 3 U 112/13, NZA-RR 2013, 521; APS/Vossen § 626 BGB Rz. 181 ff.; s. a. LAG Berlin-Brandenburg 16.09.2010 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 29), denn das Gesetz kennt auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe.

Es bedarf folglich stets einer umfassenden, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung mit dem zuvor skizzierten Prüfungsmaßstab (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Ein Spesenbetrug und ein Arbeitszeitbetrug (s. BAG 26.09.2013 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 193 = NZA 2014, 443; LAG Rheinland-Pfalz 15.11.2012 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 38 = ZTR 2013, 100;) können selbst dann als Grund zur fristlosen Entlassung ausreichen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall mit geringen finanziellen Auswirkungen handelt (BAG 06.09.2007 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 18; 13.12.2007 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 20; 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; LAG Berlin-Brandenburg 18.11.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 25; LAG Rheinland-Pfalz 06.05.2010 BB 2010, 2248). Die Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers ist dann nicht nur „unter Umständen“, sondern stets, regelmäßig als an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand anzusehen (erste Stufe). Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität hat der Arbeitnehmer auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhaltet das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer bricht durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Ein Arbeitnehmer, der bei Spesenabrechnungen bewusst falsche Angaben macht oder dies zumindest oder dies zumindest für möglich hält und billigende in Kauf nimmt, verletzt folglich in erheblicher Weise seine vertraglichen Pflichten. Bewusstes und damit vorsätzliches Handeln ist von versehentlich falschen Angaben zu unterscheiden. Es liegt bereits dann vor, wenn der rechtswidrige Erfolg für mögliche gehalten und billigend in Kauf genommen wird (BAG 11.07.2013 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6 = NZA 2014, 250).

Entwendet eine Verkäuferin Zigarettenpackungen aus dem Warenbestand des Arbeitgebers, kann dies auch nach längerer Betriebszugehörigkeit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Begeht nämlich ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Dies kann eine Kündigung rechtfertigen, und zwar auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen. möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat und der Arbeitnehmer schon länger beschäftigt war. Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21.06.2012 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 13 = NZA 2012, 1025).

Gleiches gilt für versuchte Eigentumsdelikte; dabei kommt es nicht darauf an, ob alle strafrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371; LAG Rheinland-Pfalz 27.05.2004 LAG Report 2005, 40). Denn entscheidend ist nicht die strafrechtliche Würdigung, sondern der mit der Vertragsverletzung, dem Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verbundene schwere Vertrauensbruch (BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; 02.03.2006 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 26; 21.04.2005 EzA § 91 SGB IX Nr. 1). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; s. a. BAG 26.09.2013 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 193 = NZA 2014, 443).

Folglich reicht es zur Rechtfertigung einer Kündigung nicht automatisch aus, dass die Mitnahme eines im Betrieb ausgesonderten Gegenstandes (des Teiles einer Werkbank) nicht erlaubt war. Im konkreten Einzelfall kann sich ein Eingriff in das Eigentum des Arbeitgebers auch als nur abzumahnende Eigenmächtigkeit erweisen. Nicht aus jedem unkorrekten, eigentumsrechtlich relevanten Verhalten eines Arbeitnehmers kann nämlich darauf geschlossen werden, dass ihm eine an Korrektheit und Ehrlichkeit ausgerichtete Grundhaltung fehlt (LAG Schleswig-Holstein 13.01.2010 – 3 Sa 324/09, AuR 2010, 224 LS).

Ein Arbeitnehmer in einem Warenhausbetrieb muss aber andererseits normalerweise davon ausgehen, dass er mit seinem Diebstahl oder einer Unterschlagung auch geringwertiger Sachen im Betrieb seines Arbeitgebers – auch ohne Abmahnung – seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt (BAG 11.12.2003 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 5; 13.12.2007 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 20; Lippenstift; s. a. LAG Niedersachsen 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS; LAG Rheinland-Pfalz 30.01.2009 NZA-RR 2009, 303; 07.08.2018 – 8 Sa 29/18 – LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 76).

In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass vorliegend ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand gegeben ist.

Dem nach dem Ergebnis der vor der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Kläger in einer Vielzahl von Einzelfällen Dieselkraftstoff aus dem von ihm geführten Firmen-Lkw für private Zwecke abgepumpt hat.

Der Zeuge I. hat in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2021 (Bl. 506 ff. d.A.) – ohne nennenswerten Unterschied zu seiner Aussage zum gleichen Beweisthema im Verfahren 3 Sa 293/19, betreffend den Zeugen des hiesigen Verfahrens J. – ausgesagt, dass er tatsächlich hat beobachten können, wie der Kläger Kanister mit Dieselkraftstoff übergeben hat, an jemanden, der in den Abendstunden mit einem Pkw kam. Nach der Bekundung des Zeugen ist das das, was er beobachtet hat und das ist das, was er auch in diesem Fall auf jeden Fall bekräftigen kann. Der Zeuge J., der auch anwesend war, hat, so der Zeuge, gemeint, das sei normal, das würde von der Firma toleriert werden. Gesehen, dass der Kläger Geld bekommen hat für die beiden Kanister, hat der Zeuge nicht. Bezogen auf das Vorverfahren und seine Aussage als Zeuge hat der Zeuge I. auf Frage des Vorsitzenden erklärt, dass er keinen Grund hat, etwas Falsches zu sagen. Des Weiteren hat der Zeuge ausgesagt, dass die vom Kläger benannten Zeugen dafür, dass eine Übergabe von Kanistern nicht stattgefunden habe, ebenfalls anwesend waren, dass sie zusammenstanden, gegrillt und Bier oder vielleicht auch noch was Anderes getrunken haben, aber, so der Zeuge, es war ihm trotzdem möglich, dabei zu beobachten, dass der Kläger die Kanister, so wie er es beschrieben hat, übergeben hat. Danach hat er das, was er beschrieben hat, so der Zeuge, gesehen. Zwar konnte der Zeuge die betroffenen Personen nicht namentlich benennen, aber, so der Zeuge, bei dem Gespräch, das er mit dem Kläger und dem Zeugen J. geführt hat, waren danach jedenfalls ein oder zwei Personen dabei. Der Zeuge J. hat, so der Zeuge, zu ihm gesagt, er kann das ruhig auch machen, alle machen das und auf Frage des Vorsitzenden, ob der Kläger sodann gesagt habe, das dürfe man nicht, hat der Zeuge dies ausdrücklich verneint. Des Weiteren hat der Zeuge ausgesagt, dass es zwei Kanister waren, die weggetragen wurden. Er konnte sich bei seiner Aussage nicht mehr erinnern, wie die Person, die die Kanister entgegengenommen hat, ausgesehen hat. Auch konnte er sich nicht an den Pkw erinnern, mit dem diese Person angefahren kam, er fand das in diesem Moment nicht wichtig. Die beiden Kanister, so der Zeuge, wurden aus einer Art Schließfach im Lkw geholt. Er konnte beobachten, so der Zeuge, wie der Kläger und der Zeuge J. die beiden Kanister zu dem Pkw getragen haben und dort leere Kanister entgegennahmen. Es war, so der Zeuge mit Bestimmtheit, der Lkw des Klägers. Die leeren Kanister wurden danach zurück in dasselbe Schließfach verbracht. Er, so der Zeuge, und der Kläger und der Zeuge J. haben sich danach noch länger unterhalten, etwas getrunken, etwas gefeiert. Beide sind, so der Zeuge, zu dem Pkw gegangen, also der Kläger und der Zeuge J.. Dabei, so der Zeuge, war der Kläger so betrunken, dass der Zeuge J. ihm geholfen hat.

