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Arbeitnehmerkündigung wegen Schlechtleistung und Verschärfung des Anforderungsprofils

Kündigungsschutz: Gericht weist fehlerhafte Entlassung wegen mangelnder Sprachkenntnisse zurück

Die Kündigungen eines Arbeitnehmers wegen Schlechtleistung und betriebsbedingter Gründe wurden vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz als nicht gerechtfertigt befunden; demnach bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen und der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung sowie auf die Entfernung einer unzutreffenden Abmahnung aus seiner Personalakte. Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit, dass Kündigungen auf soliden und gerechtfertigten Gründen basieren müssen und dass die Weiterbildung von Mitarbeitern als Alternative zur Kündigung in Betracht gezogen werden sollte.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Kündigungen eines Arbeitnehmers aus verhaltens- und betriebsbedingten Gründen als nicht gerechtfertigt erachtet.
  • Der Arbeitnehmer behält sein Anrecht auf Weiterbeschäftigung und die Entfernung einer irrtümlichen Abmahnung aus seiner Personalakte.
  • Der Fall betont die Bedeutung einer fundierten Begründung für Kündigungen und die Erwägung von Mitarbeiterfortbildungen als Kündigungsalternative.
  • Der Arbeitgeber muss bei einer Anhebung des Anforderungsprofils konkret darlegen, warum die Kündigung nicht durch mildere Mittel wie Umschulung oder Fortbildung vermieden werden konnte.
  • Diskriminierende Annahmen bezüglich der Lernfähigkeit älterer Arbeitnehmer sind rechtlich unhaltbar und nicht hinnehmbar.
  • Die unternehmerische Entscheidung, nur noch Arbeitnehmer mit bestimmten Qualifikationen zu beschäftigen, muss sachlich begründet und nachvollziehbar sein.
  • Eine Abmahnung muss spezifisch, gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, um in der Personalakte verbleiben zu dürfen.
  • Das Urteil stärkt die Rechte der Arbeitnehmer und fordert von Arbeitgebern, Kündigungsentscheidungen sorgfältig zu prüfen und zu begründen.

Leistungsfähigkeit und Qualifikation im Arbeitsverhältnis

Die Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers und dessen Qualifikation spielen eine zentrale Rolle im Arbeitsleben. Allerdings kann es vorkommen, dass die Arbeitsleistung des Beschäftigten den Erwartungen des Arbeitgebers nicht mehr entspricht. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob eine Kündigung gerechtfertigt ist.

Eine weitere Herausforderung ergibt sich, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für bestimmte Tätigkeiten anhebt. Hier gilt es zu klären, ob der Arbeitnehmer den neuen Qualifikationsanforderungen noch gewachsen ist oder ob dies als betrieblicher Kündigungsgrund dienen kann.

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➜ Der Fall im Detail


Streit um Kündigung wegen Schlechtleistung und Anforderungsprofil

Der Fall dreht sich um mehrere ordentliche Kündigungen eines Call-Dispatchers durch seinen Arbeitgeber, einem Call-Center-Betreiber, infolge von Schlechtleistung und der Verschärfung des Anforderungsprofils bezüglich der Sprachkenntnisse. Der Kläger, seit 2011 im Unternehmen tätig, sah sich mit Kündigungen konfrontiert, nachdem ein wichtiger Kunde die Zusammenarbeit beendet hatte und das Unternehmen beschloss, nur noch Mitarbeiter mit bestimmten Sprachkenntnissen zu beschäftigen. Nachdem der Kläger Fehler in der Arbeit zugewiesen bekam und Abmahnungen erhielt, wurden ihm verhaltens- und später betriebsbedingte Gründe für die Kündigungen angeführt. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und forderte die Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte sowie seine Weiterbeschäftigung.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers zurück und bestätigte damit im Wesentlichen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz. Die Kündigungen wurden als nicht sozial gerechtfertigt angesehen. Insbesondere die verhaltensbedingten Kündigungen waren laut Gericht aufgrund fehlender substantiierter Darlegung einer kündigungsrelevanten Minderleistung des Klägers nicht gerechtfertigt. Ebenso wurde die betriebsbedingte Kündigung aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung, die Sprachkenntnisse der Mitarbeiter betreffend, als nicht gerechtfertigt betrachtet, da das Gericht keine nachvollziehbaren arbeitsplatzbezogenen Kriterien für die Anforderungsverschärfung sah.

Gründe der Gerichtsentscheidung

Das Gericht legte dar, dass für eine verhaltensbedingte Kündigung eine längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote erforderlich sei, welche die Beklagte nicht nachweisen konnte. Bei der betriebsbedingten Kündigung wurde bemängelt, dass die Beklagte keine konkreten Gründe für die Notwendigkeit der geforderten höheren Sprachkenntnisse lieferte und auch keine Alternativen wie Umschulungen oder Fortbildungen in Betracht zog. Zudem wurde die Argumentation der Beklagten, der Kläger könne aufgrund seines Alters die geforderten Sprachkenntnisse nicht mehr erlernen, als diskriminierend zurückgewiesen.

Verpflichtungen der Beklagten

Die Beklagte wurde zur Weiterbeschäftigung des Klägers unter unveränderten Bedingungen verurteilt. Zudem musste sie das Gesprächsprotokoll „Qualität“, das als Abmahnung verwendet wurde, aus der Personalakte des Klägers sowie von elektronischen Speichermedien entfernen. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden zu 75 % der Beklagten und zu 25 % dem Kläger auferlegt. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Bedeutung für das Arbeitsrecht

Der Fall verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Rechtfertigung von Kündigungen. Arbeitgeber müssen bei der Geltendmachung von Schlechtleistung und der Anpassung von Anforderungsprofilen nicht nur deren Notwendigkeit klar darlegen, sondern auch mögliche Alternativen zur Kündigung prüfen. Die Entscheidung betont zudem den Schutz von Arbeitnehmern vor diskriminierenden Praktiken und die Bedeutung des Kündigungsschutzrechts.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was sind die Voraussetzungen für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung?

