Skip to content

Nicht jede Falschangabe bei Einstellungsverhandlungen stellt eine arglistige Täuschung dar

Anfechtung des Arbeitsvertrags: Klärung der arglistigen Täuschung im Einstellungsprozess

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass die Anfechtung und Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Klägers durch den Arbeitgeber unrechtmäßig waren. Die Begründungen der Kündigung beruhten auf Vorwürfen gegen den Kläger bezüglich seiner vorherigen Tätigkeit als Geschäftsführer, die nicht nachweislich das neue Arbeitsverhältnis beeinträchtigten. Zudem konnte keine arglistige Täuschung durch den Kläger festgestellt werden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: ——   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unzulässige Anfechtung: Das Gericht stellte fest, dass die Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber aufgrund mangelnder Beweise für eine arglistige Täuschung unrechtmäßig war.
  2. Fehlende Kausalität: Es konnte kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der behaupteten Täuschung und dem Abschluss des Arbeitsvertrages festgestellt werden.
  3. Unwirksame Kündigung: Sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung waren mangels ausreichender Begründung unwirksam.
  4. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes: Trotz der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses war das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, da eine Betriebszugehörigkeit seit 1995 anerkannt wurde.
  5. Keine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis: Dem Kläger wurden keine Pflichtverletzungen innerhalb des neuen Arbeitsverhältnisses vorgeworfen.
  6. Aussagen des Klägers: Die Aussagen des Klägers über die Prüfung von Abrechnungen wurden nicht als Täuschung angesehen, da kein eindeutiger Nachweis für eine bewusste Irreführung vorlag.
  7. Weiterbeschäftigungsanspruch: Dem Kläger steht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Vertragsbedingungen zu.
  8. Kostenübernahme durch Beklagte: Als unterlegene Partei muss die Beklagte die Kosten des Verfahrens tragen.

Die rechtlichen Facetten der Falschangaben in Einstellungsverhandlungen und ihre Konsequenzen

Im Fokus des arbeitsrechtlichen Diskurses steht die Frage, inwieweit Falschangaben in Einstellungsverhandlungen eine arglistige Täuschung darstellen können und welche rechtlichen Folgen sich daraus für das Arbeitsverhältnis, insbesondere hinsichtlich der Kündigung, ergeben. Dieses Thema ist in der Rechtsprechung von erheblicher Bedeutung, da die Grenzen zwischen einer harmlosen Falschaussage und einer arglistigen Täuschung oft fließend und situationsspezifisch sind.

Falschangabe bei Einstellung: Die wichtigsten Rechtsfragen
(Symbolfoto: G-Stock Studio /Shutterstock.com)

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern eröffnet sich ein komplexes Spektrum an juristischen Bewertungen. Es gilt, die unterschiedlichen Aspekte und Abwägungen sorgfältig zu betrachten, um zu einem gerechten Urteil zu gelangen. Dabei ist die Betrachtung jedes Einzelfalles entscheidend, um die rechtlichen Konsequenzen einer Falschaussage während der Einstellungsphase eines Arbeitsverhältnisses adäquat zu beurteilen.

Im Folgenden wird ein konkretes Urteil des Landesarbeitsgerichts vorgestellt, das wichtige Einblicke in die Beurteilung solcher Fälle bietet und damit ein interessantes Licht auf die praktische Anwendung dieser Grundsätze in der Rechtsprechung wirft.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern und die Definition der Arglist

In dem Rechtsstreit, der vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgetragen wurde, drehte sich alles um die Frage, inwieweit Falschangaben während der Einstellungsverhandlungen als arglistige Täuschung zu werten sind. Im Mittelpunkt stand ein Kläger, der ab August 1995 bei der Arbeiterwohlfahrt – Kreisverband M./St. e.V. beschäftigt war und später die Geschäftsführung der Beklagten übernahm. Während der Corona-Pandemie im März 2020 schloss er eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit und beantragte entsprechende Absenkungen in verschiedenen Abteilungen.

Konfliktpunkte und Vorwürfe in den Verhandlungen

Der Konflikt begann mit einem Gespräch im Januar 2021, in dem der Kläger mit verschiedenen AWO-Vertretern zusammentraf. Was genau in diesem Gespräch und in einer nachfolgenden Gremiensitzung gesagt wurde, blieb zwischen den Parteien umstritten. Nach dem Verlassen des Klägers aus der Sitzung entschieden die Teilnehmer, die Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit zu suchen. Der Kläger wurde schließlich im Februar 2021 als Einrichtungsleiter/Supervisor/Fachberater eingestellt.

Kern der juristischen Auseinandersetzung

Die juristische Auseinandersetzung entzündete sich an Vorwürfen gegen den Kläger, er habe im Rahmen seiner früheren Geschäftsführertätigkeit Falschabrechnungen gegenüber dem Landkreis/Jugendamt verantwortet. Die Beklagte warf ihm vor, in den besagten Gesprächen gelogen zu haben, was sie zur Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung veranlasste.

Urteil des Landesarbeitsgerichts: Keine arglistige Täuschung

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die Berufung der Beklagten zurück. Es stellte fest, dass eine arglistige Täuschung nicht nachgewiesen werden konnte. Der Kläger habe zwar Falschaussagen gemacht, indem er behauptete, bestimmte Abrechnungen überprüft zu haben, jedoch fehlte es an der notwendigen Kausalität zwischen diesen Aussagen und dem Abschluss des Arbeitsvertrages. Das Gericht betonte, dass der Kläger möglicherweise unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe, diese aber nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrages waren.

Weiterführende Betrachtungen und Ausblick

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung aller Umstände in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, insbesondere wenn es um die Anfechtung von Arbeitsverträgen aufgrund von arglistiger Täuschung geht. Der Fall zeigt, dass nicht jede unrichtige Aussage automatisch zu einer Anfechtung führt, sondern dass eine umfassende Betrachtung der Kausalität erforderlich ist. Zukünftige Fälle dieser Art werden möglicherweise ähnliche sorgfältige Abwägungen erfordern, um festzustellen, ob eine arglistige Täuschung vorliegt oder nicht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Bedeutung haben Einstellungsverhandlungen für die Gültigkeit eines Arbeitsvertrages?

Einstellungsverhandlungen spielen eine entscheidende Rolle für die Gültigkeit eines Arbeitsvertrages. Sie sind der erste Schritt in der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses und legen den Grundstein für die Vertragsgestaltung und die praktische Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses.

Während der Einstellungsverhandlungen werden die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsvertrages besprochen. Dazu gehören unter anderem die Tätigkeit und der Arbeitsort, die Vergütung inklusive Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, die Arbeitszeit, Regelungen im Krankheitsfall und der Urlaubsanspruch pro Jahr.

Die Einstellungsverhandlungen sind auch der Ort, an dem potenzielle Diskriminierungen vermieden werden müssen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stellt hier besondere Anforderungen an die Arbeitgeber.

Ein interessanter Aspekt der Einstellungsverhandlungen ist die Sprache, in der sie geführt werden. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19.03.2014 bestätigt die Wirksamkeit eines von einem Arbeitnehmer unterzeichneten Arbeitsvertrages, auch wenn dieser der im Vertragstext verwendeten Sprache nicht mächtig ist.

Es ist auch zu erwähnen, dass ein Arbeitsvertrag grundsätzlich formfrei ist und sowohl schriftlich als auch mündlich, ausdrücklich oder stillschweigend geschlossen werden kann. Allerdings empfiehlt sich aus Beweisgründen immer die Schriftform.

Zusätzlich zu den während der Einstellungsverhandlungen besprochenen Punkten, müssen Arbeitgeber seit dem 1.8.2022 ihre Arbeitsverträge auf die dann gültige Rechtslage anpassen und die Arbeitnehmer entsprechend informieren.