Demgegenüber hat der Zeuge J. lediglich ausgesagt, dass das, was der Zeuge I. bekundet hat, nicht zutrifft und nicht stattgefunden hat. Danach war der Zeuge I. nach einer Stunde des Feierns so besoffen, dass sie ihn zusammen in den Lkw gesetzt und alles aufgeräumt haben. Am nächsten Morgen, so der Zeuge, hat der Zeuge I. noch Flaschen abgefüllt und an andere Fahrer ausgeteilt. Der einzige Kanister, den der Zeuge gesehen hat, war der mit dem Wodka des Zeugen I..

Die Kammer hält den Zeugen I. im Rahmen der umfassenden Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO für glaubwürdig und seine Aussage für glaubhaft, den Zeugen J. dagegen nicht. Der Zeuge I. hatte nach seinem von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Vorbringen auf Befragen sein eigenes Tatverhalten eingeräumt, den Schaden wieder gut gemacht und wurde weiterbeschäftigt. Eine Motivation, unschuldige Arbeitskollegen vergleichbarer Straftaten und des Weiteren noch zu bezichtigen, ihn angestiftet zu haben, sind danach nicht ersichtlich. Insbesondere fügt sich die Aussage des Zeugen zudem in das gleichermaßen gemäß § 286 Abs. 1 ZPO umfassend zu würdigende schriftsätzliche Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen, insbesondere der Beklagten, zu den einzelnen Tatvorgängen ein. Die insoweit von der Beklagten im Einzelnen benannten Umstände, die auch in ihrer Gesamtheit für sich genommen der Kammer noch im Urteil vom 16.03.2020 (3 Sa 497/19) nicht ausgereicht haben, die Voraussetzungen der §§ 626 BGB, 286 ZPO zu bejahen, begründen demgegenüber vorliegend in Verbindung mit der Aussage des Zeugen I. ein nachvollziehbares Tatgeschehen, das die Vielzahl der Einzeldiebstähle an Diesel-Kraftstoff hinsichtlich Tatmotiv und Einzelumständen nachvollziehbar macht.

Denn die Annahme der Entwendung von Dieselkraftstoff durch Bandendiebstahl im Wege organisierter Kriminalität ist fernliegend. Es fehlt jede nachvollziehbare Erklärung dafür, warum in einem derartigen Fall Straftäter einerseits mit erheblichem Aufwand alleinstehende und nicht gesondert überwachte Lkw auskundschaften sollte, um andererseits nur einen Teil, teils nur einen geringen Teil der Tankfüllung zu entwenden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es ausgeschlossen erscheint, dass es auf Zufall beruht, dass nur die Lkw´s weniger Fahrer der Beklagten, dies aber wiederholt und regelmäßig Gegenstand unbefugter Dieselentnahmen wurden. Die Beklagte hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass der Großteil der 125 Fahrer der Beklagten, selbst diejenigen, die in Dienst-Lkw in unmittelbarer Nähe der von den Entnahmen betroffenen Orten und sogar für organisierte Banden besonders günstig in der Nähe von Autobahnen oder Bundesstraßen abstellten, zu keinem Zeitpunkt eine unbefugte Entnahme an ihrem Abstellort zu verzeichnen hatten. Dies weder an ihrem regelmäßigen Abstellort, noch an anderen kurzfristigen Abstellorten. Dies auch selbst in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Abstellort des Klägers (Fahrer I. Fahrer Mv.). Von Entnahmen betroffen waren lediglich die Lkw´s von 17 Fahrern der Beklagten, von denen 11 die Täterschaft für die jeweiligen Dienstentnahmen gegenüber der Beklagten eingeräumt haben (s. Bl. 296 ff d.A.). Ein weiterer Fahrer hat einen Teil des Schadens ausgeglichen, nur vier weitere Fahrer haben danach die Entnahmen abgestritten. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die zuvor regelmäßig erfolgten unbefugten Entnahmen im Oktober 2018 endeten, nach dem die Beklagte am 05.11.2018 den Fahrer E. wegen unbefugter Kraftstoffentnahmen fristlos entlassen hatte. Organisierte Banden hätten sich von einer derartigen Nachricht nicht abschrecken lassen.

Etwas Anderes folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der Aussage des Zeugen J.. Denn die beschränkte sich unter Verzicht auf jegliche Einzelheiten darauf, die Begründung des Zeugen I. in Abrede zu stellen, insbesondere was seinen, des Zeugen, eigenen Tatbeitrag betrifft. Mehr als ein unsubstantiierten Abstreiten eigener Täterschaft und Tatbeteiligung lässt sich dem nicht entnehmen, so dass die Ausführungen des Zeugen nicht geeignet sind, die glaubhaften Bekundungen des Zeugen I. auch nur in Zweifel zu ziehen.

Auch die Aussagen der Zeugen E., F., H. und G. sind nicht geeignet, erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage und der Glaubwürdigkeit des Zeugen I. zu begründen.

Der Zeuge E., der nach seinem Bekunden wieder mit dem Kläger zusammenarbeitet, allerdings bei einem anderen Arbeitgeber, und der auf Strafanzeige der Beklagten wegen Dieseldiebstahl nach seiner Aussage (Bl. 540 f. d.A.) auch verurteilt worden ist, hat bekundet, dass er sich an die hier streitgegenständliche Gelegenheit deshalb besonders gut erinnern kann, weil sie, so der Zeuge, nie so viel Wodka hatten, so dass er zum Schluss auch ein bisschen betrunken war. Nach Aussage des Zeugen glaubt er nicht, dass der Kläger und Herr J. mal weggegangen sind, kann das aber nicht genau bestätigen, er kann das nicht, so der Zeuge, genau sagen. Betreffend Kanister hat der Zeuge ausgesagt, dass der Zeuge I. einen großen Kanister dabei hatte, gefüllt mit Wodka, und es auch andere Kanister gab, die aber nur mit Wasser gefüllt waren, womit Geschirr abgespült wurde. Keine Kanister, die an irgendjemanden abgegeben oder getragen worden wären. Allerdings konnte der Zeuge auch nicht ausschließen, dass der Kläger mal einige Minuten abwesend war.

