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Geschäftsführerdienstvertrag – Ordentliche Kündigung und arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag

Geschäftsführerdienstvertrag: Die anspruchsvolle Dualität von ordentlicher Kündigung und arbeitgeberseitigem Auflösungsantrag

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in seinem Urteil vom 22. Februar 2023 (Az.: 2 Sa 816/22) entschieden, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Geschäftsführers unwirksam ist. Der Kläger, ein Geschäftsführer, dessen Anstellungsvertrag gekündigt wurde, hat erfolgreich gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses geklagt. Das Gericht stellte fest, dass bei der Kündigung sowohl ein dringendes betriebliches Erfordernis als auch die Durchführung einer ordnungsgemäßen sozialen Auswahl fehlten. Zudem wurde der Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung abgewiesen, da kein Auflösungsgrund vorlag. Der Kläger konnte seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung jedoch nicht durchsetzen, da seine ursprüngliche Position nicht mehr existierte und keine vergleichbare Position zur Verfügung stand.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Sa 816/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Wichtige Punkte des Urteils

  1. Die Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages und des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte zum 30.06.2022 war unwirksam.
  2. Das Gericht sah weder ein dringendes betriebliches Erfordernis noch die Durchführung einer ordnungsgemäßen sozialen Auswahl als gegeben an.
  3. Der Auflösungsantrag der Beklagten wurde abgewiesen, da kein ausreichender Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorlag.
  4. Der Kläger konnte seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung nicht durchsetzen, weil seine frühere Position nicht mehr verfügbar war.
  5. Der Bestandsschutz des Klägers aus dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis wurde durch den Geschäftsführeranstellungsvertrag nicht beeinträchtigt.
  6. Eine Weiterbeschäftigung an anderer Stelle scheiterte an der fehlenden Vergleichbarkeit der Positionen und der fehlenden Eignung des Klägers für andere Stellen.
  7. Das Gericht bestätigte, dass der Kündigungsschutz des Klägers nicht durch die vorübergehende Übernahme der Geschäftsführerposition aufgehoben wurde.
  8. Die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt.

Geschäftsführerdienstvertrag: Die Grenzen der Kündigung und das Recht auf Rückkehr

Geschäftsführerdienstverträge sind für viele Unternehmen eine wichtige rechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit mit ihrer Geschäftsführung. Doch was passiert, wenn diese Zusammenarbeit durch eine Kündigung vom Geschäftsführer oder durch einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers beendet werden soll? Hier kommt es zum einen auf die Auslegung des jeweiligen Vertragsverhältnisses an, zum anderen darauf, ob der Kündigungsschutz eingreift oder ob nach den Bestimmungen des Kündigungs- oder Auflösungsschutzes eine Kündigung oder ein Auflösungsantrag möglich ist.

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Die rechtliche Prüfung einer ordentlichen Kündigung

Im Fokus des juristischen Streits stand die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung im Rahmen eines Geschäftsführerdienstvertrages sowie ein arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag.

Kündigung & Auflösungsantrag: Geschäftsführerdienstvertrag
Wichtige Infos zur Kündigung und zum Auflösungsantrag im Geschäftsführerdienstvertrag (Symbolfoto: Bartolomiej Pietrzyk /Shutterstock.com)

Der Kläger, seit über zwei Jahrzehnten in verschiedenen Positionen für die Beklagte tätig, zuletzt als Geschäftsführer, sah sich mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses konfrontiert. Die Beklagte, ein Tochterunternehmen eines internationalen Konzerns, argumentierte mit dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers nach Widerruf seiner Geschäftsführerbestellung.

Die Komplexität der Rückkehr in das Arbeitsverhältnis

Die Auseinandersetzung rührte vor allem daher, dass der Kläger für den Fall der Beendigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages eine Rückkehr in sein vorheriges Arbeitsverhältnis, unter Beibehaltung aller Rechte und Pflichten, angestrebt hatte. Diese Vereinbarung fand Eingang in den Geschäftsführeranstellungsvertrag. Die Beklagte jedoch sah mit dem Wegfall der Position des Geschäftsführers keine weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger, auch nicht in seiner ursprünglichen Position vor der Bestellung zum Geschäftsführer, da diese inzwischen einer organisatorischen Umstrukturierung zum Opfer gefallen war.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht Hamm entschied zugunsten des Klägers. Es stellte fest, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam sei. Im Kern argumentierte das Gericht, dass die sozialen Belange des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt wurden und die Beklagte eine ordnungsgemäße soziale Auswahl hätte durchführen müssen. Zudem wurde dem Kläger der Bestandsschutz seines ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zugesichert, welcher bei einer Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages wieder aufleben sollte.

Das Urteil und seine Bedeutung für die Arbeitsrechtspraxis

Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung klarer Vereinbarungen in Geschäftsführeranstellungsverträgen hinsichtlich der Rückkehr in vorherige Arbeitsverhältnisse. Es betont ferner die Notwendigkeit einer sozialen Auswahl durch den Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung, selbst in komplexen Fällen, in denen Mitarbeiter in Doppelfunktionen als Angestellte und Geschäftsführer tätig sind. Die Entscheidung des Gerichts stärkt die Position von Arbeitnehmern, die nach einer Tätigkeit als Geschäftsführer in ihr vorheriges Arbeitsverhältnis zurückkehren möchten und unterstreicht die Schutzmechanismen des Kündigungsschutzgesetzes.

Die rechtliche Auseinandersetzung um die Wirksamkeit einer Kündigung im Kontext eines Geschäftsführerdienstvertrages unterstreicht die Bedeutung klar definierter Rückkehrklauseln und die Einhaltung sozialrechtlicher Prinzipien. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit seinem Urteil ein klares Signal gesetzt, das den Schutz des Arbeitnehmers in den Vordergrund rückt und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur sozialen Auswahl und zum Bestandsschutz betont.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was ist ein Geschäftsführerdienstvertrag und wie unterscheidet er sich von einem normalen Arbeitsvertrag?

Ein Geschäftsführerdienstvertrag, auch Geschäftsführeranstellungsvertrag oder Geschäftsführervertrag genannt, ist ein Dienstvertrag im Sinne von § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und bildet die finanzielle Grundlage für die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer. Er regelt die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer Gesellschaft, wie zum Beispiel einer GmbH oder UG, und ist in der Regel kein Arbeitsvertrag, sondern ein freier Dienstvertrag. Dies bedeutet, dass der Geschäftsführer zwar für die Gesellschaft tätig ist, aber nicht in dem Maße weisungsgebunden und abhängig ist, wie es bei einem normalen Arbeitnehmer der Fall wäre.

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Geschäftsführerdienstvertrag und einem normalen Arbeitsvertrag liegt in der Stellung des Geschäftsführers innerhalb der Gesellschaft. Während ein Arbeitnehmer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht und weisungsgebunden ist, hat der Geschäftsführer eine leitende Position und vertritt die Gesellschaft nach außen. Er ist für die Leitung der Geschäfte verantwortlich und besitzt in der Regel eine größere Entscheidungsfreiheit und Verantwortung.

Geschäftsführer sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) grundsätzlich keine Arbeitnehmer der GmbH, da sie das Unternehmen als dessen Organ repräsentieren. Dies hat zur Folge, dass auf Geschäftsführer die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, wie zum Beispiel das Kündigungsschutzgesetz, in der Regel nicht anwendbar sind. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in Ausnahmefällen die Möglichkeit eingeräumt, dass ein Geschäftsführer einen Arbeitsvertrag abschließen kann, wenn eine hohe Intensität der Eingliederung und Weisungsunterworfenheit vorliegt.

Ein Geschäftsführerdienstvertrag sollte unter anderem Regelungen zu den Aufgaben und Pflichten des Geschäftsführers, Beginn und Ende des Vertragsverhältnisses, Vergütung, Urlaub und Haftung enthalten. Da der Geschäftsführer eine Schlüsselrolle im Unternehmen einnimmt, ist es wichtig, dass der Vertrag sorgfältig ausgearbeitet wird, um die Interessen beider Parteien zu schützen und klare Vereinbarungen zu treffen.

Was bedeutet ein arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag in Bezug auf einen Geschäftsführerdienstvertrag?

Ein arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag in Bezug auf einen Geschäftsführerdienstvertrag ist ein rechtliches Instrument, das einem Arbeitgeber ermöglicht, im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses das Arbeitsverhältnis mit einem Geschäftsführer zu beenden, auch wenn die Kündigung selbst unwirksam ist. Dieser Antrag kann nach §§ 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) gestellt werden und setzt voraus, dass besondere Auflösungsgründe vorliegen.