Für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Kriterien sind im deutschen Arbeitsrecht festgelegt, um sowohl die Interessen des Arbeitgebers als auch die des Arbeitnehmers zu wahren. Die wesentlichen Voraussetzungen sind:

  • Vertragswidriges Verhalten: Der Arbeitnehmer muss gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben. Dies kann sowohl Haupt- als auch Nebenpflichten betreffen, wie beispielsweise die Arbeitspflicht, die Pflicht zur Wahrung der betrieblichen Ordnung, Treuepflichten oder Verschwiegenheitspflichten.
  • Verschulden: Das vertragswidrige Verhalten muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Es muss also ein steuerbares und ihm zurechenbares Fehlverhalten vorliegen.
  • Negative Prognose: Es muss die begründete Annahme bestehen, dass sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers auch in Zukunft negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirken wird. Eine einmalige Verfehlung reicht in der Regel nicht aus, es sei denn, sie ist so schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wäre.
  • Vorherige Abmahnung: In der Regel muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung mindestens eine Abmahnung erteilt worden sein, die auf das gleiche oder ein ähnliches Fehlverhalten Bezug nimmt. Die Abmahnung dient dazu, dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten vor Augen zu führen und ihm die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten zu ändern. Ausnahmsweise kann eine Abmahnung entbehrlich sein, wenn es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
  • Interessenabwägung: Vor Ausspruch der Kündigung muss eine Abwägung der Interessen beider Parteien erfolgen. Dabei wird geprüft, ob die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien gerechtfertigt ist.
  • Kein milderes Mittel verfügbar: Die Kündigung muss das letzte Mittel (ultima ratio) sein. Das bedeutet, dass keine anderen, milderen Mittel (z.B. Versetzung, Umsetzung) zur Verfügung stehen, um das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu korrigieren.
  • Schriftform und Einhaltung der Kündigungsfrist: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und die gesetzlichen bzw. vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen müssen eingehalten werden.

Diese Voraussetzungen stellen sicher, dass eine verhaltensbedingte Kündigung nicht leichtfertig ausgesprochen wird und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben wird, sein Verhalten zu ändern, bevor ihm gekündigt wird.

Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt?

Eine betriebsbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Unternehmen entgegenstehen. Diese Erfordernisse können vielfältig sein und beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen wie Auftragsmangel, Rationalisierungsmaßnahmen, technischem Fortschritt, Standortverlagerungen, Betriebsschließungen oder auch aus der Insolvenz des Arbeitgebers resultieren. Im Gegensatz zu verhaltens- oder personenbedingten Kündigungen, bei denen die Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen, sind die Ursachen für eine betriebsbedingte Kündigung in der Sphäre des Arbeitgebers angesiedelt. Für die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Dringende betriebliche Erfordernisse: Es muss ein nachweisbarer Grund vorliegen, der die Kündigung notwendig macht. Dies kann beispielsweise ein erheblicher Auftragsrückgang sein, der zu einem dauerhaften Wegfall von Arbeitsplätzen führt.
  • Sozialauswahl: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine Sozialauswahl unter den potenziell kündbaren Arbeitnehmern durchzuführen. Dabei müssen Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigt werden, um zu bestimmen, welche Arbeitnehmer sozial am wenigsten schutzbedürftig sind.
  • Anhörung des Betriebsrats: Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, muss dieser vor Ausspruch der Kündigung angehört werden. Der Betriebsrat hat das Recht, zu der geplanten Kündigung Stellung zu nehmen.
  • Kündigungsfristen: Die gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen müssen eingehalten werden.
  • Möglichkeit der Weiterbeschäftigung: Vor Ausspruch der Kündigung muss geprüft werden, ob der Arbeitnehmer möglicherweise auf einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen oder in einem verbundenen Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann, eventuell auch zu geänderten Arbeitsbedingungen.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt, wenn sie willkürlich erfolgt oder wenn die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer sozial ungerecht ist. Fehler bei der Sozialauswahl oder die Nichtbeachtung anderer gesetzlicher Vorgaben können zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

Welche Rolle spielen Sprachkenntnisse bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses?

Sprachkenntnisse können unter bestimmten Umständen eine Rolle bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses spielen, insbesondere wenn sie für die Ausführung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeiten unerlässlich sind. Die Relevanz der Sprachkenntnisse hängt stark von der Art der Tätigkeit, der Branche und den spezifischen Anforderungen des Arbeitsplatzes ab.

Wesentliche Aspekte:

  • Arbeitsvertragliche Vereinbarungen: Wenn im Arbeitsvertrag oder in der Stellenbeschreibung explizit bestimmte Sprachkenntnisse als notwendig für die Ausführung der Tätigkeit festgelegt sind, bilden diese eine vertragliche Grundlage. Fehlen die erforderlichen Sprachkenntnisse, kann dies unter Umständen als Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten angesehen werden.
  • Betriebliche Notwendigkeit: Die Anforderung an Sprachkenntnisse muss durch eine betriebliche Notwendigkeit gerechtfertigt sein. Dies kann der Fall sein, wenn die Kommunikation mit Kunden, Lieferanten oder innerhalb des Teams in einer bestimmten Sprache erfolgen muss, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten oder die Arbeitssicherheit zu gewährleisten.
  • Verhältnismäßigkeit und Diskriminierungsverbot: Jede Anforderung an Sprachkenntnisse muss verhältnismäßig sein und darf nicht diskriminierend wirken. Das bedeutet, dass die geforderten Sprachkenntnisse tatsächlich für die Ausführung der Arbeit notwendig sein müssen und nicht willkürlich festgelegt werden dürfen. Anforderungen, die bestimmte Personengruppen ungerechtfertigt benachteiligen, können gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen.
  • Verbesserung und Abmahnung: Bevor eine Kündigung aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse ausgesprochen wird, sollte dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden, seine Sprachkenntnisse zu verbessern. In der Regel ist eine Abmahnung erforderlich, in der der Arbeitnehmer auf die Defizite hingewiesen und ihm eine angemessene Frist zur Verbesserung eingeräumt wird.