Der Zeuge F. hat ausgesagt, dass er zu dem Beweisthema nur sagen kann, dass man zusammengesessen, gegessen und getrunken hat, aber was mit dem Zeugen I. war, mit Kanister und so etwas, dazu, so der Zeuge, konnte er nichts sagen. Es wurden, so der Zeuge, ein paar Flaschen Wodka getrunken. Der Zeuge I. war danach der erste der schlafen ging. Von Kanistern, so der Zeuge, hat er nichts gesehen, also von Dieselkanistern. Kanistern mit Wasser ja. Auf die Frage des Vorsitzenden, warum er, der Zeuge weiß, dass es vorliegend streitgegenständlich auch um Dieselkanister geht, vermochte der Zeuge keine plausible Antwort zu geben. Weiter hat der Zeuge ausgesagt, dass zu dem Zeitpunkt, als er gekommen ist, um 18 oder um 19 Uhr, der Kläger, der Zeuge J. und der Zeuge I. bereits anwesend waren und danach sind sie auch nicht weggegangen, bis alle zusammen schlafen gegangen sind.

Der Zeuge H. (Bl. 542 f. d.A.) hat ausgesagt, dass er zwar auf dem Parkplatz war, aber nicht so lange Zeit mit den anderen zusammen, danach, so der Zeuge, war er in seinem Auto. Etwa bis 22 Uhr war er, so der Zeuge, dabei, es war mehrere, es sind welche gekommen und welche wieder gegangen. Betreffend Kanister, hat er, so der Zeuge, nichts gesehen. Auch in den etwa zwei Stunden, in denen er mit den anderen zusammen war, war er, so der Zeuge, nicht immer dabei, weil er z.B. mit seiner Familie, also mit seiner Frau, telefoniert hat.

Der Zeuge G. schließlich (Bl. 597 d.A.) konnte sich, so seine Aussage, ganz gut erinnern, dass der Zeuge I. in einem Plastikkanister 20 Liter Wodka dabeihatte und nach einer Weile ebenso wie der hiesige Kläger „stinkbesoffen“ war, so dass „wir“, so der Zeuge, sie zum Auto gebracht haben. Er war, so der Zeuge, schon dabei, aber er war irgendwie ein bisschen getrennt, so der Zeuge, weil er nichts getrunken hat. Er hat die Gruppe, so der Zeuge, die ganze Zeit beobachtet, die haben laute Musik gehört, er hat sie gesehen. Er war in dieser Zeit, das waren mehrere Stunden, weder auf der Toilette, noch hat er telefoniert.

Keine dieser Aussagen ist ebenso wenig wie eine Gesamtschau geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen I. und seine Glaubwürdigkeit erheblich i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO zu erschüttern. Das gilt zum einen im Hinblick auf die von dem Zeugen nachvollziehbar dargestellten Äußerungen des Klägers, zu denen sich keine der weiteren Zeugenaussagen verhält und die danach auch weder ausgeschlossen noch widerlegt sind. Zweifel daran, dass der Kläger sich gegenüber dem Zeugen I., wie von diesem geschildert, geäußert hat, bestehen nicht. Begründete Zweifel bestehen auch nicht hinsichtlich der Übergabe von zwei Kanistern, gefüllt mit Dieselkraftstoff. Keiner der weiteren Zeugen konnte ausschließen, dass sich dies tatsächlich so ereignet hat, wie von dem Zeugen I. dargestellt. Der Zeuge F. konnte nichts dazu sagen, was mit dem Zeugen I. war, mit Kanistern und so etwas. Unklar ist, wann der Zeuge gekommen ist, aus seiner Aussage, dass der Kläger, Herr J. und der Zeuge I. bereits da waren und auch nicht weggegangen sind, bis alle zusammen schlafen gegangen sind, folgt kein nachvollziehbarer Ausschluss der Möglich, dass sich das vom Zeugen I. geschilderte Geschehen tatsächlich so, wie dargestellt, ereignet hat. Der Zeuge E. hat ausgesagt, dass er nicht glaubt, dass der Kläger und Herr J. zusammen mal weggegangen sind, konnte das aber nicht genau bestätigen. Ausgeschlossen, dass sich das Geschehen, so wie von dem Zeugen I. geschildert, ereignet hat, ist es also nicht. Der Zeuge H. konnte nach seiner Aussage keinerlei das Beweisthema betreffende Angaben machen, wegen Kanister, so der Zeuge, hatte er gar nichts gesehen, er war auch während seiner Anwesenheit nicht immer mit den anderen zusammen. Der Zeuge G. schließlich war, Pause machend, anwesend, jedenfalls zeitweise, war aber von den anderen ein bisschen getrennt, weil er nichts getrunken hat. Er hat die Gruppe die ganze Zeit, ohne dass er nähere Zeitangaben gemacht hat, beobachtet, sie gesehen und war in dieser Zeit weder auf der Toilette, noch hat er telefoniert. Auch damit lassen sich auch nur vernünftige Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen I. und seiner Glaubwürdigkeit nicht begründen.

