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Druckkündigung – Auflösungsantrag des Arbeitgebers

Ein Mitarbeiter wehrt sich erfolgreich gegen seine Kündigung. Doch statt nach der juristischen Niederlage einzulenken, spricht der Arbeitgeber die zweite Kündigung aus. Darf ein Chef im Arbeitsrecht so lange feuern, bis er den unliebsamen Arbeitnehmer los ist? Ein Landesarbeitsgericht entschied nun deutlich.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 SLa 38/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  • Datum: 31.10.2024
  • Aktenzeichen: 2 SLa 38/24
  • Verfahrensart: Berufung im Kündigungsschutzverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kündigungsschutzrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Arbeitnehmer (langjähriger Key Account Manager), klagt gegen die Kündigung und begehrt den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
  • Beklagte: Arbeitgeberin (Vertriebsgesellschaft), hat das Arbeitsverhältnis gekündigt und beantragte hilfsweise dessen gerichtliche Auflösung.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger war seit 2003 als Key Account Manager bei der Beklagten beschäftigt. Nach einer ersten, vom Gericht für unwirksam erklärten Kündigung, sprach die Beklagte eine zweite Kündigung aus und stellte einen Antrag auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
  • Kern des Rechtsstreits: Das Gericht musste entscheiden, ob die zweite ordentliche Kündigung wirksam war, insbesondere als sogenannte „Druckkündigung“, und ob Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorlagen.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts bestätigt. Die zweite Kündigung der Beklagten ist unwirksam und das Arbeitsverhältnis besteht fort. Der Antrag der Beklagten auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses wurde abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Unwirksamkeit der Kündigung damit, dass die strengen Voraussetzungen einer Druckkündigung nicht erfüllt waren, unter anderem weil der angebliche Druck vom eigenen Geschäftsführer der Beklagten ausging. Die von der Beklagten vorgebrachten Gründe für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wie angebliche Falschangaben des Klägers oder dessen Äußerungen in vorausgegangenen Gerichtsprozessen, wurden als nicht ausreichend angesehen, um eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar zu machen.
  • Folgen: Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten besteht über das Kündigungsdatum hinaus unverändert fort. Die Beklagte bleibt verpflichtet, den Kläger als Key Account Manager weiterzubeschäftigen.

Der Fall vor Gericht


Zweite Kündigung nach Gerichtsstreit: Chef darf nicht einfach aufgeben

Wenn ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter loswerden will, dieser sich aber erfolgreich gegen eine Kündigung wehrt, ist das Tischtuch oft zerschnitten. Doch darf der Arbeitgeber dann einfach eine neue Kündigung nachschieben, weil die Stimmung im Keller ist oder einzelne Führungskräfte nicht mehr mit dem Mitarbeiter zusammenarbeiten wollen?

Arbeitgeber übergibt Mitarbeiter Kündigungsbrief im modernen Büro mit Gerichtsunterlagen auf Schreibtisch
Gerichtsurteil zur Kündigung: Konflikt, Arbeitsplatz, Gehaltszahlung und Rechtssicherheit im Büro-Konflikt. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem aktuellen Fall (Az.: 2 SLa 38/24) entschieden: Nein, so einfach geht das nicht. Das Urteil stärkt die Rechte von Arbeitnehmern in festgefahrenen Konfliktsituationen.

Der Fall: Ein Key Account Manager im Dauerclinch mit seinem Arbeitgeber

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand Herr S., seit 2003 als Key Account Manager bei einer international tätigen Vertriebsgesellschaft für Haut- und Körperpflegemittel beschäftigt. Zuletzt betreute er namhafte Großkunden wie R., dm-drogerie markt und Rewe. Das Arbeitsverhältnis, in dem Herr S. anfangs sogar Prokura – eine umfassende geschäftliche Vertretungsmacht – besaß, wurde zunehmend von Auseinandersetzungen überschattet.

Eskalation in mehreren Akten

Die Konfliktspirale drehte sich immer schneller:

  1. Eine erste ordentliche Kündigung vom Juni 2022 erklärte das Arbeitsgericht Koblenz für unwirksam und verurteilte das Unternehmen zur Weiterbeschäftigung von Herrn S.
  2. Trotz des Urteils teilte die Geschäftsleitung Herrn S. mit, dass keine Bereitschaft zur weiteren Zusammenarbeit bestehe. Ein Angebot für einen Abwicklungsvertrag, also eine Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindung, lehnte Herr S. ab.
  3. Die Firma nahm ihre Berufung gegen das erste Urteil zurück, kam aber der Aufforderung zur Wiederbeschäftigung nicht nach.
  4. Herr S. klagte daraufhin ausstehendes Gehalt ein. In diesem Verfahren kam heraus, dass er für zwei Monate Arbeitslosengeld bezogen hatte, was er dem Gericht nicht sofort mitgeteilt hatte.
  5. Im Rahmen eines weiteren Gerichtstermins wegen einer Tantiemevereinbarung fielen seitens Herrn S. deutliche Worte: Die Firma habe sich von „rechtsstaatlichen und arbeitsrechtlichen Standards entfernt“, die Gründe für die erste Kündigung seien „erstunken und erlogen“, und er wolle „den Kampf“ aufnehmen.
  6. Kurz darauf, im April 2023, flatterte Herrn S. die zweite ordentliche Kündigung ins Haus, gegen die er erneut klagte. Das Unternehmen beantragte hilfsweise die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Die Kernfragen vor Gericht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) musste nun zwei zentrale Fragen klären:

  • War die zweite Kündigung vom April 2023 wirksam, insbesondere als sogenannte Echte Druckkündigung?
  • Falls nicht: Gab es ausreichende Gründe, das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers gerichtlich aufzulösen, weil eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar sei?