Daher sind Einstellungsverhandlungen von zentraler Bedeutung für die Gültigkeit eines Arbeitsvertrages, da sie die Grundlage für die Vertragsgestaltung bilden und sicherstellen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 2 Sa 74/22 – Urteil vom 10.01.2023

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg – vom 08.04.2022 zum Aktenzeichen 11 Ca 180/21 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der im September 1968 geborene, verheiratete, einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war ab dem 01.08.1995 bei der Arbeiterwohlfahrt – Kreisverband M./St. e.V. beschäftigt, deren Einrichtungen zum 01.01.2004 in die AWO-M.-St. gGmbH (im Folgenden: AWO … gGmbH) überführt wurden. Gemäß Arbeitsvertrag vom 12.01.2004 war der Kläger hier als Diplom-Sozialpädagoge/Leiter TESA tätig. Er übernahm am 01.01.2014 die Geschäftsführung der Beklagten.

Ab dem 16.03.2020 erfolgten im Rahmen der Auswirkungen der Corona-Pandemie u.a. Schließungen von Schulen, Kindertagesstätten und Einrichtungen der Arbeitsmarktintegration. Damit waren die Tätigkeitsfelder der Beklagten betroffen. Der Kläger schloss für den Betrieb der Beklagten am 27.04.2020 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit und beantragte u.a. in der Eingliederungshilfe und in der Arbeitsintegration die Absenkung auf „0“ Stunden, wobei als Ausnahmetatbestand formuliert wurde, dass sich diese Regelung nicht auf Mitarbeiter der Abteilungen Eingliederungshilfe und Arbeitsintegration bezieht, die zur Aufrechterhaltung von Betreuungstätigkeiten weiterhin tätig sein können.

Am 20.01.2021 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger, Herrn R. T., Vorsitzender AWO … gGmbH, Herrn M. M., Geschäftsführer AWO … gGmbH, Frau H. H., Personalleiterin der AWO … gGmbH sowie der Beklagten. Welche Aussagen der Kläger während dieses Gespräches tätigte, ist zwischen den Parteien streitig.

In der Gremiensitzung am 03.02.2021, an der die jeweiligen Gesellschafter und ihre Vertreter teilnahmen, also für den Mitgesellschafter der Beklagten die AWO … gGmbH und deren Geschäftsführer M. sowie die Vorstände des AWO Kreisverbandes M.-S. e.V., kam es zu Aussagen des Klägers, deren Inhalt zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist. Nachdem der Kläger die Sitzung verlassen hatte, wurde unter den übrigen Beteiligten entschieden, dass nach einer Möglichkeit der Zusammenarbeit im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses mit dem Kläger gesucht werden solle. Die Beklagte hat einen Protokollauszug als Anlage B 6 (Bl. 173 ff d.A.) eingereicht.

Der Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 05.02.2021 (Anlage K 7, Bl. 106 d.A.) ist folgender Beschluss zu entnehmen:

„ 1.

Die Bestellung von Herrn J. M. zum Geschäftsführer wird mit sofortiger Wirkung gem. § 38 Abs. 1 GmbHG widerrufen.

2.

Der Dienstvertrag von Herrn J. M. wird mit sofortiger Wirkung/mit Wirkung zum 09.02.2021 gekündigt, hilfsweise mit ordentlicher Wirkung zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

3.

Zum besonderen Vertreter der Gesellschaft wird Herr M. M., der Geschäftsführer des Gesellschafters AWO M.-S. gGmbH bestellt, der die vorgenannten Beschlüsse Herrn A. mitzuteilen und das schriftliche Kündigungsschreiben gemäß Punkt 2 zu unterzeichnen hat.

Er ist ebenfalls als Vertreter der Gesellschaft berechtigt, einen etwaigen Aufhebungsvertrag mit Herrn J. M. abzuschließen, über die Beendigung des Dienstverhältnisses zu verhandeln und unter Berücksichtigung der Nebenabrede vom 27.12.2013 (zum Arbeitsvertrag vom 12.01.2004), wonach durch die Tätigkeit des Herrn M. ab dem 01.01.2014 als Geschäftsführer der AWO V. M. S. gGmbH der Arbeitsvertrag mit der AWO M.-S. gGmbH nicht aufgehoben wird und nach Beendigung des Geschäftsführerverhältnisses wieder auflebt, die Eingliederung in das bisherige Arbeitsverhältnis zu organisieren.

Wegen des bei der AWO M.-S. gGmbH ausgegliederten Tätigkeitsfeldes (in die hiesige Gesellschaft) des Herrn M. kann auch eine Überführung des Arbeitsverhältnisses in die AWO V. M. S. gGmbH erfolgen.“

Mit Schreiben vom 08.02.2021 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten abberufen bzw. sein Geschäftsführerdienstverhältnis wurde gekündigt. Das Arbeitsverhältnis zur AWO … gGmbH wurde durch Aufhebungsvertrag vom 19.02.2021 zum 19.02.2021 beendet. Gemäß Arbeitsvertrag vom 19.02.2021 (Anlage K 1, Bl. 14 ff d.A.) wurde der Kläger ab dem 20.02.2021 bei der Beklagten als Einrichtungsleiter/Supervisor/Fachberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu einer monatlichen Bruttovergütung von 4.460,00 € plus Zulage in Höhe von 240,00 € eingestellt. Die unter 3. im Arbeitsvertrag enthaltene Regelung lautet:

„3. Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses/Betriebszugehörigkeit

(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am 20.02.2021 und ist unbefristet.

(2) Dieser Vereinbarung wird eine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.08.1995 zu Grunde gelegt.

(3) Eine Probezeit existiert nicht.“

Mit Schreiben vom 09.07.2021 (Anlage B 1, Bl. 66, 67 d.A.) wurde dem Kläger seitens der Beklagten vorgehalten, dass Abrechnungen gegenüber dem Landkreis/Jugendamt in seiner Verantwortung manipuliert und erheblich zu hohe Beträge in Rechnung gestellt worden seien, von einer Überzahlung in Höhe von 116.000,00 € ausgegangen werde. Zudem habe er in dem Gespräch am 20.01.2021 mitgeteilt, dass sämtliche Abrechnungen des Zeitraumes April 2020 – Dezember 2020 gegenüber dem Landkreis von ihm geprüft und als stimmig qualifiziert worden seien. Er habe darüber hinaus am 03.02.2021 in der Gremiensitzung erklärt, dass zwar Kurzarbeitergeld zu Unrecht beantragt wurde, jedoch der Landkreis nicht betrogen worden sei. Es sei davon auszugehen, dass er in vorgenannten Gesprächen ihre Entscheidungsträger bezüglich der Unregelmäßigkeiten und Manipulationen bei der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen gegenüber dem Landkreis getäuscht und angelogen habe. Es wurde dem Kläger Gelegenheit gewährt, sich spätestens bis zum 15.07.2021 schriftlich zu den Vorwürfen zu äußern. Der Kläger antwortete mit anwaltlichem Schreiben vom 14.07.2021 (Anlage B 2, Bl. 69, 70 d.A.), in welchem er die Behauptung, die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis/Jugendamt und Sozialamt seien in seiner Verantwortung manipuliert und erheblich zu hohe Beträge in Rechnung gestellt worden, energisch zurückwies und u.a. einwandte, dass der Betriebsrat durch die Beklagte bereits am 16.02.2021 über den nunmehr behaupteten Sachverhalt in Kenntnis gesetzt worden sei.

Mit Schreiben vom 09.08.2021 (Anlage B 3, Bl. 71 d.A.) informierte die Beklagte ihren Betriebsrat über die Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2022 zu kündigen.

Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 11.08.2021 (Anlage B 4, Bl. 72 d.A.) mit der Begründung, zur Einstellung des Klägers seien dem Betriebsrat keinerlei Vorbehalte mitgeteilt worden und während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses habe es keine Veranlassung zur Beanstandung gegeben. Die Einstellung des Klägers sei in Kenntnis des Sachverhaltes erfolgt, der nunmehr zur Begründung der Kündigung herangezogen werde. Dass falsche Abrechnungen gegenüber dem Landkreis erfolgten, sei spätestens am 16.02.2021 bekannt gewesen. Der beabsichtigten ordentlichen Kündigung widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 16.08.2021 (Anlage K 13, Bl. 118 d.A.) mit derselben Begründung.