Etwas Anderes folgt letztlich auch nicht aus dem Schriftsatz des Klägers vom 15.06.2022 (Bl. 580 ff. d.A.). Soweit sich der Kläger darauf bezieht, dass die Aussage des Zeugen I. pauschal gehalten ist im Hinblick darauf, woher ersichtlich war, dass sich in den angeblich übergegebenen Kanistern Diesel befand, noch wie diese bezahlt worden sein sollen, er ferner keine Angaben zum Pkw, an dessen Fahrer die Kanister übergeben worden sein sollen, machen konnte, nicht zur Größe und Farbe, auch nicht zum Kennzeichen und schließlich auch keine Personenbeschreibung abgeben konnte, ist darauf hinzuweisen, dass der Zeuge in der konkreten Wahrnehmungssituation keinerlei Veranlassung hatte, derartigen Umständen in irgendeiner Form besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Den ihn tatsächlich persönlich betreffenden Umstand, dass ihn der Kläger letztlich angestiftet hat, derartiges auch zu tun, hat er demgegenüber nachvollziehbar genauer dargestellt und genau diese Darstellung beanstandet der Kläger (Bl. 581 d.A.) ersichtlich nicht. Soweit der Kläger sodann im Hinblick auf einen fehlenden Darlehensvertrag des Zeugen I. mit der Beklagten in der Ermittlungsakte meint, ein solcher müsse ebenfalls existieren und der Zeuge stehe daher in einer erheblichen wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Beklagten, bleibt unklar, was der Kläger damit zum Ausdruck bringen will. Der Zeuge hat bereits im Verfahren 3 Sa 293/19 ausführlich dargestellt, dass er der Beklagten gegenüber sein Verhalten eingeräumt und den der Beklagten entstandene Schaden freiwillig ersetzt hat mit der Maßgabe, dass er nunmehr weiterhin für die Beklagte tätig ist. Warum aus dem Umstand, dass ein Darlehensvertrag zwischen dem Zeugen I. und der Beklagten nicht zur Ermittlungsakte gereicht wurde folgen soll, dass ein solcher ebenfalls existiert und der Zeuge daher in einem erheblichen wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis von der Beklagten steht, erschließt sich nicht. Soweit der Kläger auf die Aussage des Zeugen I. im Zusammenhang mit dem Kollegen S. darauf hinweist, dass der Zeuge dort ausgesagt hat, dass der Kläger mal einen vollen 20 Liter Kanister aus dem Lkw genommen und einen leeren wieder eingestellt habe, wobei er den vollen Kanister dann verkauft habe und der damit gegebenen Abweichung zur Aussage im vorliegenden Verfahren einmal im Hinblick auf die Zahl der Kanister und zum anderen auf den Umstand, dass er vorliegend ausgesagt hat, keine Geldübergabe gesehen zu haben, begründet dies keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage und der Glaubwürdigkeit des Zeugen, denn entscheidend ist die beispielhafte Darstellung des Vorgangs der Übergabe eines vollen Diesel-Kanister, letztlich aus dem Tank des Lkw des Arbeitnehmers und dessen entgeltliche Weitergabe in Verbindung mit der Erläuterung des Klägers, dies sei normal und dies solle er, der Zeuge, doch auch machen. In diesem Kontext handelt es sich bei den Angaben des Zeugen betreffend die Kanisterzahl letztlich um Randunschärfen, die eher für die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechen. Das gilt erst recht entgegen der Auffassung des Klägers für die Vernehmung des Zeugen I. am 07.09.2021 im Polizeipräsidium Koblenz (Bl. 375 d.A.). Was der Kläger daraus zu seinen Gunsten ableiten will, dass der Zeuge I. in dieser Vernehmung, die knapp fünf Monate nach der Vernehmung im vorliegenden Berufungsverfahren stattfand, die hier geschilderten Beobachtungen mit keinem Wort erwähnt hat, erschließt sich nicht. Denn der Zeuge I. wurde ausdrücklich nach weiteren Zeugen zu damaligen Dieselkraftstoffdiebstählen eines Herrn S. befragt, danach, ob es seiner Kenntnis nach weitere Leute gab, die gesehen haben, dass dieser Dieselkraftstoff abzapfte bzw. diesen verkaufte, sonstigen Handel damit trieb. Warum die Antwort des Zeugen I. mit nein, weitere Zeugen könne er nicht benennen, nachdem die gestellte Frage keinerlei Zusammenhang zum vorliegenden streitgegenständlichen Lebenssachverhalt hat, gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen soll und gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen.

Soweit der Kläger des Weiteren behauptet, die von ihm benannten Zeugen hätten seinen Vortrag ebenso wie die Aussage des Zeugen J., bestätigt, folgt die Kammer dem aus den im Einzelnen dargestellten Gründen nicht. Keineswegs sind diese Zeugenaussagen ausreichend, um die Aussage des Zeugen I. zu widerlegen.

Vor diesem Hintergrund scheiden andere Personen als der Kläger für die Entnahme von 5.141,40 Liter Dieselkraftstoff in der Zeit vom 11.11.2017 bis zum 15.10.2018 aus.

Damit steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger der Beklagten in diesem Zeitraum in diesem Ausmaß Dieselkraftstoff entwendet und dadurch einen Schaden in Höhe von 4.943,32 EUR verursacht hat.

Etwas Anderes folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus seinem Vorbringen im Berufungsverfahren, ebenso wenig aus dem im erstinstanzlichen Rechtszug.

Soweit der Kläger (Berufungserwiderungsschrift vom 11.11.2019, S. 1 = Bl. 383 d.A.) behauptet, das Fleetboard habe auch bei anderen Werten, z.B. dem Gewicht, falsch gemessen, erschließt sich bereits nicht, warum sich darauf ergeben soll, dass das Fleetboard die Kraftstoffwerte falsch erfasst haben soll. Anhaltspunkte dafür, dass insoweit tatsächlich irgendwelche Auffälligkeiten aufgetreten sind, lassen sich dem Vorbringen des Klägers mangels jeglicher näheren Substantiierung nicht entnehmen.

Insoweit gelten für das tatsächliche Vorbringen sowohl der darlegungsbelasteten Partei als auch des Prozessgegners gemäß § 138 ZPO folgende Anforderungen:

Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behauptete Tatsachen zu erklären. Gemäß § 138 Abs. 3 ZPO sind Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Insoweit hat jede Partei ihre allgemeine Darlegungslast zu beachten, die sie für die tatsächlichen Behauptungen trägt, für die sie die objektive Beweislast hat. Sie genügt den insoweit maßgeblichen Anforderungen dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH 31.07.2013 – VII ZR 59/12 – NJW 2013, 3180; 09.02.2009 – II ZR 77/08 – NJW 2009, 2137). Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Behauptungen ist für den Umfang der Darlegungslast ohne Bedeutung (BGH 11.11.2014 – VIII ZR 302/13 – NJW 2015, 409). Im Interesse der Wahrung von Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen (BGH 06.12.2012 – III ZR 66/12 – NJW – RR 2013, 296). Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich sodann jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Die Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Bestreitenden – vorliegend des Klägers – hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Beklagte – vorgetragen hat (BGH 03.02.1999 – VIII ZR 14/98 – NJW 1999, 1404; 11.06.1990 – II ZR 159/89 – NJW 1990, 3151). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des Darlegungspflichtigen das einfache Bestreiten des Gegners. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (LAG Rheinland-Pfalz 10.07.2019 – 7 Sa 433/18 – NZA – RR 2019, 578). Eine darüberhinausgehende Substantiierungspflicht trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, wenn sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH 03.02.1999, a.a.O.). Eine über diese anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei kennt die Zivilprozessordnung nicht (BAG 20.11.2003 – 8 AZR 580/02 – NJW 2004 2848; BGH 11.06.1990 a.a.O.). Keine Partei ist – über die genannten Fälle hinaus – gehalten, dem Kläger für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH 11.06.1999, a.a.O.). Eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung besteht (auch) im Arbeitsverhältnis nicht (BAG 14.11.2012 – 10 AZR 783/11 – Beck RS 2013, 65960). Zu berücksichtigen ist auch, dass für den Zivilprozess ebenso wie für strafrechtliche oder vergleichbare Verfahren anerkannt ist, dass die Wahrheitspflicht der Partei dort ihre Grenze findet, wo sie gezwungen wäre, eine ihr zur Unehre gereichende Tatsache oder eine von ihr begangene strafbare Handlung zu offenbaren (BVerfG 13.01.1981 – 1 BVR 116/77 – NJW 1981, 1431).