Die Entscheidung: Erneuter Sieg für den Arbeitnehmer

Das LAG Rheinland-Pfalz wies die Berufung des Unternehmens zurück und bestätigte damit das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz.
Im Klartext bedeutet das:

  • Die zweite Kündigung ist unwirksam.
  • Das Arbeitsverhältnis besteht unbefristet fort.
  • Das Unternehmen muss Herrn S. weiterbeschäftigen.
  • Der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses wurde abgelehnt.

Die Begründung des Gerichts: Hohe Hürden für Kündigung und Auflösung

Die Richter stellten klar, dass die vom Unternehmen angeführten Gründe weder die Kündigung noch eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Keine „echte Druckkündigung“ durch eigene Führungskräfte

Das Unternehmen hatte die zweite Kündigung unter anderem damit begründet, dass maßgebliche Führungskräfte, insbesondere der stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsleitung, Herr Dr. W, nicht mehr mit Herrn S. zusammenarbeiten wollten und dessen Entlassung gefordert hätten. Dies sei eine sogenannte echte Druckkündigung.
Eine solche Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte (z.B. Kunden, andere Mitarbeiter) unter Androhung ernster Nachteile für das Unternehmen die Entlassung eines bestimmten Mitarbeiters fordern. Der Arbeitgeber muss sich dann zunächst schützend vor den Mitarbeiter stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Drohung abzuwehren. Nur wenn dies scheitert und dem Unternehmen schwere wirtschaftliche Schäden drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Das LAG sah diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Herr Dr. W ist als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH kein „Dritter“, sondern vertritt das Unternehmen selbst und nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr. Ein Arbeitgeber kann sich nicht auf Druck berufen, der von seinen eigenen gesetzlichen Vertretern ausgeht. Diese sind gerade dazu da, ein bestehendes Arbeitsverhältnis – wie das von Herrn S., dessen erste Kündigung ja unwirksam war – fortzuführen.
Selbst wenn man andere Führungskräfte als „Dritte“ ansehen würde, hätte das Unternehmen nicht ausreichend dargelegt, sich schützend vor Herrn S. gestellt und ernsthaft versucht zu haben, den internen Druck abzuwehren. Insbesondere nach einer bereits gerichtlich festgestellten unwirksamen Kündigung muss der Arbeitgeber dem Eindruck entgegentreten, er begrüße den Druck, um den Mitarbeiter doch noch loszuwerden.

Kein Grund für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Auch den hilfsweise gestellten Antrag des Unternehmens, das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, lehnte das Gericht ab. Nach diesen Vorschriften kann ein Arbeitsverhältnis gerichtlich aufgelöst werden, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen. Das ist eine hohe Hürde.

Vorwurf 1: Verschwiegenes Arbeitslosengeld

Dass Herr S. im Lohnklageverfahren den Bezug von Arbeitslosengeld nicht sofort offengelegt hatte, wertete das Gericht nicht als ausreichend schweren Vertrauensbruch. Entscheidend ist hier oft, ob eine bewusste Täuschungsabsicht vorlag und ob dem Arbeitgeber dadurch ein echter Schaden hätte entstehen können. Da Arbeitslosengeld auf Lohnansprüche angerechnet wird (Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit), ist die „Gefahr“ eines unzutreffenden Urteils oft gering.

Vorwurf 2: Scharfe Kritik und „Kampfansage“ im Gerichtssaal

Die von Herrn S. im Gerichtstermin getätigten Aussagen – die Firma habe sich von „rechtsstaatlichen und arbeitsrechtlichen Standards entfernt“, die Kündigungsgründe seien „erstunken und erlogen“, er wolle „den Kampf“ aufnehmen – sah das Gericht im Kontext der extrem angespannten und emotional aufgeladenen gerichtlichen Auseinandersetzung.

  • Die Aussage über die „rechtsstaatlichen Standards“ wurde als Werturteil im Rahmen der Meinungsfreiheit (Artikel 5 Grundgesetz) gewertet, das in einer juristischen Auseinandersetzung zulässig sein kann, solange es nicht völlig haltlos ist.
  • Die Formulierung „erstunken und erlogen“ sei zwar hart, aber als Ausdruck der Verärgerung und des Bestreitens der Kündigungsgründe im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen zu sehen. Es sei nicht zwingend eine ehrverletzende Tatsachenbehauptung, die einer Wahrheitsprüfung zugänglich wäre.
  • Die „Kampfansage“ werteten die Richter ebenfalls als Ausdruck der konfrontativen Prozesssituation.

Wichtig ist hier: Die Äußerungen fielen im Gerichtssaal gegenüber dem Arbeitgeber, nicht gegenüber Kunden oder anderen Mitarbeitern. Solche Äußerungen im Rahmen eines Prozesses müssen nicht automatisch zur Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses führen.

Vorwurf 3: Schriftsätzliche Äußerungen des Anwalts

Kritik des Unternehmens an Formulierungen im Anwaltsschriftsatz von Herrn S. (z.B. „gekränkte Eitelkeit“ als Motivation einer Führungskraft) wies das Gericht ebenfalls zurück. Schriftsätzliche Äußerungen eines Prozessbevollmächtigten sind dem Arbeitnehmer in der Regel nicht für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen. Eine Pflicht zur Distanzierung besteht für den Mandanten meist nicht.