Für die Begründung des Auflösungsantrags trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Die Auflösungsgründe können sich aus dem Kündigungssachverhalt oder dem Prozessverlauf ergeben und müssen so beschaffen sein, dass eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht mehr möglich ist. Bei leitenden Angestellten, zu denen auch Geschäftsführer zählen, kann der Arbeitgeber den Auflösungsantrag stellen, ohne ihn begründen zu müssen, wenn der Geschäftsführer zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist.

Wenn das Arbeitsgericht dem Auflösungsantrag stattgibt, wird der Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilt, deren Höhe sich nach § 10 KSchG richtet und bis zu zwölf Monatsverdienste betragen kann. Es ist jedoch zu beachten, dass Geschäftsführer üblicherweise auf der Grundlage eines freien Dienstvertrages tätig sind und nicht als Arbeitnehmer im Sinne des § 1 KSchG gelten. Daher ist der Kündigungsschutz für Geschäftsführer im Einzelfall zu bestimmen und kann auch vertraglich vereinbart werden.

Zusammengefasst ermöglicht ein arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag die Beendigung des Dienstverhältnisses mit einem Geschäftsführer gegen Zahlung einer Abfindung, auch wenn die Kündigung selbst nicht wirksam ist.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  1. § 1 Abs. 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz): Betrifft die soziale Rechtfertigung von Kündigungen. Eine Kündigung ist nur sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen.
  2. § 1 Abs. 3 KSchG: Regelt die soziale Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen. Der Arbeitgeber muss eine soziale Auswahl unter den vergleichbaren Arbeitnehmern treffen, wobei die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine eventuelle Schwerbehinderung zu berücksichtigen sind.
  3. § 14 KSchG: Definiert den Begriff des leitenden Angestellten und legt fest, dass für diese Gruppe besondere Regelungen gelten. Insbesondere kann das Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten einfacher aufgelöst werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
  4. § 102 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz): Betrifft die Anhörung des Betriebsrats bei Kündigungen. Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung angehört werden. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
  5. § 9 KSchG: Ermöglicht dem Arbeitsgericht, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, wenn eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist oder Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen.
  6. § 5 Abs. 3 BetrVG: Definiert, wer als leitender Angestellter anzusehen ist, insbesondere in Bezug auf die Zuordnung zum Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerlager bei Betriebsratswahlen.
  7. § 69 Abs. 2 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz): Regelt die Berufung gegen Urteile der Arbeitsgerichte. Bestimmte Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Berufung zulässig ist.
  8. § 97 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Diese Paragraphen bilden die rechtliche Grundlage für die Beurteilung von Kündigungen und die Rolle des Betriebsrats dabei, definieren den besonderen Status leitender Angestellter und regeln das Verfahren bei Arbeitsgerichtsprozessen, einschließlich der Kostenentscheidung.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 2 Sa 816/22 – Urteil vom 22.02.2023

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 30.03.2022 -6 Sa 2220/21- wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag.

Der 50-jährige Kläger, der einem minderjährigen Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, ist seit dem 01.05.2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.

Die Beklagte ist ein deutsches Tochterunternehmen der amerikanischen A International Inc., die in B und C Produktionsstandorte von Pharmazieprodukten unterhält. Sie beschäftigt mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist gebildet.

Der Kläger ist seit dem 01.08.2005 ununterbrochen Mitglied des Verbandes Führungskräfte Chemie. Die Beklagte ist Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie.

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 08.02.2001 zugrunde, wegen dessen Einzelheiten auf die vom Kläger eingereichte Anl. K1 (Bl. 8-11 der Akte) Bezug genommen wird. Vor der Übernahme der Standortleitung der Beklagten am Standort B wurde der Kläger als Leiter der Betreuung externe Lohnherstellung zu einem monatlichen Grundentgelt von 13.777,00 EUR beschäftigt.

Der Kläger sollte bereits zum 01.12.2019 die Standortleitung am Standort B übernehmen, wobei die Funktion des Standortleiters bei der Beklagten seit geraumer Zeit mit der gesellschaftsrechtlichen Organstellung als Geschäftsführer verknüpft war. Demzufolge war auch eine Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer vorgesehen. Die Parteien kamen jedoch bis zum 02.12.2019 zu keinem übereinstimmenden Verhandlungsergebnis bezüglich des Geschäftsführeranstellungsvertrages. Hintergrund der zunächst nicht erzielten Einigung war insbesondere, dass der Kläger für den Fall der Beendigung des vorgesehenen Geschäftsführeranstellungsvertrages eine Absicherung durch unveränderte Rückkehr in das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis begehrte. Der Kläger wurde daher mit schriftlichem Versetzungsschreiben vom 02.12.2019 (Anl. B5 Bl. 204 der Akte) im Rahmen des Arbeitsverhältnisses an die Stelle des Standortleiters versetzt. Ihm wurde zeitgleich gemeinsam mit einem Geschäftsführer Gesamtprokura eingeräumt, welche im Januar 2020 ins Handelsregister eingetragen wurde.

Unter dem 15.07.2020 schlossen dann die Parteien einen Geschäftsführeranstellungsvertrag, der u.a. folgende Regelung enthält:

§ 9 Bisherige Arbeits- oder Dienstverhältnisse

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf der Basis des aktuellen Arbeitsvertrages vom 08.02.2001 wird ruhend gestellt. Sofern dieser Geschäftsführerdienstvertrag endet, lebt das ruhend gestellte Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten wieder auf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 15.07.2020 wird auf die Anl. K2 (Bl. 12 der Akte) Bezug genommen wird.

Der Kläger wurde anschließend am 01.08.2020 zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Die Jahresvergütung aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag betrug 356.378 EUR brutto.

Mit Schreiben vom 17.10.2021 bot die deutsche Muttergesellschaft der Beklagten dem Kläger die Tätigkeit als Geschäftsführer einer anderen Gesellschaft in D an (Bl. 299 – 301 der Akte).

Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 02.11.2021 wurde die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Beklagten mit Wirkung zum Ablauf des 02.11.2021 widerrufen. Die Gesellschafterversammlung beschloss zudem, den Geschäftsführeranstellungsvertrages des Klägers zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Gleichfalls sollte auch das ruhende Arbeitsverhältnis gekündigt werden.

Die vormals vom Kläger eingenommene Stelle als Leiter der Betreuung externe Lohnherstellung ist bei der Beklagten nicht mehr vorhanden, da diese innerhalb des Konzerns in einer Matrixstruktur organisiert ist, und diese Aufgabe nunmehr von einem anderen Konzernunternehmen wahrgenommen wird.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat (vorsorglich) mit Schreiben vom 22.11.2021 (Anl. B4 84, 85 der Akte) zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Der Betriebsrat erklärte am 25.11.2021 abschließend, dass er der geplanten Kündigung nicht widerspricht.

Nachdem die Beklagte den Geschäftsführeranstellungsvertrag mit Schreiben vom 23.11.2021 zum 30.06.2022 kündigte, kündigte sie mit Schreiben vom 29.11.2021 ebenfalls zum 30.06.2022 auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anl. K3 (Bl. 27, 28 der Akte) Bezug genommen. Beide Kündigungsschreiben gingen dem Kläger am 30.11.2021 zu.

Der Kläger hat mit einem aus dem besonderen Anwaltspostfach seines Prozessbevollmächtigten am 07.12.2021 elektronisch bei Gericht eingegangenen und vom Prozessbevollmächtigten qualifiziert signierten Schriftsatz gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 29.11.2021 Kündigungsschutzklage und eine allgemeine Feststellungsklage auf vorläufige Weiterbeschäftigung erhoben. Gleichfalls hat er Klage auf Feststellung erhoben, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag erst mit dem 31.12.2022 endet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die streitgegenständliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei sozial ungerechtfertigt und unwirksam. Selbst wenn eine Beschäftigungsmöglichkeit als Standortleiter mit dem Entzug der Organstellung entfallen sein sollte, weil es eine zulässige unternehmerische Entscheidung darstelle, die Standortleitung mit der Organstellung zu verknüpfen, hätte die Beklagte ihn aus seiner vorherigen Position als Leiter Betreuung externe Lohnherstellung nach Durchführung einer ordnungsgemäßen sozialen Auswahl weiterbeschäftigen müssen. Zudem seien zum Kündigungszeitpunkt ca. 25 Stellen bekannt gewesen, auf denen er aufgrund seiner Qualifikationen weiterbeschäftigt werden könnte. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers zu den freien Stellen wird insbesondere auf Seiten 21 bis 29 des Schriftsatzes des Klägers vom 10.02.2022 (Bl. 123 bis 131 d.A.) Bezug genommen.

Außerdem hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Beklagte hätte zumindest eine Sozialauswahl mit den Mitarbeitern E. (Leiter der Lohnherstellung) und Dr. F. (Leiterin Qualitätssicherung) durchführen müssen. Für beide Positionen sei er fachlich qualifiziert. Diese seien auch hierarchisch mit einer vorherigen Position als Leiter Betreuung externe Lohnherstellung auf einer Ebene angesiedelt gewesen.