In Anwendung dieser Grundsätze wäre es vorliegend, nach dem aufgrund der Aussage des Zeugen Mh. zur vollen Überzeugung der Kammer gemäß § 286 Abs.1 ZPO feststeht, dass der Kläger fortgesetzt Dieselkraftstoff entwendet hat, seine Sache gewesen, zu den einzelnen Schadenspositionen aufgrund seiner unmittelbaren Sachnähe Stellung zu nehmen und etwaige Abweichungen substantiiert darzulegen. Die allgemeinen Erwägungen des Klägers zum Auskundschaften seines Lkw und zur Entwendung von Kraftstoff durch Dritte erweisen sich demgegenüber als unbehelflich. Demgegenüber hat die Beklagte im Einzelnen die – im Hinblick auf die Gesamtzahl der bei ihr beschäftigten Fahrer nicht allzu hohe Anzahl – unmittelbar betroffene Fahrer namentlich benannt und im Einzelnen dargelegt, dass sie sich mit einem Großteil dieser Fahrer, nach dem diese den Kraftstoffdiebstahl eingeräumt haben, auf entsprechende Ersatzleistungen geeinigt hat, so wie es auch der Zeuge I. im Rahmen seiner Aussage bekundet hat. Soweit der Kläger hinsichtlich der Schadenshöhe die Höhe des von der Beklagten angesetzten jeweiligen Dieselpreises in Abrede gestellt hat, erweist sich dies als unbehelflich. Die Beklagte hat im Einzelnen für die einzelnen Entnahmezeitpunkte den jeweiligen von ihr zu entrichtenden Betrag beziffert benannt, so dass es Sache des Klägers gewesen wäre, sich darauf substantiiert einzulassen. Daran fehlt es, so dass das Vorbringen der Beklagten insoweit als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Soweit der Kläger die Richtigkeit der Fleetboardmessungen in Abrede gestellt hat, gilt nichts Anderes. Die Beklagte hat im Einzelnen substantiiert dargelegt, dass sie Software beschafft hat, um derartige Messungen zuverlässig durchführen zu können. Das diese Messungen offensichtlich auch im Ergebnis zutreffend gewesen sind, belegt das Verhalten einer Vielzahl von Mitarbeitern der Beklagten, dass diese ausführlich und im Einzelnen dargelegt hat. Insoweit wäre es Sache des Klägers gewesen, im Einzelnen unter vorsorglichem Beweisantritt nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu erwidern; daran fehlt es in beiden Rechtszügen. Der Kläger hat insoweit lediglich darauf hingewiesen, dass die Fleetboardmessungen betreffend des Gewichts des Lkw unrichtig gewesen seien; warum dies Rückschlüsse auf die Messergebnisse betreffend dem Tankinhalt zulassen soll, erschließt sich Mangels weiteren Vorbringens des Klägers nicht.

Da sich weiteres substantiiertes Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren nicht entnehmen lässt, ist davon auszugehen, dass der Kläger der Beklagten durch die vertrags-, rechtswidrige Entnahme von Dieselkraftstoff aus dem von ihm geführten Dienst-Lkw einen Schaden in Höhe von 4.943,32 EUR zugefügt hat.

Damit ist ein an sich zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB geeigneter Umstand gegeben.

Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung auch nicht als unverhältnismäßig, weil die Beklagte dem Kläger – unstreitig – vor ihrem Ausspruch keine Abmahnung erteilt hat. Denn einer Abmahnung bedarf es – wie vorliegend – bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers dann nicht, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar- ausgeschlossen ist. Davon ist vorliegend im Hinblick auf die Beharrlichkeit des Gesamtverhaltens einerseits und die Vielzahl Einzeltaten andererseits, von denen ohne weiteres Jedermann bekannt ist, dass derartiges verboten und strafbewert ist, auszugehen.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte vorliegend mit dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung auch die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.

Zweck dieser Regelung ist es, den Kündigenden möglichst schnell zur Entscheidung über die Kündigung aus einem bestimmten Grund zu veranlassen. Denn ansonsten könnte die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung fraglich sein.

Zudem soll der Kündigungsgegner frühzeitig die Konsequenzen des Vorliegens eines wichtigen Grundes für sein Arbeitsverhältnis erfahren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 116 f.); dem betroffenen Arbeitnehmer soll rasch Klarheit darüber verschafft werden, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9).

Ist dem Kündigungsgegner mit Ablauf der Zweiwochenfrist keine Kündigung zugegangen, so wird unwiderleglich vermutet, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Die Ausschlussfrist kann daher als gesetzliche (bzw. tarifliche, vgl. z. B. § 34 Abs. 2 TVöD) Konkretisierung der Verwirkung des Kündigungsgrundes angesehen werden (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1). Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht folglich nicht verwirken (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Sie ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, ihr Versäumung führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung (BAG 06.07.1972 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 15). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.

Die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Erforderlich ist eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 05.06.2008 – 2 AZR 25/07, JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1), die ihm die fundierte Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3).

Dazu gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände sowie die Beschaffung und Sicherung möglicher Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung (BAG 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; LAG SchlH 17.12.2008 NZA-RR 2009, 397); Aspekte, die für den Arbeitnehmer sprechen, lassen sich regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers erfassen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Die Kenntnisnahme von ersten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes genügt nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5); selbst grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (BAG 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. auch LAG Bln.-Bra. 18.11.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 25; OLG Karlsruhe 28.04.2004 NZA 2005, 301); ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 01.02.2007 § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Insoweit muss der Kündigende die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB darlegen und beweisen (LAG Rheinland-Pfalz 29.06.2017 – 5 Sa 508/16, NZA-RR 2017, 527). Mitzuteilen sind insbesondere der Tag ebenso wie die Art der Kenntniserlangung. Der Kündigungsempfänger kann sich in der Regel auf das Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) beschränken (s. DLW-Dörner, a.a.O., Kapitel 4 Rn. 32 ff). Entsprechende ausführliche Darlegungen des Kündigenden sind allerdings erst dann erforderlich, wenn ein erheblicher Zeitabstand zwischen den Kündigungsgründen und dem Ausspruch der Kündigung besteht oder wenn der Gekündigte die Nichteinhaltung der Frist ausdrücklich rügt. Die dann bestehende Darlegungspflicht ist nicht bereits erfüllt, wenn der Kündigende lediglich allgemein vorträgt, er kenne die Kündigungsgründe nicht länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung. Er muss vielmehr die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat. Um den Zeitpunkt, in dem der Wissensstand des Kündigungsberechtigten ausreicht, bestimmen zu können, und um es dem Gekündigten zu ermöglichen, die behauptete Schilderung zu überprüfen und ggfls. qualifiziert zu bestreiten, muss grundsätzlich angegeben werden, wie es zu der Aufdeckung der Kündigungsgründe gekommen sein soll (LAG Rheinland-Pfalz 29.06.2017, a.a.O.).