Vorwurf 4: Angeblich falsche Aussage im späteren Termin

Auch der neue Vorwurf des Unternehmens, Herr S. habe in einem späteren Gerichtstermin bewusst falsch ausgesagt, indem er bestritt, die Worte „erstunken und erlogen“ verwendet zu haben, überzeugte das LAG nicht. Entweder sah das Gericht den Vorwurf als nicht erwiesen an oder bewertete ihn nicht als schwerwiegend genug, um eine zukünftige Zusammenarbeit unmöglich zu machen.

Gesamtabwägung: Vertrauensverhältnis nicht irreparabel zerstört

Trotz der Vielzahl der Vorwürfe und der unbestritten angespannten Lage sah das Gericht das Vertrauensverhältnis nicht als endgültig zerstört an. Die Richter betonten, dass die kritischen Äußerungen von Herrn S. vor dem Hintergrund der vorangegangenen, bereits für unwirksam erklärten Kündigung und im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung gefallen sind. Das Unternehmen konnte nicht nachweisen, dass trotz dieser Vorkommnisse eine Fortsetzung der Tätigkeit objektiv nicht mehr möglich oder das Vertrauen nicht wiederherstellbar sei.

Was bedeutet dieses Urteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Dieses Urteil des LAG Rheinland-Pfalz hat Signalwirkung und verdeutlicht mehrere wichtige Aspekte für die Praxis.

Für Arbeitnehmer: Schutz auch in eskalierten Konflikten

  • Nicht jede Kritik ist ein Kündigungsgrund: Auch harte Worte im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen nicht automatisch zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere wenn sie im Gerichtssaal und nicht öffentlich oder gegenüber Kunden fallen. Die Meinungsfreiheit hat hier Gewicht.
  • Eine „Druckkündigung“ durch interne Querelen ist schwer durchzusetzen: Ein Arbeitgeber kann sich nicht einfach auf den Unwillen eigener Führungskräfte berufen, um einen unliebsamen Mitarbeiter loszuwerden. Er hat eine Schutzpflicht.
  • Weiterbeschäftigungsanspruch bleibt stark: Auch nach mehreren Kündigungsversuchen und hitzigen Auseinandersetzungen kann der Anspruch auf Weiterbeschäftigung bestehen bleiben, wenn die Kündigungen unwirksam sind und keine Zerrüttungsgründe vorliegen.
  • Vorsicht bei Angaben: Auch wenn das Gericht im Fall von Herrn S. das Nichtoffenlegen des Arbeitslosengeldes nicht als Auflösungsgrund wertete, ist es ratsam, im Prozess stets vollständige und korrekte Angaben zu machen, um keine Angriffsfläche zu bieten.

Für Arbeitgeber: Grenzen der Kündigungsmacht

  • Hohe Anforderungen an Druckkündigung: Die Hürden für eine wirksame Druckkündigung sind sehr hoch. Insbesondere interner Druck aus den eigenen Reihen reicht selten aus. Es muss eine ernsthafte externe Bedrohungslage bestehen.
  • Auflösungsantrag ist kein Allheilmittel: Auch wenn das Verhältnis zerrüttet erscheint, ist ein Auflösungsantrag kein Selbstläufer. Die Gründe für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung müssen gravierend sein und vom Arbeitgeber stichhaltig dargelegt werden. Das Verhalten des Arbeitnehmers wird stets im Gesamtkontext bewertet.
  • Konfliktmanagement ist gefragt: Statt auf wiederholte Kündigungen zu setzen, sollten Arbeitgeber bei Konflikten frühzeitig nach konstruktiven Lösungen suchen, gegebenenfalls auch unter Einbeziehung externer Mediation.
  • Prozessverhalten kann entscheidend sein: Ein Arbeitgeber, der bereits eine unwirksame Kündigung ausgesprochen hat und den Mitarbeiter nicht weiterbeschäftigt, muss besonders sorgfältig agieren, um nicht den Eindruck zu erwecken, er wolle den Mitarbeiter um jeden Preis loswerden.

Dieser Fall zeigt eindrücklich, dass das deutsche Arbeitsrecht Arbeitnehmer auch in stark verfahrenen Konfliktsituationen schützt und Arbeitgeber nicht beliebig oft versuchen können, eine Kündigung durchzusetzen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Der sorgfältige Umgang mit Konflikten und die Einhaltung rechtlicher Spielregeln sind für beide Seiten unerlässlich.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz verdeutlicht, dass Arbeitgeber nicht einfach eine zweite Kündigung aussprechen dürfen, nur weil Führungskräfte nicht mehr mit einem Mitarbeiter zusammenarbeiten wollen, dessen erste Kündigung bereits für unwirksam erklärt wurde. Kritische Äußerungen eines Arbeitnehmers im Rahmen eines Gerichtsverfahrens rechtfertigen in der Regel weder eine Kündigung noch die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses, besonders wenn sie im Kontext einer emotional aufgeladenen rechtlichen Auseinandersetzung fallen. Das Urteil stärkt die Position von Arbeitnehmern in Konfliktsituationen erheblich und zeigt, dass Arbeitgeber auch nach gescheiterten Kündigungsversuchen konstruktive Lösungen für die weitere Zusammenarbeit finden müssen.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Druckkündigung“ im Arbeitsrecht und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sie rechtens ist?

Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitgeber steht unter starkem Druck. Dieser Druck kommt nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von Dritten, zum Beispiel von Ihren Kollegen, wichtigen Kunden oder sogar Lieferanten. Sie fordern, dass Ihr Arbeitgeber Sie entlässt, weil Ihre Anwesenheit oder Ihr Verhalten aus ihrer Sicht Probleme verursacht. Wenn Ihr Arbeitgeber diesem Druck nachgibt und Ihnen deshalb kündigt, spricht man von einer Druckkündigung.

Wichtig ist: Nicht jeder Druck rechtfertigt eine Kündigung. Das deutsche Arbeitsrecht schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eine Druckkündigung ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig und gilt als Ausnahmefall.

Wann kann eine Druckkündigung rechtens sein?

Damit eine Druckkündigung überhaupt in Betracht kommt, müssen folgende Punkte erfüllt sein. Denken Sie daran, dass diese vom Arbeitgeber alle nachgewiesen werden müssen:

  1. Gravierender und nachweisbarer Druck: Es muss tatsächlich ein erheblicher, konkreter und nachweisbarer Druck von Dritten existieren, der sich nicht einfach ignorieren lässt. Es reicht nicht aus, dass ein paar Kollegen oder ein einzelner Kunde unzufrieden sind. Der Druck muss so stark sein, dass er den Betrieb, die Zusammenarbeit im Team oder wichtige Geschäftsbeziehungen ernsthaft gefährdet.
  2. Ursache liegt (indirekt) beim Arbeitnehmer: Der Druck muss direkt auf Ihrer Person oder Ihrem Verhalten beruhen. Dies bedeutet nicht zwingend, dass Ihr Verhalten arbeitsrechtlich „falsch“ oder vertragswidrig sein muss. Es reicht aber auch nicht, wenn der Druck grundlos ist oder auf falschen Behauptungen beruht, die der Arbeitgeber kennt. Der Druck muss eine Reaktion auf etwas sein, das mit Ihnen zusammenhängt und für die Dritten objektiv nachvollziehbar (wenn auch nicht unbedingt gerechtfertigt) ist.
  3. Keine andere zumutbare Lösung: Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass er alle zumutbaren und milderen Mittel ausgeschöpft hat, um die Situation ohne Ihre Kündigung zu lösen. Das bedeutet, er muss versuchen, den Druck zu beseitigen. Dazu gehört zum Beispiel:
    • Gespräche mit den Dritten führen (z.B. den Kollegen oder Kunden die Situation erklären, versuchen zu vermitteln).
    • Den Dritten verdeutlichen, dass ihr Verhalten (der Druck) nicht akzeptabel ist.
    • Prüfen, ob die Dritten, die den Druck ausüben, arbeitsrechtlich belangt oder versetzt werden können, wenn sie Mitarbeiter sind.
    • Versuchen, Ihre Aufgaben oder Ihren Einsatzort so zu ändern, dass der Druck entfällt, falls das möglich ist. Eine Kündigung darf nur das allerletzte Mittel sein, wenn wirklich keine andere Möglichkeit besteht, den Betriebsfrieden, die Zusammenarbeit oder die Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten.
  4. Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers: Selbst wenn alle anderen Punkte erfüllt sind, muss das Gericht eine umfassende Abwägung der Interessen vornehmen. Dabei wird Ihr Interesse am Erhalt Ihres Arbeitsplatzes gegen das Interesse des Arbeitgebers am Fortbestand seines Betriebs, am Schutz anderer Mitarbeiter oder an der Aufrechterhaltung wichtiger Geschäftsbeziehungen abgewogen. Nur wenn das Interesse des Arbeitgebers eindeutig überwiegt und die Kündigung daher die einzig verhältnismäßige Lösung ist, kann sie rechtens sein.

Beweislast des Arbeitgebers

Für Sie als Arbeitnehmer ist wichtig zu wissen: Der Arbeitgeber trägt bei einer Druckkündigung die volle Beweislast. Er muss vor Gericht alles beweisen: den tatsächlichen, gravierenden Druck, dessen Ursache bei Ihnen liegt, seine Bemühungen, den Druck anders zu beseitigen, das Scheitern dieser Bemühungen, das Fehlen anderer Lösungen und dass sein Interesse tatsächlich schwerer wiegt als Ihres. Dies macht eine Druckkündigung für Arbeitgeber sehr schwierig.

Denken Sie an den in der Frage genannten Kontext: Wenn nach einem Gerichtsprozess mit dem Arbeitgeber oder Kollegen die Fronten so verhärtet sind, dass eine weitere Zusammenarbeit objektiv nicht mehr möglich ist und dies zu massivem Druck anderer Mitarbeiter oder Geschäftsbeeinträchtigungen führt, könnte dies theoretisch ein Ansatzpunkt für eine Druckkündigung sein. Aber eben nur, wenn alle oben genannten, sehr strengen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitgeber nachweisen kann, dass alles andere versucht wurde.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine Druckkündigung ist im deutschen Arbeitsrecht ein seltener und komplizierter Fall. Sie erfordert, dass der Arbeitgeber beweisen kann, dass er aufgrund massiven, nachweisbaren Drucks Dritter zu dieser Maßnahme gezwungen war, nachdem er alle anderen Möglichkeiten zur Konfliktlösung ausgeschöpft hat und die Interessenabwägung dies rechtfertigt.


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Unter welchen Umständen kann ein Gericht ein Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers auflösen, obwohl eine Kündigung unwirksam ist?