Die Beklagte habe auch die einzuhaltende Kündigungsfrist nicht gewahrt. Auf das Arbeitsverhältnis habe der Manteltarifvertrag für die akademischen Angestellten der chemischen Industrie Anwendung gefunden. Er sei kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen.

Der Kläger hat außerdem auch die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt.

Hinsichtlich der Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages habe die Beklagte ebenfalls die einzuhaltende Kündigungsfrist nicht gewahrt. Da er vor Abschluss dieses Vertrages in den Anwendungsbereich des Manteltarifvertrages der akademischen Angestellten der chemischen Industrie gefallen sei, könne auch dieses Vertragsverhältnis erst zum 31.12.2022 enden. Auch während der Zeit zwischen der Versetzung auf die Position des Standortleiters und der formalen Bestellung als Geschäftsführer sei er kein leitender Angestellter gewesen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, festzustellen, dass das Geschäftsführeranstellungsverhältnis zwischen den Parteien über den 30.06.2022 hinaus bis zum 31.12.2022 fortbesteht, festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29.11.2021 nicht beendet wurde, die Beklagte zu verurteilen, ihn als Standortleiter (Senior Plant Director) zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirksam sei. Sie hat behauptet, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger weggefallen sei. Nach der Versetzung des Klägers auf die Position des Standortleiters am 02.12.2019 sei dies auch die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vertragliche geschuldete Tätigkeit gewesen. Im Zuge der Abberufung des Klägers aus der Organstellung und Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages sei die Position des Standortleiters durch einen neu berufenen Geschäftsführer anderweitig besetzt worden. Eine Sozialauswahl habe nicht durchgeführt werden müssen, da es bezogen auf die Tätigkeit als Standortleiter keine mit dem Kläger als Standortleiter vergleichbaren Mitarbeiter gegeben habe. Für freie und in Betracht kommende Stellen bei ihr sei der Kläger fachlich nicht qualifiziert.

Die Beklagte hat darüber hinaus auch die Ansicht vertreten, sie habe auch die zutreffende gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten. Auf den Kläger sei vor Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages nicht (mehr) der Manteltarifvertrag der akademischen Angestellten der chemischen Industrie anwendbar gewesen. Da er auf Basis des Arbeitsvertrages als Standortleiter tätig gewesen sei, sei er leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen. Er habe aufgrund der erteilten (Gesamt-) Prokura sowohl Vertretungsmacht gehabt, als diese auch insbesondere durch Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen tatsächlich ausgeübt.

Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls gegen Zahlung einer Abfindung zum 30.06.2022 aufzulösen sei. Dieser Auflösungsantrag bedürfe keiner Begründung, da der Kläger als Standortleiter als sonstiger leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG anzusehen sei.

Der Auflösungsantrag sei darüber hinaus aber auch begründet. Eine konzernweite Mitarbeiterumfrage habe ergeben, dass die Mitarbeiter des Standortes B mit der Führung durch den Kläger überdurchschnittlich unzufrieden gewesen seien. 15 von 245 erfolgten Meldungen hätten die Ablösung des Standortleiters gewünscht. Damit sei das Vertrauen in die Führungsfähigkeiten des Klägers unwiederbringlich zerstört gewesen, was die Auflösung rechtfertige.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.03.2022 festgestellt, dass das Geschäftsführeranstellungsverhältnis der Parteien über den 30.06.2022 hinaus bis zum 31.12.2022 fortbestanden hat. Außerdem hat es festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29.11.2021 nicht beendet wird und hat bei Klageabweisung im Übrigen den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte nicht durch eine wirksame Kündigung aus betriebsbedingten Gründen aufgelöst worden sei. Zu Gunsten der Beklagten könne dabei das Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG unabhängig davon unterstellt werden, ob seine vertraglich geschuldete Tätigkeit in der Standortleitung oder in der Leitung der Betreuung externe Lohnherstellung bestanden habe. Denn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei jedenfalls gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, da die Beklagte die sozialen Belange des Klägers bei der Auswahl des kündigenden Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die soziale Auswahl sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entbehrlich gewesen, da für die das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffende Kündigung im Rahmen der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer nicht auf die Tätigkeit und Stellung als Standortleiter, sondern als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung abzustellen sei.

Die Parteien hätten in § 9 Abs. 1 des Geschäftsführeranstellungsvertrages für den Fall der Beendigung des Geschäftsführerdienstvertrages das Wiederaufleben des vorherigen Arbeitsverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten vereinbart. Die Auslegung des Geschäftsführeranstellungsvertrages ergebe, dass im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer betriebsbedingten Kündigung auf die Tätigkeit abzustellen sei, die der Kläger vor der Übertragung der Tätigkeiten des Standortleiters Anfang Dezember 2019 ausgeübt habe. Die Parteien hätten in § 9 Abs. 2 des Geschäftsführeranstellungsvertrages die Wahrung des erworbenen Besitzstandes in dem bereits seit dem 01.05.2001 bestehenden Arbeitsverhältnis in jeglicher Hinsicht vereinbart. Hieraus werde deutlich, dass der Kläger für den Fall, dass seine gesellschaftsrechtliche Position als Organ der Beklagten enden sollte, sein „altes“ Arbeitsverhältnis mit dem entsprechenden Bestandsschutz habe zurückerhalten sollen. Dieses Anliegen des Klägers sei für die Beklagte auch erkennbar gewesen. Es sei einer der Umstände gewesen, weshalb sich die Vertragsverhandlungen über deren Geschäftsführer-Anstellungsvertrag über längere Zeit hingezogen hätten und deshalb die Übertragung der Standortleitung auf den Zeitpunkt vor Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrages und Übertragung der Organstellung vorgezogen worden sei.

Der Beklagten sei zwar zuzugeben, dass dem Kläger vor der Übertragung der gesellschaftsrechtlichen Organstellung schon auf der Grundlage des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses die Tätigkeit des Standortleiters übertragen worden sei und der Kläger diese Tätigkeit auch einvernehmlich ausgeübt habe. Würde man dies jedoch im Sinne der vertraglichen Vereinbarung als die zuletzt geschuldete arbeitsvertragliche Tätigkeit verstehen, wäre der Bestandschutz, der dem Kläger in § 9 des Geschäftsführerdienstvertrages gewährt worden sei, vollständig entwertet.

Es sei unstreitig, dass bei der Beklagten seit geraumer Zeit die Tätigkeit des Standortleiters mit der organschaftlichen Stellung als Geschäftsführer verknüpft gewesen sei. Damit sei auch klar gewesen, dass – wie von der Beklagten nun auch durchgeführt, mit dem Entfall der Organstellung auch die Tätigkeit als Standortleiter entfalle. Hieraus würde zwangslos – wie die Beklagte im vorliegenden Verfahren auch argumentiere, der Wegfall des Beschäftigungsverhältnisses für den Kläger folgen. Der vereinbarte Bestandschutz des Klägers wäre reine Makulatur. Diese „vereinfachte“ Möglichkeit für die Beklagte, durch quasi voraussetzungslosen Entzug der Organstellung auch einen Kündigungsgrund nach dem KSchG zu schaffen habe nicht dem in § 9 des Geschäftsführeranstellungsvertrages niedergelegten Parteiwillen entsprochen. Vielmehr sei diese Regelung dahingehend zu verstehen, dass der Kläger auf seine vorherige Position als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung zurückfallen sollte.

Der Kläger habe insoweit vorgetragen, dass bezogen auf seine vorherige Tätigkeit Leitung der Betreuung externer Lohnhersteller die weiter bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter E. und Dr. F. vergleichbar seien und, wenn auch nur rahmenmäßig, dargestellt, dass diese wenige sozialschutzwürdiger gewesen seien als er. Insbesondere bezogen auf Mitarbeiter E. erscheine dieser Vortrag auch nicht bloß „ins Blaue hinein“, da der Kläger insoweit ausgeführt habe, in früheren Zeiten genau diese Tätigkeit auch ausgeübt zu haben. Diesem Vorbringen des Klägers sei die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Sie habe weder substantiiert bestritten, dass die Tätigkeiten des Klägers als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung mit den Tätigkeiten der Mitarbeiter E. und Dr. F. inhaltlich und/oder hierarchisch vergleichbar gewesen seien, noch habe sie substantiiert geltend gemacht, dass auch bei einer durchzuführenden Sozialauswahl mit diesen Mitarbeitern die Auswahl aufgrund der Sozialdaten auf den Kläger hätte fallen müssen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten sei zwar zulässig, aber unbegründet. Entgegen der Ansicht der Beklagten sie das Vorliegen eines Auflösungsgrundes nicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG entbehrlich.