Vorliegend hat die Beklagte im erstinstanzlichen Rechtszug (Bl. 57 d.A.) vorgetragen, dass bei einer routinemäßigen Überprüfung am 22.11.2018 die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten, Frau Z., festgestellt hat, dass der Kläger dem jeweils genutzten Fahrzeug ohne Kenntnis oder Billigung der Beklagten Kraftstoff entnommen hat. Die Mitarbeiterin hat danach am gleichen Tag die Geschäftsführung davon in Kenntnis gesetzt, also am 22.11.2018. Der Kläger hat sich dazu im erstinstanzlichen Rechtszug dahin eingelassen, dass der Dieseldiebstahl seit Jahren in der Firma der Beklagten bekannt war, ihm aber nicht nachgegangen wurde, so dass es eine bloße Behauptung der Beklagten sei, dass eine Routinekontrolle durchgeführt worden sein solle. Vermutlich habe überhaupt niemand Diesel, jedenfalls nicht in dem behaupteten Umfang, aus dem Tank entwendet, da die sog. Fleetboards in allen Belangen fehlerhaft arbeiteten. Insoweit ist bereits unklar, was der Kläger im Hinblick auf § 626 Abs. 2 BGB bestreiten will. Aus seinen allgemeinen und aufgrund der vor der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme widerlegten Erwägungen heraus lässt sich kein nachvollziehbares Bestreiten erkennen, dass die Mitarbeiterin der Beklagten, wie von ihr vorgetragen, zum fraglichen Zeitpunkt eine Routinekontrolle vorgenommen hat, wozu sich bezogen auf die Kraftstoffstände auf der Grundlage der Verwendung der Fleetboards sich die Beklagte durch entsprechende Software erstmals in die Lage versetzt hatte, gerade um der immer wieder auftretenden Entwendung von Diesel möglichst ein Ende zu bereiten. Die Beklagte hat sodann im erstinstanzlichen Rechtszug (Bl. 178 f d.A.) ihr Vorbringen vertieft und ausgeführt, dass Frau Z. am 22.11.2018 die verfügbaren Fleetboard-Protokolle der Fahrer J., S., F. und des Klägers, die mit dem Fahrer Herrn E. befreundet waren, überprüft hat, weil die Beklagte bezüglich Herrn E. kurze Zeit vor dem 02.11.2018 einen anonymen Hinweis auf Dieselentnahmen erhalten hatte. Nach dem die Auswertung der Protokolle von Herrn E. ergeben hatte, dass sich der Verdacht bestätigte, prüfte Frau Z. daraufhin vorsorglich die Fleetboard-Protokolle der Fahrer, die Herrn E. nahestanden.

Vorbringen des Klägers dazu fehlt; im Berufungsverfahren verhält sich der Kläger ebenfalls dazu nicht, so dass davon auszugehen ist, dass die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist vorliegend eingehalten worden ist.

Die abschließend stets, auch im Falle von Vermögensdelikten des Arbeitnehmers zum Nachteil des Arbeitgebers durchzuführende umfassende Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers an der zumindest einstweiligen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist und dem Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist führt vorliegend zum überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Zwar ist im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers die Betriebszugehörigkeit, die die Kammer als zu seinen Gunsten seit 2007 als gegeben annimmt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kläger verheiratet ist und zwei minderjährigen Kinder hat, die bereits außerhalb des elterlichen Haushaltes leben. Andererseits hat der Kläger noch kein Lebensalter erreicht, dass schon für sich genommen erhebliche Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt erwarten lässt; hinzukommt, dass, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, im Berufsfeld des Klägers ein erheblicher Beschäftigungsbedarf an Lkw-Fahrern besteht.

Entscheidend für das sofortige Beendigungsinteresse der Beklagten spricht aber demgegenüber, dass der Kläger durch eine Vielzahl von Einzelhandlungen vorsätzlich das Vermögen der Beklagten in erheblichen Umfang geschädigt hat. Die Beharrlichkeit der Vorgehensweise des Klägers lässt es als für die Beklagte unzumutbar erscheinen, dass Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Folglich erweist sich die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung der Beklagten als rechtswirksam mit der Folge, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 30.11. am gleichen Tage sein Ende gefunden hat.

Des Weiteren hat die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gegen den Kläger in Höhe von 4.943,32 EUR wegen der Entwendung von Dieselkraftstoff. Der Anspruch folgt aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 StGB, §§ 280 Abs. 1, 3, 241 Abs. 2 BGB.

In dieser Höhe ist die Widerklage der Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers begründet; die weitergehende Widerklage war dagegen abzuweisen.

Die Beklagte hat insoweit 27,32 EUR geltend gemacht für 2,5 Arbeitsstunden der Mitarbeiterin Frau Z.; insoweit ist nicht ersichtlich, woraus sich eine Schadensersatzpflicht des Klägers ergeben könnte. Die Beklagte hat aufgrund privatautonomer Willensentscheidung beschlossen, die Firmen-Lkw´s nicht mehr mit abschließbaren Tankdeckeln zu versehen und damit einen Zustand herbeigeführt, der jedermann den unbefugten Zugang zum Tankinhalt ermöglicht. Die insoweit von ihr angestellten Überlegungen sind wirtschaftlich zwar nachvollziehbar; allerdings ist darauf hinzuweisen, dass sie sich selbst damit jeglicher unmittelbaren Kontrolle über die Unversehrtheit des jeweiligen Tankinhalts begeben hat. Wenn sie sich sodann durch entsprechende Software in Verbindung mit den bei ihr verwendeten Fleetboards in die Lage versetzt hat, auch auf die Daten der Tankinhalte zuzugreifen, dann handelt es sich um Einzeltätigkeiten im Rahmen allgemeiner betrieblicher Kontrollen, die veranlasst wurden, ohne dass ein konkreter Tatverdacht gegen den Kläger bestand; derartiges lässt sich dem Vorbringen der Beklagten insbesondere im Rahmen des § 626 abs. 2 BGB, wie dargelegt, nicht entnehmen. Der bloße Hinweis auf die Bekanntschaft mit einem Kollegen E. genügt für einen konkreten Tatverdacht nicht.

Des Weiteren erschließt sich nicht, warum der Kläger zum anteiligen Ersatz der Kosten für den Einsatz eines Sicherheitsdienstes haften soll, der von der Beklagten in Anspruch genommen wurde, um bei der Übergabe des Kündigungsschreibens und anschließend zum Schutz des Eigentums sowie sonstiger Rechtsgüter der Beklagten tätig gewesen sein soll. Ein adäquat-kausaler Zusammenhang zwischen den von der Kammer angenommenen Pflichtverletzungen des Klägers einerseits und einem spezifisch erforderlichen Security-Schutz bei der Übergabe eines Kündigungsschreibens andererseits erschließt sich nicht.

Hinsichtlich des weiterhin geltend gemachten Nutzungsausfallschadens, den die Beklagte (Bl. 65 f d.A.) insoweit geltend macht, als dass der vom Kläger geführte Firmen-Lkw ab dem 30.11.2018 wegen des pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, zu der eine ordentliche Kündigung möglich gewesen wäre, kein Transportfahrten mehr durchgeführt hat, den die Beklagte bis zum 28.02.2019 (gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats) mit 257,60 EUR pro Arbeitstag beziffert hat, so dass sich eine Gesamtsumme von 16.615,20 EUR ergibt (s. Bl. 105, 106 d.A.) gibt im Ergebnis nichts anderes. Insoweit fehlt jegliches nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertes tatsächliches Vorbringen der Beklagten dazu, obwohl der Kläger dies im erstinstanzlichen Rechtszug ausdrücklich bestritten hatte, dass der vom Kläger geführte Firmen-Lkw im fraglichen Zeitraum überhaupt betrieblich hätte genutzt werden können. Vor diesem Hintergrund kommt die Annahme einer entsprechenden Schadensersatzverpflichtung des Klägers ohne Weiteres substantiiertes Vorbringen der Beklagten, an dem es auch im Berufungsverfahren vollumfänglich fehlt, nicht in Betracht.