Auch wenn ein Gericht festgestellt hat, dass eine Kündigung des Arbeitgebers rechtlich unwirksam war, kann das Arbeitsverhältnis unter bestimmten, besonderen Umständen dennoch beendet werden. Dies geschieht durch einen Auflösungsantrag, den der Arbeitgeber (oder auch der Arbeitnehmer) beim Gericht stellen kann.

Das Gesetz sieht vor, dass das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers auflösen kann, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Das bedeutet vereinfacht: Es muss dem Arbeitgeber unzumutbar sein, den Arbeitnehmer weiterhin zu beschäftigen.

Solche Gründe können vielfältig sein. Ein häufiger Fall ist, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schwer und nachhaltig gestört oder vollständig zerstört ist. Stellen Sie sich vor, es gab im Vorfeld oder während eines Kündigungsschutzprozesses gravierende Vorfälle, wie schwere Beleidigungen, unhaltbare Anschuldigungen oder aggressives Verhalten, die das Miteinander so vergiftet haben, dass eine Rückkehr an den Arbeitsplatz und eine normale Zusammenarbeit im Betriebsalltag nicht mehr denkbar erscheint. Gerade die Auseinandersetzung vor Gericht kann das Verhältnis manchmal so belasten.

Das Gericht prüft in einem solchen Fall sehr genau, ob die vom Arbeitgeber genannten Gründe tatsächlich so schwerwiegend sind, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist. Es wägt dabei die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung und das Recht des Arbeitnehmers auf seinen Arbeitsplatz sorgfältig ab.

Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist, wird es das Arbeitsverhältnis durch seine Entscheidung auflösen. Gleichzeitig verurteilt das Gericht den Arbeitgeber in der Regel zur Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer. Diese Abfindung soll den Verlust des Arbeitsplatzes finanziell ausgleichen. Das Gesetz gibt für die Höhe der Abfindung einen Rahmen vor, der sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Alter des Arbeitnehmers richtet.

Für Sie bedeutet das: Selbst ein „Sieg“ vor Gericht, bei dem eine Kündigung für unwirksam erklärt wird, garantiert nicht in jedem Fall die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn das Gericht schwerwiegende Gründe sieht, die eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machen, und deshalb das Arbeitsverhältnis auf Antrag auflöst.


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Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer, wenn mein Arbeitgeber trotz eines gewonnenen Gerichtsprozesses zur Weiterbeschäftigung keine Anstalten macht, mich tatsächlich weiterzubeschäftigen?

Wenn Sie als Arbeitnehmer einen Gerichtsprozess gewonnen haben und das Urteil besagt, dass Sie weiterbeschäftigt werden müssen, Ihr Arbeitgeber dies aber ignoriert, stehen Ihnen verschiedene rechtliche Möglichkeiten offen. Das Gerichtsurteil ist ein starkes Werkzeug, das Ihren Anspruch auf Arbeit formal bestätigt.

Das Recht auf Weiterbeschäftigung durchsetzen

Das Urteil des Gerichts gibt Ihnen einen rechtlichen Anspruch. Wenn der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nachkommt, können Sie das Urteil mithilfe des Gerichts durchsetzen. Dieser Vorgang nennt sich Zwangsvollstreckung. Stellen Sie sich vor, das Gericht hilft Ihnen dabei, den Arbeitgeber unter Druck zu setzen, damit er sich an das Urteil hält.

Eine direkte „Zwangsarbeit“ für den Arbeitgeber kann das Gericht nicht anordnen. Stattdessen wird Druck über finanzielle Mittel ausgeübt. Das Gericht kann auf Ihren Antrag hin ein Zwangsgeld gegen den Arbeitgeber festsetzen. Das ist eine Geldstrafe, die der Arbeitgeber an die Staatskasse zahlen muss, wenn er sich weiterhin weigert, Sie zu beschäftigen. Dieses Zwangsgeld kann immer wieder neu festgesetzt werden, bis der Arbeitgeber das Urteil befolgt. In sehr seltenen Fällen kann auch Zwangshaft angedroht oder verhängt werden, dies ist im Arbeitsrecht für die reine Weiterbeschäftigung aber extrem ungewöhnlich.

Um diesen Weg zu gehen, benötigen Sie ein vollstreckbares Urteil. Manchmal ist ein Urteil schon vor seiner endgültigen Rechtskraft vorläufig vollstreckbar.

Anspruch auf Lohn auch ohne Arbeit

Auch wenn Sie aufgrund der Weigerung des Arbeitgebers nicht arbeiten können, behalten Sie in der Regel Ihren Anspruch auf Ihr Gehalt. Diesen Anspruch nennt man Annahmeverzugslohn. Er entsteht, weil der Arbeitgeber Ihre Arbeitsleistung nicht annimmt, obwohl Sie arbeitsfähig und arbeitswillig sind. Sie müssen also nicht arbeiten, um Ihren Lohn zu erhalten, wenn der Arbeitgeber die Arbeit verweigert, obwohl das Gericht ihn zur Weiterbeschäftigung verpflichtet hat.

Diesen Lohnanspruch können Sie gesondert vom Weiterbeschäftigungsanspruch geltend machen. Es ist wichtig zu wissen, dass Lohnansprüche oft Ausschlussfristen unterliegen können. Das bedeutet, Sie müssen diese Lohnansprüche innerhalb einer bestimmten Frist nach Fälligkeit gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen (oft schriftlich), sonst verfallen sie. Prüfen Sie hierzu Ihren Arbeitsvertrag oder geltende Tarifverträge.