Sprachkenntnisse können ein legitimes Kriterium für die Beurteilung der Arbeitsleistung und als Grundlage für eine Kündigung sein, sofern sie vertraglich vereinbart, betrieblich notwendig und verhältnismäßig sind. Die Anforderungen müssen klar definiert, gerechtfertigt und dürfen nicht diskriminierend sein. Vor einer Kündigung sollten Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.

Inwiefern müssen Arbeitgeber Alternativen zur Kündigung prüfen?

Arbeitgeber sind im Rahmen des deutschen Arbeitsrechts dazu verpflichtet, vor Ausspruch einer Kündigung zu prüfen, ob mildere Mittel als die Kündigung selbst zur Verfügung stehen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der besagt, dass eine Kündigung immer das letzte Mittel (ultima ratio) sein sollte. Die Prüfung milderer Mittel ist insbesondere relevant bei personenbedingten (z.B. Krankheit, mangelnde Leistungsfähigkeit) und verhaltensbedingten Kündigungen (z.B. Pflichtverletzungen).

Wesentliche Aspekte der Prüfung milderer Mittel:

  • Umschulung oder Fortbildung: Bevor ein Arbeitnehmer aufgrund mangelnder Qualifikation oder Fähigkeiten gekündigt wird, sollte geprüft werden, ob durch Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen die notwendigen Qualifikationen erworben oder verbessert werden können.
  • Versetzung oder Umsetzung: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Arbeitnehmer auf einen anderen, geeigneteren Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens zu versetzen, sofern ein solcher verfügbar ist. Dies kann auch eine Änderung der Arbeitsbedingungen beinhalten.
  • Teilzeitarbeit: In manchen Fällen kann auch die Reduzierung der Arbeitszeit eine Alternative zur Kündigung darstellen, insbesondere wenn betriebliche Gründe eine Rolle spielen.
  • Abmahnung bei verhaltensbedingten Gründen: Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist in der Regel zunächst eine Abmahnung erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten zu ändern.

Rechtliche Rahmenbedingungen:

  • Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen: Bei betriebsbedingten Kündigungen muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen. Hierbei ist zu prüfen, ob andere, weniger schutzbedürftige Arbeitnehmer für eine Kündigung in Betracht kommen, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird.
  • Anhörung des Betriebsrats: Sofern ein Betriebsrat existiert, ist dieser vor Ausspruch einer Kündigung anzuhören. Der Betriebsrat kann auf mögliche Alternativen zur Kündigung hinweisen.

Die Prüfung milderer Mittel vor einer Kündigung unterstreicht die Notwendigkeit einer fairen und sozial verantwortlichen Vorgehensweise durch den Arbeitgeber. Sie dient dem Schutz der Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten oder vorschnellen Kündigungen. Arbeitgeber müssen daher sorgfältig prüfen, ob andere Lösungen als die Kündigung möglich und zumutbar sind, um das Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) – Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
    Die Regelungen des KSchG sind zentral für die Bewertung der Wirksamkeit der Kündigungen. Das Gesetz schützt Arbeitnehmer vor willkürlichen oder sozial ungerechtfertigten Kündigungen, indem es Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer Kündigung stellt.
  • § 102 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) – Anhörung des Betriebsrats
    Vor Ausspruch einer Kündigung ist der Betriebsrat anzuhören. Die Einhaltung dieses Verfahrens ist für die Wirksamkeit der Kündigung essentiell, was die Bedeutung des BetrVG unterstreicht.
  • § 2 KSchG – Kündigungsgründe
    Dieser Paragraph regelt, unter welchen Umständen eine Kündigung aus verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sein kann. Im vorliegenden Fall waren insbesondere verhaltens- und betriebsbedingte Gründe relevant.
  • § 626 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
    Obwohl im konkreten Fall ordentliche Kündigungen im Fokus stehen, ist § 626 BGB grundsätzlich relevant für das Verständnis der Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen.
  • Artikel 3 GG (Grundgesetz) – Gleichbehandlungsgrundsatz
    Die diskriminierende Argumentation der Beklagten bezüglich der Lernfähigkeit des Klägers aufgrund seines Alters berührt den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG, der Diskriminierungen verbietet.
  • § 242 BGB – Treu und Glauben
    Dieser Grundsatz spielt eine Rolle bei der Beurteilung der Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte und der Berücksichtigung von Billigkeits- und Zumutbarkeitsaspekten im Kündigungskontext.
  • § 35 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) – Recht auf Löschung
    Die Forderung nach Löschung der Abmahnung aus elektronischen Speichermedien berührt das Datenschutzrecht, insbesondere das Recht des Arbeitnehmers auf Löschung personenbezogener Daten, die nicht (mehr) rechtmäßig verarbeitet werden.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 638/14 – Urteil vom 16.04.2015

1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24. September 2014, Az. 10 Ca 1025/14, werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte 75% und der Kläger 25 % zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer ordentlicher Kündigungen, die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie über die Entfernung einer Abmahnung und eines Gesprächsprotokolls.

Der Kläger ist seit 10.10.2011 bei der Beklagten als Call-Dispatcher zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von € 2.370,- beschäftigt. Er ist 1966 geboren und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Die Beklagte betreibt ein Call-Center. Sie beschäftigte im Mai 2014 noch 52 Arbeitnehmer, nachdem zum 31.03.2014 ein langjähriger Großkunde die Zusammenarbeit beendet hat. Wegen des Verlusts dieses Großkunden hatte die Beklagte von ursprünglich ca. 160 Arbeitnehmern bereits 100 entlassen.

