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Abgabe und Zugang einer verkörperten Willenserklärung unter Anwesenden

Arbeitsrecht: Die Tücken von Aufhebungsvereinbarungen – Ein Fall vor dem Arbeitsgericht Bonn

In einem Streit über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wies das Arbeitsgericht Bonn die Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber ab. Der Kläger hatte gegen die Kündigung und eine Aufhebungsvereinbarung, die er mit dem Geschäftsführer des Unternehmens unterzeichnet hatte, geklagt. Er argumentierte, er habe die Aufhebungsvereinbarung unter Druck und ohne vollständiges Verständnis ihrer Bedeutung unterzeichnet. Das Gericht befand jedoch, dass die Vereinbarung rechtskräftig sei, da der Kläger eine angemessene Abfindung erhalten habe und die Vereinbarung rechtsgültig unterzeichnet worden war. Zudem hatte der Kläger effektiv auf sein Recht verzichtet, eine Kündigungsschutzklage zu erheben, und konnte keine überzeugenden Beweise für einen Mangel an Vertretungsmacht des Geschäftsführers oder einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns vorlegen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Ca 1237/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Kläger unterzeichnete eine Aufhebungsvereinbarung mit Abfindung, nachdem ihm gekündigt wurde.
  • Er argumentierte später, die Unterzeichnung sei unter Druck und ohne vollständiges Verständnis erfolgt.
  • Das Gericht wies die Klage ab und erklärte die Vereinbarung für rechtswirksam.
  • Der Kläger hatte durch die Unterzeichnung der Vereinbarung auf das Recht verzichtet, eine Kündigungsschutzklage zu erheben.
  • Die Vereinbarung wurde als nicht unangemessen betrachtet, da der Kläger eine Abfindung erhalten hatte.
  • Die Beweislast für einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns lag beim Kläger, der diese nicht erfüllen konnte.
  • Das Gericht fand keine Anhaltspunkte für eine fehlende Vertretungsmacht des Geschäftsführers oder für einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns.
  • Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger auferlegt.

Abfindung oder Kündigungsschutz: Wann ist eine Aufhebungsvereinbarung sinnvoll?

Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann oft kompliziert und emotional belastend sein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben verschiedene Möglichkeiten, eine Trennung zu gestalten. Eine Option ist die Aufhebungsvereinbarung, die oft mit einer Abfindung einhergeht. Doch wann ist eine solche Vereinbarung sinnvoll und was passiert mit dem Kündigungsschutz? In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die wichtigsten Aspekte rund um Kündigungsschutzklage, Abfindung und Aufhebungsvereinbarung.

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Ein kritischer Blick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Die rechtlichen Tücken einer Aufhebungsvereinbarung

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Arbeitsgericht Bonn, Aktenzeichen 5 Ca 1237/22, stand die Beendigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses im Mittelpunkt. Der Kläger, ein seit 2001 beschäftigter Arbeitnehmer, sah sich mit einer Kündigung sowie einer darauf folgenden Aufhebungsvereinbarung konfrontiert, die unter besonderen Umständen zustande kam. Die Beklagte, ein Unternehmen mit mehr als zehn Angestellten, hatte dem arbeitsunfähigen Kläger während eines Personalgesprächs die Dokumente überreicht.

Zwischen Druck und Einverständnis: Die Zustimmung unter vier Augen

Das Gespräch, geführt zwischen dem Kläger und dem einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten, drehte sich zunächst um die gesundheitliche Situation des Klägers und seine häufigen Fehlzeiten. Im Laufe des Dialogs überreichte der Geschäftsführer dem Kläger eine Kündigung und eine sogenannte „Vereinbarung“, die das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2023 einvernehmlich beenden sollte. Die Vereinbarung sah vor, dass der Kläger auf die Erhebung einer Klage verzichtet und im Gegenzug eine Abfindung in Höhe von 14.000 Euro erhält. Die Besonderheit: Der Abfindungsbetrag wurde handschriftlich während des Gesprächs hinzugefügt, was den spontanen Charakter der Vereinbarung unterstreicht.

Die rechtliche Zwickmühle: Unwirksamkeit und Anfechtung

Der Kläger erhob später Einwände gegen die Wirksamkeit der Kündigung sowie der Aufhebungsvereinbarung. Er argumentierte, dass die Vereinbarung unter Druck zustande kam, ohne dass eine echte Verhandlung über die Abfindung stattfand. Zudem bestritt er die Vertretungsmacht des Geschäftsführers und klassifizierte die Vereinbarung als unangemessen benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingungen. Ein weiterer Punkt war der Vorwurf, dass gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen wurde, da der Geschäftsführer Kritik übte und Druck ausübte.

Die Entscheidung des Gerichts: Eine Frage des Vertrauens und der Rechtsprechung

Das Gericht wies die Klage ab und stellte fest, dass der Kläger durch die Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung wirksam auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet hatte. Die Vereinbarung wurde als rechtswirksam angesehen, da sie die notwendige Schriftform erfüllte und sowohl vom Kläger als auch vom Geschäftsführer unterzeichnet wurde. Das Gericht erkannte an, dass der Kläger eine Willenserklärung wirksam abgegeben hatte, selbst wenn er sich des Inhalts möglicherweise nicht vollständig bewusst war. Darüber hinaus fand das Gericht keine hinreichenden Beweise für einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns oder für eine unangemessene Benachteiligung des Klägers durch die Vereinbarung.

In seinem Urteil betonte das Gericht die Bedeutung der objektiven Umstände, unter denen die Vereinbarung zustande kam, und die Verantwortung des Klägers, sich über die Tragweite seiner Unterschrift im Klaren zu sein. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung und Beratung vor der Unterzeichnung rechtlich bindender Dokumente im Arbeitskontext.

Abschließend lässt sich festhalten, dass der Fall ein lehrreiches Beispiel für die Komplexität arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen darstellt, insbesondere wenn es um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Aufhebungsvereinbarungen geht. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn zeigt, dass die Gerichte den individuellen Umständen jedes Falls besondere Aufmerksamkeit schenken, um eine gerechte und rechtlich fundierte Lösung zu finden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wirkt sich eine Aufhebungsvereinbarung auf das Recht zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage aus?