Durch Schreiben vom 16.08.2021 (Anlage K 2, Bl. 18 d.A.) – dem Kläger am 17.08.2021 zugegangen – hat die Beklagte den Arbeitsvertrag vom 19.02.2021 wegen arglistiger Täuschung angefochten sowie das Arbeitsverhältnis vorsorglich außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2022 gekündigt.

Mit der vorab per Fax am 01.09.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Anfechtung des Arbeitsvertrages und die ausgesprochenen Kündigungen gewandt. Er hat die Anfechtung mangels Anfechtungsgrundes als unwirksam erachtet, die außerordentliche Kündigung mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes und Fehlen der im Übrigen für eine außerordentliche Kündigung erforderlichen Voraussetzungen als rechtswidrig bewertet, die ordentliche Kündigung als sozial ungerechtfertigt für rechtsunwirksam erachtet.

Der Kläger hat eine arglistige Täuschung geleugnet und vorgetragen, es habe im Vorfeld des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit der Beklagten keinerlei Gespräche gegeben, welche Gelegenheit zu einer arglistigen Täuschung geboten hätten. Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass für eine künftige Zusammenarbeit auf Ebene eines Anstellungsverhältnisses maßgeblich gewesen sei, dass er in den zurückliegenden Wochen Aufklärungsbemühungen unternommen hätte, um Falschabrechnungen von Kurzarbeit aufzuklären, dass entscheidend gewesen sei, dass sein Verhalten auf Transparenz ausgerichtet, insbesondere kein anderes Fehlverhalten verdeckt gewesen sei und keine anderen falschen Aussagen zum Verschleiern von anderen Sachverhalten im Raum gestanden hätten. Ihm gegenüber seien derartige Punkte nicht kommuniziert worden. Es habe aus seiner Sicht auch keinen Anlass dazu gegeben.

Der Kläger hat bestritten, am 20.01.2021 und/oder am 03.02.2021 anlässlich der Gespräche gesagt zu haben, „der Landkreis ist aber nicht betrogen worden“. Er trägt vor, er habe lediglich ausgeführt, dass seines Wissens entsprechend der beiden Rundschreiben des Landkreises Nr. 05/2020 und Nr. 08/2020 (Anlage K 9, Bl. 108 ff d.A.) sowie Anlage K 10 (Bl. 112 ff d.A.) abgerechnet worden sei. Bei dem Gespräch am 20.01.2021 habe er deshalb auch die Einrichtungsleiterin für den Bereich Eingliederungshilfe, Frau S., dabeihaben wollen. Sie sei nach circa 2 Stunden dazugekommen, vor dem Hintergrund, dass die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis generell nicht von ihm, sondern von den Einrichtungsleitern erstellt und verschickt werden. Er habe diese Abrechnungen gar nicht zu Gesicht bekommen. Falsch sei zudem die Behauptung, er habe im Gespräch am 20.01.2021 erklärt, er habe auch die in den zurückliegenden Monaten gegenüber dem Landkreis für die erbrachten Dienstleistungen erstellten Abrechnungen geprüft. Da er weder behauptet habe, geprüft zu haben, noch tatsächlich geprüft habe, habe er auch nicht mitgeteilt, die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis seien stimmig.

Der Kläger hat bestritten, dass sich nach dem 20.02.2021 in belastbarer Form herausgestellt habe, dass etwaige Aussagen und Zusicherungen seinerseits in den Sitzungen vom 03.02.2021 und 20.01.2021 inhaltlich falsch gewesen seien, dass spätere Recherchen hervorgebracht hätten, dass gegenüber dem Landkreis in erheblicher Größenordnung durch die Beibringung fehlerhafter Monatsabrechnungen für den Zeitraum April – Juli 2020 betrogen worden sei. Es seien ihm weder Unregelmäßigkeiten noch Manipulationen bei den Abrechnungen bekannt gewesen. Er habe etwaige falsche Abrechnungen gegenüber dem Landkreis auch nicht zu verantworten. Eine strafrechtliche Relevanz sei für ihn nicht ersichtlich. Unabhängig davon, ob ihm ein Vorwurf bezüglich fehlerhafter Abrechnungen gegenüber dem Landkreis gemacht werden könne, seien auf einen solchen Sachverhalt weder eine Anfechtung noch der Ausspruch von Kündigungen zu stützen, weil spätestens seit dem 16.02.2021 bekannt gewesen sei, dass gegenüber dem Landkreis gegebenenfalls fehlerhaft abgerechnet wurde. Die Geschäftsführerin der Beklagten sei am 17.02.2021 durch den Geschäftsführer der AWO … gGmbH darüber informiert worden, dass seit dem 16.02.2021 bekannt sei, dass die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis nicht korrekt seien. Dennoch sei sein Arbeitsvertrag am 19.02.2021 abgeschlossen worden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der ausgesprochenen ordentlichen Kündigung fehle die soziale Rechtfertigung. Diese sei erforderlich, weil aufgrund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag, dass eine Betriebszugehörigkeit ab dem 01.08.1995 gelte, das Kündigungsschutzgesetz gemäß § 1 KSchG zur Anwendung gelange. Mit dieser Vereinbarung und der Regelung, dass keine Probezeit bestehe, hätten die Parteien klar zum Ausdruck gebracht, dass das Arbeitsverhältnis direkt dem Kündigungsschutzgesetz unterstellt sein solle. Es sei insoweit nicht nur lediglich um die Geltung von Kündigungsfristen gegangen.

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei zwar mit Schreiben vom 09.07.2021 formal angehört worden, jedoch habe die Geschäftsführerin der Beklagten bereits am 17.06.2021 berichtet, dass die Gesellschafterversammlung am 09.06.2021 die Entscheidung getroffen habe, seinen Arbeitsvertrag anzufechten und zu kündigen.

Der Kläger ist davon ausgegangen, dass die Beteiligung des Betriebsrates mangels seiner vollständigen Information nicht ordnungsgemäß verlaufen sei, indem die Beklagte dem Betriebsrat gegenüber auf einen falschen Zeitpunkt zum Vorliegen von Erkenntnissen abgestellt und nicht wahrheitsgemäß mitgeteilt habe, dass die Erkenntnisse bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages vorhanden gewesen seien.

Zur Interessenabwägung hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Arbeitsvertrag in Kenntnis der Sachlage geschlossen, soweit ihm Umstände aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer vorgeworfen würden, seien diese nicht geeignet, einen Kündigungsgrund für das Arbeitsverhältnis der Parteien bilden zu können. Eine Kündigung könne vielmehr nur darauf gestützt werden, dass er im Arbeitsverhältnis fehlerhaft gehandelt habe. Dies sei nicht der Fall.

Im Übrigen hat der Kläger dargestellt, die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Kündigungsentschluss in der Gesellschafterversammlung am 09.06.2021 getroffen worden sei, der Zugang der Kündigung am 17.08.2021 jedoch mehr als zwei Monate später liege, der Sachverhalt, auf den die Kündigung gestützt werde, zudem bereits am 16.02.2021 bekannt gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Anfechtung des Arbeitsvertrages vom 16.08.2021 durch die Beklagte unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 19.02.2021 besteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die fristlose und außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 16.08.2021 nicht aufgelöst ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die vorsorglich ausgesprochene ordentliche und fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 16.08.2021 nicht aufgelöst ist, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den Ablauf des 31.03.2022 hinaus fortbesteht,

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Einrichtungsleiter/Supervisor/Fachberater weiterzubeschäftigen,

hilfsweise hat der Kläger beantragt,

5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.550,55 EUR brutto zuzüglich Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung und Zuschuss zur freiwilligen Pflegeversicherung in Höhe von 641,37 EUR, nebst Zinsen auf den Gesamtbetrag von 7.191,92 EUR in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.08.2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis infolge der Anfechtung für beendet erachtet, weil der Kläger in unmittelbarer Vorbereitung des Vertragsabschlusses arglistig getäuscht habe.