Etwas Anderes folgt auch nicht aus § 628 Abs. 2 BGB. Denn auch wenn vorliegend ein Auflösungsverschulden mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB (s. BAG 14.12.2011 NJW 2012, 1900) angenommen werden kann und es zur Beendigung des Dienstverhältnisses aufgrund rechtswirksamer außerordentlicher Kündigung vorliegend gekommen ist, ferner die notwendige Kausalität zwischen dem Auflösungsverschulden und der Beendigung des Dienstverhältnisses gegeben ist, so dass ein nach dem Schutzzweck der Norm zeitlich bis zum Zeitpunkt des von vorneherein vereinbarten oder durch ordentliche Kündigung herbeizuführenden Vertragsendes befristeter Schadensersatzanspruch besteht, so bedarf es auch insoweit im Falle entsprechenden Bestreitens, wie vorliegend, der substantiierten Darlegung der adäquat-kausalen Verursachung; vorliegend hat, wie dargelegt, die Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt, dass entsprechende wirtschaftliche Einsatzmöglichkeiten für den vom Kläger geführten Firmen-Lkw im fraglichen Zeitraum gegeben waren.

Hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Zahlungsansprüche des Klägers gilt folgendes:

Das Arbeitsgericht ist zutreffend zunächst davon ausgegangen, dass dem Kläger für den Monat November 2018 ein Anspruch in Höhe von 2.875,00 EUR zusteht (Bl. 301 d.A.). Der Kläger hat insoweit Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.675,00 EUR gemäß § 611 a Abs. 2 BGB und zusätzlich Anspruch auf Zahlung in Höhe von 200,00 EUR, die in den Vormonaten jeweils vorbehaltlos geleistet wurde. Warum dieser Anspruch für November 2018 nicht gegeben sein sollte, ist nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden. Soweit der Kläger die Zahlung von unstreitig tatsächlich angefallenen Spesen für den November 2018 in Höhe von 612,00 EUR geltend gemacht hat, hat das Arbeitsgericht angenommen, dass dieser Anspruch durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen ist. Im Berufungsverfahren hat der Kläger eingeräumt, dass er für Oktober/November 2018 612,00 EUR abgerechnet und gezahlt erhalten hat; er hat aber zugleich geltend gemacht, dass damit nur ein Teil der Spesen für November 2018 erfasst sind und dass ein Restbetrag in Höhe von 216,00 EUR demgegenüber noch nicht bezahlt worden ist, ihm also noch zusteht. Dieses Vorbringen im Berufungsverfahren hat die Beklagte nicht, insbesondere nicht substantiiert, bestritten, so dass auf die Berufung des Klägers hin die Beklagte zur weiteren Zahlung von 216,00 EUR für verauslagte Spesen zu verurteilen war. Weitergehende Ansprüche für den Monat November 2018 stehen dem Kläger nicht zu. Nach dem die Beklagte im Berufungsverfahren davon abgesehen hat, an der Aufrechnung mit dem ihr zustehenden Schadensersatzanspruch auch gegen diesen Entgeltanspruch aufzurechnen, bedarf es keiner weiteren Ausführungen.

Hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 5.373,95 EUR brutto Urlaubsabgeltung sowie hinsichtlich der teilweisen Klageabweisung betreffend die Vergütung von vom Kläger behaupteten Überstunden hat das Arbeitsgericht in der streitbefangenen Entscheidung ausgeführt:

„1. Der Kläger hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.373,95 EUR brutto.

a. Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Das Arbeitsverhältnis ist aufgrund wirksamer außerordentlicher Kündigung vom 30.11.2018 beendet.

b. Der Höhe nach folgt der Anspruch aus §§ 3 Abs. 2, 5, 11 Abs. 1 BUrlG.

(1) Abzugelten sind 40,5 Urlaubstage. Der Beklagtenvortrag ist insoweit als zutreffend zu unterstellen.

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet, falls er sich auf die (teilweise) Erfüllung eines abzugeltenden Urlaubsanspruchs beruft (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06. Mai 2014 – 7 Sa 540/13 –, Rn. 42, juris). Dem ist die Beklagte nachgekommen. Sie hat angeführt, der übertragene Resturlaubsanspruch für 2017 belaufe sich auf 17,5 Tage, von denen ein Tag am 03.01.2018 in Anspruch genommen werde. Damit bestehe unter Hinzunahme des gesamten Jahresurlaubs für 2018 von 24 Tagen noch ein abzugeltender Resturlaubsanspruch von 40,5 Tagen.

Diesem Vortrag ist der Kläger nicht entgegengetreten, obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre. Er hat sich zur Anspruchsbegründung auf die Angabe der Urlaubstage gemäß der Abrechnung für Oktober 2018 (42,5 Tage) bezogen. Durch diese Angabe ist die Anzahl der Urlaubstage indes nicht verbindlich festgeschrieben. Die Lohnabrechnung hat nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Der Lohnabrechnung kann somit regelmäßig nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren will, wenn er diesen Urlaub nach Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag nicht schuldet. Will der Arbeitgeber mit der Abrechnung eine derartige Erklärung abgeben, so müssen dafür besondere Anhaltspunkte vorliegen (vgl., Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Februar 2016 – 2 Sa 244/15 –, Rn. 25, juris). Dies ist hier nicht der Fall.

(2) Je Urlaubstag ist ein Entgelt von 132,69 EUR brutto zugrunde zu legen. Dies ergibt sich gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG die Division des Entgelts des Klägers für die letzten dreizehn Wochen durch die Anzahl der regelmäßigen Arbeitstage (5 Tage/Woche, also 65 Arbeitstage). Der vorgenannte Betrag ergibt sich damit aus drei Bruttomonatsgehälter á 2.675,00 EUR zuzüglich dreier „Zusatzzahlungen“ á 200,00 EUR brutto geteilt durch 65 Arbeitstage.

Für 40,5 Urlaubstage besteht damit ein Abgeltungsanspruch von 5.373,95 EUR brutto.

Die Beklagte rechnet offenkundig mit einem Entgelt von 123,46 EUR je Urlaubstag und lässt damit – ohne, dass hierfür ein Rechtsgrund vorgetragen oder ersichtlich wäre – die „Zusatzzahlung“ von 200,00 EUR brutto, die in den drei Monaten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wurden, unberücksichtigt.