Zu Gunsten der Beklagten könne zwar unterstellt werden, dass die Tätigkeit des Klägers als Standortleiter die Tätigkeiten eines leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG dargestellt habe. Hierauf komme es jedoch auch im Rahmen des Auflösungsantrages nicht an, da auch insoweit nicht auf Tätigkeit des Klägers als Standortleiter, sondern als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung abzustellen sei. Dass der Kläger in dieser Funktion leitender Angestellte im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG gewesen sei, habe die Beklagte weder behauptet noch substantiiert dargelegt.

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten liege auch kein Auflösungsgrund im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG vor.

Es sei schon zweifelhaft, ob dem Kläger mangelndes Führungsverhalten vorgeworfen werden könne. Soweit die Beklagte darauf abstelle, dass die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung im Hinblick auf die Mitarbeiterzufriedenheit im Vergleich zu anderen Konzernunternehmen unterdurchschnittlich gewesen seien, lasse sich kein direkter Bezug zum Kläger erkennen. Die Unzufriedenheit könne auch aus Unzugänglichkeiten der dem Kläger unterstellten Führungskräften ihren Untergebenen gegenüber resultieren. Immerhin hätten nur 15 von 45 Meldungen die Ablösung des Klägers als Standortleiter gefordert.

Der Vortrag der Beklagten erscheine auch nicht konsistent dahingehend, dass dem Kläger noch im Oktober 2021 die Geschäftsführung und Standortleitung des Standortes D angeboten worden sei. Zumindest sei nicht ersichtlich, dass die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegen hätten. Schließlich, und hierauf komme es auch entscheidend an, sei nicht ersichtlich, weshalb etwaige Mängel des Klägers in der Führung des Standortes der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf eine der vorherigen Tätigkeit als Betreuer der externen Lohnherstellung vergleichbaren Positionen hätte entgegenstehen sollen. Diese Tätigkeit habe der Kläger offensichtlich zur Zufriedenheit der Beklagten in der Vergangenheit ausgeübt, da ihm ansonsten nicht die Standortleitung und Geschäftsführung angetragen worden wäre.

Der vom Kläger gestellte Weiterbeschäftigungsantrag sei dagegen unbegründet. Der Kläger habe zwar wegen des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag aus dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich gegen die Beklagte einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die beantragte Weiterbeschäftigung als Standortleiter habe er jedoch nicht. Auch eine Weiterbeschäftigung als Leiter Betreuung externe Lohnhersteller komme nicht in Betracht, da diese Funktion bei der Beklagten nicht mehr existiere.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hat lediglich die Beklagte Berufung am 02.08.2022 eingelegt und dies nur insoweit, als das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 29.11.2021 festgestellt und ihren Auflösungsantrag abgewiesen hat.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch ihre Kündigung vom 29.11.2021 beendet worden sei. Denn soweit habe das Arbeitsgericht unter Verkennung der anerkannten Auslegungsmethoden und von allgemeinen Erfahrungssätzen angenommen, dass auf die Tätigkeit des Klägers vor der Übertragung der Standortleitertätigkeit abzustellen gewesen sei.

Der Geschäftsführervertrag sei als zweiseitiger Vertrag gem. § 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont so auszulegen, wie die Parteien ihn nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssten. Er sei der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen, wobei nicht allein an dem Wortlaut der Abrede abzustellen sei, sondern zusätzlich die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände, die bestehende Interessenlage sowie der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen seien. Bei einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien durch Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrages, dass ein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis für die Laufzeit des Geschäftsführeranstellungsvertrages ruhen solle, lebe das Arbeitsverhältnis nach Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages in dem ursprünglichen Zustand wieder auf. Mit dem „ursprünglichen Zustand“ sei der Zustand gemeint, in dem sich das Arbeitsverhältnis befunden habe, als es ruhend gestellt worden sei. Sollte das Arbeitsverhältnis in einem anderen Zustand und mit geänderten Vertragsabsprachen wiederaufleben, wäre dazu eine ausdrückliche Erklärung der Parteien in dem Geschäftsführervertrag erforderlich gewesen. Ausgangspunkt für die Frage, in welchem Zustand das Arbeitsverhältnis nach Beendigung des Geschäftsführervertrages wiederaufgelebt sei, sei dabei die Feststellung, dass die zuletzt auf Basis des Arbeitsvertrages ausgeübte Tätigkeit die des Standortleiters gewesen sei. Dies dürfte zwischen den Parteien unstreitig sein, weil die Parteien sich darauf verständigt hätten, dass der Kläger ab Dezember 2019 als Standortleiter tätig werden solle. Wäre es nicht zum Abschluss des Anstellungsvertrages gekommen, würde sich die Frage, welche arbeitsvertraglich ausgeübte Position für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses heranzuziehen sei, nicht stellen. Es wäre auf die Position Standortleiter abzustellen. Dafür, dass die Parteien einvernehmlich von diesem „Regelfall“ durch den Abschluss des Geschäftsführervertrages haben abweichen wollen, wäre eine eindeutige Regelung in dem Geschäftsführervertrag erforderlich, an der es aber fehle. Eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien, dass das Arbeitsverhältnis mit der Position Leiter der Betreuung externer Lohnherstellung wiederaufleben sollte, liege jedenfalls nicht vor. Die Parteien hätten unter Ziff. 9 vereinbart, dass das auf Basis des aktuellen Arbeitsvertrages bestehende Arbeitsverhältnis ruhend gestellt werde. Die Parteien hätten dadurch, dass sie bei der Formulierung des Vertrages das Adjektiv „aktuell“ verwendet hätten, deutlich gemacht, dass das Arbeitsverhältnis in den Zustand, den es vor Abschluss des Geschäftsführervertrages gehabt habe, ruhend gestellt werden solle. Aktuell bedeute unter anderem „gegenwärtig vorhanden“. „Gegenwärtig vorhanden“ sei bei Abschluss des Geschäftsführervertrages im Juli 2020, also mehr als sieben Monate nach Übernahme der Tätigkeit als Standortleiter, der Arbeitsvertrag aufgrund dessen der Kläger zur Tätigkeit als Standortleiter verpflichtet gewesen sei. Diese Formulierung spreche also dafür, dass auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Standortleiter abzustellen sei und nicht auf die Tätigkeit Leiter Betreuung externer Lohnherstellung, die bei Abschluss des Geschäftsführervertrages gerade nicht mehr die aktuelle Tätigkeit des Klägers gewesen sei.

Es habe auch nicht im beiderseitigen Willen der Parteien entsprochen, dass das Arbeitsverhältnis mit der Position Leiter der Betreuung externer Lohnherstellung wiederauflebe. Diese Position sei eine in der Konzernstruktur des Extra-Konzernangestellte Position. Die Tochtergesellschaft des A-Konzern könnten über diese Position nicht verfügen. Dass mit der nationalen Tochtergesellschaft bestehende Arbeitsverhältnis werde aufrechterhalten, um die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere in Bezug auf die Gehaltsabrechnung, zu erleichtern. Daher habe es auch nicht dem Willen der Beklagten entsprochen, dass das Arbeitsverhältnis gerade mit dieser Position wiederauflebe, da es bei ihr rechtlich überhaupt nicht möglich gewesen sei, den Kläger nach Beendigung des Geschäftsführervertrages mit dieser Position verbunden Aufgaben weiter zu beschäftigen. Ihr sei auch rechtlich nicht möglich gewesen und sei auch abwegig anzunehmen, dass sie sich zu einer rechtlich unmöglichen Verpflichtung hätte verpflichten wollen. Dass der Kläger bei Abschluss des Geschäftsführervertrages den geheimen Vorbehalt habe, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Position Leiter Betreuung externer Lohnherstellung wiederaufleben solle, sei für die Vertragsauslegung unbeachtlich.

Auch aus den Absprachen der Parteien und den sonstigen Begleitumständen bei Abschluss des Geschäftsführervertrages ergebe sich nicht, dass das Arbeitsverhältnis mit der Position Leiter externe Lohnherstellung wiederaufleben sollte. Es sei daher auf die zuletzt auf Basis des Arbeitsvertrages ausgeübte Tätigkeit als Standortleiter abzustellen. Als der Geschäftsführervertrag zwischen den Parteien am 15.07.2020 geschlossen worden sei, sei der Kläger bereits seit dem 02.12.2019, also seit mehr als sieben Monaten, für sie auf der Basis seines Arbeitsvertrages als Standortleiter tätig. Wäre es dem Kläger darum gegangen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht mit der aufgrund des Arbeitsvertrages zuletzt geschuldeten Tätigkeit als Standortleiter auflebe, sondern mit der zuvor ausgeübten Tätigkeit als Leiter der Betreuung externer Lohnherstellung, dann hätte er dies beim Abschluss des Geschäftsführervertrages ausdrücklich kommunizieren müssen, was er aber nicht getan habe.