Sie hat behauptet, nach der Entscheidung der Gesellschafterversammlung, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen, habe die Überlegung im Raum gestanden, da seine Expertise im Bereich der Eingliederungshilfe nicht unbeachtlich sei und die Entscheidungsträger auf Gesellschafterebene willens gewesen seien, die Aufklärungsbemühungen und die Wiedergutmachung des Klägers in den zurückliegenden Wochen zu honorieren, den Kläger auf anderer Ebene im Unternehmen weiter zu beschäftigen. Diese Option sei dem Kläger auch verdeutlicht worden. Für eine zukünftige Zusammenarbeit auf Ebene eines Anstellungsverhältnisses sei maßgeblich gewesen, dass der Kläger einerseits in den zurückliegenden Wochen Aufklärungsbemühungen unternommen hatte, um die Falschabrechnungen von Kurzarbeitergeld aufzuklären und dass andererseits sein Verhalten auf Transparenz ausgerichtet gewesen sei, insbesondere kein anderes Fehlverhalten verdeckt wurde oder keine anderen falschen Aussagen zum Verschleiern von anderen Sachverhalten im Raum gestanden hätten. Der Kläger habe in dem Gespräch am 20.01.2021 ausgeführt, dass er auch die in den zurückliegenden Monaten gegenüber dem Landkreis für die erbrachten Dienstleistungen erstellten Abrechnungen geprüft habe und diese stimmig seien. In der Sitzung am 03.02.2021 habe der Kläger bekräftigt, dass zwar beim Kurzarbeitergeld etwas – wohl aus Unwissenheit – zu Unrecht beantragt worden sei, dass der Landkreis jedoch nicht betrogen worden sei. Vor dem Hintergrund dieser Aussagen hätten die handelnden Personen anlässlich ihrer Sitzung am 03.02.2021 entschieden, dass nach einer Möglichkeit der Zusammenarbeit im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses gesucht werden solle.

Spätere Recherchen hätten hervorgebracht, dass gegenüber dem Landkreis durch die Beibringung fehlerhafter Monatsabrechnungen für den Zeitraum April – Juli 2020 in erheblicher Größenordnung betrogen worden sei. So habe sich herausgestellt, dass gegenüber dem Landkreis Monatsrechnungen ausgereicht worden seien, welche Arbeitstätigkeiten beinhalteten, die tatsächlich nicht erbracht worden seien. Der Kläger habe damit die Gremienvertreter über die ihm bekannten Unregelmäßigkeiten und Manipulationen bei der Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen gegenüber dem Landkreis bewusst hinters Licht geführt. Dieser Umstand, dass der Kläger nicht nur im Rahmen der Kurzarbeit Entwicklungen zu vertreten gehabt habe, sondern auch falsche Abrechnungen gegenüber dem Landkreis zu verantworten habe, hätte eine Weiterbeschäftigung als Angestellter unmöglich gemacht. Der Kläger habe nicht nur über wesentliche Umstände getäuscht, sondern sogar seine Aufklärungsverpflichtung nicht beachtet. Die Falschabrechnung gegenüber dem Landkreis sei strafrechtlich relevant. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten lasse die für die Position des Klägers erforderliche Vertrauenswürdigkeit entfallen.

Der Kläger habe im Rahmen der Anbahnungsphase für den Abschluss eines Anstellungsvertrages die Gesellschaftervertretung angelogen. Dieses bewusste Lügen, welches in den Monaten Januar und Februar 2021 erfolgt sei, habe auch noch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 17.08.2021 entscheidungserhebliche Bedeutung gehabt. Das Vertrauensverhältnis sei grundlegend und endgültig zerstört. Der Kläger habe in der wesentlichen Frage, ob er nämlich Kenntnis davon gehabt bzw. daran mitgewirkt habe, dass im Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 falsche Abrechnungen gegenüber dem Landkreis getätigt worden seien, insbesondere Abrechnungen für nicht erbrachte Tätigkeiten erstellt wurden, gelogen. Das Fehlverhalten des Klägers, also das bewusste Lügen im Rahmen der falschen Beantwortung von Nachfragen, stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar. Hinzu komme, dass der Kläger selbst im Rahmen der Anhörung nicht bereit und in der Lage gewesen sei, sein Fehlverhalten einzuräumen, er sich vielmehr darauf versteift habe, zu behaupten, dass Falschabrechnungen gegenüber dem Landkreis nicht vorlägen. Das Vertrauen sei endgültig zerstört und lasse eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe die Einrichtungsleiterin S., welche die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis vorgenommen habe, angewiesen, so viel wie möglich abzurechnen. Sofern der Kläger keine Abrechnungen persönlich unterschrieben habe, komme es hierauf nicht an. In jedem Fall habe ihm als Geschäftsführer eine gesteigerte Sorgfaltspflicht und Fürsorgepflicht, was die Erstellung der Rechnungen und Rechnungslegung gegenüber Dritten anbelange, oblegen. Er habe durch entsprechende Kontrollmaßnahmen sicherstellen müssen, dass keine Fehlentwicklungen auftreten. Trotz der besonderen Situation habe sich der Kläger nicht veranlasst gesehen, Kontrollmaßnahmen durchzuführen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, entgegen der klägerischen Auffassung bedürfe die ordentliche Kündigung nicht der sozialen Rechtfertigung, weil das Kündigungsschutzgesetz mangels Ablaufs der Wartezeit gemäß § 1 KSchG keine Anwendung finde. Die arbeitsvertragliche Regelung zur Betriebszugehörigkeit beziehe sich allein auf die Geltung von Kündigungsfristen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder infolge erfolgreicher Anfechtung nichtig ist, noch durch Kündigung beendet wurde und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Zur Begründung hat es angeführt, der Kläger habe zwar getäuscht, indem er am 20.01.2021 wahrheitswidrig erklärt habe, er hätte die streitgegenständlichen Abrechnungen geprüft, diese seien in Ordnung gewesen, obgleich er eine Prüfung der Abrechnungen unstreitig nicht vorgenommen habe. Hingegen sei in der von der Beklagten behaupteten klägerischen Aussage vom 03.02.2021, der Landkreis sei nicht betrogen worden, bereits keine relevante Täuschungshandlung erkennbar, da nicht festgestellt werden könne und auch nicht substantiiert dargelegt sei, dass eine solche etwaige Aussage des Klägers, so sie denn eine Tatsachenbehauptung und kein Werturteil sein sollte, falsch gewesen wäre. Insoweit sei die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen eines Betruges nicht feststellbar. Dem Kläger fehle der für einen Betrug erforderliche Vorsatz, weil er unstreitig die Abrechnungen nicht geprüft und damit keine Kenntnis von den Abrechnungen gehabt habe. Eine etwaige Anweisung des Klägers, so viel wie möglich abzurechnen, stelle ebenfalls kein strafrechtlich relevantes Verhalten dar.

Soweit allerdings eine Täuschungshandlung vorliege, fehle es an der notwendigen Kausalität zwischen dieser und der Abgabe der Willenserklärung der Beklagten zum Abschluss des Arbeitsvertrages vom 19.02.2021. Die Beklagte stütze die Anfechtung vielmehr nicht auf die etwaige Falschbehauptung, die Abrechnungen geprüft zu haben, sondern darauf, dass der Kläger Kenntnis davon gehabt bzw. daran mitgewirkt habe, dass im Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 falsche Abrechnungen getätigt worden seien. Eine Kenntnis des Klägers von bewusst unrichtigen Abrechnungen sei durch die Beklagte jedoch nicht substantiiert dargelegt worden. Es lasse sich damit ein Anfechtungsgrund nicht feststellen. Da die Beklagte die außerordentliche und ordentliche Kündigung auf einen mit dem vermeintlichen Anfechtungsgrund identischen Sachverhalt stütze, seien sowohl die außerordentliche wie auch die ordentliche Kündigung mangels ausreichender Kündigungsgründe unwirksam. Insoweit bedürfe die ordentliche Kündigung der sozialen Rechtfertigung, weil das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sei, denn in der Vereinbarung der Parteien zur Betriebszugehörigkeit ohne Geltung einer Probezeit sei nach Sinn und Zweck der Wille erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger bereits mit Abschluss des Arbeitsvertrages den vollen Kündigungsschutz genießen solle. Hierfür spreche die klare Formulierung über die Anrechnung der Betriebszugehörigkeitszeiten ebenso wie der ausdrückliche Ausschluss einer Probezeit. Die Festlegung der Betriebszugehörigkeit ab dem 01.08.1995 habe sowohl für die Berechnung etwaiger Kündigungsfristen als auch für die Frage der Wartezeit im Sinne von § 1 KSchG Bedeutung.