Mögliche Schadensersatzansprüche

Neben dem Annahmeverzugslohn könnten unter bestimmten Umständen auch Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber bestehen. Dies wäre der Fall, wenn Ihnen durch die Nichtbeschäftigung weitere konkrete Schäden entstanden sind, die über den reinen Lohnverlust hinausgehen und vom Arbeitgeber schuldhaft verursacht wurden. Solche Ansprüche sind oft komplexer nachzuweisen als der Annahmeverzugslohn.

Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet dies, dass Ihnen nach einem gewonnenen Prozess zur Weiterbeschäftigung Werkzeuge zur Verfügung stehen, um Ihr Recht auch faktisch durchzusetzen oder zumindest finanzielle Nachteile (Lohn) auszugleichen.


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Was bedeutet „Abwicklungsvertrag“ und welche Vor- und Nachteile hat er im Vergleich zu einer Kündigungsschutzklage?

Ein Abwicklungsvertrag ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Er wird typischerweise nachdem der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen hat geschlossen. Ziel ist es, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die durch die Kündigung ohnehin bevorsteht, einvernehmlich zu regeln und festzulegen, wie genau die Trennung abläuft.

Der Abwicklungsvertrag unterscheidet sich von einer Kündigungsschutzklage. Eine Kündigungsschutzklage ist der Schritt des Arbeitnehmers, vor Gericht gegen die erhaltene Kündigung vorzugehen. Dabei prüft das Arbeitsgericht, ob die Kündigung rechtens war. Das Ziel der Klage kann sein, die Kündigung für unwirksam erklären zu lassen und so den Arbeitsplatz zu behalten, oder eine Abfindung vom Gericht zugesprochen zu bekommen, wenn eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist.

Statt den Weg über das Gericht mit einer Kündigungsschutzklage zu gehen, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer also einen Abwicklungsvertrag schließen.

Typische Inhalte eines Abwicklungsvertrags

In einem solchen Vertrag regeln die Parteien wichtige Punkte, die durch die Beendigung entstehen. Dazu gehören oft:

  • Beendigungsdatum: Es wird festgelegt, wann das Arbeitsverhältnis endgültig endet.
  • Abfindung: Eine Geldzahlung vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes. Die Höhe ist Verhandlungssache und hängt von verschiedenen Faktoren ab.
  • Freistellung: Es kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer ab sofort oder einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zur Arbeit erscheinen muss, aber weiterhin sein Gehalt bis zum Vertragsende erhält. Dies nennt man bezahlte Freistellung.
  • Urlaub und Überstunden: Wie nicht genommener Urlaub oder aufgelaufene Überstunden abgegolten werden.
  • Arbeitszeugnis: Wie das Zeugnis formuliert sein soll (z.B. „qualifiziert“ oder „einfach“).
  • Rückgabe von Firmeneigentum: Regeln zur Rückgabe von Laptop, Handy, Dienstwagen etc.

Vorteile und Nachteile für den Arbeitnehmer im Vergleich zur Kündigungsschutzklage

Wenn Sie gekündigt wurden, stehen Sie vor der Wahl: Klage oder Abwicklungsvertrag (falls angeboten). Beide Wege haben spezifische Vor- und Nachteile.

Vorteile eines Abwicklungsvertrags:

  • Sicherheit und Planbarkeit: Ein Abwicklungsvertrag schafft sofortige Klarheit über die Bedingungen der Trennung (wann endet es, wie viel Geld gibt es). Es gibt kein Prozessrisiko wie vor Gericht.
  • Schnelligkeit: Die Angelegenheit ist schnell geregelt, ohne ein oft langwieriges Gerichtsverfahren.
  • Vermeidung von Konflikt: Sie umgehen den Stress und die Belastung eines Gerichtsprozesses, der oft emotional aufreibend ist.
  • Verhandlungsmöglichkeiten: Sie können versuchen, eine höhere Abfindung oder eine längere Freistellung auszuhandeln, als Ihnen gesetzlich zustehen würde (oft steht Ihnen gar keine gesetzliche Abfindung zu).

Nachteile eines Abwicklungsvertrags:

  • Verlust des Kündigungsschutzes: Mit der Unterschrift erkennen Sie die Beendigung an und geben die Möglichkeit auf, sich gerichtlich gegen die Kündigung zu wehren und den Arbeitsplatz möglicherweise zu behalten.
  • Risiko einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld: Da Sie der Beendigung zustimmen, wertet die Agentur für Arbeit dies unter Umständen als „freiwillige Arbeitsaufgabe“. Das kann dazu führen, dass Sie für eine bestimmte Zeit (oft 12 Wochen) kein Arbeitslosengeld erhalten. Dieses Risiko ist ein sehr wichtiger Punkt, der bei der Entscheidung unbedingt bedacht werden muss.
  • Die Abfindung im Vertrag ist möglicherweise geringer, als ein Gericht sie im Rahmen eines Vergleichs zugesprochen hätte – oder potenziell höher, wenn die Kündigung an sich schwach begründet war.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein Abwicklungsvertrag ist eine Alternative zum Gang vor Gericht. Er bietet Planungssicherheit und Schnelligkeit, birgt aber Nachteile wie den Verlust des Kündigungsschutzes und das Risiko einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Eine Kündigungsschutzklage hingegen ist der gerichtliche Weg, um die Kündigung anzufechten, verbunden mit dem Potenzial auf Weiterbeschäftigung oder eine gerichtlich festgelegte Abfindung, aber auch mit Unsicherheit und Prozessdauer.