Ein Aufhebungsvertrag hat erhebliche Auswirkungen auf das Recht eines Arbeitnehmers, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags verzichtet der Arbeitnehmer in der Regel auf die Möglichkeit, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gerichtlich vorzugehen. Dies bedeutet, dass die Kündigung nicht mehr gerichtlich auf ihre Wirksamkeit überprüft werden kann, was für den Arbeitgeber das Risiko teurer und unangenehmer Folgen einer möglicherweise als unwirksam erachteten Kündigung eliminiert.

Ein Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis durch eine beidseitige Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ohne dass eine Kündigung ausgesprochen wird. Dadurch entfallen die üblichen Kündigungsfristen und der Kündigungsschutz, der normalerweise bei einer Kündigung greifen würde. Soziale Kriterien, die bei einer betriebsbedingten Kündigung berücksichtigt werden müssten, spielen keine Rolle, und auch der besondere Schutz für bestimmte Gruppen wie Schwangere, Personen in Elternzeit oder Schwerbehinderte wird nicht berücksichtigt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags in der Regel auch auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet wird. Dieser Verzicht macht eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Kündigung unzulässig und führt dazu, dass die Kündigung automatisch wirksam wird. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein Aufhebungsvertrag nachträglich nicht mehr verändert oder widerrufen werden kann, was bedeutet, dass der Arbeitnehmer nach Unterzeichnung des Vertrags keine Möglichkeit mehr hat, seine Entscheidung zu revidieren oder rechtliche Schritte gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzuleiten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrags bedeutet, dass der Arbeitnehmer auf wesentliche Schutzmechanismen verzichtet, die ihm im Falle einer Kündigung zur Verfügung stehen würden. Dies umfasst den Verzicht auf die Anwendung von Kündigungsfristen, den Verzicht auf den Schutz durch das Kündigungsschutzgesetz und den Verzicht auf die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Daher sollten Arbeitnehmer die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrags sorgfältig abwägen und sich gegebenenfalls rechtlich beraten lassen, bevor sie eine solche Vereinbarung unterzeichnen.

Welche formalen Anforderungen bestehen für die Wirksamkeit einer Aufhebungsvereinbarung?

Für die Wirksamkeit einer Aufhebungsvereinbarung müssen bestimmte formale Anforderungen erfüllt sein. Diese Anforderungen sind im deutschen Recht festgelegt und sollen sicherstellen, dass beide Parteien, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Vereinbarung bewusst und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften treffen.

Schriftform

Die wichtigste formale Anforderung an eine Aufhebungsvereinbarung ist die Schriftform. Nach § 623 BGB muss die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch einen Aufhebungsvertrag zwingend schriftlich erfolgen. Dies bedeutet, dass der Vertrag von beiden Parteien handschriftlich unterzeichnet werden muss. Ein bloßer Briefwechsel oder der Austausch von Bestätigungsschreiben ist nicht ausreichend. Mehrere Blätter des Vertrags sind zu einer Urkunde zusammenzufassen, beispielsweise durch Heftklammer, um die Einheitlichkeit des Dokuments zu gewährleisten.

Elektronische Form ausgeschlossen

Die elektronische Form ist für Aufhebungsverträge ausdrücklich ausgeschlossen. Das bedeutet, dass eine Vereinbarung per E-Mail oder Fax nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht und somit nicht wirksam ist.

Kein gesetzliches Widerrufs- oder Rücktrittsrecht

Ein spezielles gesetzliches Widerrufsrecht oder Rücktrittsrecht für Aufhebungsverträge existiert nicht. Ein Aufhebungsvertrag kann auch dann nicht widerrufen werden, wenn er in der Privatwohnung des Arbeitnehmers abgeschlossen wurde. Allerdings gilt für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags das Gebot des fairen Verhandelns.

Inhaltliche Gestaltung

Obwohl die inhaltliche Ausgestaltung eines Aufhebungsvertrags gesetzlich nicht detailliert geregelt ist, gibt es übliche Mindestregelungen, die getroffen werden sollten. Dazu gehören Vereinbarungen über den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses, Regelungen zur Freistellung von der Arbeit, zur Abfindung, zu offenen Vergütungsansprüchen sowie zum Arbeitszeugnis.

Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen

Es ist zu beachten, dass Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen strengere Formvorschriften für Aufhebungsvereinbarungen vorsehen können. Dies kann beispielsweise die schriftliche Niederlegung der Gründe für den Abschluss der Vereinbarung umfassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einhaltung der Schriftform und die handschriftliche Unterzeichnung durch beide Parteien die grundlegenden formalen Anforderungen für die Wirksamkeit einer Aufhebungsvereinbarung darstellen. Die elektronische Form ist nicht zulässig, und es gibt kein gesetzliches Widerrufs- oder Rücktrittsrecht. Die inhaltliche Gestaltung des Vertrags kann flexibel gehandhabt werden, wobei bestimmte Mindestregelungen üblich sind. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen können zusätzliche Anforderungen stellen.

Welche Bedeutung hat das Gebot des fairen Verhandelns bei der Anbahnung einer Aufhebungsvereinbarung?

Das Gebot des fairen Verhandelns spielt eine wichtige Rolle bei der Anbahnung einer Aufhebungsvereinbarung. Es ist ein Grundsatz, der von den Arbeitsgerichten anerkannt und durchgesetzt wird, um die Entscheidungsfreiheit der Vertragsparteien bei Vertragsverhandlungen zu schützen. Dieses Gebot ist insbesondere relevant, wenn es um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Aufhebungsverträge geht.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Grundsatzentscheidung vom Februar 2019 das Gebot fairen Verhandelns als anwendbar auf Aufhebungsverträge anerkannt. Es schützt die Entscheidungsfreiheit unterhalb der Schwelle der von §§ 105, 119 ff. BGB erfassten Willensmängel. Ein Verstoß gegen dieses Gebot kann vorliegen, wenn der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft, die dem Arbeitnehmer eine freie und überlegte Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert.

Das Gebot des fairen Verhandelns ist jedoch nicht nur auf Aufhebungsverträge beschränkt, sondern gilt auch für andere Vertragsverhandlungen, wie beispielsweise Schuldanerkenntnisse oder Verzichtsvereinbarungen. Es ist nicht nur auf Arbeitgeber beschränkt, sondern gilt auch für Arbeitnehmer, die ebenfalls keine unfaire Verhandlungssituation ausnutzen dürfen.

Ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns kann dazu führen, dass ein Aufhebungsvertrag unwirksam ist. Allerdings sind Aufhebungsverträge nur in Ausnahmefällen wegen einer Verletzung dieses Gebots unwirksam. Es müssen verschiedene negative Begleitumstände zusammentreffen, die in ihrer Summe eine für den Arbeitnehmer unzumutbare Verhandlungssituation ergeben.

Beispiele für Verstöße gegen das Gebot fairen Verhandelns können sein:

  • Das bewusste Ausnutzen von objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwächen des Arbeitnehmers.
  • Das bewusste Ausnutzen von unzureichenden Sprachkenntnissen des Arbeitnehmers.
  • Das Kreuzverhörartige Festhalten eines Arbeitnehmers ohne Möglichkeit, Außenkontakte herzustellen.

Ein Verstoß liegt hingegen in der Regel nicht vor, wenn der Arbeitgeber Kritik am Verhalten des Arbeitnehmers übt und dadurch Betroffenheit beim Arbeitnehmer eintritt, oder wenn der Arbeitgeber keine Vorkehrungen im Hinblick auf die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers trifft.

Es ist wichtig zu betonen, dass allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, für sich genommen keine Pflichtverletzung darstellt, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer keine Bedenkzeit verbleibt oder er keinen Rechtsrat einholen kann.

Insgesamt ist das Gebot fairen Verhandelns ein wichtiger Schutzmechanismus für Arbeitnehmer, um sicherzustellen, dass sie nicht unter unangemessenem Druck oder in einer unfairen Weise zu einer Entscheidung gezwungen werden, die ihre berufliche Zukunft betrifft. Arbeitgeber sollten daher darauf achten, keine unfaire Verhandlungssituation zu schaffen, um die Wirksamkeit von Aufhebungsverträgen nicht zu gefährden.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 174 BGB (Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmachtsurkunde): Regelt, dass eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, unwirksam ist, wenn die zur Vertretung erforderliche Vollmacht nicht mit vorgelegt wird und der Erklärungsempfänger sie aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.
  • § 9 KSchG (Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung): Ermöglicht einem Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Abfindung, wenn sein Arbeitsverhältnis durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet wird.
  • § 623 BGB (Schriftform der Kündigung): Schreibt vor, dass die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf.
  • § 35 GmbHG (Vertretung der GmbH): Legt fest, dass die Geschäftsführer die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Bei mehreren Geschäftsführern ist grundsätzlich gemeinschaftliche Vertretung erforderlich, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes.
  • § 15 HGB (Publizitätsprinzip): Regelung im Handelsgesetzbuch, die besagt, dass Eintragungen im Handelsregister Rechtswirkung gegenüber Dritten entfalten, insbesondere in Bezug auf die Vertretungsmacht von Geschäftsführern.
  • § 130 BGB (Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden): Beschreibt, unter welchen Umständen eine Willenserklärung wirksam wird, insbesondere dass sie zugegangen sein muss, um Wirksamkeit zu entfalten.
  • § 416 ZPO (Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen): Bestimmt die Beweiskraft öffentlicher Urkunden hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Erklärungen und legt fest, dass diese grundsätzlich vollen Beweis des durch die Urkunde bezeugten Vorgangs erbringen.
  • § 119 BGB (Anfechtung wegen Irrtums): Erlaubt die Anfechtung einer Willenserklärung, wenn diese unter einem Irrtum abgegeben wurde, der so wesentlich ist, dass der Erklärende die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte.
  • § 307 BGB (Inhaltskontrolle bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen): Schützt den Vertragspartner vor unangemessenen Benachteiligungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen und ermöglicht eine Überprüfung dieser Bedingungen auf ihre Angemessenheit und Fairness.
  • § 241 Abs. 2 BGB (Nebenpflichten): Bestimmt, dass sich aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungspflichten, sondern auch Schutz- und Rücksichtnahmepflichten ergeben können, insbesondere im Rahmen von Vertragsverhandlungen.
  • § 142 Abs. 1 BGB (Wirkung der Anfechtung): Legt fest, dass eine erfolgreiche Anfechtung zur Nichtigkeit der angefochtenen Willenserklärung führt, als wäre sie nie abgegeben worden.


Das vorliegende Urteil

ArbG Bonn – Az.: 5 Ca 1237/22 – Urteil vom 25.01.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Rechtsmittelstreitwert beträgt 7.161,84 EUR.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des zwischen ihnen zum 01.04.2001 begründeten Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung der Beklagten vom 11.08.2022 und durch eine vertragliche Vereinbarung vom 11.08.2022.

Der am 1968 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Sein letztes durchschnittliches Bruttomonatsgehalt belief sich auf 2.387,28 EUR.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

Am 11.08.2022 bat die Beklagte den zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähigen Kläger zu einem Personalgespräch. Im Rahmen des unter vier Augen im Personalbüro geführten Gesprächs erörterten der Kläger und der laut Handelsregister einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer Herr P. der Beklagten zunächst die gesundheitliche Situation des Klägers und dessen hohe Fehlzeiten. Weitere Gesprächsinhalte und Abläufe sind streitig. Der Geschäftsführer überreichte dem Kläger nach rund 30-minütigem Gespräch eine Kündigung zum 31.03.2023 (Anlage K 1, Bl. 4 der Akte). Außerdem unterzeichnete der Kläger im Rahmen des Gesprächs eine so überschriebene „Vereinbarung“ (Anlage K 2, Bl. 81 der Akte). Darin heißt es unter anderem:

„Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird zum 31.03.2023 einvernehmlich aufgehoben. Es endet mit diesem Termin. (…) Mit der Aufhebung ist der Arbeitnehmer ausdrücklich einverstanden. Er verzichtet ausdrücklich auf die Erhebung einer Klage. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung gemäß § 9 KSchG in Höhe von 14.000,- EUR brutto.“

Der Betrag „14.000,00 EUR“ wurde von dem Geschäftsführer während des Gesprächs handschriftlich in die maschinengeschriebene Vereinbarung eingefügt, nachdem diese Zahl von ihm zuvor mündlich genannt worden war. Außerdem unterschrieb der Geschäftsführer die Vereinbarung unter den Worten „F. GmbH / P.“. Der Kläger unterschrieb sie neben den Worten „Vereinbarung erhalten, gelesen und einverstanden“.