Das Arbeitsgericht habe den Wortlaut des Geschäftsführervertrages darüber hinaus nur unvollständig berücksichtigt. Es habe sich zur Begründung seiner Entscheidung allein auf § 9 des Geschäftsführervertrages bezogen und dabei § 1 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages vollkommen unberücksichtigt gelassen. Dort werde ausdrücklich festgehalten, dass „der Geschäftsführer seine bisherige Tätigkeit und Verantwortung bei der Gesellschaft als Senior Plant Director bei Übernahme dieser Geschäftsführer-Funktion gem. dem Vertrag fortführe. An dieser Stelle hätten die Parteien im Geschäftsführervertrag somit ausdrücklich auf die zuvor, auf Basis des bestehenden Arbeitsvertrages ausgeübte Tätigkeit Bezug genommen. Damit hätten die Parteien die zuletzt auf Basis des Arbeitsvertrages geschuldete Tätigkeit für die Zwecke des Geschäftsführervertrages konkretisiert. Dies sei die einzige Stelle im Geschäftsführervertrag, an der sich ein Hinweis auf die zuvor ausgeübte Tätigkeit des Klägers finde. Dieses Verständnis habe auch der Kläger gehabt zu haben, weshalb er zunächst auch den Antrag angekündigt habe, sie zu verurteilen, ihn als Standortleiter zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Vertrages weiter zu beschäftigen. Damit sei der Kläger auch selbst davon ausgegangen, dass die zuletzt auf Basis des Arbeitsvertrages geschuldete Tätigkeit die des Standortleiters gewesen sei, weil er ansonsten keine Weiterbeschäftigung als Standortleiter verlangt hätte.

Durch die von ihr dargelegte Auslegung des Geschäftsführervertrages komme es auch nicht zu einer Entwertung des Bestandschutzes. Die Parteien hätten das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis nicht – wie sonst üblich – mit dem Geschäftsführeranstellungsvertrag aufgehoben. Sinn und Zweck dieser Abrede sei es gewesen, den Kläger bei Beendigung des Geschäftsführervertrages, von denen es keinen mit der Kündigung eines Arbeitsvertrages vergleichbaren Kündigungsschutz gebe abzusichern. Diese Absicherung bestehe jedoch unabhängig davon, ob die zuletzt ausgeübte Tätigkeit die des Standortleiters oder die des Leiters Betreuung externe Lohnherstellung sei. Der Bestand knüpfe an ein bestehendes Arbeitsverhältnis und nicht an eine bestimmte Position des Arbeitnehmers an. Denn selbst bei Wegfall des Beschäftigungsbedarfs als Standortleiter aufgrund der Übernahme dieser Tätigkeit durch den neuen Geschäftsführer müssten die weiteren Voraussetzungen des Kündigungsschutzes für eine wirksame Kündigung vorliegen. Selbst unter der Annahme, dass sie dem Kläger nur deshalb auf die Position als Standortleiter und damit auf eine Position als leitende Angestellte versetzt habe, um das Arbeitsverhältnis in einen späteren Zeitpunkt begründungslos gegen Zahlung einer Abfindung aufheben zu können, gehe die Argumentation des Arbeitsgerichts fehl. Dem Kläger stünde in einem solchen Fall jedenfalls die Zahlung einer Abfindung nach §§ 9,10 KSchG, sodass der Schutzmechanismus des KSchG seine Wirkung entfalten und zu einer wirtschaftlichen Absicherung des Klägers führen würde, die er mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung im Geschäftsführervertrag nicht gehabt hätte.

Die Argumentation des Arbeitsgerichts sei auch deshalb nicht überzeugend, da es zuvor festgestellt habe, dass auch die vor der Tätigkeit als Standortleiter ausgeübte Tätigkeit als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung bei ihr nicht mehr vorhanden sei, da diese Position als Konzern-Position nach Versetzung des Klägers auf die Position als Standortleiter im Konzern auf eine andere Person übertragen worden sei, die nicht bei ihr beschäftigt werde. Auch in diesem Fall wäre der vereinbarte Bestandschutz bei stringenter Anwendung der Argumentation des Arbeitsgerichts „reine Makulatur“ gewesen.

Bei richtiger Auslegung des Geschäftsführervertrages komme es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung auf die Tätigkeit als Standortleiter an. Die mit dieser Position verbundenen Aufgaben seien von dem neuen Geschäftsführer der Beklagten übernommen worden, sodass für den Kläger kein Beschäftigungsbedarf mehr bestanden habe. Freie, geeignete Arbeitsplätze, auf denen die Beklagte den Kläger hätte weiterbeschäftigen müssen, hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine Sozialauswahl war nicht vorzunehmen, da keine mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. Die betriebsbedingte Kündigung sei daher entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts sozialgerechtfertigt, sodass die Kündigungsschutzklage abzuweisen sei.

Das Arbeitsgericht hätte jedenfalls dem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag stattgeben müssen, da bei richtiger Auslegung des Geschäftsführeranstellungsvertrages der Kläger als Standortleiter zweifelsfrei leitender Angestellte im Sinne des § 14 Abs. 2KSchG gewesen sei.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens seien auch die neuen Tatsachen zu berücksichtigen, die im ersten Rechtszug noch nicht geltend gemacht worden seien, ohne dass die auf einer Nachlässigkeit beruht habe.

Das sich die Verhandlung über den Abschluss des Geschäftsführervertrages mit dem Kläger in die Länge gezogen hätte und der Kläger vor Abschluss des Geschäftsführervertrages nicht zum Geschäftsführer habe bestellt werden sollen, habe das Geschäftsführeramt von den bisherigen Geschäftsführern G. und H. länger als von diesen gewünscht fortgeführt werden müssen. Dies habe dazu geführt, dass die beiden Geschäftsführer teilweise noch in ihrer bisherigen Stellung eingebunden gewesen seien und sich nicht voll und ganz ihren neuen Aufgaben hätten widmen können. Daraufhin informierte Herr H. den Kläger zwischen Übernahme der Tätigkeit und Standortleiter und Abschluss des Geschäftsführervertrages darüber, dass die Beklagte in Betragt ziehe, eine andere Person zum Geschäftsführer zu ernennen, wenn der Kläger dieses Amt neben seine Tätigkeit als Standortleiter nicht übernehmen wolle. Der Kläger hätte dann lediglich die Tätigkeit als Standortleiter ausgeübt, während eine andere Person zum Geschäftsführer bestellt worden wäre. Die Beklagte hätte von ihrer langjährig gelebten Praxis die Position des Standortleiters mit dem Geschäftsführer zu verbinden, abgerückt, um handlungsfähig zu bleiben. Dies zeige, dass der Kläger die Position als Standortleiter auch unabhängig von der Geschäftsbestellung zum Geschäftsführer fortgeführt hätte. Dieser Ablauf der Vertragsverhandlung sei erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils von ihrem Personalleiter gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten geschildert worden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgericht Bielefeld vom 30.03.2022 – 6 Ca 2220/21 – teilweise abzuändern und die Klage gerichtet auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 29.11.2021 abzuweisen.

Hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mit Ablauf des 31.12.2022 aufzulösen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das Urteil des Arbeitsgerichts.

Der Kläger ist insbesondere der Ansicht, dass das Arbeitsgericht zu Recht die Unwirksamkeit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses festgestellt und den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen habe.

Entgegen der Rüge der Beklagten habe das Arbeitsgericht die Interessenlage, die Begleitumstände sowie den Sinn und Zweck der Regelung im Geschäftsführeranstellungsvertrag korrekt bewertet. In der Berufungsbegründung missachte die Beklagte, dass die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände, die bestehende Interessenlage sowie der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck unstreitig seien. Sie setze sich auch im klaren Wiederspruch zu ihrem bisherigen Vorbringen im Schriftsatz vom 02.01.2022, um hierdurch offensichtlich einen Vorwand für die Berufungsbegründung zu generieren. Insoweit habe die Beklagte selbst im Schriftsatz vom 05.01.2022 vorgetragen, dass er zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum Standortleiter, zum 02.12.2019 zu ihrem Geschäftsführer habe bestellt werden sollen und die bisherigen Geschäftsführer ablösen. Nur aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen der Parteien über die Ausgestaltung des Geschäftsführeranstellungsvertrages sei die Bestellung zum Geschäftsführer verschoben worden, wobei allerdings die Position des Standortleiters für den Kläger geschaffen worden sei, um ihn während der Verhandlungen über den Abschluss seines Geschäftsführervertrages bereits mit einer Führungsrolle zu betrauen. Sie habe vorher nicht bestanden und sei auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer nicht neu besetzt worden, da es sich insoweit um den Aufgabenbereich des Geschäftsführers gehandelt habe. Dieser Vortrag der Beklagten belege eindrucksvoll, dass das Arbeitsgericht zu Recht die Verknüpfung zwischen der Position als Standortleiter und als Geschäftsführer vorgenommen habe.