Gegen das ihr am 12.04.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 11.05.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 13.06.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Hierzu führt die Beklagte aus, es liege entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht nur in der Behauptung des Klägers, die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis geprüft zu haben, obgleich unstreitig eine Prüfung nicht erfolgt sei, eine Täuschungshandlung, sondern der Kläger habe am 02.03.2021 zudem wahrheitswidrig erklärt, dass der Landkreis nicht betrogen worden sei. Hierin liege eine aktive Täuschungshandlung, die das Arbeitsgericht unzutreffend gewürdigt habe. Diese Aussage des Klägers stelle kein Werturteil, sondern eine Tatsachenbehauptung dar, weil sie inhaltlich überprüfbar sei. Tatsächlich habe die Mitarbeiterin S. falsche und manipulierte Abrechnungen für den Zeitraum April – Juli 2020 erstellt, welche vom Landkreis bezahlt worden seien. Sie – die Beklagte – habe nicht auf einen durch den Kläger begangenen „Betrug“ abgestellt, sondern es sei vielmehr vorgetragen worden, welche Mitarbeiterin welche Arbeitsweise an den Tag gelegt habe und welche konkreten Manipulationshandlungen begangen worden seien. Auch „Aussagen ins Blaue hinein“ gingen zu Lasten des Klägers. Die erforderliche Kausalität zwischen Täuschungshandlung des Klägers und Abgabe der Willenserklärung zum Arbeitsvertrag sei gegeben. Wäre für sie erkennbar gewesen, dass im Verhältnis zum Landkreis fehlerhafte Abrechnungen – im Verantwortungsbereich des Klägers, dem seinerzeit als Geschäftsführer in jedem Falle Aufsichts- und Kontrollpflichten oblegen hätten – erstellt worden seien, die auf einer bewussten Manipulation von Abrechnungsunterlagen beruhten, wäre der Arbeitsvertrag mit ihm nicht geschlossen worden. Die Annahme des Gerichts, sie – die Beklagte – habe jedenfalls von der partiellen Unrichtigkeit der Abrechnungen bereits zum Abschluss des Arbeitsvertrages Kenntnis gehabt, sei in dieser Form unrichtig. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung am 19.02.2021 habe sie nicht mit hinreichender und endgültiger Sicherheit gewusst, dass Abrechnungen manipuliert seien und in welchem Umfang dies geschehen war. Der tatsächliche Umfang der Falschabrechnungen sei erst in der Aufbereitungsphase bis zum Zeitpunkt Mai/Juni 2021 ermittelt worden. Der im Nachhinein festgestellte Umfang, das Ausmaß und die Größenordnung der Falschabrechnungen seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 19.02.2021 nicht im Ansatz erkennbar gewesen. Am 16.02.2021 sei lediglich von 5 bekannten/vermuteten systematisch aufgearbeiteten Verstößen ausgegangen worden. Erst nach dem 16.02.2021 sei das gesamte Ausmaß manipulierter Abrechnungen festgestellt worden.

Die streitgegenständliche Kündigung sei als Tatkündigung, hilfsweise als Verdachtskündigung formuliert. Hätte das Arbeitsgericht die hilfsweise ausgesprochene Verdachtskündigung ordnungsgemäß geprüft, hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass aufgrund der Verdachtslage und des Vertrauensverlustes die verhaltensbedingte Kündigung, jedenfalls in ordentlicher Form, das Arbeitsverhältnis beendet habe. Entgegen der gerichtlichen Ausführungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ergebe sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung nicht, dass dieses ohne Ablauf der gesetzlich erforderlichen Wartezeit zur Geltung kommen solle. Der Kontext des Ausschlusses der Probezeit und die Betriebszugehörigkeit seit 1995 verdeutlichten vielmehr, dass es allein um die Länge der Kündigungsfristen gehe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund/Kammern Neubrandenburg vom 08.04.2022, Az. 11 Ca 180/21, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen.

Der Kläger bestreitet weiterhin Erklärungen seinerseits gegenüber dem Landkreis, für erbrachte Dienstleistungen erstellte Abrechnungen überprüft zu haben, dass diese stimmig seien und der Landkreis nicht betrogen worden sei. Er trägt vor, er habe derartige Erklärungen bereits deshalb nicht abgegeben, weil er die Abrechnungen nicht geprüft habe. Es sei auch nicht seine Aufgabe gewesen, diese Abrechnungen zu prüfen. Die Abrechnungen seien vielmehr von den Einrichtungsleitern erstellt und direkt an den Landkreis gesendet worden, ohne dass er als Geschäftsführer in irgendeiner Form involviert gewesen sei. Der Geschäftsführer der AWO … gGmbH habe am 17.02.2021 der jetzigen Geschäftsführerin der Beklagten per E-Mail mitgeteilt, dass die Bestätigung, dass selbst die Abrechnung gegenüber dem Landkreis nicht korrekt gewesen sei, vorliege. Der Kläger bestreitet den von der Beklagten behaupteten Umfang von Falschabrechnungen, dass angebliche Falschabrechnungen gegenüber dem Landkreis bis zum 19.02.2021 nicht im Ansatz erkennbar gewesen seien, der Sachverhalt nach dem 19.02.2021 systematisch aufgearbeitet worden sei und die Geschäftsführerin der Beklagten dem zuständigen Dezernenten des Jugendamtes am 10.05.2021 in einem dienstlichen Gespräch mitgeteilt habe, in welchen Größenordnungen gegenüber dem Jugendamt und dem Sozialamt fehlerhaft abgerechnet worden sei.

Insbesondere weist der Kläger nochmals darauf hin, dass das ihm vorgeworfene angebliche Fehlverhalten aus seiner Geschäftsführertätigkeit herrühre und keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweise. Selbst wenn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zuträfen, seien diese somit grundsätzlich nicht geeignet, eine Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages begründen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder infolge Anfechtung nichtig noch durch die ausgesprochene Kündigung außerordentlich oder ordentlich beendet worden ist. Dem Kläger steht daher ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung gegen die Beklagte zu.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2c ArbGG statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

1.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht infolge Anfechtung durch die Beklagte wegen arglistiger Täuschung beendet worden.

Die Anfechtung ist nicht bereits durch die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, ausgeschlossen, vielmehr bestehen beide möglichen Gestaltungsrechte nebeneinander (vgl. BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1071/12 – Rn. 26, juris).

Die Beklagte war nicht nach § 123 Abs. 1 BGB zur Anfechtung berechtigt, weil, selbst wenn man die von der Beklagten dem Kläger zugesprochenen Erklärungen als tatsächlich abgegeben unterstellt, die Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht erfüllt sind.

Eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht (BAG, Urteil vom 11.07.2012 – 2 AZR 41/11 – Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 12.05.2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 41, juris). Das subjektive Merkmal „Arglist“ im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen. Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende (BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1071/12 – Rn. 31, juris; BAG, Urteil vom 11.07.2012 – 2 AZR 41/11 – Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 12.05.2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 43, juris).