Der Kläger bestreitet die soziale Rechtfertigung der Kündigung und beruft sich auf deren Unwirksamkeit aufgrund einer Zurückweisung gemäß § 174 BGB.

Der Kläger meint, dass die Aufhebungsvereinbarung mangels Vertretungsmacht des Geschäftsführers unwirksam sei. Außerdem handele es sich bei der Vereinbarung um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche für ihn unangemessen benachteiligend seien. Über die Höhe der Abfindung sei nicht verhandelt worden. Schließlich sei im Rahmen des Gesprächs am 11.08.2022 gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen worden. Es habe Kritik und Vorhaltungen des Geschäftsführers gegeben. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er praktisch nie arbeiten würde. Er habe darauf hingewiesen, dass er seit seiner ersten Coronaimpfung immer wieder erkranke und der Arzt die Ursache dafür nicht finden könnte. Nachdem er dies gesagt habe, habe der Geschäftsführer ihm gesagt, dass man eine Kündigung aussprechen müsse und habe ihm das Kündigungsschreiben vorgelegt.

Nach Aushändigung der Kündigung habe der Geschäftsführer ihm als weiteres Schriftstück die Aufhebungsvereinbarung vorgelegt. Im Schriftsatz vom 14.11.2022 hat der Kläger vorgetragen, dass er die Vereinbarung nicht gelesen habe und auch nicht gewusst habe, was er unterzeichne. Während er Kündigungsschreiben und Aufhebungsvereinbarung vor sich liegen gehabt habe, habe der Geschäftsführer auf ihn eingeredet. Unter anderem habe er ihn gefragt, wann er denn endlich wieder zur Arbeit kommen werde. Er sei von dem Geschäftsführer in ein Gespräch verwickelt worden, so dass seine Aufmerksamkeit gestört gewesen sei. In seiner Anhörung im Kammertermin gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 141 Abs. 1 ZPO hat der Kläger erklärt, auf beide Zettel geschaut zu haben und sie dann unterzeichnet zu haben. Dabei sei er von dem Geschäftsführer gefragt worden, wie es ihm gesundheitlich gehe und wann er wiederkommen werde. Er habe nicht gewusst, was er tue.

Der Kläger behauptet, dass er nach Unterzeichnung beide Schriftstücke noch genauer durchlesen wollte. Der Geschäftsführer habe ihm dazu aber keine Gelegenheit gelassen, insbesondere nicht dazu, die Vereinbarung vollständig durchzulesen. Stattdessen habe der Geschäftsführer beide Schriftstücke selbständig an sich genommen, kopiert und dem Kläger eine Kopie der Vereinbarung ausgehändigt. Damit sei eine Willenserklärung von dem Kläger nicht abgegeben worden. Die Beklagte könne sich insoweit auch nicht auf die Vermutungswirkung gemäß § 416 ZPO stützen, weil diese Vorschrift für den Zugang einer Willenserklärung nicht gelte.

Jedenfalls aber habe er eine etwaige Willenserklärung am 18.08.2022 wirksam angefochten. Sein Willensmangel ergebe sich daraus, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass es bei der Vereinbarung um die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses gegangen sei. Hätte er gewusst, dass es um die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gehe, so hätte er die Vereinbarung nicht unterzeichnet.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zu der Beklagten nicht durch die ordentliche Kündigung vom 11.08.2022 zum 31.03.2023 aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die „Vereinbarung“ vom 11.08.2022 beendet worden ist und

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag als Mitarbeiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass die Kündigung als betriebsbedingte Kündigung nach durchgeführter Sozialauswahl sozial gerechtfertigt gewesen sei. Darauf komme es aufgrund der Wirksamkeit der Vereinbarung zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses aber nicht an, zumal der Kläger auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet habe.

Die Beklagte hält die Vereinbarung vom 11.08.2022 als Abwicklungsvereinbarung bzw. Aufhebungsvertrag für rechtswirksam. Herr P. sei als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer zu der Unterzeichnung sowohl die Kündigung als auch der Vereinbarung berechtigt gewesen.

Die Rügen des Klägers gegen die Wirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung gingen ins Leere. Es handele sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Vertrag sei individuell ausgehandelt worden. Gegen das Gebot des fairen Verhandelns sei nicht verstoßen worden. Im Gegenteil sei der Kläger nicht konsterniert, sondern erleichtert gewesen, eine Abfindung i.H.v. 14.000,00 EUR zu erhalten. Die Höhe der Abfindung sei im Einzelnen besprochen worden. Wäre der Kläger mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nicht einverstanden gewesen, so hätte der Geschäftsführer den Betrag nicht eingetragen und dem Kläger die Vereinbarung nicht ausgehändigt.

Es sei nicht richtig, dass der Geschäftsführer den Kläger anlässlich des Gesprächs am 11.08.2022 unfair behandelt habe. Die Beklagte habe das Erscheinen des Klägers nicht kraft Direktionsrechts angeordnet, sondern nur um ein Gespräch gebeten. Es sei ein sachliches Gespräch gewesen. Es sei um die hohen Fehlzeiten, die gesundheitliche Situation des Klägers und Kritik an dessen Arbeitsleistung gegangen. Vor Übergabe der Kündigung habe der Geschäftsführer dies angekündigt. Er habe auch auf die zusätzlich ausgehändigte Vereinbarung besonders hingewiesen und den Kläger gebeten, sich diese anzuschauen. Dass der Kläger die Vereinbarung nicht durchgelesen habe, sei lebensfremd und eine Schutzbehauptung. Jedenfalls durch den Gesprächsverlauf zuvor sei der Kläger informiert gewesen, worum es gehe. Schließlich sei auch konkret über die Höhe der Abfindung gesprochen worden. Zunächst habe die Beklagte 12.000,00 EUR Abfindung vorgeschlagen. Nachdem der Kläger skeptisch geschaut habe, habe die Beklagte das Angebot auf 14.000,00 EUR erhöht. Es sei ein vollkommen unverfänglicher und üblicher Ablauf gewesen.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme der Tätigkeit habe der Geschäftsführer den Kläger motivieren wollen, weil dieser einen zufriedenen Eindruck machte. Er habe auf den Kläger nicht eingeredet, als die Kündigung und die Vereinbarung vor ihm lagen. Er habe darauf gewartet, dass der Kläger die Dokumente durchlas. Der Kläger habe dem Geschäftsführer nach Unterzeichnung Kündigungsschreiben und Aufhebungsvereinbarung wohl ausgehändigt; jedenfalls aber habe der Geschäftsführer dem Kläger die Vereinbarung nicht entrissen. Womöglich sei so gewesen, dass Kündigungsschreiben und Aufhebungsvereinbarung längere Zeit und nebeneinander vor dem Kläger gelegen hätten und dass der Geschäftsführer sie dann mit den Worten „So jetzt kopiere ich die noch“ an sich genommen habe. Eine Willenserklärung sei somit wirksam abgegeben worden. Ein Anfechtungsgrund liege offensichtlich nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle des Gütetermins und des Kammertermins verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

I. Hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags ist die Klage unzulässig, denn der Kläger hat durch den rechtswirksamen Abschluss der Aufhebungsvereinbarung (dazu im Einzelnen sogleich II.) wirksam auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet.