Wie er bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 24.03.2022 vorgetragen habe, sei die Stellenbeschreibung für die Standortleitung schon auf die Funktion als Geschäftsführer bezogen gewesen und nicht auf ein Arbeitsverhältnis. Die Stellenbeschreibung sei bereits Ende Januar von dem damaligen Geschäftsführer H. und ihm unterzeichnet worden, zu diesem Zeitpunkt war eine Benennung zum Geschäftsführer innerhalb von wenigen Wochen geplant. Die Verzögerung, die sich bei der Fertigstellung und Unterzeichnung des Geschäftsführerdienstvertrages ergeben habe, sei allein durch die Beklagte verursacht worden. Sie habe sich noch am 03.05.2020 nicht mit dem Inhalt des Geschäftsführeranstellungsvertrages auseinandergesetzt und sich noch in Überlegung gefunden, ob neben ihm auch noch der bisherige Geschäftsführer weiterhin Geschäftsführer bleiben sollte.

Er selbst habe in den Verhandlungen zum Geschäftsführeranstellungsvertrag sehr deutlich gemacht, dass er eine klare Regelung zum Kündigungsschutz haben wolle und bei Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages das ruhend gestellte Arbeitsverhältnis wiederauflebe. Dies habe er auch zur Bedingung gemacht, und bereits unmittelbar zu Beginn der Gespräche im Oktober und November 2019 mitgeteilt, dass er diesen klaren Schutz benötige. Auch in dem Meeting am 04.02.2020 sei im Zuge der Gestaltung des Geschäftsführervertrages diese Kündigungsregelung und die übereinstimmende Absicht der Parteien besprochen worden. Zu diesem Zeitpunkt war er noch Leiter der Geschäftsabteilung Auftragsfertigung. Er habe die Ernennung zum Standortleiter, wie von der Beklagten selbst, als eine Position angesehen, die mit der Geschäftsführung verknüpft gewesen sei. Daher sei auch für ihn klargewesen, dass es sehr schnell zu der Bestellung zum Geschäftsführer kommen werde. Offensichtlich hätten weder die Beklagte noch er damit gerechnet, dass es erst zum 01.08.2020 zu seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten kommen werde. Für die Beklagte sei jede Zeit erkennbar gewesen, dass er den Kündigungsschutz durch das Arbeitsverhältnis bei Beendigung des Geschäftsführervertrages habe zurückerhalten wollen. Es sei nicht, wie die Beklagte in der Berufung ohne jeglichen substantiierten Vortrag behauptet, sein geheimer Vorbehalt gewesen. Denn er habe deutlich in den Vertragsverhandlungen auf diesen Kündigungsschutz gepocht, weshalb sich auch eine entsprechende Klausel in Ziffer 9.1 des Geschäftsführervertrages wiederfinde.

Beiden Parteien sei bei Unterzeichnung des Geschäftsführeranstellungsvertrages bewusst gewesen, dass zum einen für dieses Vertragsverhältnis als Geschäftsführer kein Kündigungsschutz bestehe und zum anderen, das Geschäftsführerverhältnis bei der Beklagten nicht auf Dauer angelegt gewesen sei, was auch die Vergangenheit gezeigt habe. Insofern sei auch der Beklagten bewusst gewesen, dass er mit dem Aufleben des ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten, insbesondere seinen Kündigungsschutz habe zurückerhalten wollen. Die Beklagte selbst habe auch gewusst, dass sie die Position als Standortleiter mit der des Geschäftsführers verknüpft habe. Insofern würde, wie das Arbeitsgericht zu Recht eindrucksvoll ausgeführt habe, sein Kündigungsschutz ins Leere laufen, was jedoch aufgrund der Formulierung eindeutig nicht beabsichtigt gewesen sei und gerade verhindert werden sollen.

Etwas Anderes folge entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.03.1987, da sich diese Entscheidung vordergründlich mit der Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit bei Beendigung von Geschäftsführeranstellungsvertrages befasst habe. Die Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde gelegen habe, sei mit der vorliegenden nicht vergleichbar. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall sei es gerade nicht darum gegangen, dass einem Arbeitnehmer zeitgleich mit der Ankündigung, ihm zum Geschäftsführer bestellen zu wollen, eine neue Tätigkeit übertragen worden sei. Insofern habe das Bundesarbeitsgericht selbst auch ausgeführt, dass in dem Verlust des gesetzlichen Kündigungsschutzes ein schwerwiegender Rechtsnachteil liege, der allein durch die Bestellung zum Vertretungsorgan nicht aufgewogen werde, da diese Bestellung jederzeit wiederrufen werden und die Kündigung des ihr zugrundeliegenden Dienstverhältnisses die Rechtsbeziehung zu der Gesellschaft ohne Entschädigung beenden könne.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Übernahme der Standortleitung durch ihn sei unklar gewesen, dass es zukünftig die Position als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung nicht bei der Beklagten geben werde. Diese Position sei ausgeschrieben und es hätten sich auch Mitarbeiter der Beklagten bewerben können. Im Übrigen sei es auch beiden Parteien bewusst gewesen, dass es gerade auf diesem Level gleichwertige Positionen gebe. Aufgrund der naturgemäß bestehenden Ungewissheit hinsichtlich der Dauer des Geschäftsführeranstellungsvertrages sei in derartigen Konstellation schon immer klar, was auch für beide Parteien gelte, dass man nach Beendigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses und Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses nach gleichwertigen Positionen suchen müsse. Genau dies sei auch mit der Formulierung gemeint gewesen, dass das Arbeitsverhältnis „mit allen Rechten und Pflichten“ wiederauflebe. Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre es nicht „reine Makulatur“, wenn man auf die Position als Leiter externer Lohnherstellung abstellen würde, da er bereits erstinstanzlich vorgetragen habe, dass zu seinen Gunsten zahlreiche weitere Beschäftigungsmöglichkeiten auf freien Positionen bei der Beklagten zum Kündigungsausspruch gegeben habe. Einige dieser Positionen befinden sich auch auf der gleichen Hierarchieebene wir die Position Leiter Betreuung externer Lohnherstellung.

Die von der Beklagten vorgenommenen Auslegung gem. dem Wortlaut des Geschäftsführeranstellungsvertrages sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei dem durch das Arbeitsgericht vorgenommen Auslegen zu folgen.

Wenn die Beklagte darauf abstelle, dass es in Ziff. 1 Abs. 2 heiße, dass der Geschäftsführer seine bisherigen Tätigkeiten und Verantwortung bei der Gesellschaft als Senior Plant Director bei Übernahme dieser Geschäftsführerfunktion fortführe, wiederspreche dies nicht seinem Vortrag sowie den Schlussfolgerungen des erstinstanzlichen Urteils. Denn es sei unstreitig bei Unterzeichnung des Geschäftsführeranstellungsvertrages in der Interimsposition als Standortleiter, es begeben sich gerade keine Änderungen seiner Aufgaben. Die einzige Änderung sei gewesen, dass er durch die Ernennung zum Geschäftsführer eine Organstellung gehabt habe. Durch diese Formulierung werde nur klargestellt, dass die Standortleitung mit der Geschäftsführung verknüpft sei und er inhaltlich keine neuen Aufgaben bekommen werde. Insofern werde durch Auslegung dieser Formulierung sein Vortrag sogar gestützt.

Die Beklagte könne auch nicht aus der Formulierung in Ziff. 9.1 des Geschäftsführeranstellungsvertrages herleiten, dass bei Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses ausschließlich auf die Position als Standortleiter abzustellen sei. Indem die Beklagte hier auf die Formulierung, dass das Arbeitsverhältnis „auf Basis des aktuellen Vertrages vom 08.02.2001 ruhend gestellt werde“ abhebe, lege sie diese Formulierung offensichtlich fehlerhaft aus. Zum einen sei es absolut üblich, bei einem Verweis auf Verträge durch das Wort „aktuell“ zum Ausdruck zu bringen, dass dies die zuletzt getroffene vertragliche Vereinbarung darstelle, um Missverständnisse vorzubeugen, wenn es in einem Arbeitsverhältnis im Laufe der Beschäftigungszeit mehrere verschiedene Arbeitsverträge gegeben habe. Vorliegend war das Adjektiv „aktuell“ umso mehr geboten, da zwischen den Parteien kein weiterer Arbeitsvertrag als der zuerst geschlossene Arbeitsvertrag vom 08.02.2001 vorgelegen haben. Durch das Wort „aktuell“ werde somit zum Ausdruck gebracht, dass dies der zuletzt schriftlich getroffene Arbeitsvertrag sei. Das Wort „aktuell“ beziehe sich somit auf den Arbeitsvertrag und nicht auf die zuletzt ausgeführte Tätigkeit. Hätte die Beklagte gewollt, dass auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Standortleiter abgestellt werden sollte, so hätte sie dies in die von ihr gewählte Formulierung aufnehmen müssen. Aufgrund der auch ihnen gegenüber kommunizierten Verknüpfung der Position als Standortleiter und als Geschäftsführer wäre es aber auch nicht der Wille der Beklagten, das Arbeitsverhältnis bei Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages wieder mit der Position als Standortleiter aufleben zu lassen.