Ausweislich des Protokolls fassten die beiden Gesellschafter der Beklagten in der Gesellschafterversammlung vom 04.12.2013 aufgrund der Beendigung des Vertrages mit dem Großkunden den Entschluss, ab dem 01.04.2014 nur noch Mitarbeiter mit den Sprachkombinationen Deutsch/Englisch, Deutsch/Französisch oder Englisch/Französisch zu beschäftigen. Darüber hinaus verlangt die Beklagte von ihren Arbeitnehmern ab diesem Zeitpunkt Sprachkenntnisse mindestens der Niveaustufe B2 des GER [Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen]. Die englischen Sprachkenntnisse des Klägers, der ausweislich des Zwischenzeugnisses vom April 2013 seine Aufgaben in Deutsch und Englisch verrichtete, genügen ihr nicht mehr.

Ab 01.04.2014 wurde der Kläger für den Kunden f. eingesetzt. Am 11.04.2014 führte die Teamleiterin mit dem Kläger ein Gespräch und hielt ihm Fehler bei der Bearbeitung von Service Requests dieses Kunden vor. Das hierüber erstellte Gesprächsprotokoll „Qualität“, das die Beklagte als Abmahnung verstanden wissen will, hat ua. folgenden Wortlaut:

„Die o.g. Fehler wurde nicht aufgrund von Wissenslücken oder fehlendem Verständnis der SOP [Standard Operating Procedure] gemacht. Es ist offensichtlich, dass sie durch fehlende Konzentration oder mangelnde Präzision verursacht wurden. A. wurde nahegelegt, dass eine sofortige Verbesserung der Arbeitsqualität notwendig ist.

Dieses Protokoll wird in die Mitarbeiterakte abgelegt. A. wurde darüber informiert, dass bei weiteren Fehlern sowie bei fehlender Steigerung der Arbeitsqualität, weitere disziplinarische Maßnahmen folgen werden. Diese beinhalten ebenfalls eine offizielle schriftliche Abmahnung.“

Mit Schreiben vom 30.04.2014 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm weitere Fehler bei der Bearbeitung von Service Requests des Kunden f. vor und forderte ihn unter Kündigungsandrohung auf, seine Arbeit sorgfältiger und konzentrierter auszuführen, sowie die Serviceprozedur zu befolgen.

Am 12.05.2014 fand eine erneute Gesellschafterversammlung statt. Im Protokoll wurde festgehalten, dass aufgrund der Unternehmensentwicklung nach Beendigung des Vertrags mit dem Großkunden zur Kostenreduktion ein weiterer Personalabbau beschlossen worden sei. Die Beklagte will künftig nur noch 15 Dispatcher, nach Auslaufen eines befristeten Vertrags nur noch 14, beschäftigen. Am 28.05.2014 zeigte sie der Agentur für Arbeit unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblatts schriftlich die beabsichtigte Entlassung von 15 von insgesamt 52 Arbeitnehmern, ua. des Klägers, an.

Mit Schreiben vom 30.05.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus verhaltensbedingten Gründen zum 30.06.2014. Am 16.06.2014 kündigte sie vorsorglich erneut zum 30.06.2014, weil sie sich unsicher war, ob die erste Kündigung der Schriftform genügte. Mit Schreiben vom 23.06.2014 kündigte sie aus betriebsbedingten Gründen zum 31.07.2014. Gegen die drei Kündigungen erhob der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage. Außerdem verlangt er seine Weiterbeschäftigung sowie die Entfernung der Abmahnung vom 30.04.2014 und des Gesprächsprotokolls „Qualität“ vom 11.04.2014 aus seiner Personalakte und deren Löschung aus elektronischen Speichermedien.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 24.09.2014 Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 30.05. nicht zum 30.06.2014 aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis seitdem unverändert fortbesteht,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 30.04.2014 von jeglichen elektronischen Speichermedien (§ 35 Abs. 2 BDSG) zu entfernen und die regelmäßigen Datenempfänger von der Löschung zu unterrichten (§ 35 Abs. 7 BDSG),

4. die Beklagte zu verurteilen, das Gesprächsprotokoll „Qualität“ vom 11.04.2014 von jeglichen elektronischen Speichermedien (§ 35 Abs. 2 BDSG) zu entfernen und die regelmäßigen Datenempfänger von der Löschung zu unterrichten (§ 35 Abs. 7 BDSG),

5. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 30.04.2014 aus der Personalakte zu entfernen,

6. die Beklagte zu verurteilen, das Gesprächsprotokoll „Qualität“ vom 11.04.2014 aus der Personalakte zu entfernen,

7. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens als Dispatcher weiter zu beschäftigen,

8. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 16.06. nicht zum 30.06.2014 aufgelöst worden ist,

9. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 23.06. nicht zum 31.07.2014 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.09.2014 den Klageanträgen gegen die drei ordentlichen Kündigungen und auf vorläufige Weiterbeschäftigung stattgegeben. Es hat die Beklagte außerdem verurteilt, das Gesprächsprotokoll „Qualität“ vom 11.04.2014 sowohl aus der Personalakte des Klägers als auch von elektronischen Datenträgern zu entfernen. Die Klageanträge auf Entfernung und Löschung der Abmahnung vom 30.04.2014 hat das Arbeitsgericht ebenso wie den Klageantrag zu 2) abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 17 bis 32 des Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das am 30.10.2014 zugestellte Urteil mit am 26.11.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 30.01.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 26.01.2015 begründet. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 03.12.2014 Anschlussberufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Beklagte ist der Ansicht, die verhaltensbedingte Kündigung vom 30.05.2014, hilfsweise vom 16.06.2014, sei sozial gerechtfertigt. Sie habe das Verschulden des Klägers an seinen (unstreitigen) Fehlern substantiiert dargelegt. Diese Fehler wären bei einer umfangreichen Schulung des Klägers nicht unterblieben. Dies belege bereits der Umstand, dass der Kläger nicht alle Arbeiten fehlerhaft verrichtet habe.