1. Die Kammer versteht die „Vereinbarung“ angesichts ihres insoweit eindeutigen Wortlauts als prozessrechtlichen Vertrag, mit welchem die Parteien wirksam vereinbart haben, dass der Kläger keine Klage erheben und die Kündigung hinnehmen werde (vgl. zu den rechtlichen Maßstäben etwa BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 11; BAG 19.04.2007 – 2 AZR 208/06 Rn. 15 ff.; Kiel in Erfurter Kommentar 23. Aufl. 2023 § 4 KSchG Rn. 28). Dies führt nach teilweise vertretener Ansicht zur Unzulässigkeit, nach anderer Ansicht zur Unbegründetheit der Kündigungsschutzklage (dazu und m.w.N. Hergenröder in MünchKomm-BGB 9. Aufl. 2023 § 4 KSchG Rn. 83). Die Kammer nimmt bereits ein dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis nahestehendes, auf einer Parteivereinbarung beruhendes Prozesshindernis an.

2. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass es sich bei der „Vereinbarung“ um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelte, wäre der Klageverzicht rechtswirksam.

a) Zwar kann eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung zu einem Klageverzicht als überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB unter Umständen nicht Bestandteil eines Vertrages werden. Dies ist der Fall, wenn nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, der Arbeitnehmer nicht mit der Aufnahme einer Klageverzichtsregelung in den Vertrag zu rechnen braucht (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 17 für einen als Anschreiben unter der Überschrift „Arbeitspapiere“ gestalteten Klageverzicht). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Überschrift lautet „Vereinbarung“, signalisierte also dem Kläger, dass in dem Schriftstück rechtsverbindliche Erklärungen enthalten sein dürften. Die Vereinbarung besteht aus fünf übersichtlichen und nicht klein geschriebenen Absätzen. Der Klageverzicht ist nicht an ungewöhnlicher Stelle versteckt. Er folgt direkt dem Satz „Mit der Aufhebung ist der Arbeitnehmer ausdrücklich einverstanden“ und damit an systematisch nachvollziehbarer Stelle.

b) Der Klageverzicht stellt auch keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 BGB dar. Klageverzichtvereinbarungen in Abwicklungsvereinbarungen bzw. Aufhebungsverträgen, die in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen abgeschlossen werden, unterliegen einer Angemessenheitskontrolle (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 19 ff.). Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 23 m.w.N.). Die typischen Interessen der Vertragspartner sind unter besonderer Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen wechselseitig zu bewerten (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 23 m.w.N.). Die Unangemessenheit beurteilt sich nach einem generellen und typisierenden, vom Einzelfall losgelösten Maßstab unter Berücksichtigung von Gegenstand, Zweck und Eigenart des jeweiligen Geschäfts innerhalb der beteiligten Verkehrskreise (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 23 m.w.N.).

Gemessen daran liegt im formularmäßigen, ohne Gegenleistung erklärten Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine unangemessene Benachteiligung. Der Arbeitgeber verfolgt damit das Ziel, seine Rechtsposition ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers zu verbessern, indem er diesem die Möglichkeit entzieht, die Rechtswirksamkeit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberkündigung gerichtlich überprüfen zu lassen (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 24 m.w.N.). Dieser Verzicht wirkt allein zu Lasten des gekündigten Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muss bei einem innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG erklärten Klageverzicht den Ablauf der Klagefrist nicht mehr abwarten, sondern kann bereits zuvor davon ausgehen, dass seine Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtswirksam beendet hat bzw. beenden wird. Er kann Dispositionen treffen, ohne die Feststellung einer Unwirksamkeit der Kündigung am Ende eines möglicherweise langjährigen Prozesses fürchten zu müssen (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 24 m.w.N.). Ein formularmäßiger Klageverzicht ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation – etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt, die Beendigungsart, die Zahlung einer Entlassungsentschädigung oder den Verzicht auf eigene Ersatzansprüche – ist daher in der Regel unzulässig (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 24 m.w.N.).

Mit der Zusage einer Abfindung i.H.v. 14.000,00 EUR brutto haben die Parteien jedoch eine angemessene Gegenleistung für den Klageverzicht vereinbart, was der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung entgegensteht. Die sog. Regelabfindung (ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr in Anlehnung an § 1a Abs. 2 KSchG) hätte bei rund 26.000,00 EUR gelegen. Die zugesagte Abfindung entspricht somit ca. 54 % der Regelabfindung und erreicht zugleich absolut gesehen eine signifikante Höhe. Das Beendigungsdatum wurde nicht vorgezogen. Auch die weiteren Regelungen in dem Aufhebungsvertrag (ordnungsgemäße Abwicklung bis zur Beendigung, wechselseitige Erledigungsklausel bei Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Aufhebungsvertrag) sind üblich. Im Falle eines Verlustes des Kündigungsschutzprozesses, insbesondere bei sozialer Rechtfertigung der Kündigung, hätte der Kläger keinen Anspruch auf eine Abfindung gehabt. Insofern hat er womöglich von dem Aufhebungsvertrag erheblich profitiert, abhängig davon, ob die von der Beklagten nur pauschal behaupteten betriebsbedingten Auflösungsgründe tatsächlich vorlagen oder nicht. Jedenfalls hat die Kammer keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich mit dem Klageverzicht ohne Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers nicht angemessen kompensierte Vorteile verschafft hat.

II. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Vereinbarung“ ist zulässig – insbesondere hat der Kläger ein entsprechendes Feststellungsinteresse gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 495, § 256 Abs. 1 ZPO – jedoch unbegründet.