Die Tatsache, dass er in der Klageschrift unter anderem einen Weiterbeschäftigungsanspruch als Standortleiter geltend gemacht habe, sei für das Berufungsverfahren unbeachtlich. Es werde diesbezüglich auch keine Anschlussberufung eingelegt. Die Beklagte hätte ihn als Standortleiter weiterbeschäftigen können. Nach seiner Berufung als Geschäftsführer sei jedoch Herr I. gleichzeitig Personalleiter, zum Geschäftsführer bestellt worden.

Auch der neueingebrachte Vortrag der Beklagten rechtfertige keine andere Beurteilung, da dieses Vorbringen unsubstantiiert sei. Die Beklagte stelle nicht da, wann und in welchem Zusammenhang der ehemalige Geschäftsführer H. mitgeteilt haben solle, dass er auch ohne Ernennung zum Geschäftsführer als Standortleiter tätig bleiben könnte. Selbst wenn Herr H. diese Aussage getätigt haben sollte, sei dies offensichtlich erfolgt, um Druck auf ihn zur Unterzeichnung des Geschäftsführeranstellungsvertrages auszuüben. Er habe, was auch der Beklagten bewusst gewesen sei, die Position als Geschäftsführer antreten wollen. Auch die Beklagte habe die Position des Standortleiters mit dem Geschäftsführer unstreitig verknüpfen wollen. Wenn die Beklagte ernsthaft erwogen hätte, dass das eine Trennung zwischen der Position Standortleitung und Geschäftsführung hätte geben sollen, hätte sich Herr I. als Personalleiter hieran erinnert. Es verwundere daher, dass dieses Vorbringen erst zweitinstanzlich nachgeholt werde.

Selbst wenn man vollumfänglich dem Vortrag der Beklagten folge, dass mit Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages er nur noch als Standortleiter weiter zu beschäftigen wäre und diese Position entfallen sei, verbleibe es bei der Unwirksamkeit der Kündigung. Es hätten für ihn zahlreiche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestanden, sodass die Beendigungskündigung auch deshalb unwirksam sei. Es fehle auch eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates.

Wegen des Parteienvorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.03.2022 aufgelöst worden ist. Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht auch den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz gibt lediglich Anlass zu nachfolgenden Ergänzungen.

I. Ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger entsprechend der Annahme des Arbeitsgerichts deswegen unwirksam ist, weil die Beklagte vor deren Ausspruch keine ordnungsgemäße soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG durchgeführt hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Kündigung ist bereits wegen Fehlens eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam, sodass es bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung auf die Vergleichbarkeit des Klägers mit anderen Arbeitnehmern der Beklagten und damit die ordnungsgemäße soziale Auswahl nicht ankommt.

Das Vorliegen des dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, nicht nur voraus, dass die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer weggefallen ist, sondern auch, dass auch eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, wenn auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen, ausscheidet. Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht aufgrund des ihm nach § 106 GewO zu stehenden Direktionsrecht zuweisen, so ist ausgehend von dem das gesamte Kündigungsschutzrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsprinzip vor Ausspruch einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung zu erklären, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den geänderten Arbeitsbedingungen ermöglicht. Die Änderungskündigung hat demnach Vorrang vor der Beendigungskündigung mit der Folge, dass eine Beendigungskündigung unwirksam ist, wenn eine mögliche Änderungskündigung unterblieben ist (vgl. BAG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 2 AZR 61/16, juris, Rn. 46; BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 2 AZR 565/14, juris, Rdnr. 34; BAG, Urteil vom 29. August 2013 – 2 AZR 809/12, juris, Rn. 22).

Die Beklagte hat zwar in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges freie Arbeitsplätze, auf denen der Kläger weiterbeschäftigt werden könnte, nicht zur Verfügung stünden. Dieses pauschale Vorbringen der Beklagten reicht jedoch nicht aus, zumal sie erstinstanzlich das Bestehen von anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten an sich nicht bestritten hat, wie ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 18.03.2022 und auch die Anhörung des Betriebsrates zeigt..

Ob der Kläger entgegen seinem Vorbringen, aber entsprechend dem Vorbringen der Beklagten, insbesondere im Schriftsatz vom 18.03.2022, aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse nicht in der Lage war, die Tätigkeiten als Leiter Technologie und Ingenieurwesen und sachkundiger Person nach § 14 AMG zu verrichten, kann dahingestellt bleiben. Denn die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist auch dann mangels dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam, wenn insoweit die fehlende Eignung des Klägers zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird. Denn der Kläger könnte ebenfalls auch nach dem Vorbringen der Beklagten die Tätigkeiten als Projektmanager (Bl. 189 d.A.), Projektmanager Anlagenbau und die weiteren im Schriftsatz vom 18.03.2022 unter 2.5.7 bis 9 aufgeführten Tätigkeiten verrichten, sodass die Beklagte nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verpflichtet wäre, vor Ausspruch der Beendigungskündigung eine entsprechende Änderungskündigung zu erklären, um eine Weiterbeschäftigung des Klägers, wenn auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen, zu ermöglichen.

Die Beklagte erkennt zwar den grundsätzlichen Vorrang einer Änderungskündigung an, nimmt aber zu Unrecht an, dass sie vorliegend nicht verpflichtet gewesen sei, dem Kläger die Tätigkeiten als (Bl. 196 d.A.) im Wege der Änderungskündigung anzubieten.

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jede mögliche Beschäftigung, die er ihm nicht kraft seines Direktionsrechts zuweisen kann, von sich aus, ggf. mittels Änderungskündigung anbieten. Erfüllt der Arbeitnehmer das Anforderungsprofil einer fraglichen Stelle, bedarf es daher grundsätzlich keiner weitergehenden Prüfung, ob ihm die Tätigkeiten zumutbar sind oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn die Zuweisung eine Vertragsänderung erforderlich machen würde. Eine Änderungskündigung darf dementsprechend nur in „Extremfällen“ unterbleiben, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer rechnen konnte, ein derartiges Angebot vielmehr beleidigenden Charakter gehabt hätte. Wenn dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit auf dem freien Arbeitsplatz nicht objektiv schlechthin unzumutbar ist, soll er grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine Weiterbeschäftigung unter veränderten, möglicherweise auch unter erheblich schlechteren Arbeitsbedingungen, akzeptiert oder nicht. Ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer „Extremsituation“ ist das Verhalten des Arbeitnehmers nach Ausspruch einer Beendigungskündigung und während des Kündigungsschutzprozesses. Beruft er sich nicht zeitnah auf eine ihm bekannte Beschäftigungsmöglichkeit, spricht vieles dafür, dass er selbst keine zumutbaren Weiterbeschäftigungsperspektiven mehr sieht und der Arbeitgeber ein entsprechendes Änderungsangebot nicht unterbreiten musste. Dies indiziert, dass der Arbeitnehmer das betreffende Angebot schon vor Ausspruch der Kündigung nicht – auch nicht unter Vorbehalt – angenommen hätte (vgl. BAG, Urteil vom 29. August 2013 – 2 AZR 809/12, juris, Rn. 23 ff.; BAG, Urteil vom 23. Februar 2010 – 2 AZR 656/08, juris, Rn. 57).