Mit der als Gesprächsprotokoll bezeichneten Abmahnung vom 11.04.2014 habe sie abgemahnt, dass der Kläger fünf Anrufer falschen Gruppen zugeordnet bzw. die Anrufer falsch weitergeleitet habe. Diese Anrufer seien verärgert gewesen, weil sie nicht die zuständigen Sachbearbeiter des Kunden erreicht haben. Diese Fehler seien nicht auf mangelnde Schulung oder Produktkenntnis zurückzuführen, denn es bedürfe keiner großen Anstrengung oder gar Schulung, um verschiedene Produkte eines Kunden voneinander zu unterscheiden und den Anrufer zum zuständigen Sachbearbeiter durchzustellen. In allen anderen Fällen habe es der Kläger geschafft, die Anrufer an den zuständigen Sachbearbeiter durchzustellen. Er habe also gewusst, an wen er Anrufer durchzustellen hatte als auch welche Arbeitsschritte hierfür erforderlich sind. Dennoch habe er es in den abgemahnten Fällen nicht getan. Selbst wenn man dem Kläger Unkenntnis der Produkte ihrer Kunden unterstellen wolle, läge zumindest Fahrlässigkeit vor. Sein Verhalten bedeute deshalb mindestens Arbeitsunwilligkeit, womöglich aber auch schlichte Geschäftsschädigungsabsicht. Sie habe den Kläger außerdem abgemahnt, weil er in vier Fällen die Zeitpunkte der Anrufe, ihre Dauer und die von ihm durchgeführten Maßnahmen nicht bzw. falsch dokumentiert habe. Sie habe die Bearbeitung dieser Anrufe deshalb nicht bzw. nur mit Mehraufwand gegenüber ihren Kunden abrechnen können. Bei diesem Fehlverhalten sei noch viel weniger ersichtlich, warum eine noch umfangreichere Schulung oder eine bessere Kundenkenntnis hier Abhilfe geschaffen hätte. Da der Kläger diese Dokumentation auch sonst geleistet habe, habe er auch gewusst, dass und wie sie zu erfolgen habe. Da die Dokumentation trotzdem nicht erfolgt sei, habe er nicht bloß fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt. Auch dies spreche mindestens für Arbeitsunwilligkeit, womöglich aber auch für Geschäftsschädigungsabsicht. Sie habe weiterhin abgemahnt, dass der Kläger in drei Fällen Beschwerden der Anrufer nicht den diesen Beschwerden entsprechenden, auf seinem Computerbildschirm vorgegebenen, Problemfeldern zugeordnet habe. Hierdurch seien falsche bzw. keine Problembehebungen ausgelöst worden. Sie habe den Kläger in drei Fällen abgemahnt, weil er das ihm gesetzte Zeitlimit nicht eingehalten habe. Auch diese Fehler seien nicht auf mangelnde Schulung oder Produktkenntnis zurückzuführen. Der Kläger hätte schlicht auf die Uhr sehen müssen und das Gespräch entweder beenden oder an einen Mitarbeiter des Kunden weiterleiten müssen. Sie habe zudem vorgetragen, dass die mit dem Kläger vergleichbare Kollegin, die auch für den Kunden f. eingearbeitet worden sei, keine der vom Kläger begangenen Fehler gemacht habe. Dies sei ein weiterer Beleg dafür, dass der Kläger die ihm abverlangten Arbeitsschritte beherrsche, sie aber nicht ordnungsgemäß ausführen wolle. Sie habe auch vorgetragen, dass sich der Kunde f. mehrfach wegen der Fehler des Klägers beschwert habe. Es sei nicht erforderlich, weitere Details zu den Kundenbeschwerden vorzutragen, weil eine Geschäftsbeziehung von jeder Beschwerde belastet werde.

Auch hinsichtlich der mit der Abmahnung vom 30.04.2014 gerügten Vorfälle gelte, dass diese nicht auf eine unzureichende Schulung des Klägers zurückzuführen seien. Der Kläger habe es bei zwei Anrufen unterlassen, Übersetzungen anzufertigen. In einem Fall sei erschwerend hinzugekommen, dass er nicht alle, ihm vom Anrufer gegebenen Informationen erfasst habe. In allen anderen Fällen habe er Übersetzungen angefertigt und sämtliche Informationen aufgenommen. Da er dies in den abgemahnten Fällen trotz Befähigung nicht getan habe, habe er vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. In zwei Fällen habe er jeweils die falsche Komponente ausgewählt. In allen anderen Fällen sei ihm dieser Fehler nicht unterlaufen. Auch diese Fehler hätten nichts mit mangelnder Schulung oder Befähigung zu tun, sondern mit Unwillen. Der Kläger habe also auch in diesen Fällen vorsätzlich gehandelt.

Selbst nach den beiden Abmahnungen habe der Kläger seine Arbeitseinstellung nicht geändert. Es sei zu mindestens neun weiteren Pflichtverletzungen gekommen, die weder auf eine mangelnde Schulung noch auf Kundenspezifika zurückzuführen seien, sondern allesamt schuldhaft erfolgt seien. Der Kläger habe in zwei Fällen die Meldetexte nicht vollständig dokumentiert, in zwei anderen Fällen Anrufe unter der falschen Bezeichnung dokumentiert und den Ort nicht erfasst. In einem anderen Fall habe er nicht notiert, dass der Techniker telefonisch abgemeldet worden sei. Er habe auch übersehen, dass eine Wartung bereits eine Woche vor dem Anruf durchgeführt worden sei. In einem weiteren Fall habe er den Zeitaufwand für die Bearbeitung nicht dokumentiert. Schließlich habe er einen Abmeldetext falsch übersetzt. Der Kläger habe in der Zeit vom 01.04. bis 30.05.2014 insgesamt 31 Pflichtverletzungen begangen. In diesem Zeitraum habe er aber unstreitig „mehr als ein Vielfaches“ an Anrufen bearbeitet. Wäre der Kläger nicht ausreichend geschult gewesen, hätte er pausenlos Fehler begangen. Weitergehende Schulungen als sie ihm bereits zuteil geworden seien, hätten rein gar nichts bewirkt.