1. Die Vereinbarung ist formgerecht zu Stande gekommen. Aufgrund des aufgenommenen Klageverzichts in zeitlich engem Zusammenhang zu dem Ausspruch der Kündigung bedurfte die Vereinbarung für ihre Rechtswirksamkeit als Aufhebungsvertrag der Schriftform (§ 623 BGB; BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 Rn. 27). Dies bedeutet Unterzeichnung beider Vertragsparteien auf derselben Urkunde (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). Diesem Erfordernis ist genügt, weil sowohl die Beklagte (in Person ihres Geschäftsführers) als auch der Kläger den Aufhebungsvertrag auf derselben Urkunde unterzeichnet haben.

2. Der Aufhebungsantrag ist auch nicht mangels Vertretungsmacht des Geschäftsführers unwirksam. Gemäß § 35 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wie die Beklagte durch ihren Geschäftsführer vertreten, wobei bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer diese nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. Der den Aufhebungsvertrag unterzeichnende Geschäftsführer Herr P. ist im Handelsregister (Amtsgericht Düren – HRB …) seit dem …2011 als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten eingetragen. Ist im Handelsregister eine Tatsache eingetragen und bekanntgemacht worden, so muss ein Dritter – hier der Kläger – sie gegen sich gelten lassen, sofern die Tatsache wahr ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 HGB). Das Bestreiten der Einzelvertretungsmacht des Geschäftsführers ist „ins Blaue hinein“ erfolgt, weil es für einen fehlerhaften Eintrag im Handelsregister keinerlei Anhaltspunkte gibt. Die Rüge der fehlenden Vertretungsmacht geht somit ins Leere.

3. Auch hat der Kläger eine Willenserklärung gegenüber dem Geschäftsführer nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont wirksam abgegeben.

a) Nicht von Relevanz ist, ob der Kläger insoweit erkannte, rechtlich bedeutsam zu handeln, etwa weil er sich des Inhalts der Vereinbarung ggf. nicht bewusst war. Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende, hier also der Kläger, bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte (BGH 07.11.2001 – VIII ZR 13/01 zu II. 3. b) dd) der Gründe). Zum Schutz des Rechtsverkehrs ist darauf abzustellen, welchen Bedeutungsgehalt der Geschäftsführer der Beklagten dem Handeln des Klägers beimessen durfte. Fraglos durfte der Geschäftsführer nach der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags durch den Kläger davon ausgehen, dass dieser sich der Rechtserheblichkeit seines Tuns bewusst war. Es gab – auch den Sachvortrag des Klägers als richtig unterstellt – keine objektiv erkennbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Inhalt des sehr kurzen Vertrags nicht zur Kenntnis genommen hatte, als er unterschrieb.

b) Die Willenserklärung des Klägers ist der Beklagten auch zugegangen. Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Anwesenden zu – und wird damit entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam -, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt (BAG 26.03.2015 – 2 AZR 483/14 Rn. 20; BAG 04.11.2004 – 2 AZR 17/04 zu B. I. 2. a) der Gründe; Einsele in MünchKomm-BGB 9. Aufl. 2021 § 130 Rn. 27). Abgegeben ist die Erklärung, wenn der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist. Eine empfangsbedürftige schriftliche Willenserklärung muss zu ihrer Wirksamkeit begeben werden, d. h. sie muss mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sein (BGH 10.07.2013 – IV ZR 224/12 Rn. 17).

Der Begriff „Übergabe“ ist dabei nicht zwingend so zu verstehen, dass der Erklärende die verkörperte Willenserklärung dem Empfänger höchstpersönlich anreichen muss, auch wenn dies seinen Begebungswillen selbstverständlich zusätzlich unterstreichen kann. Hat der Erklärende sich für den Erklärungsempfänger nach dem objektiven Empfängerhorizont erkennbar entschieden, die schriftliche Willenserklärung gegen sich gelten lassen zu wollen, kann es für eine Begebung der Willenserklärung auch genügen, dass der Erklärende die verkörperte Erklärung für den Empfänger erkennbar in dessen Machtbereich zwecks Inbesitznahme liegenlässt oder aber von dem Erklärungsempfänger an sich nehmen lässt, also einen typischen, im Geschäftsverkehr verbreiteten Geschehensablauf widerspruchslos hinnimmt. Eine Übergabe von Hand zu Hand ist gerade nicht erforderlich, es genügt, wenn die verkörperte Erklärung in den Einwirkungsbereich des Empfängers gelangt, etwa dadurch, dass sie ihm auf den Tisch gelegt wird (Wendtland in BeckOK-BGB Stand 01.11.2022 § 130 Rn. 27). Es handelt sich in solchen Fällen um eine Übergabe der verkörperten Willenserklärung durch den schlüssig signalisierten Wechsel der Willenserklärung in den Machtbereich des Empfängers mit Wissen und Wollen des Erklärenden.

So liegt der Fall hier. Der Kläger hat nicht konkret behauptet, dass der Geschäftsführer ihm den Aufhebungsvertrag gegen seinen erkennbaren Willen weggenommen (etwa entrissen) hätte oder dass die Urkunde ihm sonst abhandengekommen wäre. Er hat die glaubhafte, konkrete und schlüssige Schilderung des Geschäftsführers, wonach sowohl Kündigung als auch Aufhebungsvertrag nach Unterzeichnung längere Zeit vor ihm gelegen hätten und der Geschäftsführer die Situation durch Anfertigung der Kopie auflösen wollte, nicht im Einzelnen bestritten. Im Rahmen dieses Ablaufs durfte der Geschäftsführer das Handeln des Klägers nach dem auch insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont so verstehen, dass dieser mit der Übergabe an die Beklagte einverstanden war. Es wäre an dem Kläger gewesen, in dieser Situation ausdrücklich zu widersprechen, sich etwa eine Bedenkzeit auszubedingen oder den Vertrag zur weiteren Prüfung zunächst mitzunehmen, um den Rechtsschein seines Handelns, das Einverständnis signalisierte, zu zerstören.