Zwischen der Täuschung und der abgegebenen Willenserklärung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Die Kausalität ist gegeben, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne die Täuschung entweder gar nicht oder nicht mit diesem Inhalt oder nicht zu diesem Zeitpunkt abgegeben hätte (BGH, Urteil vom 23.10.2014 – III ZR 82/13 – Rn. 12, juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.05.2020 – 5 Sa 217/19 – Rn. 40, juris). Die Darlegungs- und Beweislast für die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände sowie deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung trägt der Anfechtende (BAG, Urteil vom 15.05.1997 – 2 AZR 43/96 – Rn. 19, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.11.2019 – 2 Sa 164/19 – Rn. 32, juris).

Dabei stellt allerdings nicht jede falsche Angabe des Arbeitnehmers bei den Einstellungsverhandlungen bereits eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB dar. Wird der Arbeitnehmer nach dem Vorliegen einer bestimmten Tatsache befragt, so ist er zu deren wahrheitsgemäßer Beantwortung verpflichtet, falls die gestellte Frage zulässig ist. Ein Fragerecht des Arbeitgebers bei den Einstellungsverhandlungen ist insoweit anzuerkennen, als der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat (BAG, Urteil vom 16.12.2004 – 2 AZR 148/04 – Rn. 25, juris). Der Falschbeantwortung einer zulässig gestellten Frage steht das Verschweigen von Umständen gleich, die der Arbeitnehmer ungefragt zu offenbaren hatte, weil diese dem Arbeitnehmer die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht unmöglich machen oder sonst für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind. Die Täuschung muss sich auch insoweit auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen, subjektive Werturteile genügen nicht (BAG, Urteil vom 28.02.1991 – 2 AZR 357/90 – Rn. 33, juris).

Eine nach vorgenannten Grundsätzen für den Vertragsschluss am 19.02.2021 maßgebliche kausale Täuschungshandlung des Klägers, die auf Arglist beruht, ist nicht feststellbar.

Der Beklagtenvortrag zu klägerischen Erklärungen über geprüfte Abrechnungen ist unterschiedlich. Zunächst hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe erklärt, er habe die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis der letzten Monate überprüft. Insoweit dürfte von Bedeutung sein, dass unzutreffende Abrechnungen nach dem Vorbringen der Beklagten für den Zeitraum April 2020 – Juli 2020 vorliegen sollen. Dass der Kläger Abrechnungen gerade aus diesem Zeitraum geprüft hat, hat er nach dem Beklagtenvorbringen in dieser Deutlichkeit jedoch nicht erklärt. Allerdings würde eine Prüfung aller Abrechnungen aus dem Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 auch diesen Zeitabschnitt umfassen. Bei der Behauptung, Abrechnungen geprüft zu haben, handelt es sich um eine objektiv nachprüfbare Tatsache und insoweit ist unstreitig, dass eine Prüfung der Abrechnungen aus dem streitbefangenen Zeitraum durch den Kläger nicht erfolgt ist. Insoweit läge, falls der Kläger tatsächlich behauptet haben sollte, die Abrechnungen aus dem Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 sämtlichst geprüft zu haben, tatsächlich eine Täuschung über objektiv nachprüfbare Tatsachen vor.

Soweit der Kläger behauptet haben soll, die Abrechnungen seien stimmig, kann dahinstehen, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder lediglich um eine Wertung handelt. Es ist bereits nicht erkennbar, auf welcher Grundlage diese Äußerung beruhen soll und dass sie unzutreffend ist. Es fehlt ein Bezugspunkt. Soweit der Kläger erklärt haben soll, er habe Abrechnungen geprüft und diese seien stimmig, ist zwar eine Prüfung durch den Kläger nicht erfolgt, dass es an einer „Stimmigkeit“ fehlt, kann jedoch nicht festgestellt werden. Dabei ist bereits nicht ersichtlich, worauf sie sich beziehen soll. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die Abrechnungen bereits aus sich heraus „unstimmig“ gewesen sind, weil die in ihnen enthaltenen Angaben bereits eine fehlerhafte Abrechnung belegen. Insoweit mag die behauptete Äußerung des Klägers, die Abrechnungen seien stimmig, auch ohne dass er sie geprüft hat, zutreffen. Da der Landkreis aufgrund dieser Abrechnungen Auszahlungen vorgenommen hat, dürften die Abrechnungen plausibel gewesen sein. Dass die Abrechnungen auch nach Hinzuziehung weiterer Unterlagen und eines danach durchgeführten Abgleichs stimmig seien, hat der Kläger selbst nach dem Beklagtenvorbringen nicht kundgetan. Jedenfalls hat die Beklagte nicht dargetan, dass die Abrechnungen – unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Prüfung durch den Kläger stattfand – stimmig waren oder nicht und insoweit auch ohne Prüfung durch den Kläger eine falsche Bewertung/Tatsachenbehauptung und somit eine Täuschung überhaupt vorliegen kann.

Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass der Kläger erklärt habe, der Landkreis sei nicht betrogen worden, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung. Die Frage, ob ein Betrug vorliegt, stellt eine Wertung dar. Ob der Straftatbestand des Betruges erfüllt ist oder nicht, kann letztlich allein durch ein Strafgericht festgestellt werden. Allein dieses entscheidet über die Erfüllung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Betrugstatbestandes. Soweit außerhalb der Strafgerichtsbarkeit jemand seine Auffassung äußert, eine bestimmte Verhaltensweise bilde einen Betrug, kann dies lediglich eine Äußerung einer Rechtsauffassung und damit eine Wertung sein. Insoweit kann der Beklagten mit ihrem Berufungsvorbringen, es handele sich bei dieser Äußerung um eine Tatsachenbehauptung, nicht gefolgt werden.

Als zur Täuschung geeignet verbleibt nach dem Beklagtenvortrag damit allein die von ihr behauptete Erklärung des Klägers, er habe die gegenüber dem Landkreis getätigten Abrechnungen der letzten Monate bzw. für den Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 geprüft. Sollte der Kläger diese Aussage tatsächlich getätigt haben, hätte er falsche Tatsachen vorgespiegelt und dadurch einen Irrtum über die Tatsache, dass eine Prüfung dieser Abrechnungen stattgefunden hat, beim Erklärungsempfänger erzeugt. Es kann jedoch – wie das Arbeitsgericht bereits angenommen hat – nicht festgestellt werden, dass dieser Irrtum kausal für den Abschluss des Arbeitsvertrages am 19.02.2021 war. Die Beklagte trägt vor, dass sie nach den klägerischen Erklärungen davon ausgegangen sei, dass keinerlei fehlerhafte Abrechnungen gegenüber dem Landkreis getätigt wurden. Sodann hat sie noch vor Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger 5 Fälle bekannter/vermuteter unzutreffender Abrechnungen ermittelt. Damit wusste die Beklagte bereits nach ihren eigenen Erklärungen noch vor Vertragsschluss, dass fehlerhafte Abrechnungen gegenüber dem Landkreis erfolgt waren und befand sich somit hierüber nicht (mehr) in einem Irrtum. Sie kann deshalb nicht durch einen derartigen Irrtum zum Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger veranlasst worden sein. Dass sie zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass diese 5 Fälle das gesamte Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen bildet, hat die Beklagte nicht vorgetragen auch nicht aufgrund welcher Tatsachen sie eine Schlussfolgerung auf das Gesamtmaß gezogen hätte. Die Beklagte hat vielmehr mit dem Berufungsvorbringen ausdrücklich klargestellt, dass entscheidend für den Abschluss des Arbeitsvertrages aus ihrer Sicht gewesen sei, dass sie sich über das Ausmaß der tatsächlich vorliegenden falschen Abrechnungen geirrt habe. So trägt sie vor, zwar habe sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit dem Kläger am 19.02.2021 Kenntnis von lediglich 5 bekannten/vermuteten systematisch aufgearbeiteten Verstößen gehabt, erst nach dem 16.02.2021 habe sich jedoch das gesamte Ausmaß manipulierter Abrechnungen gezeigt. Danach war für die Beklagte ein Irrtum über das Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen für den Vertragsschluss maßgebend. Zu diesem Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen hat der Kläger jedoch auch nach dem Beklagtenvorbringen keinerlei Erklärung getätigt und keinen Irrtum erzeugt. Der Kläger hat keine Aussage darüber getroffen, ob über 5 Verstöße hinausgehend eine weitere Anzahl von Verstößen vorliegt oder nicht. Der Kläger hat damit an einem möglichen Irrtum der Beklagten über das Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen, darüber, dass nicht mehr als 5 Verstöße vorliegen, nicht mitgewirkt. Zudem erscheint es fraglich, dass überhaupt von einem derartigen Irrtum der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgegangen werden kann und die Beklagte bei Kenntnis des Ausmaßes des Vorliegens der fehlerhaften Abrechnungen den Arbeitsvertrag mit dem Kläger nicht geschlossen hätte. Ein Irrtum zum Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen könnte nur angenommen werden, wenn die Beklagte davon ausgegangen ist und davon ausgehen durfte, dass die 5 bekannten/vermuteten Fälle die einzigen seien. Die Beklagte selbst hat allerdings nicht vorgetragen, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages am 19.02.2021 davon ausging, dass es sich bei den 5 bekannten/vermuteten Verstößen um das gesamte Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen handelte. Die Beklagte wusste, inwieweit sie diesbezügliche Überprüfungen der Abrechnungen vorgenommen hatte, ob die Prüfungen abgeschlossen waren oder nicht. Sie hat sich veranlasst gesehen, weitere Recherchen durchzuführen und innerhalb dieser Recherchen weitere von ihr behauptete Verfehlungen aufgedeckt. Dennoch hat sie, in dem Wissen, dass eine vollumfängliche Prüfung möglicher fehlerhafter Abrechnungen noch nicht stattgefunden hatte, den Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger nicht etwa ausgesetzt bzw. verschoben, sondern den Vertrag geschlossen. Wenn das Ausmaß der fehlerhaften Abrechnungen für den Vertragsschluss maßgeblich gewesen sein sollte, hätte es jedoch nahegelegen, mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages abzuwarten, bis eine vollständige Überprüfung stattgefunden hat. Indem die Beklagte dies unterließ, hat sie kundgetan, dass es ihr im Grunde für den Abschluss des Arbeitsvertrages gleichgültig war, in welchem Ausmaß fehlerhafte Abrechnungen vorlagen.