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Welche Rolle spielen frühere Äußerungen und Verhaltensweisen des Arbeitnehmers im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses oder eines Antrags auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses?

In einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht, sei es eine Klage gegen eine Kündigung oder ein Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses, können frühere Äußerungen und Verhaltensweisen des Arbeitnehmers eine Rolle spielen. Sie sind jedoch nicht per se entscheidend, sondern werden im Gesamtbild bewertet.

Wann können frühere Verhaltensweisen relevant sein?

Früheres Verhalten des Arbeitnehmers kann insbesondere dann berücksichtigt werden, wenn es einen Bezug zum aktuellen Konflikt hat oder die Fähigkeit zur weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit in Frage stellt. Stellen Sie sich vor, es gab bereits in der Vergangenheit wiederholt ernsthafte Spannungen oder Vorfälle. Solche früheren Ereignisse können vom Gericht herangezogen werden, um die aktuelle Situation besser zu verstehen.

  • Bei der Prüfung einer Kündigung: Wenn die Kündigung beispielsweise auf aktuelles Fehlverhalten gestützt wird, kann früheres, ähnliches Verhalten relevant sein, um zu beurteilen, ob eine Abmahnung vor der Kündigung notwendig gewesen wäre oder ob das aktuelle Verhalten besonders schwerwiegend ist, weil es eine Wiederholung darstellt. Auch bei einer Kündigung aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (z.B. fehlende Eignung), können frühere Vorfälle eine Rolle spielen. Bei einer Kündigung aus betrieblichen Gründen ist das Verhalten des Arbeitnehmers in der Regel nicht relevant.
  • Bei einem Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses: Der Arbeitgeber kann unter bestimmten Umständen beim Gericht beantragen, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, auch wenn eine Kündigung unwirksam war. Dies ist oft der Fall, wenn eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar geworden ist. Hier spielen frühere Konflikte und Verhaltensweisen, die zu einer schweren Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, eine zentrale Rolle. Verhalten während eines vorausgegangenen Gerichtsprozesses, das die Beziehung nachhaltig beschädigt, kann ebenfalls als Beleg für eine solche Zerrüttung herangezogen werden.

Die umfassende Interessenabwägung

Das Gericht betrachtet nie nur isolierte Verhaltensweisen. Stattdessen nimmt es eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vor. Dabei werden die Interessen beider Parteien – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – gegeneinander abgewogen.

Das bedeutet:

  • Auf Seiten des Arbeitnehmers können zum Beispiel die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter, Unterhaltspflichten oder eine eventuelle Schwerbehinderung ins Gewicht fallen. Auch, wie schwerwiegend oder alltäglich das frühere Verhalten war, ist relevant.
  • Auf Seiten des Arbeitgebers spielen die Art des Betriebs, die konkreten Auswirkungen des Verhaltens auf den Arbeitsablauf, das Betriebsklima oder andere Mitarbeiter eine Rolle.

Solche früheren Umstände führen aber nicht automatisch zu einer Kündigung oder Auflösung. Das Gericht prüft sehr genau, ob das Verhalten tatsächlich relevant war, ob es die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht und wie es im Verhältnis zu allen anderen Aspekten steht. Ein früherer Konflikt oder eine Äußerung wird also nur dann berücksichtigt, wenn sie im konkreten Fall von Bedeutung ist und die umfassende Interessenabwägung dies ergibt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Abwicklungsvertrag

Ein Abwicklungsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nach Ausspruch einer Kündigung getroffen wird, um das Arbeitsverhältnis einvernehmlich und geregelt zu beenden. Dabei werden meist das Beendigungsdatum, eine mögliche Abfindung sowie weitere Modalitäten wie Urlaubsabgeltung oder Zeugnis geregelt. Im Unterschied zur Kündigungsschutzklage verzichtet der Arbeitnehmer mit einem Abwicklungsvertrag auf den gerichtlichen Weg und akzeptiert die Trennung sofort. Für Arbeitnehmer bietet der Vertrag Planungssicherheit, birgt aber das Risiko einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, weil er als freiwillige Arbeitsaufgabe gewertet werden kann.

Beispiel: Statt vor Gericht den Arbeitsplatz zu verteidigen, einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf, das Arbeitsverhältnis zum Monatsende gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden.


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Echte Druckkündigung

Eine echte Druckkündigung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber von außen (zum Beispiel Kunden, Kollegen oder Lieferanten) unter erheblichem und nachweisbarem Druck gesetzt wird, einen bestimmten Mitarbeiter zu entlassen. Der Arbeitgeber muss in einem solchen Fall nachweisen, dass er alles Zumutbare getan hat, um dem Druck entgegenzuwirken, zum Beispiel durch Vermittlungsgespräche oder interne Umsetzungen. Nur wenn diese Bemühungen scheitern und dem Unternehmen ernsthafte wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine solche Kündigung gerechtfertigt sein. Interner Druck seitens eigener Führungskräfte gilt dagegen nicht als Dritter und kann keine Druckkündigung rechtfertigen.

Beispiel: Wenn ein wichtiger Kunde droht, den Vertrag zu kündigen, weil er unzufrieden mit einem Mitarbeiter ist, und der Arbeitgeber trotz aller Versuche keine Lösung findet, könnte eine echte Druckkündigung zulässig sein.