Die Übergabe unterstreicht der sodann folgende Ablauf, d. h. die Entgegennahme der Kopie des Aufhebungsvertrags ohne Protest des Klägers und das Verlassen des Raumes ohne das Original des Aufhebungsvertrags, der einvernehmlich im Machtbereich der Beklagten verblieb. Spätestens damit hat der Kläger seine verkörperte Willenserklärung bewusst und endgültig im Machtbereich der Beklagten belassen und damit seine Willenserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont endgültig abgegeben.

c) Selbst wenn man nicht bereits das dargelegte Geschehen für eine Übergabe (Begebung) der Urkunde an die Beklagte ausreichen lassen wollte, hätte der Kläger die Vermutungswirkung aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 495, § 416 ZPO nicht durch einen Gegenbeweis zerstört. Gemäß § 416 ZPO begründen Privaturkunden, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die die Kammer für überzeugend hält, erstreckt sich die Vermutungswirkung aus § 416 ZPO auch auf die Begebung einer Urkunde, d. h. deren Abgabe in den Rechtsverkehr (BGH 10.07.2013 – IV ZR 224/12 Rn. 28 ff.; BGH 08.03.2006 – IV ZR 145/05 Rn. 13 ff.; BGH 18.12.2002 – IV ZR 39/02 zu II. der Gründe; a. A. LAG Hamm 17.03.2005 – 16 Sa 912/04 Rn. 22). Die in § 416 ZPO angeordnete, das Gericht bindende Beweiswirkung hängt nicht von den Umständen der Erklärung, ihrer Begebung oder des Zugangs ab, sondern allein von der in den Verkehr gelangten echten Urkunde (BGH 10.07.2013 – IV ZR 224/12 Rn. 29). Gegen die Beweiswirkung des § 416 ZPO kann der Beweis angetreten werden, dass die Urkunde nicht willentlich begeben worden ist. Erforderlich dafür ist der Gegenteilsbeweis (BGH 10.07.2013 – IV ZR 224/12 Rn. 31; BGH 08.03.2006 – IV ZR 145/05 Rn. 16). Sähe man dies anders, wäre die Beweisregel aus § 416 ZPO entgegen ihrem Wortlaut und Zweck erheblich entwertet.

Einen solchen Gegenbeweis hätte der Kläger nicht führen können. Er hat zwar Beweis durch die begehrte Parteivernehmung des Geschäftsführers angetreten (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 495, § 445 Abs. 1 ZPO) und ist zudem selbst ausführlich als Partei angehört worden, um dem Gebot prozessualer Waffengleichheit gerecht zu werden. Losgelöst davon, dass eine Beweisaufnahme nach Auffassung der Kammer mangels Erheblichkeit nach den Parteianhörungen nicht erforderlich gewesen wäre, hatte der Geschäftsführer der Beklagten seine Vernehmung gemäß § 446 ZPO zulässigerweise abgelehnt. Dies hätte bei Erheblichkeit des Beweisantritts nur zur Folge gehabt, dass das Gericht unter Berücksichtigung der gesamten Sachlage, insbesondere der für die Weigerung vorgebrachten Gründe, nach freier Überzeugung hätte entscheiden müssen, ob es die behauptete Tatsache (Wegnahme der Urkunde gegen den Willen des Klägers) als erwiesen ansehen wollte. Dies wäre hier – Entscheidungserheblichkeit unterstellt – jedoch nicht der Fall gewesen. Das Gericht hatte den Geschäftsführer zuvor im Rahmen einer Anhörung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 141 Abs. 1 ZPO ausführlich angehört. Seine Angaben im Zusammenhang mit dem Gespräch am 11.08.2022 und die nach objektivem Empfängerhorizont gegebene Überlassung der Urkunde an die Beklagte waren für die Kammer durchgehend nachvollziehbar, glaubhaft und in sich schlüssig. Es gab aus Sicht der Kammer keinerlei Anhaltspunkte für falsche Angaben des Geschäftsführers, insbesondere dafür, dass der Geschäftsführer dem Kläger die Vereinbarung wegnahm, obgleich dieser sie noch lesen und sich die Begebung somit noch erkennbar vorbehalten wollte. In dieser Situation war es nachvollziehbar, die Parteivernehmung unter Bezugnahme auf die erfolgte Anhörung abzulehnen.

4. Die Willenserklärung des Klägers ist auch nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig, weil der Kläger eine Anfechtung nicht rechtswirksam erklärt hat.

a) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde (§ 119 Abs. 1 BGB). Ein Irrtum setzt dabei eine Fehlvorstellung voraus; wer sich keine Gedanken macht, irrt nicht (BGH 15.01.2002 – XI ZR 98/01 zu III. 1. a) der Gründe; Armbrüster in MünchKomm-BGB 9. Aufl. 2021 § 119 Rn. 54). Wer eine Urkunde ungelesen unterschreibt, hat nur dann ein Anfechtungsrecht, wenn er sich von deren Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat (BGH 15.01.2002 – XI ZR 98/01 zu III. 1. a) der Gründe). Dies bedeutet: Träfe der Sachvortrag des Klägers, wonach er die „Vereinbarung“ vor der Unterzeichnung nicht durchgelesen hätte, keine Vorstellungen von ihrem Inhalt gehabt hätte und gleichwohl unterschrieben hätte, zu, so hätte es sich um eine nicht zur Anfechtung berechtigende sog. Risikoerklärung gehandelt.

b) Ohnehin hegt die Kammer Zweifel an der Tatsache, dass der Kläger die Urkunde ungelesen unterzeichnete. Denn in seiner Anhörung hat der Kläger angegeben, „auf beide Zettel geschaut“ zu haben. Dies spricht dafür, dass er den Inhalt der sehr kurzen Vereinbarung zur Kenntnis genommen hatte, zumal zuvor – unstreitig – über einen Betrag von 14.000,00 EUR gesprochen worden war und der Kläger sich insoweit hinsichtlich weiterer Einzelheiten ausgesprochen zurückhaltend eingelassen hat.

5. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Wege der Naturalrestitution gemäß § 611a Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB. Denn die Beklagte hat im Vorfeld des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen.

a) Das Gebot fairen Verhandelns ist eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht im Sinne von § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 22; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 31). Es wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 22; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 34). Dabei geht es nicht um das Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 22; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 34). § 241 Abs. 2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern nur zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite, indem er unfaire Verhandlungen missbilligt (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 22; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 33).