Der Niederschrift der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 05.02.2021 ist vielmehr zu entnehmen, dass der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten abberufen und sein diesbezügliches Dienstverhältnis aufgehoben werden sollte, aufgrund der Abrede, dass sein Arbeitsverhältnis zur AWO … gGmbH mit der Berufung zum Geschäftsführer am 01.01.2014 nicht beendet worden ist, sondern nach Beendigung des Geschäftsführerverhältnisses wieder auflebt, eine Eingliederung in das bisherige Arbeitsverhältnis organisiert werden bzw. wegen der Ausgliederung des entsprechenden Tätigkeitsfeldes eine Überführung des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte geschehen sollte. Danach war für die Gesellschafterversammlung wesentlich, dass eine Regelung für das mit Abberufung des Klägers aus der Geschäftsführerposition wiederaufgelebte Arbeitsverhältnis mit der AWO … GmbH gefunden wird. Dass irgendwelche Erklärungen des Klägers für die Gesellschafterversammlung ausschlaggebend waren, ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu begründen, ist nicht angeführt, so dass eine dementsprechende Willensbildung in der Gesellschafterversammlung keine Bestätigung gefunden hat.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung scheitert folglich bereits daran, dass nach dem Beklagtenvorbringen zwar eine Täuschung über Tatsachen durch den Kläger vorliegt, jedoch nicht festgestellt werden kann, dass hierdurch ein Irrtum erregt wurde, welcher die Beklagte zur Abgabe der Erklärung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Kläger veranlasst hat. Es kann deshalb dahinstehen, ob dem Kläger Arglist vorgehalten werden könnte.

2.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund außerordentlicher Kündigung vom 16.08.2021, zugegangen am 17.08.2021, beendet worden.

Die ausgesprochene außerordentliche bzw. ordentliche Kündigung ist nicht bereits deshalb wirksam, weil der Kläger es versäumt hätte, die gesetzlich vorgeschriebene Klagefrist einzuhalten (§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4, 7 KSchG). Mit der vorab per Fax am 01.09.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wegen der ihm am 17.08.2021 zugegangenen Kündigung hat der Kläger die dreiwöchige Klagefrist gewahrt.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-) Pflichten vorliegt, richtet sich nach der objektiven Rechtslage. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 47/16 – Rn. 17 m.w.N., juris).

Vorliegend fehlt es bereits an dem danach erforderlichen wichtigen Grund, so dass dahinstehen kann, ob die gemäß § 626 Abs. 2 geforderte Zwei-Wochen-Frist angesichts des Umstandes, dass nach dem Beklagtenvortrag ihre Geschäftsführerin am 10.05.2021 in einem Gespräch die Größenordnung fehlerhafter Abrechnungen mitgeteilt haben soll, eingehalten ist und die Beteiligung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgte.

Die Beklagte wirft dem Kläger keinerlei Pflichtwidrigkeit innerhalb des zu ihr unter dem 19.02.2021 begründeten Arbeitsverhältnisses vor. Sie bezieht sich vielmehr allein auf ein Verhalten, welches der Kläger während seiner Funktion als Geschäftsführer an den Tag gelegt haben soll. Dass sich dieses sozusagen vorvertragliche Verhalten des Klägers derart auf das begründete Arbeitsverhältnis auswirkt, dass dessen Fortsetzung der Beklagten auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar geworden ist, lässt sich jedoch nicht feststellen.

Soweit der Kläger tatsächlich wahrheitswidrig die Aussage getätigt haben sollte, er habe die gegenüber dem Landkreis vorgelegten Abrechnungen geprüft, ist nicht nachvollziehbar, inwieweit sich diese gegebenenfalls unzutreffende Tatsachenbehauptung auf das neu gegründete Arbeitsverhältnis auswirken soll. Insoweit käme allein ein Verstoß des Klägers gegen ihm obliegende vorvertragliche Aufklärungspflichten in Betracht. Gegen welche ihm im Hinblick auf das neu begründete Arbeitsverhältnis insoweit obliegende Aufklärungspflicht des Klägers mit der angeblichen Erklärung verstoßen haben sollte, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Dass diese außerhalb des neu gegründeten Arbeitsverhältnisses gegebenenfalls getätigte Aussage geeignet sein kann, das Vertrauensverhältnis der Parteien derart zu stören, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist, hat die Beklagte ebenfalls nicht dargetan. Gleiches gilt für die seitens der Beklagten behaupteten Äußerungen zu den Wertungen der „Stimmigkeit“ der Abrechnungen und, dass gegenüber dem Landkreis nicht „betrogen“ worden sei. Insoweit ist bereits nicht feststellbar, dass der Kläger diese Werturteile wider besseren Wissens getätigt hat und diese daher überhaupt geeignet sein können, sich auf das Vertrauensverhältnis auszuwirken. Im Übrigen war der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages am 19.02.2021 bekannt, dass diese Bewertungen des Klägers zumindest in 5 bekannten/vermuteten Fällen unzutreffend waren. Sie hat das Vertrauensverhältnis trotz dieses Umstandes jedoch nicht als derart beeinträchtigt angesehen, dass es sie davon abgehalten hätte, den Arbeitsvertrag mit dem Kläger zu schließen. Soweit sich die Beklagte darauf bezieht, ihr sei das Ausmaß der fehlerhaften Abrechnungen gegenüber dem Landkreis nicht bekannt gewesen, stellt sie nicht dar, dass der Kläger eine dementsprechende Kenntnis hatte und sie pflichtwidrig über diese Kenntnis nicht aufgeklärt hat und auf diese Art und Weise das Vertrauensverhältnis beeinträchtigt wurde. Es lässt sich damit kein Verhalten des Klägers feststellen, welches Auswirkungen auf das für das neu begründete Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis haben könnte.