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Auflösungsantrag gemäß §§ 9, 10 KSchG (Kündigungsschutzgesetz)

Der Auflösungsantrag ist ein gerichtliches Verfahren, mit dem ein Arbeitgeber trotz unwirksamer Kündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreichen kann. Voraussetzung ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist, etwa wegen schwerer Zerrüttung des Vertrauens. Das Gericht prüft sorgfältig, ob Gründe vorliegen, die eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machen, und wägt die Interessen beider Seiten ab. Wird der Antrag stattgegeben, ordnet das Gericht die Auflösung an und spricht oft eine Abfindung zu.

Beispiel: Nach mehreren gescheiterten Kündigungsversuchen beantragt ein Arbeitgeber die gerichtliche Auflösung, weil sich das Vertrauensverhältnis mit dem Mitarbeiter nachhaltig zerschlagen hat.


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Weiterbeschäftigungsanspruch

Der Weiterbeschäftigungsanspruch entsteht, wenn eine Kündigung gerichtlich für unwirksam erklärt wird und das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Der Arbeitnehmer hat dann das Recht, seine Arbeit weiterhin aufzunehmen, und der Arbeitgeber muss ihn beschäftigen. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, kann der Arbeitnehmer die vollstreckbare Entscheidung gerichtlich durchsetzen, etwa durch Zwangsgeld. Auch ohne Arbeit erhält der Arbeitnehmer in der Regel seinen Lohn (Annahmeverzugslohn), da der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annehmen will.

Beispiel: Nach einer unrechtmäßigen Kündigung wird ein Mitarbeiter gerichtlich wieder eingestellt; wenn der Arbeitgeber ihn nicht arbeiten lässt, kann das Gericht eine Geldstrafe verhängen, bis der Arbeitgeber sich an das Urteil hält.


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Meinungsfreiheit im arbeitsgerichtlichen Verfahren

Die Meinungsfreiheit schützt die Äußerung von Werturteilen und kritischer Kommentare, auch wenn diese hart oder emotional sind, insbesondere während eines Gerichtsprozesses. Sofern die Äußerungen nicht völlig haltlos oder ehrverletzend im strafrechtlichen Sinne sind, können sie im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung zulässig sein. Dies gilt besonders für Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber während der Verhandlung. Solche Äußerungen führen daher nicht automatisch zur Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses oder einer Kündigung.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer nennt die Kündigungsgründe im Prozess „erstunken und erlogen“ – diese starke Kritik wird als zulässiges Werturteil im Rahmen des Rechtsstreits bewertet und rechtfertigt keine Kündigung allein deshalb.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Regelt die Anhörung des Betriebsrats vor einer Kündigung, um dessen Einschätzung zur Kündigung einzuholen. Diese Pflicht dient dem Schutz des Arbeitnehmers vor unrechtmäßigen Kündigungen durch Einbindung der Arbeitnehmervertretung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung muss bei jeder Kündigung erfolgen; eine fehlende oder fehlerhafte Anhörung kann die Kündigung unwirksam machen, was bei den Kündigungen von Herrn S. eine Rolle spielt.
  • § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Stellt sicher, dass eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss, entweder durch personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe. Ohne diese Voraussetzungen ist die Kündigung unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die erste Kündigung von Herrn S. wurde vom Gericht als unwirksam beurteilt, weil die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung nicht vorlagen, was den späteren Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet.
  • §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) – Gerichtliche Auflösung: Ermöglichen die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wenn eine Weiterbeschäftigung für beide Parteien unzumutbar ist, beispielsweise bei schwerwiegender Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses. Der Antrag muss gut begründet sein und stellt einen besonders hohen Hürdenbereich dar. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Unternehmen beantragte die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses, was das Gericht jedoch ablehnte, da keine hinreichenden Gründe für eine Unzumutbarkeit der Zusammenarbeit vorlagen.
  • Rechtsprechung zum Grundsatz der „echten Druckkündigung“: Bei einer echten Druckkündigung fordert ein Dritter unter Androhung erheblicher Nachteile die Entlassung eines Arbeitnehmers; der Arbeitgeber muss sich zunächst schützend vor den Mitarbeiter stellen und erst bei drohenden wirtschaftlichen Schäden kündigen. Eigene Geschäftsführer sind jedoch keine Dritten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die vom Arbeitgeber angeführte „echte Druckkündigung“ scheiterte, da der angebliche Druck von eigenen Führungskräften ausging und der Arbeitgeber keine ausreichenden Schutzmaßnahmen gegenüber Herrn S. unternahm.
  • Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz): Schützt Äußerungen, insbesondere im Rahmen von Gerichtsverfahren, als Meinungsäußerungen, solange keine rechtswidrigen Tatsachenbehauptungen oder Ehrverletzungen vorliegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die scharfen Aussagen von Herrn S. im Prozess wurden als zulässige Meinungsäußerungen angesehen und konnten nicht als Grundlage für eine Kündigung oder Auflösung des Arbeitsverhältnisses dienen.
  • § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Dienstvertrag / Arbeitsvertrag: Regelt die Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Arbeitsverhältnis, insbesondere die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und Treue. Ein schwerer Vertrauensbruch kann eine Kündigung rechtfertigen, wenn er die Zusammenarbeit dauerhaft unmöglich macht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sah trotz der Konflikte und Vorwürfe keinen irreparablen Vertrauensbruch, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausschließt.

Das vorliegende Urteil



Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 2 SLa 38/24 – Urteil vom 31.10.2024


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