Das Bundesarbeitsgericht hat ausgehend von diesem Ansatz eine Verhandlungssituation erst dann als unfair bewertet, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 22; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 34). Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist stets anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 25; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 34). Als tatsächliche Umstände, die das Gebot fairen Verhandelns verletzen, kommen jedenfalls besonders unangenehme Rahmenbedingungen in Betracht (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 26; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 34). So verhält es sich beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer unter einem anderen Vorwand in das Zimmer des Vorgesetzten gebeten wird, um ihn dort mehrere Stunden in einer kreuzverhörähnlichen und von Außenkontakten isolierten Situation so lange festzuhalten, bis er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 26; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 34). Vom Arbeitgeber an dem Verhalten des Arbeitnehmers geäußerte Kritik und eine daraufhin eintretende Betroffenheit des Arbeitnehmers genügen jedoch für sich genommen noch nicht, um von einer rechtlich zu missbilligenden Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers auszugehen (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 26). Anders verhält es sich bei der Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 26).

Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gehalten, ohne Vorliegen objektiver Anhaltspunkte von sich aus besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die freie Entscheidungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu treffen und diesen beispielsweise nach einer etwaigen Medikamenteneinnahme zu befragen und zwar auch dann nicht, wenn die Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag während einer längeren Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers erfolgen (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 26; LAG Hessen 11.06.2021 – 10 Sa 1221/20 Rn. 34 f.). Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann zu berücksichtigen sein (Überrumpelung). Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist jedoch nicht allein deswegen gegeben, weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt. Auch eine Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung ist nicht erforderlich (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 26; BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 34).

Die Beweislast für einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns liegt bei demjenigen, der sich auf die Verletzung von § 241 Abs. 2 BGB beruft (BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 43).

b) Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe konnte die Kammer schon nach dem Vorbringen des Klägers keinen derartigen Ausnahmefall feststellen. Auf das Bestreiten der Beklagten und die eingehende Schilderung des Geschäftsführers hat der Kläger keine Einzelheiten vorgetragen, die für eine zu missbilligende Situation bei Abschluss des Aufhebungsvertrages sprechen. Dies gilt zunächst für das Aufsuchen des Betriebs. Diesbezüglich gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass auf den Kläger hierbei Druck ausgeübt wurde. Er behauptet auch keine im Vorfeld gegebene psychische Ausnahmesituation oder dass der Geschäftsführer erkennen konnte, dass er nach Übergabe der Schriftstücke überfordert war. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen, unter falschem Vorwand in das Personalbüro gelockt worden zu sein. Schließlich ist das Personalbüro auch kein ungewöhnlicher Ort für das Führen von Aufhebungsvertragsverhandlungen. Die Dauer des Gesprächs von in etwa 30 Minuten bis zum Ausspruch der Kündigung und der Übergabe des Aufhebungsvertrags war nicht ungewöhnlich lang. Dass der Geschäftsführer die gesundheitliche Situation des Klägers thematisierte und Kritik an den Fehlzeiten übte, genügte für sich genommen ebenfalls nicht für die Herbeiführung einer besonders belastenden Verhandlungssituation. Dasselbe gilt für die Übergabe des Kündigungsschreibens. Ergänzend zu dem Ausspruch einer Kündigung eine übliche Aufhebungsvereinbarung mit einer Abfindung anzubieten, ist weder ungewöhnlich noch rechtlich missbilligt, sondern erweitert die Handlungsmöglichkeiten des betroffenen Arbeitnehmers.

Der Kläger hat zwar angegeben, dass der Geschäftsführer auf ihn eingeredet habe, unter anderem die Wiederaufnahme der Arbeit thematisiert habe, als er die Vereinbarung vor sich liegen hatte. Dies könnte bei intensivem Ablenken und Stören der Konzentration in der Tat als relevantes unfaires Verhandeln zu bewerten sein. Die entsprechenden Angaben des Klägers sind aber deutlich zu ungenau, um aus ihnen auf eine insgesamt zu missbilligende Verhandlungssituation schließen zu können. Der Kläger hat keinerlei zeitliche oder inhaltliche Details der angeblichen Äußerungen des Geschäftsführers mitgeteilt, während dieser im Einzelnen eine sachliche Gesprächsatmosphäre schilderte, in der unter anderem eine konkrete Abfindungssumme in beträchtlicher Höhe erörtert wurde und die in die Gelegenheit für den Kläger mündete, sich Kündigungsschreiben und „Vereinbarung“ in Ruhe anzusehen, während beide Personen schwiegen. Dem ist der Kläger lediglich pauschal entgegengetreten.

Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Prozessual folgt daraus die Obliegenheit, sich zu qualifiziertem Sachvortrag des Prozessgegners soweit möglich im Einzelnen zu erklären, um zu vermeiden, dass dessen Vorbringen als zugestanden gilt (vgl. etwa Stadler in Musielak/Voit ZPO 19. Aufl. 2022 § 138 Rn. 10 m.w.N.). Im Sinne dieser Vorschrift hat der Kläger sich nicht im Einzelnen, insbesondere zeitlich und inhaltlich, zu den angeblichen Aussagen des Geschäftsführers und deren Auswirkungen auf seine Konzentration erklärt. Damit war das Vorbringen des Beklagten, dass es keine signifikante Ablenkung gab, zugestanden.

Selbst wenn man insoweit von schlüssigem Sachvortrag des Klägers ausgehen wollte, wäre der Kläger für einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns beweisfällig geblieben. Während seine Schilderung der Umstände zwar nicht widersprüchlich, jedoch sehr detailarm war, konnte der Geschäftsführer der Beklagten in seiner Anhörung genaue und anschauliche Angaben machen, die für die Kammer durchgehend glaubhaft waren. Für die zulässige Ablehnung der Parteivernehmung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 495, § 446 ZPO gilt das oben unter 3. c) Ausgeführte daher entsprechend. Prozessual war somit – allenfalls – ein non liquet gegeben, also die Situation einer Entscheidung zu Lasten der beweisbelasteten Partei bei nicht endgültig aufklärbarem Sachverhalt. Auch in dem unterstellten Fall erheblichen Sachvortrags des Klägers wäre die Entscheidung also zu Lasten des beweisbelasteten Klägers ausgefallen.

III. Der als Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht zur Entscheidung angefallen, weil der Kündigungsschutzantrag unzulässig war.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

V. Den Rechtsmittelstreitwert hat die Kammer unter Berücksichtigung der Regelungen aus § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG und des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO mit drei Bruttomonatsgehältern im Urteil festgesetzt.

VI. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.

 

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