Vorliegend kann ein solcher extremer Ausnahmefall entgegen der Ansicht der Beklagten nicht angenommen werden. Denn zum einen hat der Kläger bereits im Schriftsatz vom 10.02.2022, also noch während des Laufs der Kündigungsfrist, die Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung bei der Beklagten geltend gemacht und auch die in Betracht kommenden Arbeitsplätze genannt. Darüber hinaus hat der Kläger bereits vor Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrages und Übernahme der Standortleitung gegenüber der Beklagten unmissverständlich erklärt, dass er bei einer Bestellung zum Geschäftsführer auf den im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses als Leiter der Betreuung externe Lohnherstellung zu einem monatlichen Grundentgelt von 13.777,00 EUR erworbenen Bestandschutz nicht verzichten wollte. Dementsprechend musste auch für die Beklagte auch ohne weiteres klar gewesen sein, dass der Kläger bei Abberufung als Geschäftsführer und Wegfall der damit als Standortleiter verbundenen Tätigkeiten bei einer 356.378,00 EUR brutto auf eine Weiterbeschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bestand, bei dem nicht die Vergütung eines Geschäftsführers gezahlt werden sollte, sondern eine erheblich geringere Vergütung. Denn der Kläger hat gerade die Übernahme der Standortleitertätigkeit, die mit einer Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagte und einer erheblichen Anhebung seiner Vergütung verbunden war, davon abhängig gemacht, dass den Bestandsschutz, den er bis zur Übernahme der Standortleitung, die ursprünglich mit der gleichzeitigen Bestellung zum Geschäftsführer verbunden sein sollte, bei einer zuletzt mit einer Grundvergütung von 13.777,00 EUR entlohnten Tätigkeit behält. Da der Kläger vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer eine jährliche Grundvergütung von rund von 165.000 EUR erhielt, kan n beim Wegfall einer vergleichbaren Tätigkeit das Angebot einer anderweitigen Beschäftigung mit rund 70.000 EUR bis 90.000 EUR nicht als beleidigend oder wegen der Tatsache, dass der Kläger als bisheriger Geschäftsführer nunmehr einem Mitarbeiter der Beklagten untergeordnet wäre, nicht als unzumutbar angesehen werden, zumal ein Jahresentgelt von rund 90.000 EUR erheblich höher als das Arbeitslosengeld bei einer möglichen Arbeitslosigkeit ist und auch nicht als gering angesehen werden kann. Dementsprechend konnte die Beklagte nicht ohne Rückfrage mit dem Kläger ohne Weiteres davon ausgehen, dass er die Weiterbeschäftigung auf anderen, wenn auch schlechteren Arbeitsplätzen, ablehnen und eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorziehen wird. Vielmehr war die Beklagte verpflichtet gewesen, dem Kläger ein dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechendes Änderungsangebot zu machen und dann die Entscheidung dem Kläger zu überlassen, ob er das Änderungsangebot annimmt oder nicht. Es war daher nach Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Hinblick auf den Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung von einer Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund des fehlenden dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG auszugehen. Ob die Wirksamkeit der Kündigung entsprechend der Rechtsansicht des Klägers auch an einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG oder entsprechend der Annahme des Arbeitsgerichts an eine fehlerhaften sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG scheitert, bedarf daher keiner Entscheidung.

II. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien war entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG i. V. m. § 9 Abs. 1 KSchG aufzulösen.

Zu Gunsten der Beklagten kann entsprechend der erstinstanzlichen Entscheidung unterstellt werden, dass die Tätigkeiten des Klägers als Standortleiter die Tätigkeiten eines leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG darstellten. Denn das Arbeitsgericht ist nach Ansicht der Berufungskammer im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger ein Auflösungsgrund nach § 9 Abs. 1 KSchG erforderlich ist oder nicht, nicht auf die vor Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages ausgeübte Tätigkeit als Standortleiter, sondern auf seine Stellung als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung abzustellen war.

Nach dem Wortlaut des § 9 des Geschäftsführeranstellungsvertrages wird, „das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf der Basis des aktuellen Arbeitsvertrages vom 08.02.2001 wird ruhend gestellt“, „das, sofern der Geschäftsführerdienstvertrag endet, mit allen Rechten und Pflichten wieder auflebt“.

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Aufschluss können daher auch die Vertragsverhandlungen und Begleitumstände des Vertragsschlusses geben. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (vgl. BAG, Urteil vom 21. Januar 2014 – 3 AZR 362/11, juris, Rn. 57; BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 10 AZR 63/14, juris, Rn. 21; BAG, Urteil vom 25. April 2013 – 8 AZR 453/12, juris, Rn. 22; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. August 2022 – 3 Sa 357/20, juris, Rn. 95).

Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Kläger vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer und dem Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrages im Juli 2020 bereits seit dem 01.12.2019 als Standortleiter im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für die Beklagte tätig war. Zuzugeben ist der Beklagten auch, dass nach dem Wortlaut des § 9 des Geschäftsführeranstellungsvertrages, „das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf der Basis des aktuellen Arbeitsvertrages vom 08.02.2001 wird ruhend gestellt“ wird. Daraus kann jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nach Berücksichtigung aller Einzelfallumstände nicht abgeleitet werden, dass nach der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten lediglich ein Arbeitsverhältnis mit den Aufgaben eines Standortleiters wiederaufgelebt ist, weil es sich dabei um „das bestehende Arbeitsverhältnis auf der Basis des aktuellen Arbeitsvertrages vom 08.02.2021“ gehandelt hat.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten für diese im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als Standortleiter tätig war. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass das Arbeitsverhältnis mit der Tätigkeit als Standortleiter für die Dauer der Bestellung zum Geschäftsführer ruhend gestellt werden sollte, weil eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck des § 9 des Geschäftsführervertrages nicht zu vereinbaren wäre.

Der Kläger hat schon vor der Übertragung der Position als Standortleiter, die mit der Stellung als Geschäftsführer verbunden war und weshalb auch ein Geschäftsführeranstellungsvertrag abgeschlossen werden sollte, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die neue Position und das Amt des Geschäftsführers der Beklagten nur dann übernehmen werde, wenn sein damals bestehendes Arbeitsverhältnis ruhend gestellt wird, bei dem er kein leitender Angestellter im Sinne des § 14 KSchG war und bei dem er den vollen Kündigungsschutz nach dem KSchG, also auch den Bestandschutz, genoss. Es war also für die Beklagte von Anfang an klar, dass der Kläger den ihm zustehenden Bestandsschutz aufgrund seines bisherigen Arbeitsverhältnisses als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung behalten wollte, weshalb er auf die Aufnahme der „Ruhensklausel“ bestand, da er anderenfalls den Geschäftsführeranstellungsvertrag nicht unterzeichnen würde, was die Beklagte auch nicht bestritten hat. Der Geschäftsführervertrag ist zwar erst am 01.08.2020 unterzeichnet worden, er sollte aber ursprünglich gleichzeitig mit der Übernahme der Standortleitung unterzeichnet werden. Wäre dies passiert, was an sich beabsichtigt war, würde sich die Frage nach dem Inhalt der „Ruhensklausel“ nicht stellen, weil das ruhend gestellte Arbeitsverhältnis das als Leiter Betreuung externer Lohnherstellung wäre. Unbestritten hat der Kläger auch vorgetragen, was durch die Mail des Herrn I. vom 03.05.2020 bestätigt wird, dass sich der Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages aus in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründen verzögert hat. Dass die Verzögerung der Unterzeichnung des Geschäftsführeranstellungsvertrages darauf beruhte, dass der Wunsch nach der Aufrechterhaltung seines bisherigen Bestandsschutzes nicht oder nicht in dem Umfang erfüllt werden sollte, de n der Kläger zur Bedingung für die Übernahme der Standortleitung die jedenfalls bei Aufnahme der Vertragsverhandlungen zwingend mit der Geschäftsführerbestellung verbunden war, trägt die Beklagte auch selbst nicht vor. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass die Verzögerung der Unterzeichnung des Geschäftsführeranstellungsvertrages, die in der Sphäre der Beklagten lag, und die Übertragung der Standortleitung bereits mit Wirkung zum 01.12.2019 nur erfolgt ist, um den vom Kläger gewollten Schutz nach dem KSchG zu schwächen. Denn für ein derartiges unredliches Verhalten auf Seiten der Beklagten liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Vielmehr ist nach dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien davon auszugehen, dass der Kläger seinen sozialen Besitzstand und Bestandschutz bezogen auf sein bisheriges Arbeitsverhältnis nicht aufgeben wollte und die Beklagte ihm den erworbenen Besitzstand nicht, auch nicht durch die in ihrer Sphäre liegende Verzögerung der Unterzeichnung des Geschäftsführeranstellungsvertrages entziehen bzw. verschlechtern wollte. Dieses Ergebnis würde aber herauskommen, wenn § 9 des Geschäftsführeranstellungsvertrages entsprechend der Ansicht der Beklagten so zu verstehen wäre, wenn die Tätigkeit als Standortleiter maßgeblich wäre. Denn in diesem Fall würde der Kläger wegen der Regelung des § 14 KSchG, auf die sich die Beklagte auch beruft, aufgrund des ruhenden Arbeitsverhältnisses gerade keinen Bestandsschutz behalten, was aber von Anfang an von ihm zur Bedingung für die Übernahme der Standortleitung, die mit der Geschäftsführerbestellung verbunden war, gemacht worden ist. Denn in diesem Fall hätte der Kläger keinen Bestandsschutz nach § 1 KSchG, sondern müsste eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 KSchG auch ohne einen Auflösungsgrund im Sinne des § 9 KSchG akzeptieren, dessen Vorliegen das Arbeitsgericht zu Recht verneint hat. Ein solches Auslegungsergebnis würde aber dem Sinn und Zweck der von beiden Parteien geführten Verhandlungen vor der Übernahme der Standortleitung verbunden mit der Geschäftsführerbestellung widersprechen, weil der Kläger nur eine finanzielle Entschädigung erhalten würde, aber keinen Bestandsschutz hätte, der unstreitig Bedingung für den erfolgten Wechsel der Tätigkeit war. Aus alldem folgt, dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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