Hat sich ein Arbeitnehmer außerdienstlich strafbar gemacht, kann dies zwar an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit Zweifel begründen, die Beklagte stellt jedoch ausdrücklich klar, dass sie nicht von irgendeiner Straftat des Klägers ausgeht.

Dass der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer Pflichtwidrigkeiten begannen hätte, die sich auf das nunmehrige Arbeitsverhältnis auswirken könnten, hat die Beklagte nicht belegt. Soweit sie dem Kläger vorwirft, es seien innerhalb seines Verantwortungsbereiches gegenüber dem Landkreis fehlerhafte Abrechnungen erstellt worden, ist es unstreitig geblieben, dass diese Abrechnungen von den Einrichtungsleitern erstellt und direkt an den Landkreis übergeben werden, ohne dass der Kläger als Geschäftsführer involviert war. Die Erstellung der Abrechnungen war somit keine Aufgabe des Klägers. Dass der Kläger die Abrechnungen zu überprüfen hatte, ihm in seiner Funktion als Geschäftsführer die Pflicht zur Prüfung der Abrechnungen oblag, hat die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert dargestellt. Sie hat nicht vorgetragen, auf welche Art und Weise dem Kläger eine derartige Verpflichtung aufgetragen worden sein könnte. Eine solche ergibt sich auch nicht zwangsläufig aufgrund seiner Funktion als Geschäftsführer. Als solcher ist er nicht per se verpflichtet, jegliche Abrechnung in persona zu überprüfen.

Es kann auch im Übrigen keine durch den Kläger während seiner Geschäftsführertätigkeit begangene Pflichtwidrigkeit festgestellt werden, welche noch irgendwelche Auswirkungen auf das neu begründete Arbeitsverhältnis haben könnte. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe an unzutreffenden Abrechnungen gegenüber dem Landkreis mitgewirkt, hat die Beklagte derartige Mitwirkungshandlungen nicht im Einzelnen benannt und solche sind auch nicht ersichtlich. Soweit der Kläger gegenüber einer Mitarbeiterin geäußert haben sollte, so viel wie möglich abzurechnen, stellt dies keine Aufforderung dar, unzutreffende Abrechnungen zu erstellen. Wenn die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe pflichtwidrig entsprechende Kontrollmaßnahmen unterlassen, lässt sich nicht feststellen, inwieweit sich eine derartige Pflichtwidrigkeit im neu begründeten Arbeitsverhältnis auswirken soll. Insoweit ist nicht einmal dargetan, dass bzw. inwieweit dem Kläger im Arbeitsverhältnis Kontrollpflichten obliegen.

Dass die außerordentliche Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung begründet sein kann, erschließt sich nicht. Eine im Arbeitsverhältnis begründete Verdachtslage nimmt die Beklagte nicht für sich in Anspruch. Soweit sie sich auf eine Verdachtslage aus der Geschäftsführertätigkeit des Klägers bezieht, verkennt sie, dass zwar möglicherweise der dringende Verdacht einer Pflichtverletzung aus dem Geschäftsführerdienstvertrag geeignet sein kann, das Geschäftsführerverhältnis zu beenden, inwieweit sich eine derartige Verdachtslage jedoch auf das neu begründete Arbeitsverhältnis auswirken könnte, hat die Beklagte – abgesehen von der erforderlichen Dringlichkeit eines bestehenden Verdachtes – nicht dargetan.

Die außerordentliche Kündigung ist damit nicht rechtswirksam.

3.

Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht aufgrund der Kündigung vom 16.08.2021 ordentlich zum 31.03.2022 beendet worden, denn dieser Kündigung mangelt es an der erforderlichen sozialen Rechtfertigung.

Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ab dem 20.02.2021 begründet worden. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 16.08.2021 am 17.08.2021 bestand es folglich noch keine sechs Monate. Dennoch bedarf die Kündigung der sozialen Rechtfertigung, weil die Parteien die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bereits vor Ablauf der sechs monatigen Frist vereinbart haben.

§ 1 Abs. 1 KSchG ist einseitig zwingendes Recht. Vereinbarungen zum Nachteil des Arbeitnehmers sind unwirksam. Abweichende Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers, etwa einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Verkürzung der Wartezeit (BAG, Urteil vom 20.06.2013 – 2 AZR 790/11 – Rn. 14, juris) oder über die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber, sind dagegen zulässig. Einzelvertragliche Vereinbarungen dieser Art müssen nicht ausdrücklich getroffen werden. Sie können sich auch aus konkludentem Verhalten ergeben (BAG, Urteil vom 20.02.2014 – 2 AZR 859/11 – Rn. 44, juris; BAG, Urteil vom 18.02.1988 – 2 AZR 590/87 – Rn. 37, juris).

Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Klausel unter § 1.3 des Arbeitsvertrages „eine Probezeit existiert nicht“ für sich genommen lediglich zum Ausdruck bringt, dass keine Probezeit vereinbart wird. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut. Bestehen im Hinblick auf die Verkürzung oder den Ausschluss der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG keine weiteren Anhaltspunkte, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der allgemeine Kündigungsschutz habe auch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG zur Anwendung gelangen sollen (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.2019 – 15 Sa 4/19 – Rn. 31, juris). Vorliegend ergibt sich jedoch aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung unter § 3.2 des Arbeitsvertrages, dass für das Vertragsverhältnis eine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.08.1995 zu Grunde zu legen ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die unter § 3 des Arbeitsvertrages getroffene Regelung zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führt. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut unter Abs. 2 „dieser Vereinbarung wird eine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.08.1995 zu Grunde gelegt“. Damit haben die Parteien bestimmt, dass sich die Anerkennung der Betriebszugehörigkeit auf das gesamte Arbeitsverhältnis bezieht und nicht lediglich Bedeutung für eine Kündigungsfrist haben soll. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig und wird durch die Regelung zur Probezeit – wie das Arbeitsgericht festgestellt hat – gestützt. Verzichten die Arbeitsvertragsparteien nämlich ausdrücklich auf die Vereinbarung einer Probezeit, weil der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch aufgrund einer früheren Beschäftigung bekannt ist, so kann darin eine stillschweigende Übereinstimmung liegen, dass der Arbeitnehmer auch in den ersten 6 Monaten nur aus solchen Gründen gekündigt werden darf, die im Sinne von § 1 KSchG anzuerkennen sind (LAG Köln, Beschluss vom 15.12.2006 – 9 Ta 467/06 – Rn. 16, juris).

Ein dementsprechender Wille der Beklagten ist zudem in der Niederschrift über die Gesellschafterversammlung vom 05.02.2021 zum Ausdruck gebracht, dass nämlich das ursprünglich mit der AWO … gGmbH begründete Arbeitsverhältnis auch auf die Beklagte überführt werden kann. „Überführung“ setzt dabei im Gegensatz zur Neubegründung, einen Fortbestand des vorherigen Arbeitsverhältnisses voraus. Indem die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung zum Ausdruck gebracht haben, dass das Arbeitsverhältnis „überführt“ werden soll, haben sie ausgedrückt, dass der Kläger seinen in diesem Arbeitsverhältnis erworbenen Besitzstand behalten soll. Damit ist insbesondere im Hinblick auf den Ablauf der erforderlichen Wartezeit die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gegeben.

Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Derartige Gründe liegen, wie zur außerordentlichen Kündigung dargestellt, nicht vor. Es mangelt der Kündigung vom 16.08.2021 folglich an der erforderlichen sozialen Rechtfertigung, was zur Folge hat, dass die Kündigung rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat.

4.

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien weder aufgrund Anfechtung noch durch Kündigung beendet worden ist, steht dem Kläger ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Vertragsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu (BAG Großer Senat, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84 – juris).

III.

Die Beklagte hat als unterlegene Partei nicht nur die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern gemäß § 97 Abs. 1 ZPO ebenfalls die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) bestehen nicht.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!