Der Kläger habe ihren Vortrag, dass es durch seine schuldhaften Pflichtverletzungen zu Beschwerden ihrer Kunden gekommen sei, pauschal mit Nichtwissen bestritten. Unmut und Beschwerden, selbst auf Sachbearbeiterebene, seien für sie existenzbedrohend. Sie könne sich keinerlei Unmutsbekundungen einer ihrer verbliebenen Kunden leisten, weil sie wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehe. Der Kläger habe mit seiner destruktiven Art vorsätzlich Geschäftsschädigungen herbeigeführt. Die Konsequenzen seines Handelns seien ihm gleichgültig gewesen, selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass spätestens die Insolvenz ihn seine Stelle kosten werde. Wegen des vorsätzlichen, uneinsichtigen und wiederholten Handelns des Klägers sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass er seine Arbeitseinstellung ändern und seine Geschäftsschädigungsabsicht einstellen werde. Ihr sei deshalb keine andere Möglichkeit verblieben, als die Kündigung auszusprechen.

Ihre betriebsbedingte Kündigung vom 23.06.2014 sei ebenfalls sozial gerechtfertigt. Der Arbeitsplatz des Klägers sei wegen ihrer unternehmerischen Entscheidung, nur noch Arbeitnehmer mit Sprachkenntnissen ab Niveaustufe B2 des GER zu beschäftigen, weggefallen. Das Arbeitsgericht sei ihrem Beweisangebot ohne Not nicht nachgegangen. Dabei wäre es ein leichtes gewesen, die Sprachkenntnisse des Klägers von einem Sachverständigen mittels eines standardisierten Tests zu überprüfen. Dass die Arbeitsleistung des Klägers in dem Zwischenzeugnis im April 2013 noch mit „gut“ bewertet worden sei, habe in Bezug auf seine englischen Sprachkenntnisse wenig Aussagekraft. Einerseits könnten sich Sprachkenntnisse im Laufe eines Jahres verschlechtern. Andererseits komme es darauf an, wer die Leistungen eines Arbeitnehmers beurteile.

Umschulungen oder Fortbildungen seien nicht geeignet, die sprachlichen Defizite des Klägers zu beheben. Der Kläger sei bei Ausspruch der Kündigung 47 Jahre alt gewesen. Die Sprachlernfähigkeit nehme aber – genauso wie die Fähigkeit zum Erlernen eines Musikinstruments – aus hirnorganischen Gründen ab Ende der Pubertät kontinuierlich ab. Dies sei allgemein bekannt (Beweis: Sachverständigengutachten). Es sei damit schon wegen seines Lebensalters aussichtslos, die englische Sprachkompetenz des Klägers zu verbessern. Daneben habe der Kläger eine Vielzahl von Pflichtverletzungen begangen, die auf mangelnder Konzentration oder gar Unwilligkeit beruhten. Auch vor diesem Hintergrund sei eine Umschulung oder Fortbildung von vornherein aussichtslos gewesen. Ihr sei nicht zumutbar, in eine ohnehin zum Scheitern verurteilte kostenintensive Umschulung oder Fortbildung des Klägers zu investieren.

Sie habe sich nicht widersprüchlich verhalten, sondern die Kündigung vom 23.06.2014 in Umsetzung ihrer im Gesellschafterbeschluss vom 16.12.2013 dokumentierten unternehmerischen Entscheidung ausgesprochen. Das in diesem Beschluss das vorausgesetzte Sprachniveau B2 des GER nicht ausdrücklich genannt sei, sei unbeachtlich. Ihre unternehmerische Entscheidung vom 16.12.2013 sei durch die unternehmerische Entscheidung vom 12.05.2014 nicht abgelöst worden. Die Entscheidung vom 12.05.2014 enthalte lediglich die zweite Stufe der Restrukturierung des Betriebs.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entfernung und Löschung des Gesprächsprotokolls vom 11.04.2014, denn das Protokoll enthalte keine fehlerhafte Tatsachendarstellung. Die Fehler des Klägers seien nicht wegen Wissenslücken oder aus Unverständnis erfolgt, sondern aufgrund mangelnder Konzentration und Präzision.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22.01.2015 und vom 07.04.2015 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.09.2014, Az. 10 Ca 1025/14, teilweise abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen,

2. die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. auf die Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.09.2014, Az. 10 Ca 1025/14, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

a) die Abmahnung vom 30.04.2014 von jeglichen elektronischen Speichermedien zu entfernen und die regelmäßigen Datenempfänger von der Löschung zu unterrichten,

b) die Abmahnung vom 30.04.2014 aus der Personalakte zu entfernen.

Zur Begründung der Anschlussberufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er könne die Entfernung der Abmahnung vom 30.04.2014 beanspruchen, weil sie sachlich unrichtig sei. Er sei erst zum 01.04.2014 zum Kunden f. versetzt worden. Für diesen Kunden habe er nicht die erforderliche Schulung erhalten. Die in der Abmahnung gerügten Fehler seien mithin auf Wissenslücken oder fehlendes Verständnis der SOP zurückzuführen. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 02.12.2014 Bezug genommen.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig. Auch die Anschlussberufung des Klägers ist nach § 524 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG zulässig.

Beide Berufungen haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.

B.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die drei Kündigungen vom 30.05., 16.06. und 23.06.2014 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.06. bzw. 31.07.2014 aufgelöst haben. Die Beklagte ist deshalb zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet. Sie ist außerdem verpflichtet, das Gesprächsprotokoll „Qualität“ vom 11.04.2014 sowohl von elektronischen Speichermedien als auch aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und sorgfältigen Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies nach § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich folgende Ausführungen:

I.

Die zwei ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.05. zum 30.06.2014, hilfsweise vom 16.06. zum 30.06.2014, sind nicht aus verhaltensbedingten Gründen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

1. Für eine verhaltensbedingte Kündigung genügen solche, im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts- oder (vertrags-)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist; die Leistungsstörung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, sind auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen geeignet, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen (BAG 11.12.2003 – 2 AZR 667/02 – NZA 2004, 784; BAG 17.01.2008 – 2 AZR 536/06 – NZA 2008, 693; jeweils mwN).

Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag, wie meistens, der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen. Der gegenteiligen Auffassung, wonach der Arbeitnehmer eine „objektive Normalleistung“ schulde, ist das Bundesarbeitsgericht nicht gefolgt, weil der Arbeitsvertrag als Dienstvertrag keine “Erfolgshaftung” des Arbeitnehmers kennt (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 536/06 – Rn. 15 mwN, aaO).

Nach den Regeln der abgestuften Darlegungs- und Beweislast ist es zunächst ausreichend, wenn der Arbeitgeber die für ihn zugänglichen und objektiv messbaren Arbeitsergebnisse in Gegenüberstellung zu vergleichbaren anderen Arbeitnehmern schlüssig als Indiz für eine Minderleistung darlegt. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 536/06 – Rn. 18-19, aaO). Davon kann bei quantitativen Minderleistungen dann gesprochen werden, wenn, gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist. Das ist bei einer langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung um deutlich mehr als ein Drittel der Fall (BAG 11.12.2003 – AZR 667/02 – Rn. 92, aaO). Für den Fall qualitativer Minderleistung sind solche auf die bloße Fehlerhäufigkeit abstellende Grenzen für sich nicht geeignet, die Kündigungsrelevanz der dem Arbeitnehmer konkret vorgeworfenen Pflichtverletzungen hinreichend sicher einzugrenzen. Der Arbeitgeber muss neben den Fehlerquoten noch weitere Umstände darlegen. Er hat anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 536/06 – Rn. 22, mwN).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen sind die verhaltensbedingten Kündigungen der Beklagten vom 30.05., hilfsweise vom 16.06. zum 30.06.2014 sozial nicht gerechtfertigt und damit unwirksam. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Die Beklagte hat auch zweitinstanzlich eine kündigungsrelevante Minderleistung des Klägers nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Die Beklagte verkennt, dass es für eine Kündigung wegen Schlechtleistungen nicht genügt, eine Reihe objektiver Fehlleistungen des Arbeitnehmers aufzuzeigen. Ihr ist es auch zweitinstanzlich nicht gelungen, eine längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote darzulegen. Es fehlt sowohl die Darlegung der Fehlerquote des Klägers als auch die Vergleichsmöglichkeit mit der „Vergleichsgruppe“. Dazu wäre es Sache der Beklagten gewesen, nicht nur zu den Leistungsmängeln des Klägers vorzutragen, sondern darüber hinaus Tatsachen darzulegen, aus denen ersichtlich wäre, dass die Leistungen des Klägers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben sind, also die Durchschnittsleistung erheblich – und vor allem auch längerfristig – unterschritten haben. Erst dann wäre ein Indiz dafür gegeben, dass der Kläger vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt hat. Die pauschalen Vorwürfe der Beklagten, der Kläger sei arbeitsunwillig und handle in Geschäftsschädigungsabsicht, sind nicht geeignet, Sachargumente zu ersetzen.

Die Beklagte beschränkt ihren Vortrag auch zweitinstanzlich darauf, dass dem Kläger seit seinem Einsatz für den Kunden f. ab 01.04.2014 bis zum Ausspruch der ersten Kündigung am 30.05.2014 insgesamt 31 Fehler unterlaufen seien. In dieser Zeit habe er „mehr als ein Vielfaches“ an Anrufen (fehlerfrei) bearbeitet. Die Gesamtzahl der vom Kläger in diesen 40 Arbeitstagen bearbeiteten Anrufe nennt die Beklagte nicht. Ihr Vortrag lässt bereits keine Berechnung der durchschnittlichen Fehlerquote des Klägers zu. Einen Vergleich mit der durchschnittlichen Fehlerquote anderer Dispatcher ihres Call-Centers hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgenommen. Sie beschränkt sich auf die Behauptung, dass eine mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmerin, die auch für den Kunden f. eingearbeitet worden sei, in dieser Zeit keine Fehler gemacht habe. Eine durchschnittliche Leistung bzw. durchschnittliche Fehlerquote aller vergleichbaren Dispatcher im Call-Center der Beklagten in einem definierten Zeitraum ist nicht dargelegt. Damit kann auch nicht festgestellt werden, inwiefern der Kläger die durchschnittliche Fehlerquote längerfristig deutlich überschritten hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte seit dem Neueinsatz des Klägers für den Kunden f. gerade einmal 40 Arbeitstage abgewartet hat, um ihm wegen Schlechtleistungen zu kündigen. Der Durchschnitt aus 40 Arbeitstagen nach Übertragung einer neuen Aufgabe ist kaum geeignet, um bereits eine „längerfristige“ unterdurchschnittliche Minderleistung anzunehmen.

II.

Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.06. zum 31.07.2014 ist, wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend entschieden hat, sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Es liegen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

1. Ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG kann sich aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen des Arbeitgebers ergeben. Die dem zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung als solche ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist.

Zu den Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen können, zählt auch die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen. Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die neuen Qualifikationsanforderungen in einer nachvollziehbaren Weise auf der Neuorganisation der auszuführenden Arbeiten beruhen. Für diesen Bezug trägt der Arbeitgeber die Darlegungslast. An sie sind erhöhte Anforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die mit bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Qualifikation des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 295/12 – Rn. 16-18 mwN, NZA 2014, 208). Er muss deshalb dartun, dass es sich insoweit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Stellenmerkmal handelt (BAG 24.05.2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 25 mwN, NZA 2012, 1223; 10.07.2008 – 2 AZR 1111/06 – Rn. 26 mwN, NZA 2009, 312).