2. Der mit dem Hilfsantrag zu b) geltend gemachte Anspruch auf Überstundenabgeltung besteht nicht. Der Kläger ist der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht gerecht geworden. Auf die Wirksamkeit oder eine etwaige Hemmung der vertraglich vereinbarten Verfallfrist kommt es mithin nicht an.

a. Der Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, muss insbesondere, wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zeitraum liegt, im Bestreitensfalle im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Er muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und die genauen Zeiten angeben, die er über die normale Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Weiter hat der Arbeitnehmer vorzutragen, dass er tatsächlich an den betreffenden Daten gearbeitet hat und welche Tätigkeit durch ihn ausgeführt wurde (vergleiche BAG, Urteil vom 03.November 2004 – 5 AZR 648/03 –juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 SA 228/14 –, juris). Der Arbeitnehmer muss also auch darlegen, welche konkret geschuldete Arbeit er ausgeführt hat. Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten dabei dieselben Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-) Arbeit verrichtet zu haben. Allein der Arbeitnehmer für Überstunden hat darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Maße verrichtet hat (vergleiche BAG, Urteil vom 16. Mail 2012 – 5 AZR 347/11 –, NZA 2012, 939).

b. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass er die seinerseits zur Abgeltung verlangten 96 Überstunden tatsächlich geleistet hat, was die Beklagte bestritten hat. Fehlt es schon an dieser Voraussetzung, kommt es nicht weiter darauf an, dass er ebenso wenig dargelegt hat, dass die Überstunden angeordnet wurden.

Der Kläger behauptet zusammengefasst, er habe mit dem Geschäftsführer der Beklagten besprochen, zunächst 96 Überstunden anzusammeln, die dann mit den im Winter anfallenden Minusstunden verrechnet werden sollten; eine monatliche Geltendmachung sei damit nicht erforderlich gewesen.

Der Kläger hat auf das Bestreiten der Beklagten für keine der geltend gemachten Überstunden dargelegt, wann diese geleistet wurden oder durch wen diese angeordnet worden sein sollten. Dies geht nach vorstehenden Grundsätzen zur Verteilung der Darlegungslast zu seinen Lasten. Fehlt es schon an dieser Voraussetzung für die Anspruchsentstehung, kommt es auf die Frage, ob zwischen den Parteien eine Abrede getroffen wurde, die von der vertraglichen Verfallsfrist abwich, getroffen wurde.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollinhaltlich an und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Das weitere Vorbringen der Parteien im Rahmen von Berufung und Anschlussberufung rechtfertigt keine abweichende des insoweit maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Soweit die Beklagte (Bl. 382 f. d.A.) sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Vergütung für November 2018 und Urlaubsabgeltung im Hinblick auf die von ihr erklärte Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch der Beklagten auf Ersatz des Wertes des entwendeten Kraftstoffs wendet, steht dies zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer im Berufungsverfahren der Verurteilung nicht (mehr) entgegen, weil die Beklagte insoweit ausdrücklich von der Aufrechterhaltung der Aufrechnung Abstand genommen hat. Soweit sie des Weiteren (Bl. 422 d.A.) geltend macht, der Zuschuss von 200,00 EUR monatlich sei nur ab Juli 2018 gezahlt worden und habe nur bis Dezember 2018 gezahlt werden sollen, fehlt jegliches substantiierte Vorbringen im Hinblick auf das hinreichend substantiierte Bestreiten des Klägers, dass eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien insoweit getroffen worden ist. Die Beklagte hat auch im Nachgang (Bl. 456 d.A.) insoweit nicht nachvollziehbar dargelegt, wer, wann, mit wem eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat, sondern lediglich die Befristung der Zuzahlung behauptet und sodann unter Beweisantritt behauptet, der Kläger sei von der Beklagten mit Schreiben vom 18.09.2018 informiert worden. Wie sich daraus eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben soll, erschließt sich nicht. Die von ihr insoweit vorgelegte Mitteilung, an den Kläger adressiert, ist maschinell erstellt und enthält den Text: „Anbei erhalten Sie eine Vereinbarung zur befristeten Sonderzahlung in zweifacher Ausfertigung mit der Bitte, beide Exemplare unterschrieben zur Gegenzeichnung an uns zurückzugeben …“ (Bl. 465 d.A.). Vorbringen dazu, dass der Kläger diese Vereinbarung unterzeichnet und zurückgereicht hat, fehlt, ebenso wird die schriftlich abgeschlossene Vereinbarung von der Beklagten nicht vorgelegt. Da bereits eine hinreichend substantiierte Behauptung einer entsprechenden Vereinbarung damit vollumfänglich fehlt, war eine Beweisaufnahme nicht veranlasst. Soweit die Beklagte hinsichtlich der Berechnung der Urlaubsabgeltung pro Urlaubstag (s. Bl. 457 f. d.A.) davon ausgeht, dass die befristete Zusatzzahlung in Höhe von 200,00 EUR brutto in die Berechnung nicht miteinzubeziehen ist, kann dem aus den zuvor dargestellten Gründen nicht gefolgt werden. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Vereinbarung zwischen den Parteien über eine Verdiensterhöhung nur vorübergehender Natur getroffen worden ist, bestehen nicht.

Hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Überstundenvergütung hat der Kläger lediglich ohne jegliche Substantiierung nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen behauptet, die Vereinbarung zur Ableistung zusätzlicher Samstags- und Feiertagsarbeit zu den geschilderten Stundenlöhnen sei zwischen dem Kläger und dem Werkstattmeister der Beklagten erfolgt, der dann jeweils die Samstagsarbeit eingeteilt hat. Dieses Vorbringen ist – auch – im Berufungsverfahren so unsubstantiiert, dass es einem substantiierten Bestreiten durch die Beklagte nicht zugänglich ist. Eine weitere Substantiierung bedeutet insoweit auch keine Überforderung des Klägers durch Überspannung der ihm obliegenden Darlegungslast, denn wenn eine derartige Vereinbarung, wie von ihm behauptet, zustande gekommen ist, war er selbst unmittelbar und persönlich daran beteiligt, kann also auch die Einzelheiten schildern. Ebenso unsubstantiiert ist die Darlegung, dass in der Vergangenheit Überstunden entsprechend der geschilderten Vereinbarung vergütet worden seien; hinsichtlich der genauen Tage und Stunden, an denen der Kläger die zusätzliche Arbeit erbracht haben will, wird angekündigt, diese kurzfristig nachzureichen, was seit dem 21.02.2020 zu keinem Zeitpunkt trotz des substantiierten Bestreitens durch die Beklagte erfolgt ist.

Nach alledem war der Berufung der Beklagten hinsichtlich des Schadensersatzes für entwendeten Dieselkraftstoff stattzugeben; im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen. Die Anschlussberufung des Klägers führte zur weiteren Verurteilung der Beklagten zur Zahlung in Höhe von 216,00 EUR Spesenersatz; im Übrigen war die Anschlussberufung des Klägers dagegen unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91, 92 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

 

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