Außerdem hat der Arbeitgeber bei einer betrieblich erforderlichen Anhebung des Anforderungsprofils konkret darzulegen, dass die Kündigung nicht durch mildere Mittel, insbesondere Umschulung und Fortbildung des Arbeitnehmers zu vermeiden war. Welche zeitliche Dauer für eine Fortbildung des bisherigen Arbeitsplatzinhabers im Hinblick auf nunmehr gesteigerte Arbeitsplatzanforderungen dem Arbeitgeber zumutbar ist, hängt vom Einzelfall ab (BAG 07.07.2005 – 2 AZR 399/04 – Rn. 32, 33 mwN, NZA 2006, 266).

2. Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keine die Gerichte bindende Unternehmerentscheidung der Beklagten vor, aufgrund deren Umsetzung das bisherige Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen ist.

Die Beklagte hat dem Kläger im Zwischenzeugnis vom April 2013 bescheinigt, dass er seine Arbeitsaufgaben in deutscher und englischer Sprache verrichtet. Die Beklagte hat nicht ansatzweise dargelegt, weshalb der Kläger für die Ausführung seiner Tätigkeit ab 01.04.2014 zwingend englische Sprachkenntnisse der Niveaustufe B2 des GER [Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen] benötigt. Nachvollziehbare arbeitplatzbezogene Kriterien für die Verschärfung der Anforderungen an die Fremdsprachenkenntnisse des Klägers sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Danach kommt es nicht einmal darauf an, ob der Beklagten zumutbar ist, den Kläger in Englischkursen fortzubilden. Die von der Beklagten bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten vertretene Auffassung, eine Fortbildung des Klägers sei nicht zumutbar, weil er aufgrund seines Lebensalters von 47 Jahren aus „hirnorganischen Gründen“ das geforderte Sprachniveau nicht mehr erreichen könne, ist diskriminierend und rechtlich unhaltbar. Wenn der Gesetzgeber (zB. in § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG) und die höchstrichterliche Rechtsprechung vom Arbeitgeber zur Vermeidung von Kündigungen Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen verlangt, bezieht sich diese Pflicht grundsätzlich (auch) auf erwachsene Arbeitnehmer aller Altersgruppen.

III.

Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG GS 27.02.1985 – GS 1/84 – NJW 1985, 2968) hat der mit seinem Kündigungsschutzantrag obsiegende Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens. Entgegenstehende überwiegende schutzwerte Interessen hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht.

IV.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Gesprächsprotokoll „Qualität“ vom 11.04.2014 sowohl aus der Personalakte des Klägers als auch von elektronischen Speichermedien zu entfernen.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Daraus folgt auch ein Löschungsanspruch nach § 35 Abs. 2 BDSG (ErfK/Franzen 15. Aufl. BDSG § 35 Rn. 5).

Eine missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (BAG 27.11.2008 – 2 AZR 675/07 – NZA 2009, 842).

2. Gemessen an diesen Maßstäben ist die Annahme des Arbeitsgerichts, dass das Gesprächsprotokoll „Qualität“ vom 11.04.2014, das die Beklagte als Abmahnung verstanden wissen will, aus der Personalakte und von elektronischen Speichermedien zu entfernen ist, nicht zu beanstanden.

Die Teamleiterin hat im Gesprächsprotokoll stichwortartig Pflichtverletzungen aufgeführt und unter Angabe von 15 Service-Request-Nummern folgende vier Fehlerpunkte genannt: „falsche Gruppe/TK gedispatched“, „Zeiten/Aktivitäten nicht oder falsch eingetragen“, „falsche Komponenten“, „Zeitüberschreitungen bei der Bearbeitung“. Für den Kläger ist somit erkennbar, dass und weshalb die Teamleiterin seine Arbeitsleistung als unzureichend betrachtet.

Die Beklagte wirft dem Kläger „fehlende Konzentration“ oder „mangelnde Präzision“ vor und fordert ihn auf, seine Arbeitsqualität sofort zu verbessern. Bei weiteren Fehlern droht sie ihm disziplinarische Maßnahmen an. Die Beklagte verlangt vom Kläger – was sich gleichsam wie ein roter Faden durch ihre Schriftsätze zieht – fehlerloses Arbeiten. Dazu ist ein Arbeitnehmer – wie oben ausgeführt – nicht verpflichtet. Bei einer repetitiven Tätigkeit entspricht es der menschlichen Natur, dass über einen längeren Zeitraum hinweg eine nahezu fehlerlose Arbeitsweise kaum möglich und deshalb vom Arbeitnehmer nicht zu verlangen und auch nicht zu erwarten ist (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 536/06 – Rn. 24, NZA 2008, 693). Ein Arbeitnehmer genügt – mangels anderer Vereinbarungen – seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Der Kläger verstößt gegen seine Arbeitspflicht als Dispatcher nicht allein dadurch, dass ihm gelegentlich Fehler unterlaufen.

C.

Die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die gegen die Abmahnung vom 30.04.2014 gerichtete Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte und deren Löschung von elektronischen Speichermedien.

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 – Rn. 13 mwN, NZA 2013, 91).

Die Abmahnung enthält keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen. Es ist unstreitig, dass der Kläger die konkret mit Datum, Uhrzeit und Ticketnummer aufgeführten Fehler (Auftragstext nicht übersetzt, falsche Komponente gewählt) gemacht hat. Soweit die Abmahnung die Formulierung enthält: „Sie sind schon in einem Protokoll am 11.04.2014 auf die gleichen Fehler hingewiesen und an die Qualität Ihrer Arbeit erinnert worden“, führt dieser Verweis – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht zur sachlichen Unrichtigkeit der Abmahnung. Dass der Kläger ausweislich des Gesprächsprotokolls „Qualität“ vom 11.04.2014 auf die gleichen Fehler hingewiesen und an die Qualität seiner Arbeit erinnert worden ist, trifft zu.

Die Abmahnung vom 30.04.2014 erfüllt auch im Übrigen die Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht für Abmahnungen wegen Minderleistungen aufgestellt hat (BAG 27.11.2008 – 2 AZR 675/07 – NZA 2009, 842).

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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